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AUSLAND/2010: Côte d'Ivoire - Mangel an Aidsmedikamenten, Übermaß an Stigmatisierung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. November 2013

Côte d'Ivoire: Mangel an Aidsmedikamenten, Übermaß an Stigmatisierung

von Fulgence Zamblé


Bild: © Kristin Palitza/IPS

Eine Gesundheitsarbeiterin leistet Aufklärungsarbeit in einer Familienplanungsklinik in Yopougon
Bild: © Kristin Palitza/IPS

Abidjan, Côte d'Ivoire, 12. November (IPS) - Am Cocody-Anono-Gemeindegesundheitszentrum südöstlich von Abidjan, der Wirtschaftsmetropole von Côte d'Ivoire, finden regelmäßig Informationsveranstaltungen statt, die HIV-positive Frauen über die Möglichkeiten aufklären, eine Mutter-Kind-Übertragung zu verhindern.

Bertine Bahi, die in Wahrheit anders heißt, war im dritten Monat schwanger, als sie HIV-positiv getestet wurde. Drei Monate weiß die 32-Jährige nun schon Bescheid. Doch vor ihrem Mann hält sie Krankheit geheim. "Meine Hebamme meint zwar, ich müsste meinem Mann reinen Wein einschenken. Doch täte ich das, würde ich aus unserem Haus geworfen", sagt sie. Ihre antiretroviralen Medikamente (ARVs) nimmt sie heimlich ein.

Suzanne Asseman, auch sie heißt eigentlich anders, ist 37 Jahre alt. Die Hausfrau aus Agboville im Süden Côte d'Ivoires weiß seit Juni 2012, dass sie HIV-positiv ist. Von ihrem Wohnort bis nach Abidjan, wo sie sich ihre ARVs beschafft, sind es 80 Kilometer - eine beschwerliche Reise für eine Frau, die im siebten Monat schwanger ist. Bevor sie ihre Tabletten für den Monat Oktober abholen konnte, war die Therapie fünf Wochen lang unterbrochen. ARVs müssen aber, damit sie wirken, regelmäßig eingenommen werden.

Asseman zufolge kommt es häufig vor, dass sie ein bis zwei Wochen ohne Medikamente auskommen muss. Doch so lang wie beim letzten Mal hatte sie die Behandlung noch nie unterbrochen. Sie befürchtet, dass sie diesmal zu spät dran war, um ihr Kind vor einer Ansteckung zu bewahren.


5.000 Kinder im letzten Jahr neu infiziert

Nach Angaben der UN-Aids-Organisation UNAIDS haben sich im letzten Jahr 5.000 Kinder neu mit HIV/Aids infiziert, 35.000 wurden im gleichen Jahr für eine ARV-Therapie ausgewählt. Acht von zehn haben die Medikamente jedoch nie erhalten. Die Zahl der Neuinfektionen von Frauen belief sich 2012 auf 14.000.

Wie Rolande Yao, eine Sozialarbeiterin am PMTCT-Zentrum in Attécoubé in Abidjan, berichtet, nimmt die Stigmatisierung der HIV/Aids-Patienten zu. Die Unterbrechungen der Therapie machen den Betroffenen das Leben nur noch schwerer. Drei von zehn schwangeren Frauen, die sich mit der Immunschwächekrankheit angesteckt haben, haben keinen Zugang zu den Medikamenten zur Verhinderung einer Mutter-Kind-Übertragung (PMTCT), so UNAIDS in seinem diesjährigen Bericht.

Lassen sich Frauen auf Aids testen, stellt dies oftmals die Beziehung zu ihren Männern auf eine harte Probe. "Wenn ein Mann erfährt, dass seine Frau das Virus in sich trägt, verdächtigt er sie häufig der Untreue", berichtet Yao. "Er kann sich weigern, sich testen zu lassen, und seine Frau verstoßen." Yao schätzt, dass genau dies sieben von zehn Frauen widerfährt. Selbst das Eingreifen des Gesundheitspersonals kann nicht verhindern, dass sich viele Männer von ihren Frauen trennen.

Die Angst vor der Ablehnung veranlasst schwangere HIV-positive Frauen dazu, andere Gesundheitszentren aufzusuchen, um ihre Krankheit zu verbergen. Andere fallen durch das medizinische System, weil sie Schwangerschaftsuntersuchungen aus Angst, entdeckt zu werden, meiden, was wiederum dazu führt, dass sich die Säuglinge im Mutterleib mit dem Virus anstecken.

Nach Aussagen von Cyriaque Ako, dem Koordinator des M2C-Projekts (Mutter-Kind-Projekt), vertrauen sich die Frauen häufig traditionellen Heilern an. M2C arbeitet in Yopougon, der bevölkerungsreichsten Gemeinschaft, in der Nähe von Abidjan, wo Frauen sich an traditionelle Heiler wenden und nichts über PMTCT wissen. Das Projekt, das bereits ins zweite Jahr geht, will Frauen der 15.000 Haushalte Zugang zu den Zentren ermöglichen, in denen sie sich auch testen lassen können.

Die HIV-Prävalenzrate liegt in dem 20 Millionen Einwohner zählenden westafrikanischen Land bei 3,2 Prozent. Nach UNAIDS-Angaben sind in Côte d'Ivoire 450.000 Menschen HIV-infiziert und müssten behandelt werden. Einige Fortschritte konnten bereits erzielt werden, wie UNAIDS berichtet. So ist die Zahl der Neuinfektionen bei Kindern von 6.700 im Jahr 2009 auf 5.000 drei Jahre später gesunken. "Doch der Rückgang geht nicht schnell genug vonstatten", heißt es in dem UNAIDS-Bericht.


Schwierige Medikamentenversorgung in Krisenzeiten

Hilfsorganisationen kritisieren, dass seit dem Ende der Gewalt nach den Wahlen Ende 2011 die HIV/Aids-Infizierten in Vergessenheit geraten sind. Sie machen immer wieder auf die wiederholten Unterbrechungen der ARV-Therapien aufmerksam, die sie auf den Zusammenbruch des Gesundheitssystems infolge der Jahrzehnte langen politischen Krise zurückführen, die mit einer Rebellion im Norden und Westen des Landes ihren Anfang nahm und dann in die Gewalt 2011/2012 mündete.

In dieser Zeit hatte die internationale Gemeinschaft ein Waffen- und Handelsembargo gegen die ivorischen Häfen Abidjan und San Pedro verhängt, um den ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo zu zwingen, die Macht nach seiner Wahlniederlage an seinen Nachfolger, den derzeitigen Staatspräsident Allassane Ouattara, abzugeben. Aus Europa bestellte Medikamente konnten nicht mehr nach Côte d'Ivoire ausgeliefert werden. Darüber hinaus wurden viele Gesundheitszentren geplündert oder geschlossen.

Wie Yaya Coulibaly, Vorsitzender des 'Ivorischen Netzwerks von Menschen mit HIV' (RIP+), berichtet, mangelte es auch an Nevirapin, einem Basismedikament der PMTCT-Behandlung. Aus dem Gesundheitsministerium ist zu hören, dass Maßnahmen zur Verbesserung der ARV-Verteilung ergriffen wurden, um Müttern wie Asseman und Bahi zu helfen, gesunde Babys auf die Welt zu bringen. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.aidsmap.com/org/6250/page/1411896/
http://www.ipsnews.net/2013/11/a-shortage-of-arvs-and-a-surplus-of-stigma-in-cote-divoire/

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IPS-Tagesdienst vom 12. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. November 2013