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FORSCHUNG/2263: Besser als ihr Ruf - Lipidperoxide (HZM)


Helmholtz Zentrum München - Freitag, 20. August 2010
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt

Besser als ihr Ruf: Lipidperoxide


Neuherberg, 23.08.2010. Lipidperoxide(*) in der Zelle bedeuteten bisher nichts Gutes, da sie vor allem in Zusammenhang mit neurodegenerativen Krankheiten und zellulärem Stress gebracht wurden. Diese Sichtweise sollte geändert werden, wie Wissenschaftlern aus dem Helmholtz Zentrum München und der schwedischen, auf Medizin spezialisierten Universität Karolinska Institutet in der aktuellen Ausgabe von PNAS vorstellen: Denn die Lipidperoxide haben auch ihre guten Seiten, da sie eine wichtige Rolle bei der Regulation von Rezeptor-Tyrosin-Kinasen(*) spielen.

Lipidperoxide haben eine konkrete physiologische Aufgabe in der Zelle, das zeigen erstmals Forscher des Helmholtz Zentrums München, des Deutschen Zentrums für Neurodegeneration in Bonn und des Karolinska Institutet in Stockholm. Bisher wurde angenommen, dass Lipidperoxide sich als Nebenprodukt bei Zellstress anhäufen, diesen anzeigen und sogar sehr effizient Zelltod auslösen können. Die Wissenschaftler fanden jetzt heraus, dass die chemisch modifizierten (oxidierten) Lipide die Protein-Tyrosin-Phosphatasen vorübergehend inaktivieren können. Diese wiederum regulieren die zelluläre Kommunikation der Rezeptor-Tyrosin-Kinasen. Diese Erkenntnis ist wichtig, da fehlgeschaltete Rezeptor-Tyrosin-Kinasen oft an der Entstehung von Krebs beteiligt sind. Bislang war nur von Wasserstoffperoxid bekannt, dass es Protein-Tyrosin-Phosphatasen oxidiert und inaktiviert und somit eine regulierende Wirkung auf diese Kinasen hat.

"Wir konnten zeigen, dass die Lipidperoxide mindestens 100- bis 1000fach wirksamer sind als Wasserstoffperoxid", so Dr. Marcus Conrad, der Erstautor der Veröffentlichung, der mittlerweile vom Helmholtz Zentrum München an das Deutsche Zentrum für Neurodegeneration in Bonn gewechselt ist. Dr. Arne Östman und Åsa Sandin vom Karolinska Institutet ergänzen: "Es wird sehr interessant sein herauszufinden, ob Lipidperoxide auch bei der Aktivierung von Rezeptor-Tyrosin-Kinasen in der Krebsentstehung involviert sind und ob sie zur Entstehung anderer Krankheiten wie Diabetes und Alzheimer beitragen".


(*) Hintergrund

Lipidperoxide sind chemisch modifizierte Fette oder Fettsäuren, die u. a. zellulären Stress anzeigen. In höheren Konzentrationen können sie Zelltod auslösen. Bei Volkskrankheiten wie Arteriosklerose, Diabetes, Krebs oder neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson und Alzheimer werden häufig erhöhte Konzentrationen von Lipidperoxiden gefunden.

Rezeptor-Tyrosin-Kinasen übernehmen eine wichtige Funktion bei der Regulation von Zellwachstum und -teilung. Andererseits spielen unkontrollierte (überaktive) Rezeptor-Tyrosin-Kinasen auch eine wesentliche Rolle bei der Krebsentstehung, z. B. die Rezeptor-Tyrosin-Kinase HER-2 (human epidermal growth factor receptor 2) bei Brustkrebs. In gesundem Gewebe und Zellen werden Rezeptor-Tyrosin-Kinasen durch die Protein-Tyrosin-Phosphatasen sehr exakt reguliert.


Original-Veröffentlichung:
Conrad M. et al:
12/15-lipoxygenase-derived lipid peroxides control receptor tyrosine kinase signaling through oxidation of protein tyrosine phosphatases,
PNAS Early Edition, August 23, 2010. www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1007909107


Das Helmholtz Zentrum München ist das deutsche Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt. Als führendes Zentrum mit der Ausrichtung auf Environmental Health erforscht es chronische und komplexe Krankheiten, die aus dem Zusammenwirken von Umweltfaktoren und individueller genetischer Disposition entstehen. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens auf einem 50 Hektar großen Forschungscampus. Das Helmholtz Zentrum München gehört der größten deutschen Wissenschaftsorganisation, der Helmholtz-Gemeinschaft an, in der sich 16 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit etwa 30.000 Beschäftigten zusammengeschlossen haben.


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Quelle:
Helmholtz Zentrum München - Freitag, 20. August 2010
Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt
Redaktion: Heinz-Jörg Haury
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2010