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MELDUNG/819: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 26.03.15 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Bund fördert Projekt der Saar-Uni zur Erforschung der frühen Kniegelenks-Arthrose
→  Erstes internationales Symposium "Transient Dynamic Brain States" in Tübingen -
      Brückenschlag zwischen Grundlagenforschung und klinischer Anwendung
→  Erstes Verfahren zur kontinuierlichen Reinigung wertvollster Therapeutika entwickelt


Universität des Saarlandes - 24.03.2015

Bund fördert Projekt der Saar-Uni zur Erforschung der frühen Kniegelenks-Arthrose

Die frühe Kniegelenks-Arthrose steht im Zentrum eines neuen Forschernetzwerks, an dem Henning Madry, Professor für Experimentelle Orthopädie der Universität des Saarlandes, beteiligt ist. Ziel ist es, die Grundlagen der degenerativen Erkrankung des Kniegelenks besser zu verstehen, ihrer Entstehung vorzubeugen und sie noch im frühen Stadium besser behandeln zu können. Das Projekt ist auf vier Jahre angelegt, die Saar-Uni wird dafür vom Bund mit mehr als einer halben Million Euro unterstützt.

Der Forschungsverbund ist eines von acht interdisziplinären Netzwerken aus führenden Experten, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgewählt hat, um den Erkrankungen des Bewegungsapparates vorzubeugen und die Therapien zu verbessern.

"In unserem Teilprojekt wollen wir auf molekularer und struktureller Ebene erforschen, wie sich eine mechanische Überlastung des Knorpels infolge von O- oder X-Beinen auf die Entstehung von Arthrose im Kniegelenk auswirkt", erläutert Professor Henning Madry, der den Lehrstuhl für Experimentelle Orthopädie und Arthroseforschung an der Saar-Uni innehat. "Wenn die Beinachse nicht mehr durch die Mitte des Kniegelenks verläuft, kommt es zu einer lokalen Überlastung im Knie, aus der sich im Zusammenspiel mit anderen Faktoren eine Arthrose entwickeln kann", weiß der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie aus dem Klinikalltag. Im aktuellen Forschungsvorhaben arbeitet er mit weiteren führenden Spezialisten der Kniegelenks-Arthrose und mit Biomechanikern zusammen, unter anderem mit Professorin Magali Cucchiarini von der Saar-Uni und Professor Georg Duda von der Berliner Charité. Die Wissenschaftler wollen vor allem die einzelnen Schritte besser verstehen lernen, die zu einer frühen Degeneration des Knorpels und des darunter liegenden Knochens führen, sowie den zugrundeliegenden molekularen und zellulären Mechanismen auf die Spur kommen.

Ziel ist es, die Therapie der frühen Kniegelenks-Arthrose bei Patienten mit einer Achsabweichung zu verbessern. Insbesondere soll untersucht werden, ob die Fehlbelastung frühzeitig geändert werden kann, um das Fortschreiten der degenerativen Gelenkserkrankung zu stoppen oder zu verzögern. "Letztendlich geht es in unserem Konsortium - das bereits eine der größten gesetzlichen Krankenkassen für eine deutschlandweite Kampagne gewinnen konnte - aber auch darum, bessere präventive Strategien wie Trainingsempfehlungen für Patienten anbieten zu können", erläutert Madry.

Das aktuelle Forschungsprojekt ist die konsequente Fortsetzung von grenzüberschreitenden Vorarbeiten, die im Rahmen des "Knorpelnetz der Großregion" entstanden sind, sagt Henning Madry. Dieses hat er 2011 gemeinsam mit der Molekularbiologin Magali Cucchiarini aus Homburg sowie den Partnern Dietrich Pape und Romain Seil aus Luxemburg initiiert, um Neuerungen in der Knorpel- und Arthroseforschung effizienter voranzubringen. Die fast 50 Mitglieder aus dem Saar-Lor-Lux-Raum - Mediziner, Molekularbiologen und Ingenieure bis hin zu Pathologen - tauschen sich in regelmäßigen Treffen aus.

Die Homburger Wissenschaftler Henning Madry und Magali Cucchiarini erforschen die Ursachen der Arthrose und untersuchen, wie man verschiedene Varianten von Knorpelersatz, beispielsweise im Labor gezüchtete Knorpelimplantate, weiter verbessern kann. Unter anderem arbeiten sie an einem Verfahren, mit dem bestimmte körpereigene Gene in kranke Knorpelzellen geschleust werden. Die Zellen können dadurch spezielle Wachstumsfaktoren produzieren und zur Heilung des Gewebes beitragen.

Die acht Forschungsverbünde des deutschlandweiten Forschungsnetzes des BMBF wurden aus insgesamt 65 Anträgen ausgewählt. Dabei bündeln 32 universitäre und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ihre Kompetenzen in anwendungsorientierter Grundlagenforschung, klinischer Forschung und Versorgungsforschung. Die gesamte Fördersumme beläuft sich auf 35 Millionen Euro
(http://www.bmbf.de/press/3569.php)

Kontakt:
Prof. Dr. Henning Madry
Zentrum für Experimentelle Orthopädie
E-Mail: henning.madry@uniklinikum-saarland.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution8

Quelle: Universität des Saarlandes, Gerhild Sieber, 24.03.2015

Raute

Universitätsklinikum Tübingen - 24.03.2015

Brückenschlag zwischen Grundlagenforschung und klinischer Anwendung

Erstes internationales Symposium "Transient Dynamic Brain States" in Tübingen

Fast jeder Dritte erlebt mindestens einmal in seinem Leben eine schwere psychische Störung. Ob Depression, Zwangsstörung oder schizophrener Schub - in manchen Fällen sind jahrelange Krankheitsgeschichten die Folge. Hinzu kommt die wachsende Zahl der Demenzkranken, auch verursacht durch die steigende Lebenserwartung. Eine entsprechende Zunahme der Kosten für Diagnose und Therapie psychischer Erkrankungen ist zu erwarten. Doch die bisherigen Methoden der Diagnosestellung als auch die häufig langwierigen Therapien psychischer Störungen erweisen sich oft als unzureichend. Fortschritte im Bereich der sog. Neurotechnologie versprechen diese Situation in naher Zukunft wesentlich zu verbessern.

In Tübingen fand jetzt ein erstes internationales Symposium unter dem Titel "Transient Dynamic Brain States" statt, bei dem die Kombination von modernsten bildgebenden Verfahren, beispielsweise der Ganzkopf-Magnetenzephalographie (MEG) mit speziellen mathematischen Algorithmen sowie nicht-invasiver elektrischer Hirnstimulation, vorgestellt wurde. Mit Hilfe der MEG ist es möglich, die extrem schwachen Veränderungen von Magnetfeldern im Millisekunden-Bereich zu messen, die entstehen, wenn elektrische Ströme im Gehirn fließen. Damit ist dieses Verfahren in der Untersuchung dynamischer Veränderungen von Hirnaktivität anderen bildgebenden Verfahren, die beispielsweise langsame Veränderungen des Hirnstoffwechsels messen, weit überlegen.

Surjo Soekadar, Neurowissenschaftler und Arzt an der Universitätsklinik Tübingen und Organisator des Symposiums, ist davon überzeugt, dass die zugrunde liegenden Mechanismen psychischer Störungen mit Hilfe der MEG und vergleichbarer Methoden schon sehr bald viel besser verstanden werden können. "Für die Diagnostik und effektive Behandlung psychischer Erkrankungen ist die Entwicklung innovativer neurotechnologischer Methoden im klinischen Alltag essentiell", so Soekadar.

Darüber hinaus verspreche der Einsatz von Neurotechnologie auch Verbesserungen in der Prävention und sog. Rezidivprophylaxe psychischer Störungen. Hier kann beispielsweise die kontinuierliche Ermittlung des individuellen Stressniveaus oder des Schlaf-Wach-Rhythmus eine wichtige Rolle spielen. "Dennoch bleibt die Neurotechnologie ein Hilfsmittel und kann eine enge Arzt-Patienten Beziehung niemals ersetzen", so Soekadar.

Das Symposium versammelte international führende Köpfe der Neurowissenschaften aus Kanada, den USA, Großbritannien, Österreich und Deutschland in Tübingen. Vorausgegangen war ein Festabend unter dem Titel "Freiheit, Wille und Gehirn", bei dem der Wiener Neurologe und Entdecker des sog. Bereitschaftspotentials Lüder Deecke den Festvortrag hielt. Die Aufzeichnung des Festvortrags sowie sämtliche Konferenzabstracts sind ab sofort unter www.neural-dynamics.org abrufbar.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution82

Quelle: Universitätsklinikum Tübingen, Dr. Ellen Katz, 24.03.2015

Raute

Austrian Centre of Industrial Biotechnology (ACIB) - 25.03.2015

Erstes Verfahren zur kontinuierlichen Reinigung wertvollster Therapeutika

Wissenschaftler des acib und der Universität für Bodenkultur Wien entwickeln das erste kontinuierliche Reinigungsverfahren für Antikörper. Das soll die Produktionskosten senken und zu Therapeutika führen, die auch für weniger privilegierte Gesundheitssysteme erschwinglich sind.

Stellen Sie sich vor, ein lieber Angehöriger hätte Krebs. Und Sie könnten sich keine Therapie leisten, weil die Medikamente zu teuer sind. Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) hat eine Technologie entwickelt, welche die Produktionskosten von hochwertigen Therapeutika maßgeblich senken kann.

Ohne Antikörper wären wir Krankheitserregern und Krebszellen hilflos ausgeliefert. Therapeutische Antikörper kommen als Impfstoffe, bei der Krebstherapie oder zur Bekämpfung von Autoimmunkrankheiten wie Multipler Sklerose zum Einsatz. Laut "bccresearch.com" machte der globale Markt für Antikörper-Medikamente 2014 fast 70 Mrd. USD aus und soll bis 2019 auf 122 Milliarden US-Dollar pro Jahr wachsen. Gut zwei Drittel dieser Moleküle werden biotechnologisch mit Hilfe der Eizellen des chinesischen Hamsters (CHO) produziert. Der größte Kostenfaktor für die Industrie ist die Reinigung mit der "Protein A" Affinitätschromatographie, mit deren Hilfe Zehntausende Liter Kulturvolumen pro Jahr verarbeitet werden. Mehr als 80% der Produktionskosten entfallen auf die Produktreinigung.

Seit den 1980er-Jahren sucht die Industrie nach günstigeren, kontinuierlichen Reinigungsverfahren. Forschern des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) ist nun ein Durchbruch gelungen. Sie haben das weltweit erste kontinuierliche Reinigungsverfahren für rekombinante Antikörper aus CHO-Kulturen entwickelt. Technisch betrachtet kombiniert das Reinigungsverfahren eine Calcium-Phosphate Flockung mit einer Ethanolpräzipitation, die in einem Rohrreaktor samt Wärmetauscher im Gegenstrom betrieben werden.

Testläufe mit Immunglobulin G (IgG) haben gezeigt, dass das kontinuierliche Verfahren mit der herkömmlichen Chromatographie bei der Ausbeute mithalten und diese in Sachen Betriebsgeschwindigkeit deutlich übertreffen kann. Damit wird es möglich, die Produktionskosten für wichtige Therapeutika massiv zu senken.

Ein großer Vorteil der Methode ist die einfache Übertragbarkeit der Betriebsparameter vom der aktuellen Verfahren. Kombiniert mit einem vorgelagerten Konzentrationsschritt ist die neue Methode auch ideal für die Reinigung bei niedrigen Produktausbeuten. "Unsere Methode hat ein großes Potenzial als neue Plattform-Technologie für die Pharmaindustrie", sagt Projektleiter Prof. Alois Jungbauer, der mit mehreren internationalen Firmen über den Bau von Pilotanlagen verhandelt.

Das acib verfügt über viel Erfahrung in CHO-Technologien, hat unlängst das Referenzgenom des chinesischen Hamsters sequenziert und teilt das Wissen auf www.chogenome.org. Eben hat das Forschungszentrum eine internationale, akademische Ausbildungsinitiative rund um biotechnologische Nutzung von CHO-Zellen gestartet.

* Über acib

Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Industrie (Biotech, Chemie, Pharma) und verwendet dafür die Methoden der Natur als Vorbild und Werkzeuge der Natur als Hilfsmittel. Mit Standorten in Graz, Wien, Innsbruck, Tulln, Hamburg, Heidelberg und Bielefeld (D), Pavia (I) und Barcelona (E) ist das acib ein Netzwerk von 120+ internationalen Projektpartnern, darunter BASF, DSM, Sandoz, Boehringer Ingelheim RCV, Jungbunzlauer, voestalpine, VTU Technology oder Clariant. Eigentümer sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research.

Beim acib forschen und arbeiten rund 200 Beschäftigt mit bis zu 30 Jahren Erfahrung in industrieller Biotechnologie an 50+ Forschungsprojekten. Öffentliche Fördermittel (53 % des Budgets) bekommt das acib von der nationalen Forschungsförderung.

Das Kompetenzzentrum acib - Austrian Centre of Industrial Biotechnology - wird im Rahmen von COMET - Competence Centers for Excellent Technologies durch das BMVIT, BMWFW sowie die Länder Steiermark, Wien, Niederösterreich und Tirol gefördert. Das Programm COMET wird durch die FFG abgewickelt.

* Weitere Informationen finden Sie unter
http://goo.gl/KYvWLD Publikation im Biotechnology Journal
http://goo.gl/q89aAt Kommentar im Biotechnology Journal
http://www.acib.at

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1703

Quelle: Austrian Centre of Industrial Biotechnology (ACIB), Thomas Stanzer, 25.03.2015

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2015

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