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VORSORGE/591: Mammographie-Screening hat eine erhebliche Menge an Überdiagnosen zur Folge (Strahlentelex)


Strahlentelex mit ElektrosmogReport
Unabhängiger Informationsdienst zu Radioaktivität, Strahlung und Gesundheit
Nr. 608-609 / 26. Jahrgang, 3. Mai 2012

Medizinische Strahlenbelastung
Mammographie-Screening hat eine erhebliche Menge an Überdiagnosen zur Folge

Von Thomas Dersee



Norwegische Studie fällt erneut ein schlechtes Urteil über Mammographie-Reihenuntersuchungen auf Brustkrebs


Erneut bestätigt eine Studie aus Norwegen, daß bei Reihen-Röntgenuntersuchungen auf Brustkrebs (Mammographie-Screening) zu oft irrtümlich Brustkrebs diagnostiziert wird. In Norwegen waren in dem seit 1996 laufenden Reihenuntersuchungsprogramm 15 bis 25 Prozent der dabei entdeckten Brustkrebsfälle "falsch positiv". Das heißt die betroffenen Frauen erhielten die Diagnose Brustkrebs und wurden behandelt, obwohl das nicht nötig gewesen wäre. Bis 2005, zehn Jahre nach Beginn des zweijährlichen norwegischen Mammographie-Screening-Programms für Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahren sind 1.169 bis 1.948 von 7.793 Frauen mit der Diagnose Brustkrebs überdiagnostiziert und unnötig therapiert worden, berichtet das Forscherteam von Mette Kalager und Kollegen in den Annals of Internal Medicine vom 3. April 2012. Wenn 2.500 Frauen zum Screening eingeladen werden, dann wird bei 20 von ihnen korrekt Brustkrebs entdeckt, eine wird dadurch vor dem Krebstod bewahrt und sechs bis zehn Frauen werden überdiagnostiziert, schreiben Kalager und Kollegen. Das zeige die Studie an insgesamt 39.888 Brustkrebspatientinnen in Norwegen. Die Mediziner fordern deshalb eine bessere Aufklärung der Frauen über dieses Risiko.

"Überdiagnosen sind keine 'falschen' Diagnosen", verteidigten sich dagegen die Apologeten des deutschen Mammographie-Screening-Programms in einer Pressemitteilung vom 24. April 2012. "Wir können einer Frau leider nicht vorhersagen, wie sich ihr Tumor verhalten wird. Und wir können ihr auch nicht sagen, ob und wann sie an anderen Ursachen verstirbt", betont Wolfgang Aubke, stellvertretender Beiratsvorsitzender der im August 2003 gegründeten "Kooperationsgemeinschaft Mammographie" der Krankenkassen. Bislang gebe es keine Möglichkeit, sicher zu bestimmen, wie aggressiv sich ein Tumor entwickeln wird. Daher werde bei der Diagnose auch in Deutschland den Frauen in der Regel eine entsprechende Behandlung empfohlen. "Letztlich gibt es zu Überdiagnosen so lange keine Alternative, bis uns die Forschung zur Tumorbiologie Werkzeuge in die Hand gibt, mit denen wir von Anfang an das Verhalten eines Tumors bestimmen können", meint Aubke.

Zu "Überdiagnosen" zählen Tumoren, die zu Lebzeiten nie auffällig geworden und daher auch nicht behandelt worden wären, hätte man sie nicht diagnostiziert. Auch bei anderen sogenannten Früherkennungsuntersuchungen, etwa für Gebärmutterhalskrebs und Prostatakrebs gibt es unerwünschte Überdiagnosen.


Mette Kalager, Hans-Olov Adami, Michael Bretthauer, Rulla M. Tamimi: Overdiagnosis of Invasive Breast Cancer Due to Mammography Screening: Results From the Norwegian Screening Program, Ann. Intern. Med. April 3, 2012, vol. 156 no. 7, 491-499. www.annals.org/content/156/7/49

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Quelle:
Strahlentelex mit ElektrosmogReport, Mai 2012, Seite 10
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. August 2012