Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → FAKTEN


VORSORGE/818: Studie - Ärztliche Aufrufe helfen der Impfquote (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 7-8/2019

Impfen
Ärztliche Aufrufe helfen der Impfquote

von Dirk Schnack


Eine Studie zeigt, dass die Bevölkerung auf Aufrufe von Ärzten und Krankenkassen reagiert und sich impfen lässt - an der grundsätzlichen Einstellung zum Impfen ändert sich damit aber nichts.


Welche Maßnahmen können helfen, die Impfquote zu erhöhen? Aufschlüsse in dieser derzeit auch politisch diskutierten Frage liefert eine Studie, die Dr. Kevin Schulte von der Klinik für Nieren- und Hochdruckkrankheiten am UKSH in Kiel vergangenen Monat im Deutschen Ärzteblatt publiziert hat.

Die Studie ergab, dass chronisch nierenkranke Menschen mit rund 45 Prozent eine zu geringe Grippeimpfrate aufweisen. Sie zeigt aber auch, welche Maßnahmen im Bemühen um eine bessere Impfrate Wirkung zeigen, und ist damit interessant auch für die allgemeine gesundheitspolitische Diskussion über dieses Thema. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

- Ein vom Arzt ausgehender schriftlicher Impfaufruf kann die Impfquote von nierentransplantierten Patienten verbessern. Die in der Studie getestete Intervention führte zu einer Zunahme der Impfquote um 8,3 Prozentpunkte im Vergleich zur Kontrollgruppe. Um eine zusätzliche Impfung zu erreichen, waren also 13 Interventionsschreiben durch den behandelnden Arzt erforderlich. Betrachtet man ausschließlich die Druck- und Portokosten, entstehen für eine zusätzliche Impfung Zusatzkosten von zehn Euro. Schulte verweist in diesem Zusammenhang auf Ergebnisse internationaler Studien, die ebenfalls einen positiven Effekt einer Impferinnerung durch den behandelnden Arzt zeigen.

- Die Intervention änderte nichts an der Einstellung der Patienten im Hinblick auf Nebenwirkungsrisiken oder Erkrankungsschwere. Um die Impfquote zu erhöhen, ist also offenbar keine Einstellungsänderung notwendig. Von größerer Bedeutung für die Patienten scheint die bloße Erinnerung zu sein.

- Ein Impfaufruf der Kassenärztlichen Vereinigung an die Vertragsärzte führte zu keiner Erhöhung der Impfquote. Schulte geht davon aus, dass die Informationsübermittlung in der Studie nicht eindringlich genug war, um im Praxisalltag der Vertragsärzte wahrgenommen zu werden, oder dass die Aufforderung nicht beachtet wurde, weil ihr bislang nicht bekannte Umsetzungsbarrieren entgegenstehen.

- Eine Impferinnerung durch eine Krankenkasse kann die Impfquote steigern, aber weniger stark als ein vom Arzt ausgehender Impfaufruf. Um eine zusätzliche Impfung zu erreichen, waren 32 Postaussendungen durch die Krankenkasse erforderlich. Berücksichtigt man wiederum nur die Kosten für Druck und Porto, waren 25 Euro Aufwand für einen zusätzlich geimpften Patienten erforderlich.

"Unsere Studie legt nahe, dass Ärzte über eine unmittelbare Impfaufforderung hinaus auch durch eine schriftliche Impferinnerung die Impfquoten ihrer Patienten steigern können. Um bundesweit die Impfquoten zu steigern, scheint es jedoch pragmatischer, Impferinnerungssysteme in den Krankenkassen zu etablieren", heißt es in der Studie. Denn: Die Reichweite einer Krankenkasse ist höher als die einer Arztpraxis und damit eine flächendeckende Umsetzung leichter realisierbar. Eine redundante Etablierung von Erinnerungssystemen wäre im Gegensatz zum Impfaufruf durch Ärzte ausgeschlossen. Krankenkassen können sich eine Adressierung von Risikopersonen wie etwa Kinder, denen noch die zweite Masernimpfung fehlt, vorstellen, dies erfordert jedoch eine Änderung des SGB V.

Schulte könnte sich darüber hinaus gut vorstellen, dass man zielgerichtet auf die im Vorjahr nicht geimpften Personen etwa mit digitalen Erinnerungssystemen zugeht. Eine Schlüsselrolle kommt dabei nach seiner Ansicht der elektronischen Gesundheitsakte zu, wie sie Krankenkassen ab 2021 verpflichtend einführen müssen: "Dieser Ansatz würde Impfaufklärung erstmalig großflächig individualisieren - anstatt Aufklärung in Massenmedien zu betreiben, könnte adressatengerechtes Aufklärungsmaterial zielgruppenspezifisch verteilt werden."

Die Deutsche Gesellschaft für Nephrologie sieht angesichts der Ergebnisse "dringenden Handlungsbedarf", um die Influenza-Impfquote bei chronisch nierenkranken Patienten zu erhöhen. Sie kündigte eine Informationskampagne an, mit der man die Patienten erreichen will.


Info

Weniger als die Hälfte der chronisch nierenerkrankten Patienten erhält laut Studie eine Grippeschutzimpfung. Nur ein Impfaufruf, der unmittelbar an die Patienten adressiert ist, führte in der Studie zu einer Zunahme der Impfquote. Ein an die behandelnden Ärzte gerichteter Appell hatte dagegen keinen positiven Effekt.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 7-8/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201907/h19074a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

*

Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, Juli - August 2019, Seite 11
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-272, -273, -274,
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.de
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2019

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang