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HYGIENE/092: Maßnahmen zur Händehygiene (RKI / Epidemiologisches Bulletin)


Epidemiologisches Bulletin 17/2012 - 30. April 2012

Maßnahmen zur Händehygiene - Ein Beitrag zum Internationalen Tag der Händehygiene am 5.5.

Von Nils-Olaf Hübner



Die Hände sind die wichtigsten Überträger von Infektionserregern. Die Händehygiene gehört deshalb zu den wesentlichsten Hygienemaßnahmen sowohl innerhalb als auch außerhalb medizinischer und pflegerischer Einrichtungen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat mit den Kampagnen "Clean Care is safer care" und "SAVE LIVES: Clean Your Hands" einen wichtigen Fokus zur Umsetzung der Standardhygiene auf die Händehygiene gelegt. Dieser Beitrag soll anlässlich des 5.5., des Internationalen Tags der Händehygiene, in kurzer Form wichtige Aspekte der Händehygiene zusammenfassen.

Händewaschung und Händedesinfektion sind zwei wichtige, sich ergänzende Maßnahmen zur Händehygiene. Vorbedingungen für wirksame Händehygiene sind gesunde und verletzungsfreie Haut. Zur Händehygiene gehört deshalb auch die Pflege!

Die Händehygiene beruht auf unterschiedlichen Wirkprinzipien. Medizinische Schutzhandschuhe können diese Maßnahmen ergänzen.

Die Händewaschung ist eine traditionelle Maßnahme zur mechanischen Reinigung der Hände von Verschmutzungen. Die Benutzung von Seife kann dies unterstützen. Die alltägliche, soziale Händewaschung soll die gesamte Hand einschließlich der Fingerzwischenräume erfassen, mindestens 20 Sekunden durchgeführt werden und durch ein gründliches Abtrocknen abgeschlossen werden.(1) Die Reduktion mikrobieller Kontaminationen, auch unter Laborbedingungen, ist vergleichsweise gering,(2) außerhalb medizinischer Bereiche jedoch normalerweise als ausreichend anzusehen.

Bakterien werden um ca. 1-2 log10 Stufen (90-99 %) reduziert (s. o.). Bei Viren gibt es große Unterschiede: Behüllte Viren, wie z. B. Influenza, werden teilweise durch Seife inaktiviert, unbehüllte Viren, wie das Norovirus, werden nur mechanisch entfernt. Die Reduktion unter Laborbedingungen liegt bei den empfindlichsten Viren (Influenza) bei maximal 4 log10 Stufen (ca. 99,99 %), ist aber sehr stark vom Virus und dem Testsystem abhängig.(3)

Unter dem Begriff "Seifen" werden chemisch sehr verschiedene Detergentien zusammengefasst, deren antivirale Wirkung sehr unterschiedlich sein kann. Aussagen zur Viruswirksamkeit sind daher nicht im Einzelfall belegt. Antimikrobielle Seifen können insbesondere die antibakterielle Wirkung steigern, allerdings sind mögliche irritative, allergische und umweltbelastende Nebenwirkungen zu bedenken. Zu häufiges Händewaschen kann zu Hautschädigung führen.(4,5)

Sowohl bei der Bedienung von Armaturen und Türen zum Waschplatz als auch bei der Trocknung der Hände besteht die Gefahr der Rekontamination. Aus diesen Gründen ist die Händewaschung in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen als Maßnahme gegen eine Weiterverbreitung von Krankheitserregern praktisch vollständig verlassen worden.

Fazit: Die Händewaschung ist eine traditionelle außerhalb medizinischer und pflegerischer Bereiche empfohlene und dort meist ausreichend wirksame Maßnahme zur Händehygiene.

Bereits 1847 wurde durch Ignaz Semmelweis nachgewiesen, dass die Händewaschung Krankheitserreger auf der Hand nicht ausreichend reduziert, um eine Weiterverbreitung von Infektionen im Krankenhaus sicher zu verhindern. Semmelweis's wichtigstes Verdienst war die Einführung der Händedesinfektion (damals noch als Tauchdesinfektion in Chlorkalklösung, bis heute oft fälschlich als Waschung (= Säuberung) missverstanden).(6,7) Erst die Einführung der Händedesinfektion ermöglichte eine Unterbrechung des Infektionsweges. Bei der Händedesinfektion werden die Erreger nicht entfernt sondern abgetötet bzw. inaktiviert.

Die hygienische Händedesinfektion richtet sich nur gegen mikrobielle Kontaminationen. Sie ist gegen Bakterien und Pilze deutlich wirksamer als die Waschung. Die Wirkung gegen Viren ergibt sich aus der Deklaration "begrenzt viruzid" (wirksam gegen behüllte Viren) oder "viruzid" (wirksam gegen behüllte und unbehüllte Viren). Die hygienische Händedesinfektion ist die wichtigste Einzelmaßnahme zur Prävention nosokomialer Infektionen. Auch außerhalb medizinischer und pflegerischer Bereiche kann eine (hygienische) Händedesinfektion in bestimmten Situationen (z. B. Massenunterkünften, Bereichen mit häufigem Kundenkontakt und fehlenden Waschmöglichkeiten, Nahrungsmittelherstellung) eine sinnvolle Ergänzung zur Händehygiene sein.

Die chirurgische Händedesinfektion hat das Ziel, nicht nur mikrobielle Kontaminanten zu inaktivieren, sondern auch die hauteigene mikrobielle Flora stark zu reduzieren.

In Deutschland sind Händedesinfektionsmittel für medizinische Zwecke Arzneimittel, d. h. sie werden nach strengen Kriterien auf Wirksamkeit, Verträglichkeit und Qualität geprüft. Mit der VAH-Liste (VAH = Verbund für angewandte Hygiene) und der Liste des Robert Koch-Instituts (RKI) stehen zwei herstellerunabhängige und für die jeweils gültige Zielstellung anzuwendende Listen wirksamer Desinfektionsmittel zur Verfügung. Der Wirkungsbereich "begrenzt viruzid" (gemäß Stellungnahme des Arbeitskreises Viruzidie beim RKI) präzisiert die Anwendungsmöglichkeiten der Händedesinfektionsmittel. Händedesinfektionsmittel in Deutschland enthalten als Wirkstoffe v. a. Alkohole in Konzentrationen von etwa 70-95 %. Sie schädigen die Haut bei regelmäßiger Anwendung weniger als die Händewaschung, da keine Fette ausgespült werden. Allerdings bewirken sie auch keine Reinigung.

Bei Kombination von Waschung und Desinfektion, die selten erforderlich ist, kann es zu Hautschäden kommen. Die Dauer der Händewaschung als Maßnahme der prächirurgischen Händehygiene wurde über die Jahre immer stärker verkürzt und ist mittlerweile nicht mehr integraler Bestandteil der chirurgischen Händedesinfektion.(8)

Jedoch sind bakterielle Sporen, wie bereits durch Robert Koch beschrieben, gegenüber Alkoholen resistent. Deshalb ist die alkoholische Händedesinfektion zur sicheren Verhinderung der Übertragung von z. B. Clostridium difficile ungeeignet. Hier bleibt nur der mechanische Schutz vor Kontamination und die Entfernung durch die Händewaschung oder die Anwendung spezieller Mittel auf Peressigsäurebasis.

Fazit: Die Händedesinfektion ist die wichtigste Einzelmaßnahme zur Prävention nosokomialer Infektionen. In bestimmten Situationen kann sie auch außerhalb medizinischer und pflegerischer Bereiche eine sinnvolle Ergänzung zur Händehygiene sein.

Es ist zu beachten, dass Unterschiede in der Bewertung der Händedesinfektion zwischen Europa und anderen Teilen der Welt bestehen. Diese sind auch darin begründet, dass die z. B. in den USA verwendeten Händedesinfektionsmittel typischerweise deutlich geringere Alkoholkonzentrationen aufweisen, eine andere Konsistenz aufweisen (z. B. Präparate in Gelform) oder andere Wirkstoffe enthalten und nach anderen Standards getestet werden als die in Deutschland üblichen und zugelassenen Desinfektionsmittel. Hieraus begründet sich ggf. eine andere Wirksamkeit dieser Desinfektionsmittel gegenüber Mikroorganismen. Bei der Bewertung von Studien und Expertenmeinungen sind diese Unterschiede zu berücksichtigen.

Medizinische Schutzhandschuhe sind als eine mechanische Barriere gegen Verschmutzungen und Erreger gedacht. Je nach Einsatzbereich erfüllen sie unterschiedliche, normierte Anforderungen. Die Schutzwirkung ist an die Integrität des Handschuhs gebunden. Vom Nutzer nicht erkennbare Mikroperforationen treten regelmäßig und mit zunehmender Tragedauer häufiger auf.(9,10,11) Sie erlauben den Erregern den unbemerkten Durchtritt. Das Tragen von Handschuhen kann andere Händehygienemaßnahmen ergänzen, aber nicht ersetzen.

Fazit: Medizinische Schutzhandschuhe sind eine sinnvolle Ergänzung aber kein Ersatz für andere Händehygienemaßnahmen.

Die vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderte nationale Kampagne der WHO - "Aktion saubere Hände" - bietet seit 2008 eine Plattform, auf der die WHO-Materialien für Deutschland umgesetzt werden und den teilnehmenden Einrichtungen neben vielen weiteren Informationen auch die Möglichkeit der Vernetzung und des Austausches angeboten werden. Die Aktion leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Sichtbarkeit des Themas Händehygiene in Deutschland und ist momentan die breitest angelegte, aber nicht einzige Initiative auf diesem Gebiet. Fachgesellschaften, wie die DGKH (Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene), und viele prominente Akteure, wie z. B. die Universität Genf, bieten Material für Weiterbildungen zur Verbesserung der Compliance auf kognitiver und emotionaler Ebene an. Das zeigt, wie wichtig das Thema in der wissenschaftlichen Öffentlichkeit ist und wie internationale Programme Anstöße für nationales und regionales Handeln geben können. Das Hauptproblem der Händedesinfektion ist nicht die Verfügbarkeit sicher wirksamer Mittel, sondern die Compliance der Nutzer (d. h. Händehygiene immer dann und so, wie sie geboten ist, durchzuführen). Zum "wie" gehört dabei auch, die Wirksamkeit gefährdender Faktoren, wie Ringe, Uhren und künstliche Fingernägel, zu vermeiden. Programme zur Überprüfung der Compliance der Händedesinfektion sollten immer beide Aspekte, d. h. das Wann und das Wie (gegebene Vorbedingungen und Technik) berücksichtigen.

Fazit: Compliance, d. h. die Durchführung wann und wie sie geboten ist, ist weiterhin das Hauptproblem der Händedesinfektion.


Hinweise zu weiteren wichtigen Informationsquellen

- World Health Organization (WHO): Clean Care is Safer Care; siehe unter http://www.who.int/gpsc/en

- Vigigerme.org: künstlerisches Video zur Händehygiene sowie weitere Videos zur Händedesinfektion; siehe unter http://vigigerme.org/videos/

- Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH): siehe unter http://www.krankenhaushygiene.de/

- Robert Koch-Institut: Händehygiene; siehe unter http://www.rki.de > Krankenhaushygiene > Händehygiene


Literatur

(1)‍ ‍Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und Robert Koch-Institut (RKI): Aktion "Wir gegen Viren"; s.
http://www.wir-gegen-viren.de

(2)‍ ‍Kampf G, Kramer A: Epidemiologic Background of Hand Hygiene and Evaluation of the Most Important Agents for Scrubs and Rubs. Clin Microbiol Rev 2004; 17 (4): 863-893; doi: 10.1128/CMR.17.4.863-893.2004

(3)‍ ‍Eggers M, Terletskaia-Ladwig E, Enders M: Wie wirksam ist Händewaschen gegen Influenzaviren? Hyg Med 2009; 34 (12): 492-498

(4)‍ ‍Williams C, Wilkinson SM, McShane P et al.: A double-blind, randomized study to assess the effectiveness of different moisturizers in preventing dermatitis induced by hand washing to simulate healthcare use. Br J Dermatol 2010; 162 (5): 1088-92; Epub 2010 Mar 1

(5)‍ ‍Larson E, Friedman C, Cohran J et al.: Prevalence and correlates of skin damage on the hands of nurses. Heart Lung 1997; 26 (5): 404-412

(6)‍ ‍Semmelweis IP: Die Aetiologie, der Begriff und die Prophylaxis des Kindbettfiebers. Pest, Wien und Leipzig: C A Hartlebens (ed.) Verlag-Expedition, 1861

(7)‍ ‍Semmelweis IP: Semmelweis's gesammelte Werke, Hersg. u. z. T aus d. Ungar. Übers. v. Tiberius v. Györy. Jena Verlag von Gustav Fischer 1905: 604

(8)‍ ‍Arbeitskreis "Krankenhaus- & Praxishygiene" der AWMF: Händedesinfektion und Händehygiene; s.
http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/029-027.html

(9)‍ ‍Hübner NO, Goerdt AM, Stanislawski N, Assadian O, Heidecke CD, Kramer A, Partecke LI: Bacterial migration through punctured surgical gloves under real surgical conditions. BMC Infect Dis 2010; 10: 192

(10)‍ ‍Harnoss JC, Partecke LI, Heidecke CD, Hübner NO, Kramer A, Assadian O: Concentration of bacteria passing through puncture holes in surgical gloves. Am J Infect Control 2010; 38 (2): 154-8; Epub 2009 Oct 12

(11)‍ ‍Partecke LI, Goerdt AM, Langner I, Jaeger B, Assadian O, Heidecke CD, Kramer A, Huebner NO: Incidence of microperforation for surgical gloves depends on duration of wear. Infect Control Hosp Epidemiol 2009; 30 (5): 409-414

Für diesen Bericht danken wir PD Dr. Nils-Olaf Hübner aus dem Fachgebiet Angewandte Infektionshygiene und Krankenhaushygiene des RKI, der auch als Ansprechpartner zur Verfügung steht (E-Mail: HuebnerN@rki.de).

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Quelle:
Epidemiologisches Bulletin 17/2012 - 30. April 2012
Herausgeber: Robert Koch-Institut
Nordufer 20, D-13353 Berlin
Telefon: 030/18 754-0, Fax: 030/18 754-23 28
E-Mail: EpiBull@rki.de
Internet: www.rki.de > Infektionsschutz > Epidemiologisches Bulletin


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Mai 2012