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MELDUNG/152: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 05.07.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Nanomaschinen in den Kraftwerken der Zelle
      Architektur des größten Proteinkomplexes in der Atmungskette aufgeklärt
→  Arthrose-Forschung: Hilfe für kaputte Gelenke
→  DFG verlängert Förderung der Stimmforschung an der FAU

Raute

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau - 02.07.2010

Nanomaschinen in den Kraftwerken der Zelle

Architektur des größten Proteinkomplexes in der Atmungskette aufgeklärt

Wissenschaftler der Universität Freiburg und der Universität Frankfurt haben die Architektur des größten Proteinkomplexes der zellulären Atmungskette aufgeklärt. Sie entdeckten einen bisher unbekannten Mechanismus der Energieumwandlung in diesem molekularen Komplex. Der Mechanismus ist notwendig, damit die Zelle die in der Nahrung gespeicherte Energie nutzen kann.

Nach zehnjähriger Forschungsarbeit ist nun die röntgenkristallographische Strukturanalyse des riesigen und kompliziertesten Proteinkomplexes der mitochondrialen Atmungskette gelungen. Er besteht aus mehr als 40 verschiedenen Proteinen, markiert den Anfangspunkt der Zellatmung und wird deshalb auch als mitochondrialer Komplex I bezeichnet. Die Ergebnisse erscheinen in der aktuellen Online-Ausgabe der Fachzeitschrift "Science".

Ein detailliertes Verständnis der Funktion von Komplex I ist von besonderem medizinischem Interesse, da Fehlfunktionen mit einer Reihe von neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Parkinson oder Morbus Alzheimer, aber auch dem biologischen Altern insgesamt, in Verbindung gebracht werden. Prof. Carola Hunte vom Freiburger Institut für Biochemie und Molekularbiologie und dem Freiburger Exzellenzcluster BIOSS (Centre for Biological Signalling Studies) gelang in Kooperation mit Prof. Ulrich Brandt, Professor für Molekulare Bioenergetik und Mitglied im Exzellenzcluster "Makromolekulare Komplexe", und Dr. Volker Zickermann aus seiner Arbeitsgruppe ein wichtiger Schritt zu diesem Verständnis.

Der Energiestoffwechsel findet in den sogenannten Kraftwerken der Zelle, den Mitochondrien, statt. Sie überführen die von außen in Form von Nahrung aufgenommene Energie in den zellintern universell einsetzbaren Energieträger Adenosintriphosphat, kurz ATP. Eine Kette von fünf, kompliziert gebauten molekularen Maschinen in der Mitochondrienmembran führt diese Energieumwandlung durch. Die Herstellung von ATP in den Mitochondrien durchläuft deshalb so viele Schritte, weil die zugrunde liegende Umsetzung einer Knallgasreaktion entspricht. Lässt man im Labor Wasserstoffgas und Sauerstoff miteinander reagieren, verpufft die in den Ausgangsstoffen enthaltene Energie explosionsartig in Form von Wärme. Bei der biologischen Oxidation durch die membrangebundenen Proteinkomplexe der Atmungskette wird die Energie dagegen kontrolliert in kleinen Paketen freigesetzt. Wie bei einer Brennstoffzelle wird sie in ein elektrisches Membranpotential umgewandelt, das letztendlich für die Synthese von ATP genutzt werden kann. Zusammengerechnet bilden die Oberflächen der Mitochondrien im menschlichen Körper eine Fläche von 14.000 Quadratmetern. Dort werden täglich etwa 65 Kilogramm ATP produziert.

Das jetzt vorgestellte Strukturmodell gibt wichtige und unerwartete Hinweise auf die Funktionsweise von Komplex I. Eine aus keinem anderen Protein bekannte Form eines molekularen "Transmissionsgestänges" scheint demnach für den Energietransfer innerhalb des Proteinkomplexes durch mechanische Kopplung im Nanomaßstab verantwortlich zu sein. Übertragen auf die Welt der Technik ließe sich dies als eine Kraftübertragung durch eine Art Kuppelstange beschreiben wie sie etwa die Räder einer Dampflok verbindet. Dieser neue nanomechanische Ansatz soll nun durch ergänzende funktionelle Studien und eine verfeinerte strukturelle Analyse weiter untersucht werden.

Christiane Gieseking-Anz

Veröffentlichung:
Science: Functional Modules and Structural Basis of Conformational Coupling in Mitochondrial Complex I
Carola Hunte, Volker Zickermann, Ulrich Brandt
Published online: 1. Juli 2010 Science DOI: 10.1126/science.1191046

Link http://www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/science.1191046

Kontakt:
Prof. Dr. Carola Hunte
Institut für Biochemie und Molekularbiologie
BIOSS-Professur für Biochemie und Strukturbiologie
Universität Freiburg
E-Mail: carola.hunte@bioss.uni-freiburg.de

Weitere Informationen finden Sie unter
- http://www.sciencemag.org/cgi/content/abstract/science.1191046
- http://www.bioss.uni-freiburg.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution69

Quelle: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Rudolf-Werner Dreier, 02.07.2010

Raute

Universität des Saarlandes - 02.07.2010

Arthrose-Forschung - Hilfe für kaputte Gelenke

Jeder zehnte Deutsche leidet unter Gelenkschmerzen, etwa an der Hüfte oder den Knien. Die Arthrose ist zu einer Volkskrankheit geworden, die sehr hohe Kosten verursacht. Trotz zahlreicher Behandlungsmethoden ist aber über ihre Ursachen noch wenig bekannt. Dies will Henning Madry ändern. Er hat seit einigen Monaten den bundesweit einzigen Lehrstuhl für Experimentelle Orthopädie und Arthroseforschung inne. Die Deutsche Arthrosehilfe hat die neue Professur an der Universität des Saarlandes für die ersten fünf Jahre gestiftet.

"Die Arthrose ist kein Gelenkverschleiß, wie landläufig immer behauptet wird, sondern eine chronische Krankheit wie Asthma oder Diabetes", erläutert Professor Henning Madry. Der Knorpel in den Gelenken sorge als elastisches Gewebe dafür, dass jeder sich bewegen und sein Gewicht tragen könne. "Durch Unfälle oder Sportverletzungen mit Knochenbrüchen im Gelenk wird oft der Gelenkknorpel beschädigt. Häufig wird die Arthrose aber auch durch Prozesse verursacht, die noch weitgehend unverstanden sind, aber dazu führen, dass sich die Knorpelschicht von selbst ausdünnt und schließlich auflöst. Dadurch wird der Knochen bloßgelegt", sagt der Orthopädie-Professor. Die Krankheit ist meist mit starken Schmerzen verbunden und führt im Spätstadium dazu, dass die Patienten ihre Gelenke kaum mehr bewegen können. Man müsse sich aber von der Vorstellung verabschieden, dass sich Knorpel altersbedingt einfach wie ein Autoreifen abreibe. "Auch viele jüngere Menschen sind heute von Arthrose betroffen, während so manch 90-Jähriger keinerlei Anzeichen davon zeigt", hat Madry beobachtet.

Die verschiedenen Formen der Arthrose sind heute schon so weit verbreitet wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Behandlung der Arthrose-Patienten und auch ihre Fehlzeiten bei der Arbeit, häufig bedingt durch Schmerzen, haben eine enorme volkswirtschaftliche Bedeutung. "Dennoch hat sich die Forschung lange Zeit wenig um diese Krankheit bemüht", meint Henning Madry. Dies will der Professor für Experimentelle Orthopädie nun ändern. Er erforscht die Ursachen der Arthrose und untersucht auch, wie man die verschiedenen Varianten von Knorpelersatz weiter verbessern kann. An einem Tag pro Woche kümmert er sich um seine Patienten und steht im Operationssaal, um selbst bei den aktuellen Behandlungsmethoden am Ball zu bleiben.

Für jedes Krankheitsbild der Arthrose gibt es verschiedene Operations-Methoden, aber auch ein ganze Palette von Knorpelersatzverfahren, die für jeden Patienten passend ausgewählt werden müssen. Henning Madry forscht schon seit mehreren Jahren daran, wie man Knorpelersatz durch körpereigene Gene verbessern kann, um der echten Knorpelmasse möglichst nahe zu kommen. "Damit könnte den Patienten auch langfristig geholfen werden, da sich der Knorpel durch diese Therapie wieder besser repariert und wie der originale, körpereigene Gelenkknorpel verhält", sagt der Orthopädie-Professor. Für die ersten Forschungsarbeiten auf diesem zukunftsweisenden Gebiet erhielt Henning Madry im Jahr 2004 den NASA-Preis. Vor drei Jahren wurde er außerdem mit dem bundesweit wichtigsten Preis für orthopädische Forscher, dem Heine-Preis, ausgezeichnet.

In jüngster Zeit beschäftigt sich Madry mit der Frage, welche Rolle die den Knorpel stützenden und angrenzenden Knochenanteile spielen. "In der Forschung und auch der Behandlung der Patienten wurde bisher zu wenig darauf geschaut, was bei einem Knorpelschaden mit dem darunter liegenden Knochen passiert. Auch dieser ist - je nach zugrundeliegender Krankheit - oft geschädigt und kann mit verschiedenen Methoden wieder aufgebaut werden", meint der Orthopädie-Professor. Mit seinen neuen Verfahren hofft er, den mittlerweile rund 20 Millionen Arthrose-Patienten in Deutschland helfen zu können. Allein im vergangenen Jahrzehnt ist diese Zahl um acht Millionen gestiegen und zeigt, wie wichtig die Erforschung dieser Krankheit ist.

Sein Forschungsgebiet hat Henning Madry in diesem Jahr bereits auf mehreren internationalen Kongressen präsentiert. Als nächstes wird er dazu auf dem Weltkongress für Knorpelersatz, dem "9th World Congress of the International Cartilage Repair Society" vom 26. bis 29. September in Barcelona referieren.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uniklinikum-saarland.de/ieo

Fragen beantwortet:
Prof. Dr. Henning Madry
Experimentelle Orthopädie und Arthroseforschung
Universitätsklinikum Homburg/Universität des Saarlandes
E-Mail: henning.madry@uks.eu

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution8

Quelle: Universität des Saarlandes, Friederike Meyer zu Tittingdorf, 02.07.2010

Raute

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg - 02.07.2010

DFG verlängert Förderung der Stimmforschung an der FAU

Die Forschergruppe "Strömungsphysikalische Grundlagen der menschlichen Stimmgebung" (FOR 894/1) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), des Universitätsklinikums Erlangen, der TU Bergakademie Freiberg und der Alpen-Adria Universität Klagenfurt wird für weitere drei Jahre durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Die DFG hat Finanzmittel im Umfang von 1,7 Millionen Euro für die zweite Phase des Projekts bewilligt. Sprecher der Forschergruppe ist Prof. Dr. Dr. Ulrich Eysholdt, Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie am Universitätsklinikum Erlangen.

An der FAU werden im Rahmen des Projekts vier Forschergruppen und eine W2-Professur ("Computational Medicine" - Prof. Dr. Michael Döllinger) mit 1,4 Millionen Euro gefördert. An dem interdisziplinären Projekt sind an der FAU neben den Medizinern noch die Lehrstühle für Prozessmaschinen und Anlagentechnik (PD Dr. Stefan Becker), Sensorik (Prof. Dr. Reinhard Lerch) sowie Angewandte Mathematik II (Prof. Dr. Günter Leugering) beteiligt.

Das Ziel der Wissenschaftler ist es, herauszufinden wie die menschlichen Stimmlippen im gesunden sowie im kranken Zustand funktionieren und wie das akustische Signal - der Stimmschall - gebildet wird. Sie wollen unter anderem in Versuchen in Strömungskanälen die dynamischen Eigenschaften des menschlichen Kehlkopfs erforschen und ein numerisches Modell entwickeln, das das Zusammenwirken von Strömungen, mechanischen und akustischen Phänomenen im Kehlkopf simuliert. Die Forschung soll dazu beitragen, phonochirurgische Eingriffe und konservative Behandlungen so zu planen, dass die Stimmlippenbewegung und somit das primäre Stimmsignal als auch seine Modulation im Vokaltrakt in möglichst vorhersagbarer Weise beeinflusst wird.

Die Universität Erlangen-Nürnberg, gegründet 1743, ist mit 27.000 Studierenden, 550 Professorinnen und Professoren sowie 2000 wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen an den Schnittstellen von Naturwissenschaften, Technik und Medizin in engem Dialog mit Jura und Theologie sowie den Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Seit Mai 2008 trägt die Universität das Siegel "familiengerechte Hochschule".

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution18

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Pascale Anja Dannenberg, 02.07.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2010