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AUSLAND/1730: Gesundheitsreform in El Salvador (medico international)


medico international - Blog de Managua - 01.06.2011

Gesundheitsreform in El Salvador

Von Dieter Müller


Heute [am 1.6.2011 - Anm. der SB-Redaktion] jährt sich der Wahlsieg der FMLN bzw. dessen Präsidentschaftskandidaten Mauricio Funes in El Salvador zum zweiten Mal. Die Bürgerallianz gegen die Privatisierung der Gesundheit, medico-Partnerin seit 2010, zieht Bilanz.

Mit der Amtsübernahme durch die neue Leitung im Gesundheitsministerium wurden wichtige Veränderungen in Gang gesetzt. Der Ansatz bricht bewusst mit den rein kurativen oder präventiven Ansätzen und verschreibt sich der integralen Gesundheitsförderung ausgehend von den sozialen Determinanten, sprich den Ursachen für Krankheiten. CISALUD, das intersektoriale Koordinationsgremium, in dem gleichermaßen alle relevanten Ministerien, die Privatwirtschaft, zivilgesellschaftliche Akteure und das Foro de Salud vertreten sind, wurde gestärkt, ebenso der Grundsatz des Rechts auf Gesundheit.

Hervorzuheben ist insbesondere die Umstrukturierung des öffentlichen Gesundheitswesens, ausgehend von der Strategie der Integralen Primären Gesundheitsversorgung. Diese Umstrukturierung kann nur graduell erfolgen, angefangen von der direkten Arbeit mit den Familien und Gemeinden auf lokaler Ebene. Dafür wurden die so genannten ECOS geschaffen, ein Team aus Ärzten, Krankenschwestern und Promotoren, die sich auf Dorf- und Stadtviertelebene um die Belange der Bevölkerung kümmert. Bislang sind 408 der über 700 geplanten ECOS aktiv. Dafür wie auch für andere Bereiche wurden 3.345 neue Arbeitsplätze geschaffen.

Möglich wurde dies durch eine Erhöhung des Gesundheitsetats, von 459 Mio USD in 2009 auf 570,87 Mio USD in 2011. Bezogen auf das BSP entspricht dies einer Erhöhung von 2,2% auf 2,45%.

Die Verfügbarkeit von Medikamenten im öffentlichen Gesundheitswesen war zuvor von einer chronischen Unterversorgung geprägt, die dank der neuen Politik von 45% auf 15 % gesenkt werden konnte. Zusätzlich zu der Erhöhung entsprechender Haushaltspositionen wurde das Gesetz über öffentliche Ausschreibungen reformiert. Dies und die Vorlage eines neuen Medikamentengesetzes führte zu massiven Protesten der salvadorianischen Pharmaindustrie, sekundiert von den politischen Rechtsparteien, die bis heute die Verabschiedung des neuen Medikamentengesetzes torpedieren.

Die positive Einstellung des Ministeriums zu einer breiten Bürgerbeteiligung kommt u.a. in der Konstitution des Foro Nacional de Salud (Nationales Gesundheitsforum), wie auch in der Schaffung eines Rundes Tisches zu Sexueller und Reproduktiver Gesundheit zum Ausdruck. Von zivilgesellschaftlicher Seite wurden im Rahmen des Foro de Salud bislang 200 lokale Gesundheitskomitees gegründet, die die Umsetzung der Gesundheitsreform kritisch-konstruktiv begleiten werden, mit Unterstützung von medico international.

Wichtige Maßnahmen des Programms RHESSA zur umfassenden Rehabilitation der Gesundheitsinfrastruktur, die eigentlich bis 2007 abgeschlossen hätten werden sollen, wurden von der ARENA-Regierung vernachlässigt, mehrere Millionen Dollar sind "verschwunden". In den vergangenen zwei Jahren hingegen wurde die Rehabilitation von drei Regionalkrankenhäusern abgeschlossen.

Bei allen positiven Entwicklungen, weißt die Allianz aber auch auf noch bestehende Defizite hin:

• Ein Teil des Personals im öffentlichen Gesundheitswesen identifiziert sich nicht mit den Vorgaben der Reform und handelt nicht konform.

• Es bedarf noch weiterer Anstrengungen, um die Schere zwischen Bedarf und Verfügbarkeit an Medikamenten zu schließen.

• Einhaltung der im Wahlkampf versprochenen Erhöhung des Gesundheitsetats auf 5% des BSP.

Die Finanzierung ist aber just der wunde Punkt und im Bereich wirtschaftlicher Veränderungen konnte Funes bislang noch nicht wirklich punkten. Die meisten der von der neuen Regierung umgesetzten Verbesserungen und Sozialprogramme waren ohne externe Finanzierungsspritzen nicht machbar. Ein wesentlicher Anteil der Etat-Erhöhungen im Gesundheitswesen kommt von IWF und Weltbank, was hinsichtlich der Nachhaltigkeit dieser Programme sehr bedenklich ist, wie mir der Gesundheits-Vizeminister Eduardo Espinoza bereits im Herbst vergangenen Jahres versicherte.

Umso wichtiger sind angesichts dessen auch Diskussionen und Initiativen, wie der von medico initiierte alternative Aktionsplan für globale Gesundheit und die internationale Vernetzung im Rahmen der Forderung nach einer Reform der Weltgesundheitsorganisation und der Demokratisierung der Globalen Gesundheit.


Zum Autor:
Seit Januar 2008 leitet Dieter Müller das medico-Regionalbüro Mittelamerika. Von Managua aus koordiniert er die Projekte in Nicaragua, El Salvador, Guatemala und Mexiko. In seinem Blog vermittelt er Eindrücke vom Alltag und den Fortschritten in den lokalen Projekten - aber auch von Hindernissen und Rückschlägen. Er berichtet auch über die vielschichtigen gesellschaftlichen Entwicklungen in den Ländern Mittelamerikas. Der Blog informiert jedoch nicht nur über die Ereignisse vor Ort, sondern auch über den politischen Kontext in dem sie stattfinden.

Blog de Managua
Dieter Müller berichtet aus Mittelamerika
http://www.medico.de/themen/vernetztes-handeln/blogs/blog-de-managua/


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Quelle:
medico international - Blog de Managua - 01.06.2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juli 2011