Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FAKTEN

MELDUNG/065: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 23.02.10 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen


→  Bildgebung mit Mikrobläschen und Goldnanopartikeln
      Ein neues Bildgebungsverfahren für die Tumordiagnostik und -behandlung
→  Gemeinsam Fließen statt einsam Hüpfen
      Neutronen untermauern neue Theorie über Bewegung in der Zellmembran

Raute

Ruhr-Universität Bochum - 22.02.2010

Bildgebung mit Mikrobläschen und Goldnanopartikeln
Ein neues Bildgebungsverfahren für die Tumordiagnostik und -behandlung

HighTech.NRW fördert RUB-Medizintechniker

Ein neues Bildgebungsverfahren für die Tumordiagnostik und -behandlung entwickeln Bochumer Forscher am Lehrstuhl für Medizintechnik: Erstmals kombinieren sie Mikrobläschen und Goldnanopartikel zu einem Kontrastmittel, das nicht nur den Ort eines Tumors anzeigt, sondern auch seine Struktur. Zu Beginn des Jahres 2010 fiel der Startschuss für das Kooperationsvorhaben "ForSaTum". Ziel ist, neue Konzepte zur Tumorbehandlung zu entwickeln und beschleunigt umzusetzen. Ein Schwerpunkt liegt auf der nicht-invasiven Bildgebung physiologischer und molekularer Vorgänge in Tumoren. Forscher um Prof. Dr. Georg Schmitz (Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der RUB) sind als Kooperationspartner an dem Projekt beteiligt. Sie erhalten 1,2 Millionen Euro für drei Jahre.

Nachweis tumorspezifischer Kontrastmittel

"Wir entwickeln in unserem Teilprojekt ein Abbildungssystem, das die beiden Verfahren mit Mikrobläschen und Goldnanopartikeln integriert und quantitative Messungen ermöglicht", so Prof. Schmitz. "Dabei entstehen Bildgebungsverfahren, mit denen wir möglichst geringe Mengen dieser tumorspezifischen Kontrastmittel nachweisen können." Die mikrometergroßen Gasbläschen werden durch Hüllen stabilisiert, auf denen Moleküle angebracht sind, die sich im Tumorgewebe binden. Akustische Verfahren in der Ultraschallbildgebung machen dieses Kontrastmittel dann sichtbar.

Akustische und photoakustische Verfahren

Das Nachweisverfahren ist so hochgenau, dass es selbst einzelne Mikrobläschen anzeigt. Da der Einsatz auf das Gefäßsystem beschränkt ist, untersuchen die Bochumer Forscher auch photoakustische Verfahren. Hierbei verwenden sie als Kontrastmittel beispielsweise Goldnanopartikel, die tiefer ins Gewebe eindringen und über entsprechende Beschichtungen tumorspezifisch binden. Sie werden mit einem Laserpuls zur Schallemission angeregt. Die im Ultraschallbild dargestellten Echos sollen in Zukunft Auskunft über die physiologischen Vorgänge im Tumorgewebe geben.

Erforschung nicht-invasiver Bildgebung

"Viele onkologische Diagnose- und Therapieansätze scheitern an hohen Entwicklungskosten und mangelnder klinischer Effizienz", erklärt Prof. Fabian Kiessling, Lehrstuhl für Experimentelle Molekulare Bildgebung an der RWTH Aachen und Leiter des Konsortiums ForSaTum.

"Nicht-invasive Bildgebung ermöglicht die Erhebung physiologischer und molekularer Informationen, die die Aussagekraft präklinischer Studien erhöhen und die Zahl klinisch scheiternder Behandlungsansätze vermindern kann. Zudem senkt sie deutlich die Entwicklungskosten", so Prof. Kiessling weiter.

Kooperation mit RWTH Aachen und Industriepartnern

Das Verbundprojekt "Forschungssatellit für eine beschleunigte Umsetzung neuer Tumorbehandlungskonzepte", kurz ForSaTum, wird als ein Sieger des Wettbewerbs HighTech.NRW vom Ministerium für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie des Landes NRW in einer dreijährigen Laufzeit mit 7,6 Millionen Euro gefördert - mit Mitteln des EU-NRW Ziel 2-Programms "Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung 2007 - 2013" (EFRE). Zusätzlich bringen die beteiligten Projektpartner 3,6 Millionen Euro auf. Dem Bochumer Lehrstuhl für Medizintechnik stehen 1,2 Millionen Euro zur Durchführung des Projektes zur Verfügung. Neben den Forschungseinrichtungen der Ruhr-Universität Bochum und RWTH Aachen sind Industriepartner aus ganz NRW wie Philips, AplaGen, PharmedArtis, Kairos, ITZ Medicom, Digital Medics, invivoContrast und das Aachener Kompetenzzentrum Medizintechnik (AKM) beteiligt.

Weitere Informationen
Prof. Dr.-Ing. Georg Schmitz
Lehrstuhl für Medizintechnik der RUB
Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik
E-Mail: georg.schmitz@rub.de

Redaktion: Jens Wylkop

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image109841
Hochfrequentes Ultraschallbild eines Tumors (links) und überlagerte Analyse der Einströmung von Mikrobläschen in die Blutgefäße des Tumors (rechts)

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution2

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Dr. Josef König, 22.02.2010

Raute

Technische Universität München - 22.02.2010

Gemeinsam Fließen statt einsam Hüpfen
Neutronen untermauern neue Theorie über Bewegung in der Zellmembran

Moleküle in einer Zellmembran bewegen sich fließend im Verbund statt als Einzelgänger in frei werdende Leerstellen zu hüpfen. Das haben Sebastian Busch und Dr. Tobias Unruh am Neutronenspektrometer TOFTOF (time-of-flight time-of-flight) an der Neutronenquelle der Technischen Universität München (TUM) mit Daten belegt. Ihre Messungen, die sie jetzt in der renommierten Fachzeitschrift "Journal of the American Chemical Society" veröffentlicht haben, klären ein jahrzehntelanges Rätsel und untermauern erstmals experimentell eine neue Theorie der Molekülbewegung.

Immer wieder sahen sich Sebastian Busch und der Betreuer seiner Doktorarbeit an der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) der TUM, Tobias Unruh, eine Simulation der Molekülbewegungen in einem Film auf YouTube an: "Die hüpfen ja gar nicht!" Und genau das behaupten auch die finnischen Biophysiker um Ilpo Vattulainen, die die Zellmembran per Computer simuliert und die Simulation auf YouTube gestellt haben.

Biophysiker haben jahrelang an ein falsches Modell geglaubt: Statt sich hüpfend einzeln von Leerstelle zu Leerstelle vorwärts zu bewegen, fließen die Phospholipide der Membran im Verbund. Jahrzehntelang gab es einen Streit zwischen den Wissenschaftlern, die Zellmembranbewegungen unter dem Mikroskop im Mikrometermaßstab beobachteten und den Neutronenstreuern, die die Molekülbewegung im Nanometerbereich vermessen können. Unter dem Mikroskop sah es so aus, als ob sich die Phospholipide sehr langsam in der Zellmembran bewegten, mit Neutronen wurden Bewegungen gemessen, die 100 Mal so schnell waren. Diesen scheinbaren Widerspruch erklärte man schließlich mit der Theorie, dass sich die Moleküle in einem Käfig aus den benachbarten Molekülen eingeschlossen so lange schnell hin und her bewegen, bis sich ein freier Platz bietet, in den das Molekül hinein hüpfen kann. Weil derartige Sprünge relativ selten auftreten, sieht man im Mikrometermaßstab eine langsamere Bewegung, so die Theorie.

"Nie hat jemand diese Theorie des Hüpfens mit Messungen belegen können", sagt der Chemiker Tobias Unruh. Auch Sebastian Busch wusste nicht, wie er seine Messungen an einer Phospholipidmembran am Neutronenspektrometer TOFTOF interpretieren sollte. Die Daten passten einfach nicht zum Modell. Da sah er die Simulation der finnischen Biophysiker, und informierte sich genauer vor Ort an der Universität in Helsinki. Der 27-Jährige, der am Lehrstuhl von Professor Dr. Winfried Petry im Physik-Department der TUM promoviert, reizte daraufhin bei ergänzenden Messungen die Leistungsfähigkeit des Spektrometers in Garching voll aus. "Da ist mir klar geworden, dass ich die Theorie der Finnen mit Daten untermauern kann", sagt Sebastian Busch. Schließlich konnte er die fließende Bewegung der Moleküle mit seinen Experimenten belegen. Die Zellmembranmoleküle bewegen sich dabei ähnlich wie Personen in einer Menschenmasse: Nur wenn mehrere im Verbund in eine Richtung drängen, kommt auch das Individuum vorwärts. Ein einsames Hüpfen der Moleküle gibt es also nicht, nur ein gemeinsames Fließen.

Als Probe untersuchte der Physiker ein typisches Phospholipid, Dimyristoylphosphatidylcholin (DMPC), hydriert mit schwerem Wasser. Die Bewegung der Zellmembran wurde in Zeitabständen von 35 bis 1000 Billionstel Sekunden bei 30 °C beobachtet. Im Spektrometer TOFTOF werden Neutronen mit einer genauestens bekannten Geschwindigkeit ausgewählt. Sie treffen auf die Probe und interagieren mit den Atomkernen. Wenn diese in Bewegung sind, ändern die Neutronen ihre Geschwindigkeit, was in einem Detektor gemessen wird. "Wir haben hier weltweit das einzige Spektrometer, das mit einer so großen Genauigkeit diese kleinen Bewegungen auf der Nanoskala messen kann", sagt Tobias Unruh.

Nun werden Tobias Unruh und Sebastian Busch untersuchen, wie sich die Bewegungen der Phospholipide verändern, wenn sie verschiedene Stoffe beimengen. Solche Mischungen werden in Arzneimitteln verwendet. Geeignete Zusätze können die Haltbarkeit der Stoffe drastisch erhöhen. Die TUM-Wissenschaftler interessiert vor allem, welchen Einfluss die Molekülbewegungen auf diesen stabilisierenden Effekt haben. "Wenn wir den Stabilisierungsmechanismus im Detail verstehen", hofft Tobias Unruh, "können zukünftig für die jeweilige Anwendung optimierte Mischungen vorgeschlagen werden."

Originalpublikation:
Molecular Mechanism of Long-Range Diffusion in Phospholipid Membranes Studied by Quasielastic Neutron Scattering
S. Busch, C. Smuda, L.C. Pardo Soto, T. Unruh
Journal of the American Chemical Society
Publication Date (Web): February 17, 2010
DOI: 10.1021/ja907581s
Link: http://pubs.acs.org/doi/abs/10.1021/ja907581s

Kontakt:
Dr. Tobias Unruh
Technische Universität München
Forschungs-Neutronenquelle
Heinz Maier-Leibnitz (FRM II)
Lichtenbergstr. 1, 85748 Garching
E-Mail: tobias.unruh@frm2.tum.de
Internet: http://www.frm2.tum.de/wissenschaft/spektrometer/toftof/index.html

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.youtube.com/watch?v=Gzg357buRh8
Simulation der Bewegung von Molekülen in Zellmembranen

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution73

Quelle: Technische Universität München, Dr. Ulrich Marsch, 22.02.2010

Raute

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2010