Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FAKTEN

FORSCHUNG/1951: Wie das Ohr zum Gehirn spricht (idw)


DFG Forschungszentrum für Molekularphysiologie des Gehirns - 09.03.2009

Wie das Ohr zum Gehirn spricht
Veröffentlichung in "Nature Neuroscience"

Wissenschaftler des DFG Forschungszentrums Molekularphysiologie des Gehirns und des Exzellenzclusters "Mikroskopie im Nanometerbereich" entschlüsseln wichtige Details im Prozess des Hörens.


(umg/cmpb) Unser Gehör öffnet uns die Welt der Musik, hilft uns die zwischenmenschliche Kommunikation zu verstehen und warnt uns wie eine "Alarmanlage" vor potentiellen Gefahren. Weltweit beschäftigen sich daher Hörforscher mit der Frage, wie wir Töne und Geräusche empfangen und mit Hilfe unseres Gehirns verarbeiten.


Wissenschaftler am Göttinger DFG Forschungszentrum

Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB) konnten jetzt zeigen, dass der Bereich des "besten Hörens" im Innenohr besonders intensiv vom Gehirn ausgelesen wird. Außerdem liefern sie wichtige neue Einblicke in die Struktur und Funktion der Synapsen. Diese Kontaktstellen zwischen Haarzellen und dem nachgeschalteten Hörnerv gelten als echter "Knackpunkt" im Hörsystem, weil ausnahmslos alle vom Ohr empfangenen Informationen diese Stellen passieren. "Wir können nun einzelne Zwischenschritte der Signalübertragung von den inneren Haarzellen im Innenohr zum Hörnerv viel besser verstehen" sagt Prof. Dr. Tobias Moser, Leiter des Innenohr-Labors der Abteilung für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde an der Universitätsmedizin Göttingen. Die Ergebnisse aus der Grundlagenforschung wurden am 8. März 2009 in der Online-Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift "Nature Neuroscience" veröffentlicht. http://dx.doi.org/10.1038/nn.2293.

Originalveröffentlichung:
Meyer AC, Frank T, Khimich D, Hoch G, Riedel D, Chapochnikov NM, Yarin YM, Harke B, Hell SW, Egner A, Moser T (2009)
Tuning of Synapse Number, Structure and Function in the Cochlea
Nature Neuroscience (online) 08 March 2009
http://dx.doi.org/10.1038/nn.2293



Aufbau des Gehörs - vom Geräusch zum Nervensignal

Auf seinem Weg zum Innenohr passiert der Schall das äußere Ohr, trifft dann auf das Trommelfell und bringt Hammer, Amboss und Steigbügel zum Vibrieren. Der Steigbügel versetzt dann die Flüssigkeit und Basilarmembran in der Hörschnecke in Schwingung. Auf dieser feinen Membran reihen sich einige Tausend Haarzellen aneinander. In Abhängigkeit von der Schallfrequenz bewegt sich ein Ort auf der Basilarmembran in bestimmten Maße. Die Haarzellen an dieser Stelle reagieren damit nur auf eine bestimmte Tonhöhe. Die für das Hören unabdingbaren inneren Haarzellen nehmen mit feinen Härchen die Schwingungen wahr, geben dann chemische Botenstoffe ab, woraufhin Hörnervenfaser die Hörinformation ans Gehirn übertragen.


Synapsen "live" in Funktion und ihre Bausteine

Am Beispiel von Mäusen und Wüstenrennmäusen konnten Prof. Moser und sein Team nun unter anderem zeigen, dass innere Haarzellen und Hörnervenfasern im Frequenzbereich mit der höchsten Schallempfindlichkeit über erheblich mehr Synapsen verfügen. Dies entspricht dem Bereich des besten Hörens. In der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Zusammenarbeit mit der Gruppe um Dr. Alexander Egner und Prof. Dr. Stefan W. Hell vom Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie gelang es, molekulare Bausteine dieser Synapsen mit neuen lichtmikroskopischen Methoden, der STED-Mikroskopie, hochauflösend abzubilden.

Unter dem konfokalen Mikroskop konnten die Forscher einzelne Synapsen auch "live" beobachten. Dabei zeigte sich, dass sich die Synapsen der Haarzellen an verschiedenen Frequenzbereichen im Mittel ähnlich verhalten. In jedem Frequenzbereich und sogar innerhalb einer einzelnen Haarzelle reagieren Synapsen jedoch unterschiedlich stark auf Reizung. Prof. Moser: "Dies könnte erklären, wie von den verschiedenen Hörnervenfasern, die mit derselben inneren Haarzelle verbunden sind, sehr leise Geräusche wie das Summen einer Biene wie auch lauter Lärm, den ein Flugzeug beim Starten macht, übertragen werden kann."


Zum DFG Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns

Das seit 2002 an der Universitätsmedizin Göttingen angesiedelte DFG Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB) hat sich das zentrale Ziel gesetzt, molekulare Prozesse und Interaktionen in Nervenzellen detailliert zu analysieren, um langfristig Therapien für psychiatrische, neurologische und neurodegenerative Erkrankungen zu verbessern und weiterzuentwickeln.

Kontakt:
Universitätsmedizin Göttingen
DFG Forschungszentrum Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB)
Prof. Dr. Tobias Moser
Abteilung Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
E-Mail: tmoser@gwdg.de

Weitere Informationen finden Sie unter:
- http://www.cmpb.de
   Homepage des CMPB
- http://www.innerearlab.uni-goettingen.de
   Homepage der Arbeitsgruppe von Prof. Moser
- http://www.universitaetsmedizin-goettingen.de
   Homepage der Universitätsmedizin Göttingen

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image86610
Schematische Darstellung einer Haarzelle und ihrer Synapsen mit den Hörnervenfasern (rechts). Haarzellen die verschiedene Tonfrequenzen bevorzugt verarbeiten unterscheiden sich in der Zahl der Synapsen: Haarzellen im Bereich des besten Hörens verfügen über die meisten Synapsen. Links ist exemplarisch eine mit STED Mikroskopie mit hoher 3D Auflösung ( ungefähr 150 nm) abgebildete Synapse in verschiedenen Ansichten gezeigt (rot: präsynaptisches Band der Haarzelle, grün: postsynaptische Botenstoffrezeptoren).

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution744


*


Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
DFG Forschungszentrum für Molekularphysiologie des Gehirns
Dr. Susanne Ohrt, 09.03.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2009