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FORSCHUNG/2085: Visuelle Neurowissenschaften - Wie entsteht der Eindruck der Raumstabilität (idw)


Philipps-Universität Marburg - 11.11.2009

Raumstabilität


Deutsch-Amerikanisches Forscherteam kommt der Lösung eines fundamentalen Problems der Systemneurowissenschaften näher: Beim Lesen bewegen sich die Augen ruckartig von einem Punkt zum anderen. Während dieser Augenbewegungen, Sakkaden genannt, bewegt sich das Bild des ruhenden Textes mit fast 1000°/s über die Netzhaut. Würde man die heimische Videokamera derart schnell durch eine Szene bewegen, würde man nur noch graue Streifen auf dem Display sehen.

"Dass wir trotz dieser schnellen Blickrichtungswechsel den Eindruck haben, dass die Umwelt stabil ist und wir alles klar erkennen können, ist eines der größten Rätsel der visuellen Neurowissenschaften", sagt Prof. Dr. Frank Bremmer, Leiter der AG Neurophysik an der Philipps-Universität Marburg. Bremmer hat zusammen mit Kollegen an der Ruhr-Universität Bochum (Prof. Dr. Klaus-Peter Hoffmann und Dr. Michael Kubischik) und der Rutgers-Universität in den USA (Prof. Bart Krekelberg) unlängst eine Studie im international renommierten Journal of Neuroscience veröffentlicht, die Hinweise darauf gibt, wie das Gehirn das Problem der schnellen Blickbewegungen löst.

"Alle Tiere mit einem Bereich des schärfsten Sehens innerhalb der Netzhaut (Fovea) sind gezwungen, die Augen zu bewegen, um ein hochauflösendes Bild der Umwelt zu erhalten. Zu diesen Tieren gehört auch der Mensch", so Bremmer weiter. In Ihrer Studie konnten die Wissenschaftler nun nachweisen, dass in bestimmten Regionen des Gehirns schon vor Beginn der Augenbewegung die Nervenzellaktivität systematisch reduziert wird. Allerdings, und dies war überraschend, war die Modulation der neuronalen Aktivität in jedem der untersuchten Hirngebiete unterschiedlich. Dieses Resultat widerspricht der bisher gültigen Hypothese, dass Aktivität schon zu Beginn der visuellen Verarbeitung (alle Stationen nach dem Auge) reduziert wird und Sehinformation somit global nicht mehr zur Verfügung steht. Die gefundene Modulation entsprach zeitlich genau derjenigen, die zuvor in psychophysischen Experimenten am Menschen beschrieben worden war. Bremmer und Kollegen konnten somit erstmals das neuronale Korrelat dieser Verhaltensdaten nachweisen. Die Studie, die bei ihrer Erscheinung schon in der Rubrik 'This week in the Journal' als besonders wichtig hervorgehoben worden war, rangiert seit kurzem unter den 'Most read articles of the month'.


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Philipps-Universität Marburg, Dr. Viola Düwert, 11.11.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. November 2009