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AUSLAND/1726: Kenia - Tödliche Operationen, Ärzte klagen über dramatischen Mangel an Narkosemitteln (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Juli 2011

Kenia: Tödliche Operationen - Ärzte klagen über dramatischen Mangel an Narkosemitteln

Von Pontus Onyango


Nairobi, 7. Juli (IPS) - Durchschnittlich einmal pro Woche stirbt in Kenia ein Mensch an den Folgen einer Operation, die aus Mangel an geeigneten Medikamenten ohne Narkose durchgeführt wurde. Betroffen sind vor allem Patienten in Slums und armen ländlichen Gebieten, die fernab der besser ausgestatteten Provinzkrankenhäuser behandelt werden.

Aktivisten und Ärzte machen die Gesundheitspolitik der Regierung mit ihren korrupten, bürokratischen Strukturen für den alarmierenden Mangel an Narkosemitteln in den kleineren medizinischen Einrichtungen des ostafrikanischen Landes verantwortlich.

James Kamau, der Vorsitzende der Nichtregierungsorganisation 'Kenya Treatment Access Movement' (KETMA), der mit seinen Mitarbeitern medizinische Einrichtungen im ganzen Land besucht hatte, berichtete, im nördlichen Rift Valley sowie in den nordöstlichen, östlichen und westlichen Provinzen müssten Patienten schmerzhafte chirurgische Eingriffe ohne örtliche Betäubung oder Narkose durchstehen. "Solche Zustände dürfen wir nicht zulassen, vor allem, wenn Kinder darunter leiden", kritisierte er.

Von ähnlichen Beobachtungen berichten auch die Ärztin Frasia Karua vom Kinderkrankenhaus in Nairobi und ihr Kollege Japheth Akwabi, der dem Verband der Klinikärzte in Kenia vorsitzt und am 'Western General Provincial Hospital' arbeitet.

Gilchrist Lokoer vom Bezirkskrankenhaus im nördlichen Turkana berichtete: "Zu uns kommen viele Patienten, die operiert werden müssen, doch für Narkosen fehlen uns Einrichtungen und Medikamente. Bei einfachen Eingriffen gibt es nicht einmal eine örtliche Betäubung, und schwierigere Fälle verweisen wir an die besser ausgerüsteten Provinzkrankenhäuser."

Loise Mutai, Fachärztin für Kinderkardiologie und Dozentin an der Universität Nairobi, hatte im März 300 Kilometer westlich im Bezirkshospital von Kericho kleine Herzpatienten untersucht. "Bei einem Kind bestand akute Lebensgefahr, so dass ich beschloss, es sofort zu operieren", berichtete sie. "Ich hatte nur mein Ultraschallgerät dabei. Narkosemittel gab es nicht."


Finanzielle Engpässe

Bei der für die Materialversorgung medizinischer Einrichtungen zuständigen Behörde KEMSA begründet man die prekäre Situation mit Geldmangel. "Die Regierung stellt in ihrem diesjährigen Budget dem Gesundheitsministerium zwar 870 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Doch Narkosemittel und andere Basismedikamente müssen sich einen Posten teilen", erklärte KEMSA-Geschäftsführer John Munyu. Dagegen seien zwölf Millionen Dollar für den Ankauf von antiretroviralen Aids-Medikamenten bestimmt, zwei Millionen für moderne Röntgengeräte zur Erkennung von Brust- und Gebärmutterhalskrebs und 79 Millionen Dollar für Impfungen.

Eine Entspannung der medizinischen Versorgungslage erhofft sich der beamtete Mediziner von einem neuen, 1,5 Millionen Dollar teuren Planungssystem, das ab September installiert werden soll. Damit würden sich Verteilung und Lagerhaltung von Arzneimitteln und Instrumenten besser koordinieren und kontrollieren lassen, meinte er.

Wilberforce Wanyanga von der UN-Organisation für Industrielle Entwicklung (UNIDO) sieht vor allem die afrikanischen Regierungen in der Pflicht, die einheimische Pharmaindustrie zu fördern, etwa durch den Verzicht auf die Mehrwertsteuer auf Importwaren. "Es ist doch ein schlechter Witz, dass Kenia als regionales Drehkreuz für Arzneimittel Basismedikamente importiert anstatt dafür zu sorgen, das sie in einheimischen Fabriken hergestellt werden", kritisierte der UNIDO-Vertreter. (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2011