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MELDUNG/305: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 09.03.11 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Bundesforschungsministerium fördert erste nationale Biomaterialbank mit 1,3 Millionen Euro
→  TU Berlin: Molekulare Schere macht Viren den Garaus
→  Virotherapie gegen Leberkrebs und Leberfibrose Forscher entwickeln neuen Therapieansatz


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Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen - 08.03.2011

Bundesforschungsministerium fördert erste nationale Biomaterialbank mit 1,3 Millionen Euro

Als erste nationale Biobank erhält die zentrale Biomaterialbank am Universitätsklinikum Aachen (UKA) eine Förderung von 1,3 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Der parlamentarische Staatssekretär im BMBF, Thomas Rachel, übergab am Freitag, 4. März, den endgültigen Bescheid über die Bewilligung und verschaffte sich bei dieser Gelegenheit einen Überblick über die bereits vorhandenen Biobank-Strukturen. Biomaterialbanken werden zunehmend das zentrale Instrument der anwendungsbezogenen Forschung an Universitätskliniken und deren Medizinischen Fakultäten. Insbesondere für die Erforschung seltener Erkrankungen, für die es noch keinerlei Therapieansätze gibt, sind sie von unschätzbarem Wert. Aber auch für die Bekämpfung großer Volkskrankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauferkrankungen sowie für die Forschung sind Biobanken von zentraler Bedeutung. Aachen könne unter den nationalen Biobanken "das Schnellboot werden, das voran fährt", sagte Rachel zur Förderung der ersten nationalen Biobank. Menschliches Biomaterial, mit dem Ärzte und Wissenschaftler auf Basis der Biobanken arbeiten, sind beispielsweise verbleibendes Körpergewebe, das für diagnostische Zwecke oder bei Operationen entnommen wurde, aber auch Blut- und Urinproben oder Knochenmark. Diese Biomaterialien werden in einer Biobank in großer Anzahl erfasst, dokumentiert und in hoher Qualität für Forschungsprojekte zur Verfügung gestellt. Zentral ist zum Beispiel die Frage, wie in Zukunft die Krankenversorgung mit Hilfe von sogenannten Biomarkern weiter auf den Bedarf des einzelnen Patienten ausgerichtet werden kann, eine Entwicklung, die "personalisierte" oder "individualisierte Medizin" genannt wird. Biomarker spielen dafür eine wichtige Rolle, denn hierbei handelt es sich um Stoffe im erkrankten Gewebe, die sehr spezifisch eine Erkrankung oder einen bestimmten Krankheitsverlauf anzeigen können. Solche "hilfreichen" Biomarker werden beim Dickdarmkrebs und bestimmten Formen des Lungenkrebses schon heute routinemäßig erhoben und verbessern die Überlebenschancen des einzelnen Patienten, indem die Therapie entsprechend der Biomarker-Ausprägung maßgeschneidert angepasst wird.

Am Universitätsklinikum Aachen gibt es bereits seit längerem große und wertvolle Biomaterial-Sammlungen in verschiedenen Kliniken und Instituten. Neben der seit Februar 2010 bestehenden Tumorbank des Euregionalen Comprehensive Cancer Center (ECCA) gibt es zum Teil europaweit einzigartige Biomaterial-Sammlungen in der Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen, der Chirurgischen Klinik und den Instituten für Neuropathologie und Humangenetik. Diese insgesamt zehn Einzel-Biomaterialbanken wurden Mitte 2010 zu einer zentralen Biomaterialienbank, der "RWTH zentralisierten Biomaterialbank (kurz: RWTH cBMB), angesiedelt am Institut für Pathologie, zusammengefasst. "Jeder Patient, der uns Restgewebe für die Biomaterialbank zur Verfügung stellt, leistet einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung neuer Therapieansätze.", erklärt die Direktorin des Instituts für Pathologie, Professor Ruth Knüchel-Clarke. Höchste Datensicherheit ist dabei gewährleistet, da klinische Daten und Blut- und Gewebeproben verschlüsselt und getrennt voneinander vorgehalten werden. Die Aufbewahrung der Proben erfolgt in speziellen Behältern, die eine Lagerung bei -80°C oder kälter für Jahre und Jahrzehnte ermöglichen. Die Förderung durch das BMBF erlaubt es, die vorhandenen Infrastrukturen der Biobank auszubauen. So wird sich ein Biobank-Manager zentral um die Belange der Biobank kümmern und das technische Personal wird entsprechend dem gestiegenen Bedarf verstärkt. Das Universitätsklinikum Aachen kann durch den Ausbau der zentralen Biobank seine strategischen Ziele im Bereich "Entwicklung der personalisierten Medizin" optimal unterstützen.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution63

Quelle: Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen, Thomas von Salzen, 08.03.2011


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Technische Universität Berlin - 08.03.2011

Molekulare Schere macht Viren den Garaus

Der Biochemiker Jens Kurreck forscht an der Behandlung von Virusinfektionen und an Schmerztherapien

Das Virus löst Herzmuskelentzündungen aus. Die Infektion schädigt das Herz extrem und kann letztendlich eine Herztransplantation erforderlich machen. Der Name des Virus: Coxsackievirus B3, kurz CVB-3. Eine spezifische Therapie gegen CVB-3 gibt es bislang nicht. Jens Kurreck, neuberufener Professor für das Fachgebiet "Angewandte Biochemie" forscht daran.

"Bei der Bekämpfung des Virus nutzen wir die sogenannte RNA-Interferenz. Das ist ein natürlicher Schutzmechanismus der Zelle, bei dem fremde Gene ausgeschaltet werden. Und so ein Eindringling kann eben auch eine Virus-RNA sein", erklärt Jens Kurreck. RNA steht für Ribonukleinsäure. Seit es 1998 gelang, das Phänomen der RNA-Interferenz wissenschaftlich zu erklären, wurde sie als eine Methode der Genregulation zum großen Hoffnungsträger in der Medizin - sei es bei der Bekämpfung von Krebs, Erblindungen oder eben von Virusinfektionen. Denn wenn sich Gene in ihrer Aktivität stilllegen lassen, muss dies auch bei Genen, die Krankheiten auslösen, möglich sein.

Bei der RNA-Interferenz ist die Boten-RNA das Zielobjekt. Sie bildet aus den Genen, also dem Erbmaterial, die Proteine. Erst durch die Proteine kommt der genetische Bauplan überhaupt in Bewegung, sie sind "die Akteure der Zelle, bestimmen ihre Funktion und ihren Zustand", so Kurreck und erklärt das Prinzip der RNA-Interferenz-Technologie: "Während des Umwandlungsprozesses der genetischen Information in ein Protein durch die Boten-RNA wird diese zerschnitten. Die Folge: Das krankhafte Protein kann nicht gebildet werden. Im Falle des Coxsackievirus B3, das ein Einzelstrang RNA-Virus ist, wird dessen RNA zerstört." Zerschnitten wird die Einzelstrang-Boten-RNA mit einer Art molekularen Schere, die in die Zelle geschleust wird. Diese "Schere" ist eine chemisch synthetisierte kurze Doppelstrang-RNA, die nur aus 21 RNA-Bausteinen besteht und zelluläre Proteine anleitet, die ins Visier genommene RNA zu zertrennen. "Um das Potenzial der RNA-Interferenz-Technologie auf CVB-3 auszuloten, haben wir verschiedene kurze Doppelstrang-RNAs getestet. Unser bester Kandidat verringerte die Ausbreitung des Virus um 90 Prozent", sagt Jens Kurreck. Aber auch in der Schmerzforschung will er die RNA-Interferenz-Technologie anwenden, weil sich damit Schmerzrezeptoren ausschalten lassen.

Ein weiterer Forschungsbereich ist der Einfluss von G-Quadruplex-Strukturen (Nukleinsäuresequenzen) auf die "Übersetzungsarbeit" der Boten-RNA. Das "G" steht für Guanin und ist als eine von vier Nukleinbasen der Grundbaustein der DNA und RNA. Mit diesen Forschungen wird eine völlig neue Ebene der Genregulation betreten. Diese stecken allerdings noch in den Kinderschuhen. Für Kurreck, der an der FU Berlin Biochemie und Philosophie studierte, eine Herausforderung mehr. Sybille Nitsche



Weitere Informationen:
Prof. Dr. Jens Kurreck
Institut für Biotechnologie der TU Berlin
Fachgebiet Angewandte Biochemie
Seestr. 13, 13353 Berlin
E-Mail: jens.kurreck@tu-berlin.de

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.tu-berlin.de/?id=98217
http://www.pressestelle.tu-berlin.de/medieninformationen/
http://www.pressestelle.tu-berlin.de/?id=4608

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution52

Quelle: Technische Universität Berlin, Stefanie Terp, 08.03.2011


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Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München - 08.03.2011

Virotherapie gegen Leberkrebs und Leberfibrose

Forscher des Klinikum rechts der Isar entwickeln neuen Therapieansatz

Forscher der II. Medizinischen Klinik des Klinikums rechts der Isar der TU München (Direktor: Prof. Roland Schmid) haben eine Möglichkeit entdeckt, Leberzellkarzinome und Leberfibrosen gleichzeitig zu behandeln: Dr. Oliver Ebert und Dr. Jennifer Altomonte entwickelten die transarterielle VSV-Onkolyse, bei der ein für den Menschen unschädliches Virus verwendet wird, um Tumorzellen aufzulösen und gleichzeitig die chronisch geschädigte Leber zu behandeln. Die Bayerische Patentallianz stellt die Erfindung am 23. und 24. März 2011 zusammen mit anderen Patenten vor, für die Pharmaunternehmen Lizenzen erwerben können. Leberzellkarzinome stellen weltweit die fünfthäufigste Krebsart dar und sind in den meisten Fällen die Folge einer chronischen Schädigung der Leberzellen, auch als Leberfibrose bekannt. Die Ursachen können Alkoholmissbrauch, eine Hepatitis, ein Medikamentenschaden oder eine Verfettung der Leber sein.

Die beiden Wissenschaftler der II. Medizinischen Klinik konnten in einer präklinischen Studie zeigen, dass eine Virotherapie mit VSV, dem so genannten Vesikulären Stomatitis Virus, eine sichere und wirksame Bekämpfung von Leberzellkarzinom und Leberfibrose ermöglicht. Der für den Menschen unschädliche Erreger wird gespritzt, vermehrt sich in den Tumorzellen und löst diese schließlich auf. Darüber hinaus führen die antifibrogenen Eigenschaften des Virus zu einer deutlichen Verbesserung der Fibrose, bei der sich das Gewebe der Leber krankhaft vermehrt, anschließend vernarbt und die Leberfunktion beeinträchtigt.

"Aufgrund unserer Ergebnisse können nun Medikamente entwickelt werden, die nach der klinischen Überprüfung zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können: Sie bekämpfen die Fibrose als Ursache des Leberzellkarzinoms und gleichzeitig den Tumor", erläutert Dr. Ebert. Neuen Medikamenten auf Basis des VS-Virus wird ein großes Marktpotenzial vorhergesagt, da es bislang keine vergleichbaren Therapieansätze gibt.

Weitere Informationen
zum Forum Life Sciences der Bayerischen Patentallianz unter:
www.bayern-innovativ.de/fls2011

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/de/institution860

Quelle: Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München, Tanja Schmidhofer, 08.03.2011


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. März 2011