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AUSLAND/2280: Costa Rica - Grünes Licht für In-Vitro-Fertilisationen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. September 2015

Costa Rica: Grünes Licht für In-Vitro-Fertilisationen

von Diego Arguedas Ortiz


Bild: © Costaricanisches Präsidialamt

Der costaricanische Staatspräsident Luis Guillermo Solís bei der Unterzeichnung des Dekrets, dass die In-Vitro-Fertilisation in dem Land legalisiert
Bild: © Costaricanisches Präsidialamt

SAN JOSÉ (IPS) - 15 Jahre lang war die In-Vitro-Fertilisation (IVF) in Costa Rica verboten. Fast drei Jahre lang wurde ein anderslautendes Urteil des Interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshofs ignoriert. Nun hat der Staatschef des zentralamerikanischen Landes das von konservativen Kreisen torpedierte Reproduktionsverfahren per Dekret legalisiert.

Am 10. September unterzeichnete der Mitte-Links-Präsident Luis Guillermo Solís den Erlass, der die Umsetzung des seit 2012 vorliegenden Beschlusses des Menschenrechtstribunals ermöglicht. Darin ordnete er die Durchführung der Maßnahmen an, die erforderlich sind, um die rechtlichen Hürden zu beseitigen, die der Durchführung von IVF im Wege stehen.

"Das war diskriminierend", erklärte der Anwalt Hubert May, der einige der Kläger gegen das Verbot rechtlich vertreten hatte. "Die Leidtragenden waren diejenigen, die nicht das Geld hatten, das In-Vitro-Fertilisationsverfahren im Ausland durchführen zu lassen oder die nicht willens waren, ihre Häuser zu verpfänden oder einen Kredit aufzunehmen, um sich ihren sehnlichsten Wunsch nach einem Kind zu erfüllen."

Im November 2012 hatte das regionale Menschenrechtstribunal mit Sitz in der costaricanischen Hauptstadt San José erklärt, dass das IVF-Verbot gegen die Rechte auf Privatsphäre, Entscheidungsfreiheit, persönliche Integrität und sexuelle Gesundheit verstoße. Ferner unterminiere es das Recht, eine Familie zu gründen, sich vor Diskriminierung zu schützen und vom technologischen Fortschritt zu profitieren.

Der Erlass des Präsidenten reguliert die IVF und überträgt dem öffentlichen Gesundheitssystem das Mandat, die Verfahren der künstlichen Befruchtung durchzuführen. Somit sind auch weniger betuchte Paare im Lande in der Lage, die Leistung in Anspruch zu nehmen. May zufolge ebnet das Dekret Frauen und Paaren den Weg, die IVF als Teil der regulären Gesundheitsdienstleistungen durch das Sozialversicherungsinstitut CCSS in Anspruch nehmen zu können.

Bei der In-Vitro-Fertilisation werden die Eizellen aus dem Eierstock der Frau im Reagenzglas mit Samenzellen des Partners zusammengeführt. Gelingt die Befruchtung und entwickeln sich die befruchteten Eizellen weiter, werden in der Regel bis höchstens drei Embryonen in die Gebärmutter der Frau eingepflanzt. In Costa Rica sind laut Erlass bis zu zwei erlaubt.


Argentinien als Vorreiter

Aus dem Gerichtsurteil des regionalen Menschenrechtsgerichts von 2012 geht hervor, dass Costa Rica das einzige Land der Welt ist, das die IVF explizit verbietet. Argentinien hatte als erstes Land Lateinamerikas im Jahr 1984 die künstliche Befruchtung eingeführt.

Zu den zwölf Paaren, die gegen das Verbot geklagt hatten, gehören Gretel Artavia Murillo und ihr inzwischen geschiedener Mann Miguel Mejía. Wie dieser dem Tribunal berichtete, hatten er und seine damalige Frau eine Hypothek auf ihr Haus aufgenommen und alle Ersparnisse zusammengekratzt, um das Verfahren in Costa Rica durchführen zu lassen. Doch dazu ist es nicht gekommen, weil die IVF im Jahr 2000 verboten wurde.

Fünf Jahre lang waren die IVF erlaubt. Doch dann erklärte das costaricanische Verfassungsgericht das Gesetz, das die Eingriffe regelt, für ungültig. Fünf der sieben Richter argumentierten damals, dass die Norm gegen das Recht auf Leben verstoße, das bereits bei der Empfängnis beginne. Dann sei "der ein Mensch ein Mensch [...], der über das Recht verfügt, vom Rechtssystem geschützt zu werden".

Das sahen die Richter des regionalen Menschenrechtsgerichts offenbar anders: "Sie teilten nicht die Ansicht des costaricanischen Verfassungsgerichts, wonach der Schutz des Lebens in dem Augenblick beginnt, in dem sich das befruchtete Ei im Uterus einnistet", erläuterte May.

Er und andere Experten sind der Meinung, dass das Urteil des höchsten costaricanischen Gerichts die extrem konservativen Ansichten der katholischen Kirchenhierarchie und anderer christlicher Gruppen widerspiegelt. Der Widerstand evangelischer und konservativer Abgeordneter führte dazu, dass die Debatte über ein Gesetz zur Regulierung der IVF zwei Jahre lang im Parlament feststeckte.

In einer öffentlichen Anhörung durch das regionale Menschenrechtstribunal über die Fortschritte bei der Umsetzung des 2012 verhängten Urteils erklärte die Exekutive schließlich, dass sie es per Erlass durchsetzen werde.


"Viele Frauen um die Chance der Mutterschaft gebracht"

"Wir wissen, dass wichtige Entscheidungen zu Fragen der sexuellen und reproduktiven Rechte nie durchs Parlament kommen", meinte Larissa Arroyo, eine auf diese Rechte spezialisierte Anwältin. Angesichts der Tatsache, dass die Zeit für Frauen begrenzt sei, Kinder auszutragen, seien fast alle, die sich vergeblich eine IVF gewünscht hätten, um die Chance der Mutterschaft gebracht worden.

Nach der Anhörung am 3. September sicherte sich die Regierung die Unterstützung der Costaricanischen Ärztekammer und des CCSS für das Dekret. Beide waren einverstanden, allerdings wies das CCSS darauf hin, dass mit der Genehmigung der IVF höhere Kosten anfallen. Jedes dieser assistieren Reproduktionsverfahren kostet um die 40.000 US-Dollar.

Etwa zeitgleich brach im Parlament eine Debatte über die Zukunft des Gesetzes zur Regelung der IVF aus. Während einige Abgeordnete die Verabschiedung der Norm beschleunigen wollten, verurteilten andere die künstliche Befruchtung als "Anschlag auf das ungeborene Leben". Selbst Vergleiche mit dem Holocaust im Nazi-Deutschland wurden herangezogen.

Angesichts der geringen Chancen für eine Verabschiedung des Gesetzes, begrüßten Organisationen wie das Zentrum für Gerechtigkeit und Internationales Recht (CEJIL) die Entscheidung, es per Dekret durchzusetzen.

Das Urteil von 2012 war das zweite, dass der Interamerikanische Menschenrechtsgerichtshof gegen Costa Rica verhängt hat. 2004 hatte er die Verurteilung des Journalisten Mauricio Herrera durch ein costaricanisches Gericht wegen Diffamierung eines Diplomaten als Verstoß gegen die freie Meinungsäußerung gegeißelt und die Regierung angewiesen, ein neues Gesetz zur freien Meinungsäußerung zu erlassen. (Ende/IPS/kb/15.09.2015)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2015/09/finalmente-costa-rica-vuelve-a-permitir-fecundacion-in-vitro/
http://www.ipsnews.net/2015/09/costa-rica-finally-allows-in-vitro-fertilisation-after-15-year-ban/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. September 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. September 2015

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