Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 11/2019
Nikotin
Raucherin gibt nicht auf
von Dirk Schnack
Eine Patientin aus Eckernförde klagt vor dem Bundesverfassungsgericht, damit ihre Krankenkasse Medikamente zur Raucherentwöhnung erstattet.
Eine Patientin aus Schleswig-Holstein hat Verfassungsbeschwerde
beim Bundesverfassungsgericht (BVG) in Karlsruhe eingereicht, nachdem
das Bundessozialgericht ihre Klage auf Kostenerstattung einer
Raucherentwöhnung durch ihre Krankenkasse abschlägig beschieden hatte.
Die Patientin begründet ihre Verfassungsbeschwerde unter anderem mit
dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und mit dem Grundrecht
auf Gleichbehandlung. Beistand erhält die Klägerin von der Deutschen
Gesellschaft für Nikotin- und Tabakforschung, in der auch
Allgemeinmediziner Dr. Ulf Ratje aus Eckernförde aktiv ist. Er setzt
sich seit vielen Jahren dafür ein, dass süchtigen Rauchern unter
seinen Patienten eine Therapie auf Kasse ermöglicht wird.
Ratje verwies in einer Pressemitteilung auf die tödlichen Folgen des Nikotinkonsums. "Bei der Tabakabhängigkeit handelt es sich um eine Erkrankung, an deren Folgen jährlich 120.000 Menschen in Deutschland versterben. Das Leben eines Rauchers verkürzt sich um durchschnittlich zehn Jahre. Seit Ausschluss der Kostenerstattung für Medikamente zur Raucherentwöhnung im § 34 SGB V zum 1. Januar 2004 sind rund zwei Millionen Menschen in Deutschland vorzeitig an den Folgen des Rauchens verstorben", so der Allgemeinarzt.
Das BSG hatte in seiner Begründung u. a. auf die bestehenden Angebote zur Raucherentwöhnung in der Prävention (Angebote nach § 20 SGB V) hingewiesen, die die Entstehung von Erkrankungen einschließlich einer Sucht verhindern sollen. Derartige Angebote sind aber nach Überzeugung Ratjes bei Vorhandensein einer Tabakabhängigkeit (ICD 10 F17.2) oder eines schädlichen Gebrauchs von Tabak (ICD 10 F17.1) wie bei Vorliegen einer COPD nicht mehr indiziert, da es sich hier um Primärpräventionsangebote handelt.
In der vertragsärztlichen Versorgung sollen die hausärztliche Versicherungspauschale (GOP Nr. 03000 EBM), das problemorientierte ärztliche Gespräch (GOP Nr. 03230 EBM) sowie Inhalte strukturierter Behandlungsprogramme, z. B. im DMP COPD, ausreichende Maßnahmen zur Raucherentwöhnung in der Therapie der Tabakabhängigkeit darstellen. "Zeitlicher Rahmen und Honorierung reichen für den ärztlichen Ratschlag aus, mit dem Rauchen aufzuhören. Die Erfolgsrate liegt dann bei ca. fünf Prozent Abstinenz", gibt Ratje zu bedenken. Eine strukturierte verhaltenstherapeutische Intervention analog zu Inhalten der Alkoholentwöhnung und in der S3-Leitlinie mit einer Evidenz A bewertet habe aber eine Erfolgsquote von rund 20 Prozent, in Kombination mit einer medikamentösen Nikotinentzugsbehandlung von über 30 Prozent Abstinenz. Hinzu kommt: "Aufgrund der sehr eingeschränkten Therapiemöglichkeiten gibt es praktisch keine Therapiestrukturen in Deutschland."
Begründet wird der Erstattungsausschluss vom Gericht außerdem mit dem Argument, bei der Anwendung der Medikamente zur Raucherentwöhnung stehe die Lebensqualität im Vordergrund. "Diese Begründung ist medizinisch-wissenschaftlich widerlegt", so Ratje. Er betont, dass die entsprechenden Medikamente ausschließlich zur Entwöhnung dienen und nur eingesetzt werden, nachdem zuvor eine Nikotinabhängigkeit diagnostiziert wurde. Der Einsatz der Entwöhnungspräparate sei vor allem dazu gedacht, Entzugssymptome im Rahmen eines Abstinenzversuchs zu dämpfen, so Ratje weiter. Das Bundessozialgericht hatte bei seiner Klageabweisung unter anderem angeführt, dass eine Raucherentwöhnung auch durch nichtmedikamentöse Maßnahmen erfolgen könnte. Ratje verweist dagegen auf Studien, wonach die Wirksamkeit medikamentöser Nikotinersatztherapien belegt sei.
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, November 2019, Seite 16
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.
veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2019
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