Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → FAKTEN


ETHIK/1207: Herbsttagung - Globale Forschung und Verantwortung (Infobrief - Deutscher Ethikrat)


Infobrief des Deutschen Ethikrates Nr. 18 - Januar 2016 - 01/16

Herbsttagung
Globale Forschung und Verantwortung


Auf welcher gemeinsamen Grundlage global vernetzte Forschung verantwortlich stattfinden kann, war Thema einer Tagung, zu der der Deutsche Ethikrat und die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina nach Berlin eingeladen hatten.


In seiner Begrüßung verwies der Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, Jörg Hacker, auf die Freiheit der Forschung "als wesentliche Grundlage für den Fortschritt und den Wohlstand einer Gesellschaft". Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Christiane Woopen, betonte: "Die Globalisierung in ihren Chancen nutzen und nach ethischen Maßstäben gestalten - das ist die Herausforderung einer trotz aller Widrigkeiten zusammenwachsenden Welt."

Wissenschaft und Globalisierung

Der Wissenschaftshistoriker Hans-Jörg Rheinberger unterstrich im Einführungsvortrag, dass Wissenschaft als "Grenzen überschreitendes Kulturphänomen" seit jeher einen globalen Geltungsanspruch habe. Um das Besondere der gegenwärtigen Situation besser zu konturieren, unternahm er einen forschungsanalytischen Rückblick auf die Entwicklung der Molekularbiologie im 20. Jahrhundert, der deutlich machte, wie sich durch einzelne der Forschung innewohnende Charakteristika das Verhältnis zwischen globalen und lokalen, nationalen und internationalen Aspekten der Wissenschaft ständig verändert hat. Rheinberger teilte die "Molekularisierung der Biologie" in drei Phasen ein: erstens die Einführung der Analyse von Makromolekülen, die einerseits mit lokalen Monopolbildungen einherging, andererseits von der Förderung der Rockefeller Foundation als globalem Forschungsakteur vorangetrieben wurde (1930-1950); zweitens die Etablierung der molekularen Genetik und - damit einhergehend - die Konzentration auf einige spezielle Modellorganismen als wirksamen Globalisierungsfaktor (1950-1970) und schließlich drittens die Zeit seit der "Geburtsstunde der Gentechnik" (ab 1970), für die kennzeichnend ist, dass die Gentechnologie mit einer "durchschnittlichen Laboreinrichtung überall auf der Welt aufgegriffen werden" konnte und von Anfang an sowohl in der Wissenschaftsgemeinschaft selbst als auch in den Gesellschaften mit einem ethischen Horizont diskutiert wurde. Die Ausweitung der Forscherperspektive auf das gesamte Organismenreich bereitete die Grundlage einer neuen Biotechnologie und führte zu neuen akademisch-industriellen Mischformen von Forschung. In dieser Phase seien die Verhältnisse von Lokalität und Globalität wieder in eine neue Konfiguration eingetreten: Angesichts der Privatisierung eines Teils der Forschung und der damit verbundenen Informationsbegrenzung durch Patentierung von Gensequenzen wurde die internationale Zusammenarbeit erschwert. Gleichzeitig wurden aufgrund der rasant verbesserten Effizienz von Nukleinsäure-Sequenzierungsverfahren wissenschaftliche Großprojekte auf globaler Ebene möglich. Eine große Herausforderung, so Rheinberger, bestehe heute in der Digitalisierung und damit der Notwendigkeit, eine forschungsberechtigte Wechselwirkung zwischen globaler Informationsspeicherung und lokaler Informationsnutzung herzustellen.

Rheinberger zufolge dürfe weder die Globalität der heutigen Wissenschaften einem früheren Defizit an Globalität entgegengestellt werden, noch könnten die Phänomene des Globalen und Lokalen einfach wie zwei einander entgegengesetzte Pole betrachtet werden. Darüber hinaus sei Globalität oder Globalisierung weder ein wohldefinierter Zustand noch eine wohldefinierte Beziehung: "Diese Zustände und Beziehungen treten in sich ständig verändernden Varianten auf, die nicht zuletzt dem sich entwickelnden Forschungsprozess selbst entspringen und jedes Mal konsequenterweise auch im Detail betrachtet werden müssen."

Der Theologe und Ethiker Wolfgang Huber sprach zur Verantwortung des Wissenschaftlers im globalen Wettbewerb. Huber hob hervor, dass neben den zweifellos unverzichtbaren Rechtsregeln und der institutionellen Verantwortung das Ethos der Wissenschaftler von herausragender Bedeutung sei. Als Beispiel für erfolgreiches Engagement von Einzelpersonen nannte er die Gründung der IPPNW.

Er sprach sich dafür aus, die Bereiche der Pluralität von ethisch geprägten Lebensformen und einer allgemein geltenden Moral zu unterscheiden, sie jedoch nicht beziehungslos nebeneinanderzustellen. Mit einer Gleichgültigkeit gegenüber der Frage nach dem Guten verblasse auch die Frage nach den Motiven und Antrieben, die Menschen dazu veranlassen können, sich auch gegen Widerstände an solchen Regeln zu orientieren. Die bloße Kenntnis universaler Regeln reiche nicht aus. Man benötige auch die Bereitschaft, sich für sie einzusetzen. "Wer in einer pluralen Welt an gemeinsamen moralischen Normen interessiert ist, muss deshalb fragen, wie diese sich an unterschiedliche ethische Grundhaltungen zurückbinden lassen." Notwendig sei, eine "Kultur der Verantwortung" schon in der wissenschaftlichen Ausbildung zu verankern.

"Auch unter Bedingungen der globalisierten Wissenschaft gilt, dass von der Freiheit der Wissenschaft nur die Rede sein kann, wenn es sich nicht nur um eine institutionell gesicherte, sondern um eine persönlich verantwortete Freiheit handelt". Auf der Ebene politischer Institutionen müssten sich internationale Organisationen wie die EU verpflichten, im Rahmen ihrer Forschungsförderung nur solche Vorhaben zu unterstützen, die den Bedingungen verantwortlicher Forschung genügen. Darüber hinaus sollten, so Huber, mithilfe internationaler Organisationen wie der WHO und der UNESCO zentrale Elemente wie das Gebot der Biosicherheit völkerrechtlich verankert werden. Eine Orientierung an den Menschenrechten sei dabei von maßgeblicher Bedeutung.

Der Unternehmer Johann Peter Ruppersberg betrachtete die Entwicklung globaler Unternehmen. Es sei ein Irrtum zu glauben, ethisch motiviert handelnde Manager seien die schwächeren Ökonomen: "Ein wichtiges Ergebnis neuerer wissenschaftlicher Forschung ist, dass langfristig erfolgreiche und besonders profitable Unternehmen nicht Gewinnmaximierung als Leitziel haben, sondern dass sie ein ethisch motiviertes Leitziel brauchen, das dazu führt, dass ein Unternehmen langfristig erfolgreich ist."

Es gebe ganze Bereiche wie IT oder Gentechnik, die mittlerweile so gut wie vollständig in der Industrie und von globalen Unternehmen beforscht würden. Angesichts der dadurch steigenden ethischen Verantwortung der globalen Unternehmen sei zu fragen, ob die international aktiven Unternehmen sich selbst ethische Standards geben sollten. Ruppersberg hielt eine strenge Kontrolle der industriellen Forschung und Produktentwicklung durch staatliche Autoritäten für erforderlich. Politiker sollten sich auf die Schaffung optimaler Rahmenbedingungen und gezielte Förderung von "ethisch guten" Unternehmen konzentrieren. Um nationalistisch motivierte Förderungs- und Subventionspolitik bei der Reglementierung zu unterbinden, sollte die internationale Politik strenge Regeln mit globaler Geltung vorgeben. Diese müssten, so Ruppersberg, in einem demokratischen, legislativen Prozess festgelegt werden, von der Lobbyarbeit der Industrie unbeeinflusst sein und vorrangig der ethischen Ausrichtung der industriellen Forschung und Entwicklung dienen.

Menschenrechte: Anspruch und Wirklichkeit

Da die Menschenrechte der prioritäre Bezugspunkt für internationale Standards sind, kam diesem Aspekt eine besondere konzeptionelle Bedeutung für die Tagung zu. Die Philosophen Heiner Bielefeldt und Hans Joas widmeten sich in ihren Vorträgen der universellen Geltung der Menschenrechte angesichts kultureller und religiöser Vielfalt sowie der Frage, ob die Menschenrechte "westlich", also nur aus der kulturellen Verortung des "Westens" heraus verständlich sind.

Um die Frage nach dem universalen Anspruch der Menschenrechte zu beantworten, so Bielefeldt, müsste zunächst klar sein, was Menschenrechte überhaupt sind. Er definierte Menschenrechte als "eben genau die Rechte, die dem Menschen als Menschen zukommen in Anerkennung seiner Menschenwürde". Diese Rechte können nur dann gleiche und unveräußerliche Rechte sein, wenn sie "allen Mitgliedern der menschlichen Familie zukommen". Dieser Anspruch stieß allerdings, so Bielefeldt, von Anfang an auf eine Skepsis, die auch heute nicht zu unterschätzen sei. "Eingesperrt" in eine "Disjunktion zwischen Moderne und Tradition", bezeichnete Bielefeldt die Menschenrechte als "posttraditionell", da sie weder traditionell noch antitraditionell seien. Um das Wesen der Menschenrechte zu verstehen, müsse diese Disjunktion von einer reflexiven Öffnung abgelöst werden. Unter den Bedingungen eines irreversiblen Pluralismus sei eine Öffnung nach außen in Richtung einer Verständigung über Traditionsgrenzen hinweg, aber auch nach innen, für neue Interpretationen, neue kritische Aneignungen und Wiederentdeckungen unverzichtbar. "Menschenrechte sind nicht die Einheitsideologie, sondern Voraussetzung dafür, dass Menschen im irreversiblen Pluralismus zusammenleben können, und Menschenrechte sind der Versuch, elementare Bedingungen der Möglichkeiten des sinnvollen Miteinander-Redens zu institutionalisieren."

Joas widersprach der im Diskurs wirkmächtigen These, die Menschenrechte seien "westlich". Auch in nicht westlichen Gesellschaften gebe es ein Ethos, an das die Menschenrechte anknüpften. Darüber hinaus sei auch vor jedem kulturellen Triumphalismus zu warnen, der sich auf die im "Westen" erreichten Fortschritte beruft. Dies veranschaulichte Joas anhand der Geschichte der Abschaffung der Folter: "Wenn wir denken, dass die Abschaffung der Folter als legitimer Bestandteil des Strafrechtssystems Europas im 18. Jahrhundert ein direkter Ausfluss wertmäßiger Überzeugungen war, dann stoßen wir auf den Stolperstein, dass die Europäer in ihren Kolonien die Folter nicht abgeschafft haben."

Mit Blick auf die Frage, ob die Menschenrechte westlich seien, stellte Joas drei Fragenkomplexe als besonders kontrovers heraus. Erstens sei schon umstritten, wann die Geschichte der Menschenrechte begann. Zweitens sei der Gegenstand nicht klar definiert, über den gesprochen werde, wenn man über die Menschenrechte rede: Ist eine Ideengeschichte, eine Rechtsgeschichte oder eine politische Geschichte gemeint? Drittens sei kontrovers, wie sich Überlegungen zur Geschichte der Menschenrechte zur Frage ihrer Rechtfertigung verhielten.

Im Hinblick auf eine globale Ethik plädierte Joas dafür, in einen Dialog einzutreten, "in dem es anderen kulturellen und religiösen Traditionen ermöglicht wird, auf die Anknüpfungspunkte in sich selbst zurückzugreifen, um den moralischen Universalismus zu formulieren. (...) Die Selbstwahrnehmung der Vertreter westlicher Werte muss gebrochen werden durch eine Reflexion auf die Außenwahrnehmung des faktischen Handelns von Europäern oder Amerikanern in der Welt."

Forschungspolitik

Was die bis hierhin theoretischen Überlegungen für eine globalisierte Forschungspolitik bedeuten können, führte Johanna Wanka, Bundesministerin für Bildung und Forschung, aus. Sie sprach über die Frage, wie das Spannungsfeld zwischen Forschungsfreiheit und gesellschaftlichen Normen positiv und ethisch verantwortlich gestaltet werden kann. "Forschung bedeutet, dass man moralische Verantwortung trägt und die richtigen Fragen stellt." Wanka betonte die Unumgänglichkeit globalisierter Forschung, wies aber auf die Bedeutung der Werte hin, auf denen diese aufbaue. Die Stärke der Forschung in Europa sah Wanka in der "Tradition, der Möglichkeit, komplex zu denken". Als sehr wichtig stellte Wanka den offenen Diskurs heraus und warnte vor Tabuisierung. "Wir haben eine lange Tradition in Deutschland, was die ethischen Debatten angeht. Und hier glaube ich, das sage ich aus vollem Herzen, brauchen wir auch weiterhin den Deutschen Ethikrat und die Leopoldina."

Aktuelle Anwendungsfelder

Der dritte Teil der Tagung beschäftigte sich mit konkreten Anwendungsfeldern international stattfindender Forschung. Der Molekularbiologe und Mediziner Boris Fehse erläuterte den naturwissenschaftlichen Sachstand des Genome-Editing bis zur neuen Technik CRISPR/Cas9. Er stellte heraus, wie hocheffizient und einfach anzuwenden die neue Methode sei, aber auch, welche Möglichkeiten und potenziellen Risiken für den Bereich der Gentherapie am Menschen damit verbunden sind. Dabei betonte er, dass für die praktische Anwendung ähnliche Begrenzungen bestünden wie für bisher benutzte Gentherapietechniken. Am einfachsten seien Ex-vivo-Anwendungen an einzelnen Zellen.

Die Technikphilosophin Nicole Karafyllis betrachtete in ihrem Vortrag die philosophischen Aspekte des Genome-Editing. Sie ging von einer begrifflichen Analyse aus, in der sie hinterfragte, welche Begriffspolitik jeweils hinter der Verwendung von Genome-Editing, Gen-Chirurgie oder Gen-Therapie stehe und welche normativen Aussagen zur Art der Forschung und ihrer Anwendung damit bereits avisiert seien. Ein besonderes Anliegen war Karafyllis, die Diskussion zur Biomedizin/Biotechnologie angesichts der "Biofaktisierung" auf eine breitere Basis zu stellen: "Können und sollten die Debatten um die genetische Veränderung von Pflanze und Tier weiterhin derart strikt getrennt vom Anwendungsgebiet Mensch diskutiert werden? Welche Argumente aus dem tierischen und pflanzlichen Bereich könnten auch für den Humanbereich wichtig werden?"

Udo Schüklenk, Philosoph aus Canada, referierte über die philosophischen Grundlagen der klinischen Forschung am Menschen. Provokativ überschrieb er seinen Vortrag mit "Sinn und Unsinn internationaler Ethikrichtlinien". Seit über 50 Jahren existierten prominente Forschungsrichtlinien, "die uns als Ethik verkauft werden." Da sie jedoch keine Begründungen für die normativen Handlungsanweisungen enthielten, halte er sie nicht für Ethikdokumente. Fehlende Begründungen seien vor allem deswegen problematisch, weil dies den Adressaten dieser Dokumente praktisch unmöglich mache, in Grenzfällen darüber nachzudenken, ob schwerwiegende Gründe vorliegen könnten, eine der Handlungsanweisungen zu ignorieren. Sehr anschaulich erläuterte er dies am Beispiel der Arbeit einer internationalen medizinischen NGO während der Ebola-Epidemie in Westafrika im Hinblick auf das Problem des Informed Consent.

Die existierenden Richtlinien, so Schüklenk, "fragwürdig in ihrer Entstehung und fragwürdig in einigen ihrer substanziellen Aussagen, mögen schwach sein, aber sie sind alles, was die Weltgemeinschaft gegenwärtig besitzt. Selbst wenn wir Dokumente hätten, die überwiegend konsensfähig wären, ihre Durchsetzungsfähigkeit hinge davon ab, ob Institutionen wie die U.S. Food and Drug Adminstraion sie als verbindlich erklären." Es sei schwer nachzuvollziehen, warum souveräne Nationen die Richtlinien verschiedener "privater Produzenten" automatisch als verbindlich akzeptieren sollten. Schüklenk zeigte sich insgesamt pessimistisch hinsichtlich der Frage, ob es in absehbarer Zeit möglich sein könnte, international verpflichtende Ethikstandards dieser Art in der internationalen klinischen Forschung zu etablieren. Er sprach sich vor diesem Hintergrund dafür aus, die legitimen Interessen von Forschungsteilnehmern in den verbindlichen Richtlinien zu verankern, die der globale Norden national und regional erarbeitet hat.

Die Gynäkologin Rita Schmutzler referierte über die enorme Vielfältigkeit der Mutationen und der Phänotypen von Risikogenen sowie die Vielzahl an Unzulänglichkeiten hinsichtlich der Translation der Erkenntnisse in die klinische Praxis. Die Befähigung der Ärzteschaft auf den Gebieten Genetik und Prävention müsse verbessert werden, um einen verantwortungsvollen und patientenorientierten Umgang mit den Möglichkeiten der prädiktiven genetischen Analysen sicherzustellen. Schmutzler plädierte u.a. für eine evidenzbasierte Gendiagnostik auf der Grundlage umfassender Beratungs- und Betreuungskonzepte, für die Steigerung von Präventionsmaßnahmen durch Registrierung erblicher Tumorerkrankungen und deren Krankheitsverlauf sowie für die Entwicklung von patient decision aids als Basis einer präferenzsensiblen Entscheidungsfindung sowie ethische, rechtliche, soziale und gesundheitsökonomische Begleitforschung (zum Beispiel im Rahmen der ELSA-Projekte), um Regelungsbedarf identifizieren und Vorschläge unterbreiten zu können.

Globale Forschung - Lokale Veranwortung?

Im Verlauf der abschließenden, von Wissenschaftsjournalistin Kathrin Zinkant moderierten Podiumsdiskussion diskutierten Anja Seibert-Fohr, Völkerrechtlerin, Friedrich Wilhelm Graf, protestantischer Theologe, Marcella Rietschel, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, und Heinz Riederer vom Bundesverband der Deutschen Industrie.

"Wie ist es zu bewerten, dass trotz des ähnlichen oder gar gleichen Kulturkreises das Genome-Editing in Großbritannien und Deutschland unterschiedlich gehandhabt wird", fragte Kathrin Zinkant.

"Man muss mit dem Pluralismus konkurrierender Ethiktraditionen in Europa umgehen", antwortete Graf. Die Rede vom gemeinsamen Kulturkreis sei auch insofern nicht unproblematisch, als es bekanntermaßen sehr unterschiedliche geistesgeschichtliche Hintergründe der Argumentationen in beiden Ländern gebe. Insgesamt, so Seibert-Fohr, könne man nur "auf den Konsens aufbauen, den wir in Form der Menschenrechte" haben. Sie sprach sich über sogenannte soft laws hinaus für einen nationalen Dialog aus, "um das Ganze rechtlich zu normieren und einzuspeisen in die Rechtssysteme". Anknüpfend an das, was Wolfgang Huber bereits am Vormittag ausgeführt hatte, ergänzte Graf die institutionelle um eine individuelle Perspektive: "Wir kommen um das moralisch sensible Individuum nicht herum. Wir können Institutionen bauen, große normative Entwürfe schreiben, aber sie brauchen Kontexte, in denen moralische Sensibilität gilt." Dass ethische Bildung erforderlich sei, bestätigte auch Seibert-Fohr. Sie betonte jedoch, dass diese nicht nur im Studium vermittelt werden dürfe. "Es muss ein Diskurs innerhalb der Gesellschaft stattfinden", forderte sie.

Zum Abschluss der Veranstaltung unterstrich die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates die Komplexität der Herausforderungen zwischen lokaler und globaler Verantwortung sowie zwischen ethischem Pluralismus und nicht hintergehbarem Anspruch der Menschenrechte. Sie verwies auf den Global Summit der Ethikräte der Welt zum Thema Global Health, Global Ethics, Global Justice, der im März 2016 in Berlin stattfinden wird. (Be)


INFO

QUELLE
Die Beiträge dieser Tagung können - soweit verfügbar - unter
http://www.ethikrat.org/veranstaltungen/weitere-veranstaltungen/globale-wissenschaft-globale-ethik
nachgehört oder nachgelesen werden.

*

Quelle:
Infobrief Nr. 18 - Januar 2016 - 01/16, Seite 1 - 4
Informationen und Nachrichten aus dem Deutschen Ethikrat
Herausgeber: Geschäftsstelle des Deutschen Ethikrates
Sitz: Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
Jägerstr. 22/23, 10117 Berlin
Redaktion: Dr. Joachim Vetter (V.i.S.d.P.)
Telefon: 030/203 70-242, Telefax: 030/203 70-252
E-Mail: kontakt@ethikrat.org
Internet: www.ethikrat.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang