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MELDUNG/345: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 19.05.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Thüringer Traumanetzwerk - Bestmögliche Versorgung Schwerstverletzter sicherstellen
→  HNO-Weiterbildungsnetzwerk "LION" zeigt Live-Operationen
→  Auch im siebten Jahr in Folge:
      Die Medizinische Hochschule Hannover setzt den Erfolgkurs fort
→  Freier Blick auf sich selbst organisierende Proteine
→  Lernklinik für hallesche Medizin-Studierende - Ärztealltag an Spezialpuppen üben
→  Stammzelle oder dedifferenzierte Zelle?
      Zebrafische regenerieren amputierte Knochen aus vorhandenen Knochenzellen


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Universitätsklinikum Jena - 18.05.2011

Bestmögliche Versorgung Schwerstverletzter sicherstellen

Thüringer Traumanetzwerk ist Thema des Unfallchirurgen-Symposiums am UKJ am 20. Mai 2011

Die Versorgung Schwerstverletzter nach Unfällen gehört zu den anspruchsvollsten Aufgaben in der Notfallmedizin. Um die so genannten Polytraumapatienten zu retten, müssen Ärzte und Pflegende schnell und hoch effektiv untersuchen und die notwendigen Behandlungen beginnen, oftmals gleichzeitig und unter hohem Zeitdruck. Diese Versorgung auf hohem Niveau flächendeckend in Deutschland zu sichern und weiter zu verbessern ist die Aufgabe des Traumanetzwerkes der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Wie ein solches Netzwerk in Thüringen realisiert und zertifiziert werden kann, ist eines der Themen auf dem 20.Thüringer Unfallchirurgisch-Orthopädischen Symposium des Verbands Leitender Unfallchirurgen und Orthopäden Thüringen (VLOU) am Universitätsklinikum Jena.

Jährlich kommen ca. 200 schwerstverletzte Patienten per Hubschrauber oder Rettungswagen ans Uniklinikum Jena. Das UKJ gehört damit deutschlandweit zu den fünf leistungsstärksten Zentren in der Versorgung von Polytraumapatienten. "Solche Kompetenzen zu bündeln und weiterzugeben ist eines der Ziele von Traumanetzwerken", erklärt Prof. Dr. Dr. Gunther Hofmann, Direktor der Klinik für Unfall, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am UKJ. Die Jenaer Unfallchirurgen stellen eines von drei überregionalen Traumazentren im Thüringer Traumanetzwerk, dessen aktueller Entwicklungsstand auf dem diesjährigen Symposium am 20. und 21. Mai in Jena vorgestellt wird. Insgesamt 27 Thüringer Kliniken beteiligen sich in dem Verbund und stimmen sich dabei eng bei der Versorgung von Verletzten und Unfallopfern ab. "Unser Anliegen ist es, dass jeder Schwerstverletzten rund um die Uhr die bestmögliche Versorgung erhält. Das bedeutet, dass eine rasche Aufnahme in einem gut dafür ausgestatteten und vorbereiteten Krankenhaus erfolgen muss", erläutert der leitende UKJ-Oberarzt PD Dr. Thomas Mückley. Die teilnehmenden Kliniken müssen daher hohen Qualitätsstandards genügen und über die Ausstattung, die Infrastruktur und die notwendige Kenntnisse und Erfahrungen verfügen.

Entwicklungen und Neuerungen in der Unfallchirurgie sind ein weiterer Schwerpunkt des Jenaer Jubiläumssymposiums, zu dem etwa 250 Teilnehmer erwartet werden. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Versorgung von Becken- und Hüftgelenkverletzungen. "Wir haben auch hier immer häufiger mit älteren Patienten zu tun", sagt Unfallchirurg PD Dr. Thomas Mückley. "Dadurch verändern sich die Anforderungen an die Therapie, denn mit höherem Alter häuft sich die Zahl der Begleiterkrankungen, wie beispielsweise Osteoporose." Für die Chirurgen bedeutet dass, das andere Operationsverfahren und Implantate eingesetzt werden müssen als bei jüngeren Patienten. Diese Neuerungen werden unter anderem den Teilnehmern am Freitag in Workshops demonstriert, und können auch gleich praktisch geübt werden.

Kontakt:

Prof. Dr. med. Dr. rer.nat. Gunther Hofmann
Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
Universitätsklinikum Jena
E-Mail: gunther.hofmann@med.uni-jena.de

PD Dr. med. Thomas Mückley
Leitender Oberarzt, Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
Universitätsklinikum Jena
E-Mail: thomas.mueckley@med.uni-jena.de

Terminhinweis.
20.-21. Mai 2011, Kongressbeginn: 12.00 Uhr
20. Thüringer Unfallchirurgisch-Orthopädisches Symposium
Ort: Hotel Steigenberg Esplanade Jena

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution1461

Quelle: Universitätsklinikum Jena, Dipl.-Jour. Helena Reinhardt, 18.05.2011


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Medizinische Hochschule Hannover - 18.05.2011

HNO-Weiterbildungsnetzwerk "LION" zeigt Live-Operationen

24 Operationen an zwölf Orten auf drei Kontinenten an einem Tag / vier Operationen in der MHH

Die HNO-Klinik der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) schult HNO-Ärzte weltweit via Telemedizin. Zum sechsten Mal findet am 25. Mai die Fortbildungsveranstaltung LION (Live International Otolaryngology Network e.V., Internet: www.lion-web.org) statt. In diesem internationalen Netzwerk geben HNO-Chirurgen ihre führenden OP-Techniken per interaktiver Live-Übertragungen an Kollegen und Interessierte weiter. "Wir demonstrieren die Hörsystemversorgung an unserer Klinik mit fünf unterschiedlichen Operationen", erklärt Professor Thomas Lenarz, Direktor der HNO-Klinik und des Hörzentrums Hannover (HZH) der MHH und Mitinitiator von LION.

Prof. Lenarz wird an diesem Tag insgesamt vier verschiedene Operationen durchführen. Er beginnt mit einer Otosklerose-Operation, er operiert eine Stapesplastik, die ein defektes Gehörknöchelchen ersetzt. Anschließend führt er eine Hybrid-L-Cochlea-Implantation durch, bei der ein Patient mit einer Hochtontaubheit und einem Restgehör bei den tiefen Tönen ein Hybrid-L-Gerät erhält, eine Kombination aus Cochlea-Implantat und Hörgerät. Bei der dritten Operation setzt Prof. Lenarz ein teilimplantierbares Hörgerät im Mittelohr ein. Die anschließende Operation wird am Nachmittag ein knochenverankertes Hörsystem, ein so genanntes BAHA (Bone-Anchered-Hearing-Aid) sein. Prof. Dr. Burkard Schwab, leitender Oberarzt der HNO-Klinik, wird im Bereich des Mittelohres eine Powerstapes-OP durchführen und dabei ein Vibrant Soundbridge (Mittelohr-Implantat) einsetzen. Die während der gesamten Veranstaltung durchgeführten Operationen decken eine erhebliche Bandbreite in der Hörsystemversorgung ab.

Mediziner müssen sich fortwährend weiterbilden und das Niveau muss mit dem medizinischen Fortschritt mithalten. Damit sich der finanzielle und zeitliche Aufwand in Grenzen hält, haben sich weltweit HNO-Ärzte 2006 zu dem Weiterbildungsnetzwerk LION zusammengeschlossen. Sie geben ihr Wissen im Rahmen der Videokonferenz an alle Interessierten bereitwillig und ausführlich weiter. An zwölf Orten werden insgesamt 24 Operationen durchgeführt. Rund 6.000 Fachkollegen werden erwartet und können interaktiv via Mail (lion2011@lion-web.org) ihre Fragen stellen. Die Operationen finden in Deutschland (Hannover), Belgien (Brüssel, Antwerpen), Brasilien (Sao Paulo), Frankreich (Béziers), Italien (Siena), Österreich (Wien), Polen (Warschau, Posen), Spanien (Barcelona), in den Vereinigten Arabischen Emiraten (Dubai) und in der Türkei (Istanbul) statt.

Bei Fragen und für die Anmeldung steht Ihnen
Uta Schäfer
per mail: schaefer.uta@mh-hannover.de
zur Verfügung.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution121

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover, Stefan Zorn, 18.05.2011


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Medizinische Hochschule Hannover - 18.05.2011

Auch im siebten Jahr in Folge - Die MHH setzt den Erfolgkurs fort

- Hochschule schreibt schwarze Zahlen
- Mehr Patienten behandelt als jemals zuvor
- Drittmittel bei 84,6 Millionen Euro
- Modellstudiengang viel beachtet

Der positive Trend der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat auch im siebten Jahr in Folge angehalten: 2010 hat die MHH in ihren Kliniken so viele Patienten wie noch niemals zuvor behandelt - 54.875 Menschen wurden stationär versorgt, ambulant zählte die Hochschule 370.373 Behandlungskontakte. Auch in der Forschung gab es einen neuen Rekord: Die verausgabten Drittmittel stiegen gegenüber 2009 noch einmal um fünf Prozent auf 84,6 Millionen Euro. "Unser größtes Kapital sind unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter", betonte MHH-Präsident Professor Dr. Dieter Bitter-Suermann am Mittwoch, 18. Mai 2011, während der Bilanz-Pressekonferenz. "Der Erfolge im vergangenen Jahr sind nur dank des Engagements jeder und jedes Einzelnen möglich geworden."

Die wirtschaftliche Entwicklung

Die MHH konnte auch 2010 ihre Bilanz mit einem leichten Plus abschließen. "Wir schreiben im siebten Jahr in Folge schwarze Zahlen, da dürfen wir schon von einer kleinen Erfolgsgeschichte sprechen", sagte Vizepräsident Holger Baumann, zuständig für das Ressort Wirtschaftsführung und Administration. Trotz eines Betriebsergebnisses von 5,3 Millionen Euro konnte die MHH für 2010 aber nur einen Jahresüberschuss von 1,8 Millionen Euro ausweisen, gegenüber 5,7 Millionen Euro im Jahr 2009. Sondereffekte wie das erstmals angewendete Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz haben das Jahresergebnis mit 3,5 Millionen Euro belastet. Die Betriebserträge (ohne Landeszuschuss) steigen 2010 um 7,2 Prozent auf 583,1 Millionen Euro. Der Landeszuschuss für Lehre und Forschung lag bei 164,7 Millionen Euro.

Fast 9.000 Menschen arbeiten - in Voll- oder Teilzeit - an der MHH. Das sind 1.400 mehr als im Jahr 2004. Im vergangenen Jahr betrug der Personalaufwand 400,9 Millionen Euro, 15 Millionen Euro mehr als 2009 - bedingt durch Tarifsteigerungen und einen Anstieg der Vollkräfte um fast 280 im Vergleich zu 2009. "Von den 7.319 Vollkraftstellen wurden 2010 fast 870 über Drittmittel finanziert - Tendenz steigend", erläuterte Baumann. Der Materialaufwand betrug 2010 195,8 Millionen Euro (plus 9,9 Prozent). Trotz der schwarzen Zahlen in der Bilanz ist der Vizepräsident nicht ganz zufrieden. "Unsere Rendite ist nicht hoch genug, um aus eigener Kraft größere Investitionen zu stemmen."

Die Krankenversorgung

Die Krankenversorgung hat ohne eine Ausweitung der Bettenkapazität ihre Leistung weiter gesteigert. Mit einer mittleren Verweildauer der Patienten in der Klinik von 8,28 Tagen und einem Fallschweregrad (Casemix Indes, CMI) von 1,80 liegt die MHH bundesweit im Spitzensegment. Für Vizepräsident Dr. Andreas Tecklenburg, zuständig für das Ressort Krankenversorgung, sind die Strategie der Hochschule und das Engagement der Beschäftigten die Schlüssel zum Erfolg. "Die Fokussierung auf Schwerpunkte bei einer Leistungsfähigkeit, die nur ein Supramaximalversorger wie die MHH bieten kann, sichert unsere Position." Die Hochschule werde von anderen Kliniken als ein Partner geschätzt, der sich um schwerstkranke Patienten kümmere. Dabei spielt die interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Fachgebiete eine zentrale Rolle. "Mit der Übernahme der Hautklinik im Frühjahr 2011 werden wir demnächst alle Disziplinen auf dem MHH-Campus versammelt haben, bis auf die Orthopädie", betonte Tecklenburg. "Das ist mir besonders wichtig, denn die Medizin wird immer komplexer, interdisziplinäres Handeln für den Patienten damit immer wichtiger."

Die Forschung

Professor Bitter-Suermann brachte es auf eine kurze Formel: "Die Forschung an der MHH boomt weiterhin." Im Jahr 2010 hat die MHH den Sonderforschungsbereich 900 zu chronischen Infektionen und eine klinische Forschergruppe "Autoimmunität" zusätzlich von der Deutschen Forschungsgemeinschaft bewilligt bekommen. Damit sind es sieben Sonderforschungsbereiche mit Koordinatorfunktion und der MHH als Sprecherhochschule, ein Transregio-Sonderforschungsbereich mit 50-prozentiger Beteiligung sowie zwei Forschergruppen und zwei Klinische Forschergruppen der DFG. Hinzu kommt aus der Exzellenzinitiative von Bund und Ländern der Exzellenzcluster REBIRTH zu regenerativer Medizin. Außerdem fördert das Bundesforschungsministerium (BMBF) das Integrierte Forschungs- und Behandlungszentrum Transplantation (IFB-Tx). Erfolgreich war die MHH auch bei der Großforschungsinitiative vom BMBF und der Helmholtz-Gesellschaft: Die Hochschule wird Partnerstandort in dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung und im Deutschen Zentrum für Lungenforschung. "Damit haben wir unsere Spitzenstellung in der medizinischen Forschung untermauern können", sagte der Präsident.

Die Lehre

3.088 junge Menschen studieren an der MHH. Der Modellstudiengang Medizin ist zu einem Markenzeichen der Hochschule geworden. "Die Kombination aus früher und intensivierter klinischer Praxis und wissenschaftlicher Ausbildung - mit dem Kern des strukturierten medizinischen Promotionsprogramms StrucMed - stößt auf hohes Interesse", sagte Professor Bitter-Suermann. "Die über die vergangenen drei Jahre anhaltenden Attacken der auf das Einklagen von Medizinstudienplätzen spezialisierten Anwaltskanzleien haben in diesem Jahr mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg ein Ende gefunden", ergänzte er, "und der MHH mit dem auf 270 Studienplätze festgelegten Jahreskontingent nun wieder Sicherheit gegeben."

Die Graduiertenstudiengänge haben unter dem Dach der Hannover Biomedical Research School (HBRS) ihre nationale Spitzenstellung behauptet. Das europäische Graduiertenkolleg IRTG 1272 "Strategien menschlicher Krankheitserreger zur Etablierung akuter und chronischer Infektionen" zusammen mit dem Karolinska-Institut in Stockholm ist mit hoher Anerkennung für eine zweite Laufzeit von der DFG verlängert worden. Auch die HBRS zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses wird von der Exzellenzinitiative gefördert.

Der Ausblick

"Die MHH will auch 2011 ihren Erfolgskurs fortsetzen", bekräftigte der Präsident. Doch die Vorzeichen werden schwieriger. "Obwohl sich unsere Ausgaben durch Preissteigerungen erhöhen werden, sind keine signifikanten Ertragssteigerungen zu erwarten", sagte Vizepräsident Baumann. Als einziger Ausweg bleibe eine Leistungssteigerung. "Dabei geht es vor allem darum, Prozesse zu optimieren." Vizepräsident Dr. Tecklenburg führte ein Beispiel an: Im SPIC-Projekt wird die MHH die gesamten bildgebenden Verfahren in der Klinik gemeinsam mit der Firma Siemens erneuern. "Wir werden nicht nur den Gerätepark komplett auf den neusten Stand bringen, sondern auch die Abläufe optimieren", erklärte Dr. Tecklenburg. "Auf diese Weise können wir bei jeder Behandlung einen Tag Wartezeit sparen. Für die Patienten bedeutet das, einen Tag eher Klarheit über die weitere Therapie zu haben - und für uns enorme Kosteneinsparungen."

Auf dem MHH-Campus wird auch 2011 kräftig gebaut. Im Juni wird das Pädiatrische Forschungszentrum eröffnet. Noch in diesem Jahr soll mit dem Bau eines Klinischen Laborgebäudes begonnen werden. Die Nuklearmedizin wird umgebaut, ebenso wie die Radiologie für das SPIC-Projekt. "Die Bautätigkeit hört aber nicht an der Grenze des MHH-Campus auf", erläuterte Baumann. "Gleich neben der MHH entsteht mit dem HCTM ein Zentrum für klinische Studien. Kaum einen Kilometer entfernt wird noch in diesem Jahr damit begonnen, das Niedersächsische Zentrum für Biomedizintechnik zu errichten."

Die Diskussion, ob die MHH zu einer Stiftung öffentlichen Rechts werden soll, ist derzeit voll im Gange. Der Senat hat Arbeitsgruppen gebildet. In den nächsten Monaten sollen die Grundzüge einer Satzung erarbeitet werden. "Wir als Präsidium sehen in dem Stiftungsmodell die Chance, die MHH als erfolgreiche, eigenständige Hochschule weiterzuführen - und zwar besser als es zur Zeit möglich ist", sagte Professor Bitter-Suermann.

Den Jahresbericht 2010 können Sie in der Pressestelle der MHH anfordern.
Als pdf-Version finden Sie ihn unter
www.mh-hannover.de/jahresbericht.html

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution121

Quelle: Medizinische Hochschule Hannover, Stefan Zorn, 18.05.2011


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Technische Universität Dresden - 18.05.2011

Freier Blick auf sich selbst organisierende Proteine

Auf einer künstlichen Membran konnten Biophysiker des Biotechnologischen Zentrums der Technischen Universität Dresden (BIOTEC) das erste Mal beobachten, wie sich einzelne Proteine der Min-Familie, die in Bakterien die Zellteilung regulieren, selbst und gegenseitig organisieren. Der Arbeitsgruppe von Prof. Petra Schwille, die biologische Strukturbildung an künstliche Membranen untersucht, ist ein weiterer Schritt bei der Nachbildung von Strukturen in Zellen gelungen, die nun sehr detaillierte Beobachtungen von Proteinmustern ermöglichen. Die Ergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift "Nature Structural & Molecular Biology" veröffentlicht (DOI: 10.1038/nsmb.2037)

Jedes biologische System, so auch die Zellen, besteht zunächst aus einem Gemisch von Biomolekülen. Die Dresdner Wissenschaftler interessiert, nach welchen Gesetzen sich plötzlich und ohne Steuerung von außen die Moleküle in diesen homogenen Lösungen organisieren. In der Theorie ist das Phänomen, das sich durch Diffusion und Wechselwirkung Muster ausbilden, gut verstanden. Experimentell sind solche Prozesse allerdings schwer nachzubilden. Die Diffusion ist ein physikalischer Prozess, der zu einer gleichmäßigen Verteilung von Teilchen und somit der Durchmischung zweier oder mehrerer Stoffe führt. "Um besser zu verstehen, welche Eigenschaften die Moleküle benötigen, um verschiedene Bewegungsmuster auszubilden, haben wir ein oszillierendes System von Proteinen als Prototyp verwendet", sagt Dr. Martin Loose von der Dresdner Arbeitsgruppe. Für seine Doktorarbeit konnte er gemeinsam mit Kollegen zum ersten Mal die Oszillation von Proteinen künstlich nachbauen. Bei seinen Versuchen hat er verschiedene Proteine der Min-Familie verwendet, die natürlicherweise in E.coli-Bakterien (Darmbakterien) vorkommen und dort die Zellteilung regulieren.

Bakterien sind von einer Zellmembran und einer formgebenden Zuckerhülle umgeben. Normalerweise befinden sich die Min-Proteine im Inneren der Bakterien, aber im zellfreien Modell des Systems werden die Proteine frei auf die Membran aufgebracht. Als hauchfeiner Film aus Lipiden liegt für die Versuche die künstliche Zellmembran auf dem Deckgläschen - ähnlich einer aufgeplatzten Seifenblase. "Das Gemisch der Min-Proteine befindet sich in Lösung über der Membran, so dass wir mit dem Fluoreszenzmikroskop genau die sich ausbreitenden Wellen beobachten können, die bei den Interaktionen der Proteine erzeugt werden", beschreibt Loose den stark energiegetriebenen Prozess des wechselseitigen Wirkens der Proteine aufeinander.

Die Dresdner Biophysiker konnten weltweit das erste Mal beobachten, wie einzelne Moleküle der sogenannten MinD-Proteine an die künstliche Membran binden und auf welche Weise sie von den MinE-Proteinen wieder abgelöst werden. "Wir kennen zwar in etwa die Eigenschaften der einzelnen Moleküle, konnten ihr individuelles Verhalten in einer großen Ansammlung aber bisher nicht sichtbar machen." Martin Loose ist sich sicher: "Unser mechanistischer Prototyp bringt uns weiter, biologische Selbstorganisation besser zu verstehen."

Publikation:
Martin Loose 1/2, Elisabeth Fischer-Friedrich 3, Christoph Herold 1, Karsten Kruse 4, Petra Schwille 1/2:
Min protein patterns emerge from rapid rebinding and direct membrane interaction of MinE.
Nature Structural & Molecular Biology. (2011)
DOI: doi:10.1038/nsmb.2037

1 BIOTEC, Technische Universität Dresden, Dresden
2 Max Planck Institute for Molecular Cell Biology and Genetics, Dresden
3 Max Planck Institute for the Physics of Complex Systems, Dresden
4 Theoretische Physik, Universität des Saarlands, Saarbrücken

http://www.nature.com/nsmb/journal/vaop/ncurrent/full/nsmb.2037.html

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image142418
Fotodownload: Drei verschiedene Proteine der Min-Familie bilden auf der künstlichen Membran Muster, die wie Wellen aussehen und sich von links nach rechts bewegen. (Foto: BIOTEC, Martin Loose)

Das Biotechnologische Zentrum (BIOTEC)
wurde 2000 als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Technischen Universität Dresden mit dem Ziel gegründet, modernste Forschungsansätze in der Molekular- und Zellbiologie mit den in Dresden traditionell starken Ingenieurswissenschaften zu verbinden. Innerhalb der TU Dresden nimmt das BIOTEC eine zentrale Position in Forschung und Lehre mit dem Schwerpunkt Molecular Bioengineering und Regenerative Medizin ein. Es trägt damit entscheidend zur Profilierung der TU Dresden im Bereich moderner Biotechnologie und Biomedizin bei. Die Forschungsschwerpunkte der internationalen Arbeitsgruppen bilden die Genomik, die Proteomik, die Biophysik, zelluläre Maschinen, die Molekulargenetik, die Gewebezüchtung und die Bioinformatik.

Birte Urban-Eicheler

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution143

Quelle: Technische Universität Dresden, Kim-Astrid Magister, 18.05.2011


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Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg - 18.05.2011

Lernklinik für hallesche Medizin-Studierende

Ärztealltag an Spezialpuppen üben

Die hallesche Medizinische Fakultät der Martin-Luther-Universität richtet für die Studierenden eine Lernklinik ein. Damit soll die Vermittlung praktischer Kenntnisse vertieft werden. Die Studierenden können den Ärztealltag an Spezialpuppen üben.

Praktische Erfahrungen sind für angehende Mediziner unerlässlich, aber die vermeintlich "einfachen" Handhabungen des alltäglichen Arztseins wurden bisher im Rahmen des Studiums aufgrund der steigenden theoretischen Inhalte nicht intensiv genug vermittelt. Doch das ändert sich mittlerweile in Deutschland. An der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität wird eine Lernklinik, auch Skills Lab genannt, eingerichtet. Im Gebäude der alten chirurgischen Klinik (Magdeburger Straße 16) wurde eine Übungsstation etabliert. Zwar lernen die Studierenden nicht an "echten" Patienten, dafür aber an schmerzunempfindlichen, lebensechten Puppen. Es fließt sogar Blut! Hier kann im geschützten Rahmen immer wieder geübt werden, bis jeder Handgriff sitzt - ohne Patienten zu belasten. "Wir können damit die Ausbildungsbedingungen für die Studierenden deutlich verbessern", sagt Professor Dr. Dieter Körholz, Studiendekan der Fakultät.
Das Studium werde durch die Lernklinik deutlich praxisnaher und die Übungen am Patientenbett werden nicht mit dem Trainieren von interdisziplinären Basisfertigkeiten belastet.

Derzeit werden sechs Übungsstationen auf etwa 500 Quadratmeter für die Studierenden im achten Semester angeboten: Bluttransfusion, Legen eines Blasenkatheters, Injektionen, Infusionen, EKG/Monitoring sowie Vitalfunktionen/Reanimation. In zwei weiteren Ausbaustufen wird die Lernklinik auf mindestens 24 Übungsstationen ausgedehnt. Der Unterricht erfolgt dabei in Kleinstgruppen von zwei bis vier Studierenden. Künftig sollen je nach Semester zunehmend anspruchsvollere Fertigkeiten standardisiert gelernt werden.

Bis zum Ende des Jahres 2011 sollen zwölf standardisierte Trainingsstationen existieren, ein Jahr später soll eine Verdopplung erreicht werden. Dabei soll es auch Patientenzimmer geben, in denen von den Studierenden "Schauspielpatienten" behandelt werden müssen. Denn neben den "handwerklichen" Fähigkeiten steht immer mehr die Kommunikation zwischen Arzt und Patient im Vordergrund der Ausbildung. Das "normale" Krankenzimmer erhält Bett, Liege und Überwachungsmonitor. Durch eine verspiegelte Scheibe können Tutoren und Studierende im Nebenraum das Gespräch zwischen angehenden Arzt und Schauspiel-Patienten verfolgen und anschließend auswerten. "Auch professionelle und dennoch empathische Patientengespräche sind wichtige Basisfertigkeiten und Faktoren für die Genesung", sagt Dr. Andreas Fichtner. Diese Kommunikation soll in der Lernklinik ebenso geübt werden. Die Studierenden sollten auch Angehörigengespräche sowie die Übermittlung schlechter Diagnosen trainieren.

Das Projekt kostet im ersten Jahr etwa 200.000 Euro und wird durch die Medizinische Fakultät finanziert. Geleitet wird die Lernklinik durch Dr. Andreas Fichtner, ihn unterstützen mehrere Tutoren (Studierende aus höheren Semestern sowie erfahrene Pflegende), die didaktisch und thematisch geschult worden sind. Ab Herbst werden in der Lernklinik weitere Übungseinheiten eröffnet. Die "Endausbaustufe" mit mindestens 24 Stationen soll zum Wintersemester 2012 erreicht werden. Damit würde dieses Trainingszentrum praktischer ärztlicher Basisfertigkeiten zu den führenden Einrichtungen in Deutschland gehören und die Medizinische Ausbildung in Halle nachhaltig verbessern. Für die Realisierung dieser erstklassigen longitudinalen praktischen Ausbildung unserer Studierenden der Medizin sind Spenden willkommen, um modernste Trainingsbedingungen nachhaltig zu sichern.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution167

Quelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Jens Müller M.A., 18.05.2011


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Technische Universität Dresden - 18.05.2011

Stammzelle oder dedifferenzierte Zelle?

Zebrafische regenerieren amputierte Knochen aus vorhandenen Knochenzellen

Dresden. Der Dresdner Entwicklungsbiologe Dr. rer. nat. Gilbert Weidinger und sein Team konnten erstmals für die Regeneration von Knochen in amputierten Zebrafischflossen nachweisen, dass sich neue Knochenstrukturen aus dedifferenzierten knochenbildenden Zellen (Osteoblasten) entwickeln. Multipotente Stammzellen sind an diesem Regenerationsprozess nicht beteiligt. Die im Fisch natürlich vorkommenden Osteoblasten dedifferenzieren, das heißt, sie bilden sich in eine undifferenzierte Entwicklungsstufe zurück. Danach setzt deren Zellteilung ein, und es entwickeln sich aus ihnen nur neue knochenbildende Zellen, um die amputierten Knochenteile in der Fischflosse zu ersetzen. Diese Forschungsergebnisse wurden jetzt in der Fachzeitschrift Developmental Cell veröffentlicht (DOI: 10.1016/j.devcel.2011.04.014).

Bei Säugetieren, so auch beim Menschen, können Knochenbrüche und -beschädigungen nur in einem begrenzten Umfang regeneriert werden, also sich selbst wieder schließen und heilen. Zebrafische hingegen verfügen über die Fähigkeit, amputierte Knochenstrukturen in ihren Flossen komplett zu regenerieren. Bekannt war bisher, dass sich an der amputierten Fläche ein so genanntes Blastem bildet. Das Blastem ist ein Pool an Vorläuferzellen, die sich teilen, vermehren (proliferieren) und sich zu differenzierten Zellen entwickeln. Es stellt somit den Ursprungspool für die sich vermehrenden Zellen dar, die den Knochen in der fehlenden Flosse regenerieren. "Bisher war aber noch nicht bekannt, aus welchen Zellen sich das Blastem entwickelt", berichtet Dr. Gilbert Weidinger, Gruppenleiter im Sonderforschungsbereich 655 am Biotechnologiezentrum der TU Dresden (BIOTEC).

Am Anfang des Forschungsprojekts gab es zwei Annahmen: Sind an der Regeneration von Knochenstrukturen in amputierten Zebrafischflossen natürlich vorkommende ruhende Stammzellen beteiligt? Oder entstehen die neu gebildeten Knochen aus sich dedifferenzierenden Zellen? Die Dedifferenzierung von Zellen ist ein faszinierender Vorgang, bei dem spezialisierte Zellen ihre besonderen Charakterisitika verlieren und zu Vorläuferzellen werden, wie sie in Embryonen vorkommen. Bisher wurde angenommen, dass die Dedifferenzierung wichtig für die Regeneration von Gliedmaßen in Salamandern und Flossen in Fischen ist, doch Beweise für diese These, die nur mit modernen gentechnischen Methoden erbracht werden können, haben noch gefehlt. Gilbert Weidingers Team zeigt nun erstmals mithilfe von transgenen Zebrafischlinien, dass dedifferenzierende Zellen und nicht Stammzellen Knochen bei amputierten Zebrafischflossen neu bilden.

"Des Weiteren wollten wir herausfinden, ob die dedifferenzierenden Zellen die Fähigkeit besitzen, sich nach der Rückbildung in ein früheres Entwicklungsstadium und der Zellteilung in alle unterschiedlichen Zellen ausdifferenzieren, die für die Neubildung der amputierten Flosse benötigt werden", so Weidinger, "oder ob die dedifferenzierenden Zellen ausschließlich den Ausgangszelltyp ausbilden." Das Forscherteam zeigte, dass die dedifferenzierenden Zellen, die die Knochen in der amputierten Zebrafischflosse wieder komplett neu nachbilden, nicht multipotent wie Stammzellen sind, sondern dass sich aus jeder knochenbildenden Zelle (Osteoblast) einzig Osteoblasten entwickeln. Diese Erkenntnis deutet darauf hin, dass es einfacher als bisher gedacht sein könnte, bei Menschen eine Regeneration von Knochenstrukturen auszulösen.

Der Dresdner Regenerationsforscher wird nun weiteren Fragen nachgehen: Treffen die neuen Erkenntnisse bei der Knochenneubildung nur auf Flossenamputationen zu oder auch auf Knochenreparaturen? Können die Forschungsergebnisse ebenso bei der Regeneration anders aufgebauter Knochen wie zum Beispiel den Schädelknochen von Zebrafischen nachgewiesen werden? Weidinger: "Die große spannende Frage ist letztlich, ob die gewonnenen Ergebnisse bei Wirbeltieren wie dem Zebrafisch auch bei Säugetieren nachgewiesen werden können. Oder ob dort die zellulären Mechanismen andere sind, denn derzeit gilt bei Säugetieren noch die These, dass Knochen von Stammzellen repariert werden." Falls auch beim Menschen die Dedifferenzierung von Knochenzellen eine Rolle in der Knochenreparatur spielt, eröffnet dies neue Möglichkeiten für die Therapie von Knochendefekten.

Publikation:
Franziska Knopf 1, Christina Hammond2, Avinash Chekuru 1, Thomas Kurth 1, Stephan Hans 1, Christopher W. Weber3, Gina Mahatma3, Shannon Fisher3, Michael Brand 1, Stefan Schulte-Merker 4 and Gilbert Weidinger 1:
Bone regenerates via dedifferentiation of osteoblasts in the zebrafish fin.
Developmental Cell. (2011).
DOI: 10.1016/j.devcel.2011.04.014.

1 Biotechnology Center and DFG Research Center for Regenerative Therapies, Technische Universität Dresden, Dresden
2 Department of Biochemistry/ Physiology and Pharmacology, Medical Sciences, University of Bristol, University Walk, Clifton, United Kingdom
3 Department of Cell and Developmental Biology, University of Pennsylvania, Philadelphia, USA
4 Hubrecht Laboratory, The Netherlands Institute for Developmental Biology, Utrecht, Netherlands

Das Biotechnologische Zentrum (BIOTEC)
wurde 2000 als zentrale wissenschaftliche Einrichtung der Technischen Universität Dresden mit dem Ziel gegründet, modernste Forschungsansätze in der Molekular- und Zellbiologie mit den in Dresden traditionell starken Ingenieurswissenschaften zu verbinden. Innerhalb der TU Dresden nimmt das BIOTEC eine zentrale Position in Forschung und Lehre mit dem Schwerpunkt Molecular Bioengineering und Regenerative Medizin ein. Es trägt damit entscheidend zur Profilierung der TU Dresden im Bereich moderner Biotechnologie und Biomedizin bei. Die Forschungsschwerpunkte der internationalen Arbeitsgruppen bilden die Genomik, die Proteomik, die Biophysik, zelluläre Maschinen, die Molekulargenetik, die Gewebezüchtung und die Bioinformatik.

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/de/image142406
Die Knochen des Zebrafisches fluoreszieren grün mittels eines eingeschleusten Gens (Transgen), um die Knochenstrukturen sichtbar zu machen. Das Phänomen der Flossenregeneration zeigen die anderen Bildausschnitte: Je nach Reifegrad (Differenzierungsstadium) leuchten die knochenbildenden Zellen in drei transgenen Fischen gelb, grün oder rot. © BIOTEC

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution143

Quelle: Technische Universität Dresden, Kim-Astrid Magister, 18.05.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2011