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ETHIK/695: "Dignitas Personae" - Interview mit Bischof Klaus Küng (ALfA LebensForum)


ALfA LebensForum Nr. 89 - 1. Quartal 2009
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)

»Zutiefst positive Botschaft«

Fragen von Jutta Graf an Bischof Klaus Küng


Mitte Dezember hat die vatikanische Glaubenskongregation die Instruktion »Dignitas Personae - Über einige Fragen der Bioethik« veröffentlicht. Für LebensForum interviewte Jutta Graf den Oberhirten der Diözese Sankt Pölten, Bischof Klaus Küng, zu dem von vielen mit Spannung erwarteten Dokument. Der promovierte Theologe und Arzt ist in der Österreichischen Bischofskonferenz für bioethische Fragen zuständig.


LebensForum: Dignitas Personae schließt inhaltlich an die Instruktion »Donum Vitae« von 1987 an. Über 20 Jahre sind seitdem vergangen. Die Forschung an menschlichen Embryonen ist zum Beispiel in Großbritannien voll im Gang. Kommt die Instruktion zu spät?

Bischof Dr. theol. Dr. med. Klaus Küng: Die neue Instruktion Dignitas Personae hat die einzelnen Fragestellungen, die in den letzten 20 Jahren durch das Fortschreiten der Forschung aufgetreten sind, aufgearbeitet. Die Instruktion enthält keine Überraschungen. Immer, wenn durch neue Forschungsergebnisse oder Entwürfe von Gesetzesänderungen zur Regulierung von Forschungsvorhaben in einzelnen oder mehreren Ländern Diskussionen auftreten, kommt es zu Stellungnahmen der Bischöfe, bioethischer Experten und auch zu Äußerungen von Repräsentanten des Heiligen Stuhls. Die Instruktion hat nun in den verschiedenen Themenbereichen gewissermaßen abschließend die Position der Kirche dargelegt. In manchen Punkten ist dies Frucht einer längeren Diskussion, in der es offenbar zu einer nochmaligen Abwägung der verschiedenen Argumente gekommen ist. Es ist auch nicht auszuschließen, dass in dem einen oder anderen Bereich in der Zukunft weitere Differenzierungen denkbar sind.

Auf den ersten Blick besteht die Instruktion zum Großteil aus Verboten. Ein Dorn im Auge der Öffentlichkeit! Denn viele meinen, der Wissenschaft sei alles erlaubt, solange sie dem Wohl der Menschheit diene. Die Einmischung der Glaubenskongregation ist unpopulär, weil sie scheinbar den Fortschritt hemmt. Woher nimmt die Kirche ihre Autorität, die Wissenschaft in die Schranken zu weisen?

Es stimmt nicht, dass die Instruktion zum Großteil aus Verboten besteht. Sie versucht vielmehr, auf die Wissenschaft einzuwirken, damit sie für die anstehenden Probleme menschengerechte Lösungen sucht. Es geht der Instruktion um die Bejahung der Würde, der Integrität, der Heiligkeit des menschlichen Lebens. Die eigentliche Botschaft ist eine zutiefst positive. Die Verbote ergeben sich aus den Folgerungen. In der Bioethik geht es um die Frage des Lebens, seine Bedeutung, auch um die Frage des Woher und des Wohin des Menschen. Die Naturwissenschaft beschäftigt sich mit dem Sichtbaren, Messbaren; der Mensch ist aber ein geistiges Wesen, das zur Liebe fähig ist. Da gibt es Aspekte, welche für die Naturwissenschaften und ihre Methoden nicht erfassbar sind. Die Kirche hat die Aufgabe, auf diese tieferen Fragen hinzuweisen, vor Fehlentwicklungen und Gefahren zu warnen. Nicht alles, was der Mensch technisch und medizinisch kann, ist sicher ein Fortschritt. Auch die Atombombe ist Frucht menschlichen Forschens und Denkens.

In der Österreichischen Bischofskonferenz sind Sie für bioethische Fragen zuständig. Welche Reaktionen haben Sie auf die Veröffentlichung der Instruktion erlebt?

Die Instruktion ist sehr klar und gut verständlich, sie bietet eine umfassende Stellungnahme zu derzeit aktuellen Fragen. Ich habe eigentlich durchwegs positive Reaktionen beobachtet, insbesondere bei jenen, die mit wachem Blick und ethischem Verantwortungsbewusstsein die Entwicklungen verfolgen.

Die Instruktion eröffnet mit dem Grundprinzip »Jedem Menschen ist von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod die Würde einer Person zuzuerkennen.« Warum ist die Glaubenskongregation so sicher, dass erstens das Leben tatsächlich mit der Empfängnis beginnt und dass zweitens die Personenwürde auf alle Fälle unantastbar sein muss, sogar dann, wenn durch das Opfer weniger Menschenleben eine große Zahl gerettet werden könnte?

Heute wissen wir besser denn je, dass sich ein Mensch ab dem Augenblick der Vereinigung zwischen einer Ei- und einer Samenzelle kontinuierlich entwickelt. Die Forschungen der Genetik zeigen zudem, dass schon wenige Stunden nach der Empfängnis mit der Bildung der Chromosomen das Individuum mit seinen spezifischen, individuellen Merkmalen und Eigenschaften festgelegt ist. Daher ist davon auszugehen, dass jedem Embryo der Status und die Würde einer Person zukommt, die geistig ist, einmalig und unaustauschbar. Papst Johannes Paul II. hat gerne wiederholt, dass sich mit jedem einzelnen Menschen ein Vorhaben Gottes verbindet. Daraus ergibt sich das Recht auf Leben, die Unantastbarkeit des Lebens. Einen Menschen ohne Respekt vor seinem Leben und vor seiner Würde für Versuche zu missbrauchen, ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Für mich war es immer etwas Unfassbares, dass sich z.B. in der Zeit des Nationalsozialismus Ärzte, sogar Universitätsprofessoren dazu hergegeben haben, Häftlinge oder solche, die als minderwertige Menschen betrachtet wurden, für medizinische Versuche zu missbrauchen. Auch damals wurden »wertvolle« medizinische Erkenntnisse erzielt. Diese rechfertigen aber nicht die brutalen, menschenverachtenden Vorgangsweisen, die angewandt wurden. Auch heute ist dies nicht zulässig, auch wenn die Begründungen noch so menschenfreundlich klingen.

»Bei der künstlichen Befruchtung wird der Arzt zum 'Macher'.«

Die In-Vitro-Fertilisation ist aus mehreren Gründen ethisch inakzeptabel: Mindestens 80 Prozent der »produzierten« Embryonen überleben die Prozedur nicht. In keinem anderen Bereich der Medizin würde man »eine Technik mit einer so hohen Rate an negativen, tödlichen Ausgängen« zulassen, kritisiert die Instruktion. Zudem erfolgt eine genetische Selektion der Kinder und nicht selten eine gezielte Reduktion von Mehrlingsschwangerschaften. Bei einer heterologen Befruchtung kommt es darüber hinaus zu einem Bruch der ehelichen Einheit. Nehmen wir an, all diese Probleme wären beseitigt: Es handle sich um eine homologe Befruchtung, gezeugt würde nur ein einziger Embryo, dessen Überlebenschance nicht geringer wäre als bei einer natürlichen Zeugung. Selbst in diesem Fall ist laut der Instruktion eine In-Vitro-Fertilisation abzulehnen. Warum beharrt die Kirche so sehr darauf, dass die Zeugung nur im Kontext des sexuellen Aktes stattfinden darf?

Jedes Kind hat das Recht, als Frucht der Liebe, der persönlichen Hingabe zwischen Vater und Mutter, ohne Manipulation und Eingriffe geboren zu werden. Der natürliche Vorgang der Empfängnis unterliegt nicht dem Zugriff des Menschen, und das ist gut so. Bei der künstlichen Befruchtung wird der Arzt zum »Macher«: Er wählt die Eizelle aus, auch die Samenzellen. Außerdem sind ja - wie Sie selbst sagten - in der Praxis die Manipulationen bedeutend vielfältiger und entsprechend problematisch: Durch hormonale Behandlung werden mehrere Eizellen zugleich zur Reifung gebracht und entnommen, mehrere werden befruchtet, auf ihre Normalität hin überprüft und implantiert. Wenn gegen alle Erwartung mehrere anwachsen, kommt es zum Fetozid. Aber - wie gesagt - auch abgesehen von alldem soll ein Kind auf Grund und im direkten Zusammenhang mit der geschlechtlichen Vereinigung seiner Eltern, durch das spontane Sich-Finden von Ei- und Samenzelle, ohne Eingriff in dieses Geschehen entstehen. Das ist die Auffassung der Kirche und sie scheint mir wohlbegründet.

Viele Kinder leben heute, weil sie im Reagenzglas gezeugt wurden. Wie begegnet die Kirche diesen Menschen? Kommt ihre Haltung nicht der Aussage gleich: Ihr dürftet nicht existieren?

Die Kirche lehrt, jedem Menschen mit Ehrfurcht und Liebe zu begegnen. Sie wird jedem Kind, jedem Menschen beistehen. Die Probleme der künstlichen Befruchtung liegen auf einer anderen Ebene. Das Journal »Der Spiegel« hat vor einigen Jahren eine interessante Recherche durchgeführt und sich damit befasst, wie es solchen Menschen ergeht, welche Probleme sie haben. Man darf nicht vergessen: Vater und Mutter gehören zur eigenen Identität und in diesem Zusammenhang dürften, insbesondere bei der heterologen Befruchtung, Probleme auftreten. Wer ist mein Vater? Welches sind meine Wurzeln? Ich habe das im Laufe der Jahre in der Begleitung von Adoptivkindern und deren Eltern einige Male miterlebt, welche Probleme in einem Menschen entstehen können, wenn er sich über die eigenen Identität nicht klar ist, auch wenn man ihm mit Recht sagen wird: Wir lieben dich, so wie du bist. Gott liebt dich, so wie du bist.

»Die Kirche lehrt, jedem Menschen mit Ehrfurcht und Liebe zu begegnen.«

Die Instruktion bezeichnet die Existenz der zahllosen eingefrorenen Embryonen als eine »faktisch irreparable Situation der Ungerechtigkeit«. In den USA vermittelt seit 1997 eine Organisation eingefrorene Embryonen zur pränatalen Adoption. Einige hundert sogenannte »Snowflake children« leben heute aufgrund dieser Initiative, obwohl sie eigentlich für den Tod bestimmt waren. Dignitas Personae bezeichnet diesen Vorschlag als »lobenswert in seiner Absicht, menschliches Leben zu achten und zu schützen«, sie merkt aber an, dass er »verschiedene Probleme« enthalte. Heißt dies, dass ein katholisches Ehepaar gegen die kirchliche Sittenlehre verstößt, wenn es sich für eine pränatale Adoption entscheidet? Wenn ja, was ist dagegen einzuwenden?

Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich muss gestehen, dass ich mich eine Zeitlang - kurze Zeit - auch gefragt habe, ob nicht die Adoption der eingefrorenen Embryonen eine Lösung zu deren Rettung sein könnte. Ich bin dann sehr bald zu einem negativen Ergebnis gekommen. Das Hauptproblem besteht darin, dass man der Leihmutterschaft, und damit sehr großen Problemen, Tür und Tor öffnen würde. In Amerika gibt es angeblich Frauen, die eigentlich ganz gerne ein Kind hätten, aber wegen der beruflichen Karriere lieber nicht selber schwanger sein wollen, sondern sich Eizellen entnehmen lassen und eine Leihmutter engagieren; manche wollen ein Kind, aber nicht unbedingt einen Mann. Die moralischen Fragen, die entstehen, sind sehr schwerwiegend, Kinder werden zum Spielball persönlicher Wunschvorstellungen. Aber auch wenn man bei pränataler Adoption von lauterer Absicht ausgeht und versucht, durch gesetzliche Regelungen möglichst Missbrauch auszuschließen, bleibt die Förderung solcher Adoptionen problematisch.

»Klar unannehmbar« ist auch die Verwendung eingefrorener Embryonen für therapeutische oder Forschungszwecke, denn »ein solches Vorgehen behandelt die Embryonen wie bloßes 'biologisches Material' und führt zu ihrer Vernichtung.« Was ist die Alternative? Wie konkret sollen die Zuständigen mit dieser »irreparablen Situation der Ungerechtigkeit« umgehen?

Das eigentliche Problem besteht darin, dass solche überschüssigen Embryonen »produziert« werden. Klar ist, dass sie nicht zu therapeutischen oder Forschungszwecken verwendet werden dürfen. Das Angebot zur Adoption ist wie gesagt kein Weg. Letztlich sehe ich keine Rettung für diese Embryonen. Schrecklich ist, dass ständig neue dazu kommen, wenn man die Praxis nicht ändert.

Die Instruktion äußert sich auch über Einnistungshemmung (Interzeption) und medikamentöse Abtreibung (Kontragestion). Als Beispiele für interzeptive Mittel werden in der Fußnote die Spirale und die Pille danach genannt. Die Abtreibungspille RU 486 wirkt kontragestiv. Die Anwendung solcher Mittel zählt, so die Instruktion, »zur Sünde der Abtreibung und ist in schwerwiegender Weise unsittlich. Wenn man zur Gewissheit kommt, eine Abtreibung vorgenommen zu haben, bringt dies nach kanonischem Recht darüber hinaus einige schwere strafrechtliche Auswirkungen mit sich.« Diese Aussage klingt nach einem harten Urteil. Begeht eine Frau die Sünde der Abtreibung auch dann, wenn sie nicht über die Wirkungsweise der Spirale aufgeklärt ist?

Die Aussage der Instruktion über Nidationshemmung und medikamentöse Abtreibung ist konsequent. Zur strafrechtlichen Folge (eine Exkommunikation, die an sich von jedem Priester wieder aufgehoben werden kann) tritt nur dann ein, wenn eine Absicht zur Abtreibung und eine direkte Mitwirkung bestanden hat und eine tatsächliche Durchführung erfolgt ist. Im Falle einer medikamentös durchgeführten Abtreibung liegt der gleiche Tatbestand wie bei einer Abtreibung durch Curettage vor. Wenn eine solche Pille nach vollzogenem Geschlechtsverkehr »nur« »zur Sicherheit« eingenommen wird, besteht die Absicht - oder zu mindest die Inkaufnahme - einer Abtreibung; es ist danach aber nicht klar, ob es tatsächlich eine war.

»Die Frage der nidationshemmenden Wirkung ist ein Problem.«

Bei der Spirale ist das nicht so eindeutig: Heute verwendet man oft hormonell beschichtete Spiralen, die angeblich eine ähnliche Wirkung haben wie die Pille. Trotzdem ist bei der Spirale nicht auszuschließen, dass es nicht doch unter Umständen Monat für Monat zu einer »stillen« Abtreibung kommt. Es ist wichtig, bewusst zu machen, was das bedeutet und entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Es ist bekannt, dass auch die Anti-Baby-Pille nidationshemmend wirken kann. Die Gefahr einer »stillen« Abtreibung besteht also nicht nur bei Spirale und Pille danach. Gilt die Aussage der Instruktion auch für die gewöhnliche Pille?

Die Aussage der Instruktion bezüglich strafrechtlicher Auswirkungen kommt im Zusammenhang mit der Anti-Baby-Pille nicht zur Geltung, weil eine Frau, die die Pille einnimmt, nicht eine Abtreibung intendiert, wenn sie die Pille einnimmt. Die Frage der nidationshemmenden Wirkung ist ein Problem. Die im Gebrauch stehenden Anti-Baby-Pillen haben gewöhnlich mehrere Wirkungsmechanismen: Die Unterbindung der Ovulation (bei den niederschwelligen Pillen, die heute oft verwendet werden, ist es nicht immer sicher, ob diese Wirkung eintritt), die Verlangsamung der Tubenbeweglichkeit, wodurch die unter Umständen bereits befruchtete Eizelle längere Zeit braucht, bis sie in die Gebärmutter gelangt und eine Nidation nicht mehr möglich ist, weil bereits die Regelblutung einsetzt. Ein weiterer Wirkungsaspekt ist die Bildung eines Schleimpfropfes, der den Gebärmuttermund verschließt, sodass beim Geschlechtsverkehr die Spermien nicht in die Gebärmutter und in die Eileiter eindringen können. Schließlich kommt es durch die Einnahme der Pille auch zu Veränderungen der Schleimhaut in der Gebärmutter, sodass keine Einnistung stattfindet. Es ist daher möglicherweise nicht ganz auszuschließen, dass bei Versagen der antiovulatorischen Effekte und mangelhafter Bildung des Schleimpfropfes die Situation entstehen kann, dass es zu einer Art Abtreibung im frühesten Stadium kommt. Es gibt noch immer keine ganz sicheren Forschungsergebnisse, wie oft diese zuletzt genannte Wirkungsweise eintritt. Es scheint, dass diese Gefahr vor allem dann auftritt, wenn die Pille nicht regelmäßig eingenommen wird. Ebenso kann diese Situation eine Zeitlang bestehen, wenn die Pille nach jahrelanger Verwendung abgesetzt wird. Die Hauptgefahr im Sinne des Lebensschutzes entsteht aber erfahrungsgemäß, wenn ein »Verhütungsfehler« passiert.

»Es ist ein Unterschied, ob etwas ohne Zutun passiert oder nicht.«

Auch ohne menschliches Zutun stirbt ein gewisser Prozentsatz an Embryonen vor der Einnistung ab. Rechtfertigt diese Tatsache die Anwendung nidationshemmender Mittel?

Es ist ein großer Unterschied, ob etwas ohne menschliches Zutun passiert oder nicht. Wenn jemand stolpert und unglücklich stürzt und dabei stirbt, ist niemand daran schuld, ganz im Unterschied zu dem Fall, dass ihm jemand absichtlich einen kräftigen Stoß versetzt hat.

Was würden Sie einem katholischen Gynäkologen raten: Kann und soll er sich weigern, nidationshemmende Mittel zu verschreiben?

Mein Rat ist eindeutig: Er soll keine nidationshemmenden Mittel verschreiben. Wenn er aus therapeutischen Gründen (z. B. die Pille zur Regulierung des Zyklus) dennoch dies tun muss, ist er angehalten, die Patientin über die mögliche Nidationshemmung zu informieren.

Reproduktives Klonen gilt mancherorts als besonders human. Schließlich könnten dadurch schlechte Gene eliminiert und dem geklonten Menschen viele Leiden erspart werden. Ist die Bezeichnung »biologischer Sklaverei« in diesem Zusammenhang gerechtfertigt?

Die Argumentation der Instruktion scheint mir total schlüssig: Schon der Versuch zu klonen verstößt gegen die Würde des Menschen. Die Verwendung des Klons als Austauschobjekt ist eine weitere Brutalität.

Das Dokument vertritt ein eindeutiges Ja zum Leben. Auf Einzelfragen antwortet es aber differenziert. So erlaubt es etwa Eltern, ihre kranken Kinder mit unethisch gewonnenen Impfstoffen behandeln zu lassen. Handelt es sich dabei um einen Kompromiss?

Es handelt sich um eine sehr komplexe Materie. Die Instruktion spricht von »differenzierten Verantwortlichkeiten«. Aus gewichtigen Gründen - so die Instruktion - könnte die Verwendung biologischen Materials unerlaubten Ursprungs sittlich angemessen und gerechtfertigt sein. Als Beispiel wird dann der von Ihnen erwähnte Fall angeführt. Wegen der Gefahr für die Gesundheit der Kinder dürfen Eltern die Verwendung von Impfstoffen gestatten, bei deren Vorbereitung Zelllinien unerlaubten Materials verwendet wurden, wobei jedoch alle verpflichtet sind, dagegen Einspruch zu erheben und zu fordern, dass die Gesundheitssysteme andere Arten von Impfstoffen zur Verfügung stellen. Die Eltern haben keinerlei Entscheidungsgewalt in Bezug auf die Herstellung der Impfstoffe, auch bei den Herstellerfirmen ist bei den Mitarbeitern die Entscheidungsvollmacht unterschiedlich, ebenso bei den Gesundheitsbehörden. Es handelt sich also bei der Aussage der Instruktion nicht um einen Kompromiss, sondern um Folgerungen, die sich aus der Untersuchung der persönlichen Verantwortung ergeben.

Die Instruktion betrifft Forscher, Ärzte, insbesondere Gynäkologen, unfruchtbare Paare und viele andere. Wird man sich an die Richtlinien der Instruktion halten?

Leider gibt es viele besorgniserregende Entwicklungen. Als Christen können wir nichts Anderes tun als den Wert, die Würde des menschlichen Lebens, die Berufung des Menschen zu verkünden und auf Gefahren und Fehlentwicklungen hinzuweisen.

In den meisten Ländern Europas wird die Würde des ungeborenen Menschen nicht prinzipiell anerkannt, weil Abtreibung erlaubt oder zumindest toleriert wird. Denken Sie, dass Gesetze zum Schutz des Embryos in solchen Ländern langfristig aufrechterhalten werden können?

In der Tat bringen alle liberalen Abtreibungsgesetze mit sich, dass letztlich noch nicht geborene Kinder schutzlos sind. Wir müssen gerade deshalb, weil die Gefährdungen groß sind, für den Schutz des Lebens vom Augenblick der Empfängnis an bis zum natürlichen Tod eintreten.

Herzlichen Dank, Bischof Küng!



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Das Dokument: Die Instruktion Dignitas Personae

Dignitas Personae - »Die Würde der Person ist jedem Menschen von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod zuzuerkennen.« In diesem Anfangssatz ist das Grundprinzip der Instruktion resümiert, nämlich ein »großes 'Ja' zum menschlichen Leben«. Im Licht dieses schlichten Prinzips lassen sich vielschichtige und komplexe Fragen der Bioethik beantworten.

Die auf den 8. September 2008 datierte Instruktion der Glaubenskongregation wurde von Papst Benedikt XVI. ausdrücklich approbiert und am 12. Dezember 2008 veröffentlicht. Es handelt sich um ein Schreiben »lehrmäßiger Natur«, das für die Gläubigen verbindlich ist, das sich aber darüber hinaus an alle Menschen guten Willens richtet.

Die klare Struktur der Instruktion macht es dem Leser leicht sich zu orientieren. Im ersten Teil kommen prinzipielle theologische, ethische und anthropologische Aspekte zur Sprache. Die anderen beiden Teile thematisieren konkrete bioethische Fragen in Zusammenhang mit der Fortpflanzung (Teil 2) und mit Techniken therapeutischer Natur (Teil 3).

Der erste Teil stellt zunächst fest, dass der Mensch »von seiner Empfängnis an als Person geachtet« werden muss. Aus diesem Prinzip der unantastbaren Personenwürde ergeben sich zwei unmittelbare Konsequenzen. Zum einen muss der Mensch auch als Person behandelt werden. Er besitzt vom ersten Augenblick an die Rechte der Person, insbesondere das Recht auf Leben. Zum anderen hat die Zeugung ihren angemessenen Ort einzig und allein im ehelichen Akt der Liebe. Die Würde der Person ist durch die Vernunft einsehbar.

Im Licht des Glaubens zeigt sie sich jedoch mit größerer Klarheit. Gott hat den Menschen in seinem Abbild erschaffen. Für jeden Einzelnen gibt es einen »weisen und liebevollen ewigen Plan«. Jeder Mensch ist ohne Unterschied zu achten, denn »er besitzt eine ewige Bestimmung und ist berufen, die dreifaltige Liebe des lebendigen Gottes zu teilen« (Nr. 8).

Der zweite Teil der Instruktion handelt von ethischen Problemen bezüglich Fortpflanzungstechnologien. Gutgeheißen werden Techniken, die dem ehelichen Akt und dessen Fruchtbarkeit »helfen«, außerdem Eingriffe zur Entfernung von Hindernissen sowie die Förderung der Adoption von Waisenkindern. Klar abgelehnt wird hingegen die In-Vitro-Befruchtung, nicht nur weil dabei eine enorme Zahl an geopferten Embryonen anstandslos hingenommen wird, sondern auch deshalb, weil für die Zeugung des Menschen nur die gegenseitige Hingabe zweier Eheleute einen würdigen Rahmen bietet. Der Mensch muss Frucht der Liebe sein, nicht Produkt der Technik.

Mit der In-Vitro-Befruchtung geht das Einfrieren überzähliger Embryonen einher. Die Instruktion beurteilt diese als »unvereinbar mit der Achtung, die den menschlichen Embryonen geschuldet ist«. Sie ist mit »schwerwiegenden Gefahren des Todes oder der Schädigung ihrer physischen Unversehrtheit verbunden, weil ein hoher Prozentsatz die Prozedur des Einfrierens und Auftauens nicht überlebt. Sie entzieht die Embryonen wenigstens zeitweise der mütterlichen Aufnahme und Austragung und setzt sie der Gefahr weiterer Verletzungen und Manipulationen aus.« (Nr. 18) Ein weiteres Problem liegt in der Selektion in-vitro gezeugter Kinder durch die Präimplantationsdiagnostik. Dadurch werden Embryonen mit fehlerhaftem oder nicht erwünschtem Erbmaterial im Vorhinein ausgeschieden und dem Tod preisgegeben.

Bei der heterologen künstlichen Befruchtung werden fremde Samen- bzw. Eizellen verwendet. Zusätzlich zu den bereits besprochenen Bedenken kommt es dabei zu einer Verletzung der ehelichen Einheit, weil einer der Ehepartner durch eine fremde Person Vater oder Mutter wird.

Im dritten Teil kommen Techniken zur Sprache, die ein therapeutisches Ziel verfolgen, die aber zugleich eine Manipulation des Embryos oder des menschlichen Erbgutes mit sich bringen. Dazu gehört zunächst die Gentherapie. Werden genetische Defekte auf der Ebene der Körperzellen behoben, so gibt es keine prinzipiellen ethischen Einwände. Begibt man sich jedoch auf die Ebene der Keimzellen, so sind die Risiken für die Nachkommenschaft »beträchtlich und noch wenig kontrollierbar«. Die Keimbahntherapie ist deshalb - zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt - sittlich nicht erlaubt.

Das menschliche Erbgut gentechnisch verbessern zu wollen, ist ebenfalls problematisch: Es entsteht eine »eugenische Mentalität«, durch welche Menschen ohne besondere Begabungen ein soziales Stigma auferlegt würde. Unter Klonen versteht man das künstliche Erzeugen eines genetisch identischen Zwillings, sei es durch Embryo-Splitting oder durch die Übertragung eines Zellkernes in eine entleerte Eizelle. Das Klonen verstößt - gleichgültig welches Ziel damit verfolgt wird - auf grobe Weise gegen die Menschenwürde. Als »eine Art biologischer Sklaverei« bezeichnet die Instruktion das reproduktive Klonen, weil sich dabei eine Person das Recht anmaßt, über das Erbmaterial einer anderen Person zu bestimmen. Noch schlimmer ist das therapeutische Klonen. Hier wird der geklonte Mensch zu einem »bloßen Mittel«, das man »gebraucht und vernichtet«. »Es ist in schwerwiegender Weise unmoralisch, ein menschliches Leben für eine therapeutische Zielsetzung zu opfern«, so die Instruktion (Nr. 30).

Eine lebhafte Debatte wird über Stammzellen geführt, welche die Fähigkeit haben, sich in viele Arten von Zellen zu differenzieren, wie etwa Nerven-, Muskel- oder Blutzellen. Sie sind für die Medizin von enormem Interesse, weil sie eingesetzt werden können, um erkrankte Gewebeteile zu regenerieren. Ethisch relevant werden Stammzellen dort, wo es um die Methoden ihrer Gewinnung geht. Erlaubt ist die Gewinnung aus erwachsenen Organismen, aus Nabelschnurblut oder aus dem Gewebe natürlich verstorbener Föten, weil dabei niemand zu Schaden kommt. In »schwerwiegender Weise unerlaubt« ist jedoch die Entnahme von Stammzellen aus dem lebenden menschlichen Embryo. Hier werden menschliche Lebewesen vernichtet, »die dieselbe Würde besitzen wie die anderen Menschen und die Forscher selbst« (Nr. 32). Davon abgesehen ist belegt, dass adulte Stammzellen bei weitem positivere Ergebnisse erzielen als embryonale Stammzellen. Die Instruktion schließt, wie sie begonnen hat, indem sie hinter jedem »Nein« ein großes »Ja« erblickt, »das die unveräußerliche Würde und den Wert jedes einzelnen unwiederholbaren Menschen anerkennt, der ins Leben gerufen worden ist« (Nr. 37).

Dr. Jutta Graf


IM PORTRAIT

Bischof Dr. theol. Dr. med. Klaus Küng
Geboren 1940 in Bregenz, ist Bischof der Diözese Sankt Pölten. Im Rahmen der Österreichischen Bischofskonferenz ist er für Ehe und Familie, Bioethik und Fragen des umfassenden Lebensschutzes zuständig. Er ist Mitglied der Klerus-Kongregation und Konsultor des Päpstlichen Rates für die Familie.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Der Bioethik-Spezialist der Österreichischen Bischofskonferenz: Bischof Klaus Küng


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Quelle:
LEBENSFORUM Ausgabe Nr. 89, 1. Quartal 2009, S. 16 - 21
Zeitschrift der Aktion Lebensrecht für Alle e.V. (ALfA)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2009