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MELDUNG/669: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 15.03.13 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Wunderwerk Wirbelsäule: Welche Auswirkungen haben Operationen?
→  Sinneswahrnehmungen führen zu präzisen Bewegungen. James Poulet erforscht,
      wie das Gehirn Sinneswahrnehmungen verarbeitet, die ein Verhalten auslösen.
→  Die Entdeckung der Gene für erblichen Brustkrebs hat die Sicht
      auf die großen Volkskrankheiten dauerhaft verändert.



Universitätsklinikum Ulm - 14.03.2013

Wunderwerk Wirbelsäule - Welche Auswirkungen haben Operationen?

Prof. Thomas R. Oxland erhält Forschungspreis der Humboldt-Stiftung

Prof. Dr. Thomas R. Oxland ist dem Wunderwerk Wirbelsäule seit Jahrzehnten auf der Spur, seit Herbst letzten Jahres als Gastprofessor am renommierten Ulmer Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik. In Bamberg nimmt der international ausgezeichnete Forscher der University of British Columbia in Vancouver/Kanada am 15. März für sein Lebenswerk den mit 60.000 Euro dotierten Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung entgegen. Gemeinsam mit seinem Ulmer Kollegen Prof. Dr. Hans-Joachim Wilke erforscht er, welche Auswirkungen Wirbelsäulenoperationen haben können. Die Ergebnisse werden für die zukünftige Behandlung von Volkskrankheiten wie Bandscheibenschäden oder von Unfallverletzungen entscheidend sein.

Ein Sturz, ein Autounfall, falsches schweres Heben, Altwerden - es gibt viele Möglichkeiten, Ärger mit der Wirbelsäule zu bekommen. Bei Verletzungen oder Abnutzungserscheinungen an diesem biomechanischen Wunderwerk der Natur setzen Chirurgen häufig Implantate wie Platten, Schrauben oder künstliche Bandscheiben ein. "Was der betroffenen Stelle der Wirbelsäule gut tut, müssen aber möglicherweise die Nachbarbereiche ausbaden", erläutert Preisträger Professor Oxland, Verfasser des internationalen Standardwerks über die Biomechanik der Wirbelsäule. "Es gibt Hinweise darauf, dass die Nachbarbereiche überbeansprucht werden und schneller verschleißen - das wollen wir genauer wissen." Wenn sich die Hinweise bestätigen, müsste die Versorgung von weltweit Millionen Menschen mit Wirbelsäulenimplantaten überdacht werden.

"In Ulm nutzen wir unseren weltweit einmaligen Wirbelsäulensimulator, um festzustellen, wie sich verschiedene Implantate auf die Biomechanik der benachbarten Wirbelsäulenbereiche auswirken", erläutert Prof. Dr. Hans-Joachim Wilke, Leiter des Forschungsbereichs Wirbelsäule am gastgebenden Institut für Unfallchirurgische Forschung und Biomechanik. "In Vancouver untersuchen wir Patienten nach Wirbelsäulenoperationen. Dazu verwenden wir eines der weltweit wenigen offenen MRT-Geräte, in denen Patienten stehen können, so dass wir die OP-Auswirkungen auf die aufrechte Wirbelsäule überprüfen können", ergänzt Professor Oxland, der in Vancouver das renommierte Forschungsinstitut ICORD leitet. Abgeglichen werden die Ergebnisse mit mathematischen Modellen.

"Unser Forschungsansatz ist umfassend: Wir wollen herausfinden, welche Auswirkungen die Operation selbst hat, wie die Wirbelsäule einen solchen Eingriff ausgleicht und welche Art von Implantaten welchen Einfluss ausübt", so die Wissenschaftler. In ihrer gemeinsamen Ulmer Zeit planen sie, umfassende und langfristige Forschungsprojekte ihrer Institute zu diesem und weiteren Themen anzuschieben.

"Wir empfinden es als große Ehre, dass Professor Oxland mit uns in Ulm forscht. Dass er den Forschungspreis der Humboldt-Stiftung erhält, ist eine wunderbare Betonung dieser Ehre", so Gastgeber Wilke. Die Stiftung fördert Wissenschaftskooperationen zwischen exzellenten ausländischen und deutschen Forscherinnen und Forschern. Mit dem Forschungspreis werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Ausland für ihr herausragendes Gesamtschaffen ausgezeichnet.

Petra Schultze

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.biomechanics.de/ufb/index.html
(Institut für unfallchirurgische Forschung und Biomechanik,
Universitätsklinikum Ulm - Forschungsbereich Wirbelsäule)
http://www.icord.org Institut ICORD
(International Collaboration On Repair Discoveries)
http://www.humboldt-foundation.de
(Alexander von Humboldt-Stiftung)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1093

Quelle: Universitätsklinikum Ulm, Petra Schultze, 14.03.2013

Raute

Goethe-Universität Frankfurt am Main - 14.03.2013

Der Hirnforscher Dr. James Poulet erhält den Paul Ehrlich-Nachwuchspreis 2013

Sinneswahrnehmungen führen zu präzisen Bewegungen. James Poulet erforscht, wie das Gehirn Sinneswahrnehmungen verarbeitet, die ein Verhalten auslösen.

FRANKFURT am MAIN. Der mit 60.000 Euro dotierte Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis geht in diesem Jahr an den in Berlin tätigen Hirnforscher Dr. James Poulet. Der Engländer erhält die Auszeichnung, weil "seine Forschung dazu beiträgt, die neuronalen Grundlagen des Verhaltens zu verstehen", heißt es in der vom Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung verfassten Begründung. Der Preis wird heute, am 159sten Geburtstag von Paul Ehrlich, in der Frankfurter Paulskirche überreicht.

Sinneseindrücke führen zu sehr präzisem Verhalten. Man sieht etwas und greift zu. Man riecht und rümpft die Nase. James Poulet untersucht, was sich bei der Koppelung von Sinneseindrücken und Bewegungsverhalten in der Hirnrinde der Maus abspielt, wie sich die Prozesse gegenseitig beeinflussen und welche Nervenzellen, Synapsen und neuronalen Netzwerke dabei eine Rolle spielen. Dafür setzt er neue optische, verhaltensorientierte und elektrophysiologische Methoden ein, die vom Stiftungsrat besonders gewürdigt wurden. "Poulets Arbeit ist auch für die Entwicklung künstlicher Gliedmaßen und Prothesen von zentraler Bedeutung", schreibt der Stiftungsrat in seiner Begründung weiter.

Poulet, der am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin Berlin-Buch &NeuroCure Neuroscience Research Center arbeitet, hat durch viele hochrangige Veröffentlichungen auf sich aufmerksam gemacht. Er konnte nachweisen, warum männliche Grillen nicht taub werden, wenn sie Weibchen durch das rhythmische Reiben ihrer Deckflügel zur Paarung einladen. Dieses aus lauen Sommernächten bekannte Zirpen hat immerhin die Lautstärke einer Motorsäge. Männliche Grillen schalten die für das Hören zuständigen Nervenzellen sehr gezielt herunter, sobald sie mit dem Zirpen beginnen und lösen diese Blockade sofort wieder, wenn sie damit aufhören. Durch dieses Hin und Her zwischen An- und Abschalten werden die Grillen nicht taub, sind aber gleichzeitig noch in der Lage, das Herannahen von Feinden oder Rivalen zu hören. Poulet hat auch die Nervenzellen identifiziert, die für diesen internen Rückkoppelungsprozess verantwortlich sind. Dieser Prozess ist ein Beispiel dafür, wie Lebewesen zwischen selbst- und fremderzeugten Sinneseindrücken unterschieden. Ein ähnlicher Rückkoppelungsprozess sorgt auch dafür, dass wir beim Schreien keinen Hörschaden bekommen oder uns selbst nicht kitzeln können. James Poulet interessiert sich zudem für das, was weithin als Gehirnzustand bezeichnet wird. Gemeint ist etwa der Übergang vom Dösen ins Hellwachsein. Diese Zustände gehören zur normalen Funktion des Gehirns. Poulet untersucht, wie sie zustande kommen und welche Rolle sie bei der Koppelung von Sinneswahrnehmung und Bewegungsverhalten haben.

Kurzbiographie Dr. James Poulet
James Poulet (37) wurde 1975 geboren, studierte Biologie an der Universität Bristol und promovierte in der Abteilung für Zoologie der Universität Cambridge. 2005 wechselte er an das Brain Mind Institute an der "École Polytechnique Fédérale deLausanne" in der Schweiz. Seit 2009 ist er Gruppenleiter am Max Delbrück Zentrum für Molekulare Medizin Berlin-Buch und am Exzellenzcluster NeuroCure. Poulet hat in sehr hochrangigen Zeitschriften publiziert, davon mehrfach in Nature sowie in Science und Nature Neuroscience. Er ist mit dem Gedge Prize der Universität Cambridge ausgezeichnet worden, dem Rolleston Memorial Prize der Universität Oxford und dem Young Investigator Award der International Society for Neuroethology. 2010 hat Poulet einen der begehrten European Research Council Starting Grants bekommen, mit dem nur die allerbesten Nachwuchswissenschaftler ausgezeichnet werden.

Hintergrundinformation
zur Verleihung des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreises 2013 an Dr. James F.A. Poulet

Hirnforschung
Vom Sinneseindruck zum Verhalten

Sehen, hören, fühlen, riechen und schmecken: Mit diesen fünf Sinnen nehmen wir die Umwelt wahr und reagieren darauf. Wir greifen nach etwas, was wir sehen. Wir folgen einem einladenden Geräusch, fliehen vor beißendem Rauch, spucken etwas Ungenießbares aus und ertasten den Weg im Dunkeln. Die Art, wie das Gehirn die Sinnesinformation verarbeitet, führt in jedem Fall zu einer sehr präzisen Bewegungsreaktion.

Diese Aktivität wird von den Nervenzellen, Synapsen und den neuronalen Netzwerken der Hirnrinde bewältigt und führt zu interessanten Fragen, die fast schon philosophischer Natur sind. Wie unterscheidet das Gehirn zwischen Sinneseindrücken, die von außen an uns herangetragen werden und solchen, die wir selbst erzeugen? Habe ich gerufen oder hat ein anderer gerufen? Das sind die Fragen, mit denen sich Dr. James Poulet vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin Berlin-Buch & NeuroCure Neurosciene Research Center (NWFZ) seit über zehn Jahren beschäftigt. Poulet ist der Träger des diesjährigen Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreises. Der junge britische Wissenschaftler erhält die Auszeichnung, weil "seine Forschung dazu beiträgt, die neuronalen Grundlagen des Verhaltens zu verstehen", so der Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung in seiner Begründung.

Der Neurobiologe konzentriert sich auf freiwilliges Verhalten, das nach irgendeiner Entscheidung verlangt, nicht auf stereotype Reflexbewegungen. Die Hand von einer heißen Oberfläche zu ziehen, ist eine Reflexbewegung, während die Beantwortung einer Berührung eine freiwillige Reaktion ist. "Wir wollen wissen, wie neuronale Aktivitäten das Verhalten verändern", erklärt Poulet. "Wir interessieren uns für die kausale Beziehung zwischen der Sinneswahrnehmung, der Aktivität der Nervenzellen und der Bewegungsantwort, die daraus resultiert". Poulet hat zuerst mit Grillen gearbeitet, jetzt arbeitet er mit Mäusen. Er ist vor allem an zwei Gehirnregionen interessiert, dem primären somatosensorischen Kortex und dem Motor-Kortex. Dort werden die Sinneswahrnehmungen in Verhaltensreaktionen umgemünzt.

Poulet hat die Mäuse so trainiert, dass sie ihre Vorderbeine ausstrecken um damit ihre unmittelbare Umgebung zu erforschen. Mit neuen optischen und elektrophysiologischen Techniken schaut er direkt ins Gehirn der wachen, aktiven Tiere und zeichnet die Aktivität spezifischer Nervenzellen auf und beeinflusst diese Nervenzellen. "Diese Prozesse bilden die Grundlage für ein gesundes Verhalten und sind bei bestimmten Krankheiten gestört", sagt Poulet. Wenn wir bestimmen können, welche neuronalen Signale der Sinneswahrnehmung zugrunde liegen und wie diese Signale mit einer passenden Bewegungsreaktion verbunden werden, hilft uns das vielleicht, gesunde und gestörte Aktivitäten zu verstehen. Bevor man weiß, was krankhaft ist, muss man erst wissen, was normal ist."

Warum können wir uns nicht selber kitzeln?
Poulet hat sich zuerst damit beschäftigt, wie das Gehirn zwischen selbst- und fremderzeugten Sinneseindrücken unterscheidet. Berühre ich meine Hand selbst oder werde ich berührt? Vergrößert sich die Distanz zwischen mir und meinem Gegenüber, weil ich mich entferne oder weil sich mein Gegenüber entfernt? Das Gehirn muss zwischen diesen Situationen unterschieden können, weil sie ein unterschiedliches Verhalten hervorrufen. Das Gehirn nutzt für diese Aufgabe einen internen Rückkopplungsmechanismus, der auch dafür sorgt, dass wir beim Schreien keinen Hörschaden bekommen oder uns selbst nicht kitzeln können. Während wir uns beim Gekitzelt-Werden fast totlachen, wird uns das Selberkitzeln nicht einmal ein müdes Lachen entlocken. Dieser intelligente Rückkoppelungsprozess heißt im Englischen "corollary discharge" und Poulet hat ihn bei zirpenden Grillen untersucht.

In lauen Sommernächten locken männliche Grillen die Weibchen durch ein rhythmisches Reiben ihrer Deckflügel an. Dieses Zirpen hat eine Lautstärke von hundert Dezibel und kann mit dem Krach einer Kettensäge, dem Donnern von Diskomusik oder dem Dröhnen eines Presslufthammers verglichen werden. "Wir haben uns gewundert, warum die männlichen Grillen von dem Krach nicht taub werden", erklärt Poulet. "Wie blenden sie ihn aus?". Der Nachwuchspreisträger konnte zeigen, dass die männlichen Grillen die für das Hören zuständigen Nervenzellen sehr gezielt abschalten, sobald sie mit dem Zirpen beginnen und diese Blockade sofort wieder aufheben, wenn sie mit dem Zirpen aufhören. Dieses An- und Abschalten schützt die Grillen vor Taubheit, aber lässt sie gleichzeitig noch das Herannahen eines Feindes hören. Das ist äußerst wichtig, denn der laute Paarungsgesang lockt nicht nur die interessierten Weibchen an, sondern gibt auch Feinden und Rivalen den Standort des Männchens preis. Poulet und seine Kollegen identifizierten auch die konkrete Nervenzelle, die das Gehör abgeschaltet - das sogenannte "Collary Discharge Neuron". Andere Lebewesen haben auch solche Neuronen, aber man weiß fast noch nichts darüber.

Poulet und seine Kollegen haben des Weiteren untersucht, wie die Weibchen auf das Zirpen reagieren. Die Frage lautete dabei, ob sich die Weibchen den Männchen in einer Art Reflexbewegung nähern oder ob die Annäherung eine Reaktion auf eine komplexe Geräuscherkennung im Gehirn der Weibchen ist. Poulet zeigte, dass die Weibchen auf individuelle Töne mit einer Annäherungsbewegung reagieren, die eher einem Reflex gleicht als einem komplexen Verhalten. Für eine reflexartige Annäherung spricht auch, dass die Weibchen auf ein beliebiges Geräusch reagieren, wenn der Bewegungsablauf erst einmal durch den richtigen Gesang angestoßen worden ist. Ab diesem Punkt ist nur noch der Laut wichtig. Es muss gar nicht mehr der Richtige sein.

Was unterscheidet Dösen vom Hellwachsein?
James Poulet interessiert sich auch für das, was weithin als Gehirnzustand bekannt ist. Was damit gemeint ist, kann man leicht an einem Beispiel verdeutlichen. Jemand sitzt dösend in der Sonne, hat die Augen geschlossen, denkt an nichts Besonderes und plötzlich wird er durch ein äußeres oder inneres Signal aufgeschreckt. Das kann ein eigenartiges Geräusch sein, ein unerwarteter Luftzug oder die Erinnerung an einen verpassten Termin. Von einer Sekunde zur anderen ist derjenige, der gerade noch gedöst hat, hellwach. "Wir haben uns gefragt, was in einer solchen Situation im Gehirn passiert", sagt Poulet. "Wie unterscheidet sich der eine Gehirnzustand von dem anderen?" Dass es unterschiedliche Gehirnzustände gibt, hat Hans Berger, der Erfinder des EEGs, 1929 erstmalig gezeigt. Ein EEG misst Hirnströme und jemand, der still sitzt und die Augen geschlossen hat, hat andere Hirnströme, als jemand, der sich mit offenen Augen umschaut. Poulet hat bei Mäusen, die wach sind und still sitzen und bei Mäusen, die ihre Schnurbarthaare bewegen, etwas Ähnliches gefunden. Bei den stillsitzenden Mäusen werden die Nervenzellen in einem rhythmischen und geordneten Muster erregt, während die Erregung bei den sich aktiv bewegenden Mäusen sehr viel weniger synchronisiert ist. Sie können damit offensichtlich flexibler auf die anstehenden Aufgaben reagieren. "Wir wissen, dass Gehirnzustände ein Teil der normalen Gehirnfunktion sind", sagt Poulet. Unser Ziel ist herauszufinden, wie sie zustande kommen und welche Rolle sie bei der Regulation der Sinneswahrnehmung und dem Bewegungsverhalten spielen."

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.paul-ehrlich-stiftung.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
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Paul-Ehrlich-Nachwuchspreisträger Dr. James Poulet

Der 2006 erstmals vergebene Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis wird von der Paul Ehrlich-Stiftung einmal jährlich an einen in Deutschland tätigen Nachwuchswissenschaftler oder eine in Deutschland tätige Nachwuchswissenschaftlerin verliehen, und zwar für herausragende Leistungen in der biomedizinischen Forschung. Das Preisgeld muss forschungsbezogen verwendet werden. Vorschlagsberechtigt sind Hochschullehrer und Hochschullehrerinnen sowie leitende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen an deutschen Forschungseinrichtungen. Die Auswahl der Preisträger erfolgt durch den Stiftungsrat auf Vorschlag einer achtköpfigen Auswahlkommission.

Die Paul Ehrlich-Stiftung ist eine rechtlich unselbstständige Stiftung der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität. Ehrenpräsident der 1929 von Hedwig Ehrlich eingerichteten Stiftung ist der Bundespräsident, der auch die gewählten Mitglieder des Stiftungsrates und des Kuratoriums beruft. Der Vorsitzende der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität ist gleichzeitig auch Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung. Derzeit hat Professor Dr. Wilhelm Bender beide Ämter inne. Der Präsident der Goethe-Universität ist qua Amt Mitglied des Kuratoriums der Paul Ehrlich-Stiftung.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution131

Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Dr. Anne Hardy, 14.03.2013

Raute

Goethe-Universität Frankfurt am Main - 14.03.2013

Die Genetikerin Mary-Claire King erhält den Paul Ehrlich-Preis 2013

Die Entdeckung der Gene für erblichen Brustkrebs hat die Sicht auf die großen Volkskrankheiten dauerhaft verändert.

FRANKFURT am MAIN. Der mit 100.000 Euro dotierte Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis geht in diesem Jahr an Mary-Claire King, American Cancer Society Professorin am Department of Medicine and Genomic Sciences der University of Washington in Seattle. Mary Claire-King wird für ihre herausragenden Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Humangenetik ausgezeichnet. Sie ist eine der bedeutendsten Krebs- und forensischen Genetikerinnen der Welt. "Mary-Claire King hat als Erste gezeigt, dass es eine genetische Disposition für Brustkrebs gibt. Dieser Nachweis hat die Sicht auf die Genetik komplexer Volkskrankheiten radikal verändert", begründet der Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung seine Entscheidung. King identifiziert auch seit Jahrzehnten Opfer von Menschenrechtsverletzungen in aller Welt. "Sie macht damit deutlich, dass Genetik auch der Mitmenschlichkeit dient", sagt der Stiftungsrat weiter. Der Preis wird heute, am 159sten Geburtstag von Paul Ehrlich, in der Frankfurter Paulskirche überreicht. Er gehört zu den international renommiertesten Auszeichnungen, die in der Bundesrepublik auf dem Gebiet der Medizin vergeben werden. Der Preis wird seit 1952 verliehen.

Brust- und Eierstockkrebs werden in einigen Familien autosomal dominant vererbt. King hat nachgewiesen, dass ein Teil der verantwortlichen Mutationen in einem Gen liegen, das sie BRCA1 nannte, für breast cancer susceptibility gene 1. Gene spielen demnach auch bei komplexen, multifaktoriellen Erkrankungen eine Rolle, die zudem noch von Umweltfaktoren und dem Lebensstil beeinflusst werden. Seit der Entdeckung von BRCA1, BRCA2 und weiteren Brustkrebs-Genen gibt es überall Programme für betroffene Frauen. Kings Entdeckungen sowie ihre Berechnungen zum Erkrankungsrisiko für Brust- und Eierstockkrebs haben den Umgang mit erblichem Brustkrebs erheblich verändert.

Die Preisträgerin hat zudem weitere medizinisch relevante Genmutationen identifiziert. Die dazugehörigen Krankheiten sind unter anderem angeborene Taubheit, Schizophrenie, Autismus und systemischer Lupus erythematodes. Mary-Claire King genießt auch hohes Ansehen wegen ihres humanitären Engagements. Sie nutzt genetische Methoden, um Menschenrechtsverletzungen aufzudecken. Seit 1984 arbeitet sie mit den Großmüttern des Plaza de Mayo in Argentinien zusammen. Diese Großmütter versuchen Kinder, die zwischen 1976 und 1983 von der Militärjunta entführt, zu Waisen gemacht und an Sympathisanten der Militärjunta zur Adoption weitergereicht wurden, wieder mit ihren biologischen Familien zusammenführen. Mary-Claire King liefert die stichhaltigen Beweise für die biologische Abstammung der Kinder. Sie arbeitet auch mit dem UN Kriegsverbrechertribunal zusammen und hat Opfer von Krieg, Terror und Folter in Ländern wie Kambodscha, Guatemala, El Salvador, Ruanda, Äthiopien und Bosnien identifiziert.

Kurzbiographie Professor Dr. Dr. h.c. mult. Mary-Claire King
Mary-Claire King (67) wurde 1946 in der Nähe von Chicago geboren. Sie hat zunächst Mathematik studiert und später an der University of California in Berkeley in Genetik promoviert. Von 1976 bis 1995 war sie dort Professorin für Genetik und Epidemiologie. Seit 1995 ist sie "American Cancer Society Professor" an der Universität Washington in Seattle und seit 1998 zudem Mitglied des Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle. King hat dreizehn Ehrendoktorwürden, darunter die Ehrendoktorwürde von Harvard, Yale, Columbia und Princeton. Sie gehört der "National Academy of Sciences of the USA" an, der "American Academy of Arts and Sciences", und der "French Academy of Sciences". King ist in aller Welt mit zahlreichen Preisen geehrt worden. Sie ist Beraterin und Mitglied in hochrangigen Gremien und Ausschüssen, unter anderem auch in dem Advisory Board, das die Direktorin des NIH berät.

Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis
Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis wird traditionell an Paul Ehrlichs Geburtstag, dem 14. März, in der Frankfurter Paulskirche verliehen. Mit ihm werden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geehrt, die sich auf dem von Paul Ehrlich vertretenen Forschungsgebiet besondere Verdienste erworben haben, insbesondere in der Immunologie, der Krebsforschung, der Hämatologie, der Mikrobiologie und der Chemotherapie. Finanziert wird der seit 1952 verliehene Preis vom Bundesgesundheitsministerium, dem Stiftungsfonds Deutsche Bank im Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft e.V., dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. und durch zweckgebundene Spenden von Unternehmen. Die Preisträger werden vom Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung ausgewählt.

Die Paul Ehrlich-Stiftung
Die Paul Ehrlich-Stiftung ist eine rechtlich unselbstständige Stiftung der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität. Ehrenpräsident der 1929 von Hedwig Ehrlich eingerichteten Stiftung ist der Bundespräsident, der auch die gewählten Mitglieder des Stiftungsrates und des Kuratoriums beruft. Der Vorsitzende der Vereinigung von Freunden und Förderern der Goethe-Universität ist gleichzeitig auch Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung. Derzeit hat Professor Dr. Wilhelm Bender beide Ämter inne. Der Präsident der Goethe-Universität ist qua Amt Mitglied des Kuratoriums der Paul Ehrlich-Stiftung.

Hintergrundinformation zur Verleihung des Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preises 2013 an Professor Dr. Dr. h.c. mult. Mary-Claire King

Brustkrebsforschung und humanitäres Engagement - Von der Macht der Genetik

Die Genetik informiert über Abstammung, Veranlagungen und Merkmale. Sie hilft komplexe Erkrankungen besser zu verstehen und kann zum Wohlergehen der menschlichen Rasse betragen. Der mit 100.000 Euro dotierte Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis geht in diesem Jahr an eine Wissenschaftlerin, die dies auf einzigartige Weise dokumentiert hat, an Mary-Claire King, American Cancer Society Professorin am Department of Medicine and Genomic Sciences der University of Washington in Seattle. Ihr Name steht für vier Entdeckungen, die auf den ersten Blick sehr unterschiedlich erscheinen mögen, deren gemeinsame Klammer aber immer die Genetik ist.

Genetisch sind Mensch und Schimpanse zu 99 Prozent identisch
Mary-Claire King hat bereits 1975, also Jahrzehnte vor der massenhaften Sequenzierung von Genomen, gezeigt, dass das Erbgut des Menschen und das des Schimpansen zu 99 Prozent identisch sind. Abgeleitet hat sie diese Erkenntnis aus Proteinanalysen und Hybridisierungen. Ihre Untersuchungsergebnisse legten außerdem nahe, dass sich die Linie der Hominiden und die Linie der Schimpansen in der Evolution erst später als damals angenommen getrennt haben. Die Genetikerin äußerte auch die Vermutung, dass die offensichtliche Ungleichheit zwischen Mensch und Schimpanse durch eine unterschiedliche Regulierung der Gene zustande kommt. Das humane Genom wurde fünfundzwanzig Jahre (2000) später, das des Schimpansen dreißig Jahre (2005) später vollständig entschlüsselt. Der direkte Vergleich der DNA-Sequenzen zeigte, dass King recht gehabt hatte. Die Genome sind tatsächlich nahezu identisch. "Konzeptionell haben wir also völlig richtig gelegen", sagt die Wissenschaftlerin heute über ihre Arbeit. "Konzepte sind in der Regel sehr konserviert, nur die Methoden entwickeln sich schnell weiter." Als Ursachen für die evidenten Unterschiede zwischen Mensch und Schimpanse hat die Genomforschung drei Prinzipien identifiziert, die regulatorischen RNAs, die Epigenetik und die Erkenntnis, dass Gene nur eine Facette in einem hochdynamischen und hochkomplexen Netzwerk von äußeren und inneren Einflüssen sind.

Gene für erblichen Brustkrebs
Mary-Claire King hat sich seit 1974 intensiv mit der genetischen Disposition für Krebs beschäftigt. Sie konnte zeigen, dass Brust- und Eierstockkrebs in einigen Familien autosomal dominant vererbt werden. Einige der verantwortlichen Mutationen liegen in einem Gen, das sie BRCA1 nannte, für breast cancer susceptibility gene 1. King hat diesen Zusammenhang zunächst über statistische Analyse nachgewiesen, später über Koppelungsanalysen und schließlich über die Zuordnung des Gens zu einem Chromosom. 1990 gab King die ungefähre Lage des BRCA1-Gens im humanen Erbgut bekannt: Position 17q21. Danach setzte ein Kopf an Kopf Rennen um die Isolierung des Gens ein, das Myriad Genetics 1994 für sich entscheiden konnte. King hat später die komplette Sequenz der 84 Kilobasen großen BRCA1-Lokus vorgelegt.

BRCA1 und das später identifizierte BRCA2-Gen sind Tumorsuppressorgene. Die entsprechenden Proteine haben die Aufgabe, die Stabilität der DNA zu gewährleisten und unkontrolliertes Wachstum zu verhindern. Die Mutationen geben den Trägerinnen ein erhöhtes Risiko für Brust- und Eierstockkrebs mit auf den Lebensweg. Etwa fünf bis zehn Prozent aller Brustkrebserkrankungen und zehn bis fünfzehn Prozent aller Eierstockkrebserkrankungen gehen auf BRCA-Mutationen zurück. King hat auch das genaue Erkrankungsrisiko kalkuliert. "Bei schwerwiegenden Mutationen liegt es für Brustkrebs bei 80 Prozent", für Eierstockkrebs bei 40 Prozent", sagt die Genetikerin. "Das heißt, dass 800 von 1000 Frauen mit schwerwiegenden BRCA-Mutationen im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs erkranken werden und 400 von 1000 Frauen mit schwerwiegenden BRCA-Mutationen werden im Laufe ihres Lebens Eierstockkrebs entwickeln. In der Allgemeinbevölkerung werden 120 von 1000 Frauen an Brustkrebs erkranken, weniger als 10 von 1000 Frauen werden Eierstockkrebs entwickeln", so King weiter. Die Genetikerin hat auch neue Methoden zur genetischen Diagnostik von diesen und anderen Brustkrebsmutationen entwickelt, deren kommerzielle Nutzung in den USA aber noch durch das seinerzeit an Myriad Genetics gegangene Patent blockiert ist.

Mary-Claire Kings Forschungsleistungen haben die Rolle der Genetik in der Medizin verändert. Sie hat durch die Identifizierung des BRCA1 Gens gezeigt, dass Mutationen auch bei häufigen Erkrankungen eine Rolle spielen. Die Genetik hatte sich bis dahin nur mit monogenetischen Erkrankungen beschäftigt, bei denen ein einzelner Gendefekt sicher zur Erkrankung führt, wo also die Mutation der Krankheit gleichkommt. Das ist zum Beispiel bei der Chorea Huntington, dem Veitstanz, der Fall. King hat bewiesen, dass Mutationen auch bei komplexen, multifaktoriellen Erkrankungen, die zudem noch von der Umwelt und dem Lebensstil beeinflusst werden, eine Rolle spielen. Die Entdeckung von BRCA1 und BRCA2 sowie weiterer Brustkrebs-Gene hat dazu geführt, dass es heute überall Programme für Frauen mit erblichem Brustkrebs gibt. Auch in Deutschland existiert ein Konsortium für Familiären Brust- und Eierstockkrebs mit zwölf über die Bundesrepublik verteilten Zentren. Dort können sich Frauen genetisch beraten und auf etwaige Mutationen testen lassen. Kings Entdeckungen haben somit den Umgang mit erblichem Brustkrebs erheblich verändert.

Weitere Krankheitsgene und die genetischen Grundlagen von Diversität Mary-Claire King hat in den vergangenen Jahrzehnten weitere medizinisch relevante Genmutationen identifiziert. Die Krankheiten, bei denen diese Mutationen eine Rolle spielen sind unter anderem angeborene Taubheit, Schizophrenie, Autismus und systemischer Lupus erythematodes. Das erste autosomale Gen für angeborene Taubheit mit dem Namen DFNA1 hat King zusammen mit Kollegen aus Costa Rica kartiert und später isoliert. Mit Kollegen aus Israel und Palästina hat sie vier weitere Gene für diese Erkrankung identifiziert. Angeborene Taubheit kommt im Nahen Osten besonders häufig vor. Ihr aktuelles Interesse gilt vor allem der Schizophrenie. "Wir haben Hinweise darauf gefunden, dass viele Fälle von Schizophrenie auf Mutationen zurückgehen, die während der Embryonalentwicklung neu entstehen", sagt King. Diese Erkrankungen sind dann genetisch bedingt, aber nicht vererbt worden, sondern erworben". King vermutet, dass die neuentstandenen Mutationen die Gehirnentwicklung beeinträchtigen, und dadurch zur Entstehung der Schizophrenie beitragen. King hat auch untersucht, was Gene über die Evolution verraten. Wenn sich Menschen an einen anderen Ort bewegen, nehmen sie ihre Gene mit und geben sie an ihrem neuen Standort an ihre Nachkommenschaft weiter. Deshalb ist das Genom des modernen Homo sapiens auch ein Logbuch über die Reisen und Begegnungen unserer Vorfahren und ein Kompendium zur Vielfalt menschlichen Lebens.

Familien zusammenführen und Opfern einen Namen geben
Mary-Claire King genießt auch hohes Ansehen wegen ihres humanitären Engagements, weil sie genetische Methoden nutzt, um Menschenrechtsverletzungen aufzudecken. Seit 1984 arbeitet sie mit den Großmüttern des Plaza de Mayo in Argentinien (Abuelas de Plaza de Mayo) zusammen. Diese Großmütter wollen ihre Enkelkinder, die zwischen 1976 und 1983 von der Militärjunta entführt, zu Waisen gemacht und an Sympathisanten der Militärjunta zur Adoption weitergereicht wurden, wieder in ihre Herkunftsfamilien zurückholen. Weil die argentinischen Behörden stichhaltige Beweise für die biologische Zugehörigkeit der Kinder verlangt hatten, waren die Abulelas 1983 an die American Association for the Advancement of Science herangetreten und baten um Unterstützung. Diese erhielten sie von Mary-Claire King. "Ich habe damals zugesagt", erklärt die Preisträgerin, "weil mir das Anliegen der Großmütter sehr nahe ging. Meine eigene Tochter war in dem Alter der Enkelkinder, um die sie kämpften und ich selbst war in dem Alter der Frauen, die diese Kinder geboren hatten und von der Militärjunta getötet worden waren". King war außerdem während der Zeit des Militärputsches Gastprofessorin in Santiago de Chile. Sie wusste also, wozu eine Militärregierung fähig war. King hat die Kinder zunächst anhand von Gewebemerkmalen, sogenannten HLA-Markern, identifiziert, später durch genetische Methoden. Ihren ersten Sieg konnte sie Weihnachten 1984 verbuchen. Damals entschied der argentinische Supreme Court, dass Paula Logares, eines der vermissten Kinder, das eindeutig über die HLA Typisierung identifiziert worden war, an ihre biologische Familie zurückgegeben werden musste. Bisher konnten 87 der heute erwachsenen Kinder ihrer Herkunftsfamilie zugeordnet werden.

King hat auch Methoden für die forensische Genetik entwickelt. Etwa wie man das Erbgut der Mitochondrien aus Knochen und Zähnen isoliert. Die Mitochondrien sind die Kraftwerke der Zellen. Ihr Erbgut ist aus einem ganz bestimmten Grund interessant. Die DNA der Mitochondrien stammt nämlich immer von der Mutter, weil der Teil des Spermiums, der mit der Eizelle verschmilzt keine Mitochondrien enthält. Folglich haben Söhne und Töchter die gleiche mitochondrale DNA wie ihre Mütter. Die Töchter geben diese dann wieder an ihre Nachkommen weiter. Alle weiblichen Nachfahren einer mütterlichen Linie haben demnach immer dieselbe DNA in ihren Mitochondrien. Man kann über diese Methode die weibliche Abstammungslinie einwandfrei nachvollziehen. King ist es gelungen, diese DNA aus Zähnen zu extrahieren. Viele menschliche Überreste sind so stark verwest, dass man keine Haare oder Gewebereste mehr untersuchen kann. In den Knochen ist die DNA oft zu zerstückelt für eine zweifelsfreie Untersuchung. In den Zähnen bleibt das Erbgut am besten erhalten. Deshalb werden heute oft die Zähne der Toten untersucht, um Opfern wieder einen Namen, eine Identität und eine Lebens- und Leidensgeschichte zu geben. King arbeitet mit dem UN Kriegsverbrechertribunal zusammen. Ihr Labor ist ein sicheres "DNA Identification Lab", auf dessen Arbeit keine Kreispartei und kein Terrorregime Zugriff haben. King und ihre Mitarbeiter haben unter anderem Opfer aus Kambodscha, Guatemala, El Salvador, Ruanda, Äthiopien und Bosnien identifiziert. Sie war auch an der zweifelsfreien Identifizierung der Romanows beteiligt, der letzten Zarenfamilie, die in der Nacht zum 17. Juli 1918 in Jekaterienburg erschossen und dann im Wald vergraben worden war. "Weil die forensische Genetik heute weltweit einen hohen Standard hat, werden wir nur noch in besonderen Fällen konsultiert oder wenn eine ungehinderte Analyse nicht möglich erscheint", sagt King über ihr heutiges Engagement. Ihre Arbeit hat über Jahrzehnte Standards gesetzt.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.paul-ehrlich-stiftung.de

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Paul-Ehrlich-Preisträgerin Mary-Claire King.

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Quelle: Goethe-Universität Frankfurt am Main, Dr. Anne Hardy, 14.03.2013

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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2013