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MELDUNG/658: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 20.02.13 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Neues Zyklotron für die medizinische Forschung
→  Neurochirurgen des UKSH implantieren weltweit ersten MRT-tauglichen Neurostimulator
→  Neuer Ansatz für die computergerechte Darstellung einer klinischen Leitlinie



Wissenschaftliche Abteilung, Französische Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland - 19.02.2013

Neues Zyklotron für die medizinische Forschung

Cyrcé (Zyklotron für Forschung und Lehre), der neue Teilchenbeschleuniger des interdisziplinären Hubert Curien Instituts (IPHC) der Universität Straßburg, ist jetzt betriebsbereit. Vor Kurzem wurde mit ihm die erste Serie Fluor 18 hergestellt, ein Radioisotop, das häufig als Marker in der Nuklearmedizin verwendet wird.

Cyrcé ist eine in Europa einzigartige Anlage für die akademische Forschung. Mit Hilfe dieses Teilchenbeschleunigers sollen insbesondere neue Radioelemente bestimmt werden, um Fortschritte in der Diagnostik, der medikamentösen Behandlung und bei der Entwicklung neuer Heilverfahren, insbesondere in der Onkologie und der Neurologie, zu erzielen.

Die meisten Zyklotronen der Kategorie von Cyrcé dienen der kommerziellen Herstellung von Pharmamolekülen für Krankenhäuser, besonders Fluor 18. Im Gegensatz dazu wird Cyrcé von der akademischen Gemeinschaft getragen und ist somit unabhängig von marktwirtschaftlichen Bestrebungen. Seine einzigartigen Eigenschaften bezüglich der Teilchenenergie (von 19 bis max. 24 MeV) ermöglichen die Herstellung einer breiten Palette von Radioelementen, die von regionalen, nationalen und internationalen Forschern genutzt werden können. Das Zyklotron dient ebenfalls als einzigartige Bildungsplattform für Radiochemie und nukleare Instrumentierung.

Innerhalb von zwei Jahren wurden das Zyklotron und seine Infrastruktur geplant und gebaut. Im November 2012 hatte die französische Behörde für nukleare Sicherheit (ASN) ihre Betriebsgenehmigung erteilt. Diese bestätigt die Effizienz des Kontrollsystems der Anlage (die fortlaufend über tausend Parameter verwaltet) und der Sicherheitsbehälter (1.000 Tonnen Beton und 100 Tonnen Blei), mit denen die Strahlungen abgeschirmt werden sollen, die im laufenden Betrieb produziert werden. Das Zyklotron produziert keinen langlebigen nuklearen Abfall.

Cyrcé wurde im Rahmen des Programms Zukunftsinvestitionen geplant. Es ergänzt die technischen Kapazitäten des Standorts Straßburg im Bereich Kleintierbildgebung (Exzellenzausrüstung - Equipex - Transimagin) und verstärkt die nationale Forschung in der Nuklearmedizin im Exzellenzlabor IRON, zu dessen wichtigsten Zielen Innovationen für die Krebsbehandlung gehören.

Die Gesamtkosten von 4,85 Millionen Euro wurden gemeinsam vom Ministerium für Hochschulen und Forschung, dem französischen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS), der Region Elsass, dem Departement Niederrhein, der Stadt Straßburg, der Universität Straßburg und dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) getragen.

Kontakt:
David Brasse, CNRS
Email: david.brasse@iphc.cnrs.fr

Quelle:
Pressemitteilung des CNRS - 01.02.2013
http://www2.cnrs.fr/presse/communique/2977.htm

Redakteurin:
Elodie Parisot, elodie.parisot@diplomatie.gouv.fr

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution688

Quelle: Wissenschaftliche Abteilung, Französische Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland, Marie de Chalup, 19.02.2013

Raute

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein - 19.02.2013

Neurochirurgen des UKSH implantieren weltweit ersten MRT-tauglichen Neurostimulator

In der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Lübeck, ist weltweit erstmals einem Patienten ein Neurostimulationssystem zur Rückenmarkstimulation implantiert worden, mit dem eine gefahrlose Untersuchung im Kernspintomographen (Magnetresonanztomographie - MRT) möglich ist.

Die Neurostimulation ist eine spezielle Therapie zur Beeinflussung von neurologischen Funktionen. Dabei wird dem Patienten ein medizinisches Gerät implantiert, das feine elektrische Impulse abgibt und dadurch eine Veränderung neurologischer Zustände, z.B. eine schmerzlindernde Wirkung erzielt. Der Neurosimulator überlagert hierbei Schmerzsignale, bevor sie von den Nerven an das Gehirn weitergeleitet werden.

Das Verfahren kommt bei einer Vielzahl von Erkrankungen zum Einsatz, so z.B. im Bereich des Rückenmarks zur Behandlung chronischer Schmerzen oder im Bereich des Gehirns zur Behandlung von Bewegungsstörungen. Systeme zur Rückenmarksstimulation werden seit Anfang der 70er-Jahre, Tiefenhirnstimulationssysteme seit Ende der 80er-Jahre weltweit in vielen Zentren eingesetzt. Allerdings nicht ohne Probleme: "Bei Patienten, denen ein solches System implantiert wurde, mussten wir bisher auf eine der wichtigsten bilddiagnostischen Methoden, die Magnetresonanztomographie, verzichten oder den Stimulator vorher operativ entfernen", erläutert Prof. Dr. Volker Tronnier, Direktor der Klinik für Neurochirurgie. Bei den herkömmlichen Systemen bestand die Gefahr einer Überhitzung und Schädigung des Gewebes bzw. einer "Überstimulation" durch magnetische Felder. "Die neue Technik kombiniert den neuen Neurostimulator mit einer speziell isolierten Stimulationselektrode und macht das Verfahren auf diese Weise MRT-kompatibel", sagt Oberarzt Dr. Dirk Rasche.

Nach der Operation in der Klinik für Neurochirurgie wurde - ebenfalls erstmalig weltweit - ein MRT der Lendenwirbelsäule mit den neuen Implantaten durchgeführt. Die Untersuchung verlief für den Patienten völlig problemlos und zeigte eine sehr gute Bildqualität. "Dieser technische Fortschritt ist der wichtigste Beitrag der vergangenen Jahre zur Patientensicherheit und -zufriedenheit im Bereich der Neuromodulation und invasiven Schmerztherapie", ist sich Prof. Tronnier sicher.

In einem zweiten Schritt sollen nun auch andere Neurostimulationssysteme wie die Tiefenhirnelektroden entsprechend magnetresonanz-kompatibel gemacht werden. "Das bedeutet, dass wir MRT-Untersuchungen in Zukunft unproblematisch und uneingeschränkt in allen Körperbereichen vornehmen können. Gleichzeitig ist es auch möglich, die Lage der Elektroden ohne Komplikationen zu kontrollieren und funktionelle Aufnahmen zum Nachweis des Therapieeffekts zu machen", so die Aussage der Neurochirurgen.

Für Rückfragen steht zur Verfügung:
Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
Klinik für Neurochirurgie
Dr. Dirk Rasche
E-Mail: dirk.rasche@uksh.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uksh.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution883

Quelle: Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Oliver Grieve, Pressesprecher, 19.02.2013

Raute

Hochschule Ulm - 19.02.2013

Neuer Ansatz für die computergerechte Darstellung einer klinischen Leitlinie

Daniel Kwittung, Absolvent des Bachelor-Studiengangs Medizinische Dokumentation und Informatik an der Hochschule Ulm, hat für die computergerechte wissensbasierte Darstellung einer klinischen Leitlinie den Nachwuchspreis der Friedrich-Wingert-Stiftung erhalten. Am Beispiel von Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat er damit eine wichtige Grundlage für ein künftiges System geschaffen, mit dem sich prüfen lässt, in wie weit ärztliche Entscheidungen den krankheitsspezifischen Leitlinien für die Therapie entsprechen. Kwittungs Bachelor-Arbeit ist im Rahmen des BMBF-Projektes SIMPLE entstanden.

SIMPLE ist hier das Gegenteil von Einfach, denn es ist die Abkürzung für eine hochkomplexe Aufgabe. Es geht darum, klinische Leitlinien semantisch fundiert in einer IT-Struktur abzubilden, um Therapieentscheidungen zu erleichtern und deren Leitlinienkonformität beurteilen zu können. Eine Leitlinie repräsentiert in der Medizin einen ärztlichen Handlungskonsens, der auf wissenschaftlich gesichertem Wissen basiert. Daraus ergeben sich Empfehlungen, die das Behandlungsergebnis verbessern und die Einhaltung von Versorgungstandards garantieren sollen. Solches Wissen ist jedoch bislang nur unzureichend in IT-Strukturen hinterlegt. Hierzu müssen Begriffe in ihrer Bedeutung und in ihrer Handlungslogik eineindeutig definiert sein. Nur so kommt eine zweifelsfreie Verständigung zwischen dem Computer und dem Nutzer zustande. Das Wort "Golf" beispielsweise kann eine Sportart, ein Automodell oder eine Meeresbucht bedeuten. Erst wenn zwischen dem Mensch und der Maschine dasselbe Konzept für den Gebrauch des Begriffes existiert, kann Wissen geteilt und Erkenntnis durch die schlussfolgernde Maschine automatisch generiert werden.

Daniel Kwittung hat erstmals einen Weg aufgezeigt, wie sich Leitlinienwissen mit Hilfe der Beschreibungssprache OWL und der Repräsentationsumgebung Protegé durch mehrschichtig angeordnete Begriffsstrukturen darstellen lässt. Dass sein Systemansatz entsprechende Schlussfolgerungen über die Leitlinienkonformität ärztlichen Handelns generiert, konnte er durch die Eingabe der Befunde von ehemaligen Patienten belegen, die von Röntgenbildern der Herzkranzgefäße und den Maßnahmen zur Gefäßerweiterung stammen. Er legte damit die Basis für eine automatisierte Beurteilung, in wie weit eine Leitlinie im klinischen Alltag umgesetzt worden ist. Konkretisiert hat er seinen Ansatz an einer speziellen Einheit der europäischen Leitlinie zur Behandlung der Koronaren Herzkrankheit (KHK). Sie bezieht sich auf die Durchleuchtungsdauer zur Darstellung der Herzkranzgefäße. Hier gelten bis zu fünf Minuten als leitlinienkonform. Zusätzlich sind weitere Bedingungen für Non-Konformität definiert. Die erfolgreiche exemplarische Testung an diesem einfachen Beispiel unterstreicht die prinzipielle Machbarkeit von Kwittungs Ansatz.

Die Arbeit ist ein wichtiger Meilenstein zum Ziel, das SIMPLE verfolgt. In Rahmen dieses Projektes soll letztlich ein Wissenssystem entstehen, das im Verbund mit einem Klinikinformationssystem und auf der Basis individueller Patientendaten einerseits dem unter Zeitdruck stehenden Arzt aktiv Entscheidungshilfen anbietet und andererseits der Klinik ein automatisiertes Kontrollinstrument für die Qualitätssicherung der eigenen klinischen Prozesse an die Hand gibt. Das System wäre im Endeffekt mit einer Intelligenz ausgestattet, die komplexe Therapieabläufe versteht und diese flexibel und patientenspezifisch anzupassen vermag.

Kwittungs Arbeit entstand bei dem Berliner Unternehmen ID Information und Dokumentation im Gesundheitswesen und wurde seitens der Hochschule Ulm von Professor Dr. Jochen Bernauer, Fakultät Informatik, betreut. SIMPLE ist ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziertes Projekt, an dem neben ID das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, Bremen, und das eScience Center der Universität Bremen sowie das Alfried-Krupp-Krankenhaus in Essen und die Städtischen Kliniken Neuss beteiligt sind. Der Nachwuchspreis der Friedrich-Wingert-Stiftung ist mit 5000 Euro dotiert und wird für herausragende semantische und linguistische Ansätze in der Medizin verliehen.

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image194966
Daniel Kwittung erhält die Urkunde zur Verleihung des Friedrich-Wingert-Preises aus den Händen von Dr. Beatrice Moreno vom Berliner Software-Unternehmen ID, die das Projekt SIMPLE leitet, anlässlich der Abschlussfeier an der Hochschule Ulm.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution303

Quelle: Hochschule Ulm, Dr. Ingrid Horn, 19.02.2013

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2013