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ERNÄHRUNG/1310: Vergiftung durch den Verzehr von Tropenfisch in Deutschland (Thieme)


Thieme Verlag - FZMedNews - 19.03.2015

Vergiftung durch den Verzehr von Tropenfisch in Deutschland


fzm, Stuttgart, Februar 2015 - Eine Vergiftung durch tropische Fischgerichte ist auch in Deutschland möglich. Mit Fischsorten wie Roter Schnapper oder Barracuda kann ein hitze- und kältebeständiges Gift auf deutsche Teller gelangen. Wegen der ungewöhnlichen Krankheitszeichen wird die Ciguatera genannte Fischvergiftung selten erkannt und noch seltener den Giftinformationszentren gemeldet, berichten Experten in der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2015).

Das Toxin, das in tropischen Fischen enthalten sein kann, ist weder durch Geschmack, Beschaffenheit oder Geruch erkennbar, noch kann es durch Hitze oder Kälte zerstört werden, erläutert Professor Katharina Zimmermann, Heisenbergprofessorin für Experimentelle Schmerzforschung an der Anästhesiologischen Klinik der Universitätsklinik Erlangen. In gefrorenem Fisch sei es quasi unbegrenzt haltbar.

Damit können vergiftete Fische auch auf deutsche Speiseteller gelangen. Wer sich also einen Roten Schnapper, Barracuda oder einen anderen tropischen Raubfisch servieren lässt, kann erkranken. Das Gift wird nicht vom Fisch, sondern von Algen gebildet, die in Riffen verbreitet sind und von den Fischen gefressen werden. In der Nahrungskette reichert sich das Gift an, weshalb Raubfische häufiger belastet sind. Bei Menschen reichen schon geringste Mengen von 0,1 Mikrogramm pro Kilogramm Fisch aus, um zu erkranken.

In tropischen Regionen ist Ciguatera überall dort häufig, wo es Korallenriffe gibt. Im indischen und pazifischen Ozean, aber auch in der Karibik kommt es immer wieder zu Epidemien, erklärt Professor Zimmermann. In Deutschland werde die Erkrankung erstaunlich selten diagnostiziert, so die Expertin. In der Vergangenheit waren meistens Tropenurlauber betroffen. Doch als sich im November 2012 mehrere Menschen bei den Gesundheitsbehörden oder regionalen Giftinformationszentren meldeten, die nicht in den Tropen gewesen waren, hakte Professor Zimmermann nach. Eine Umfrage unter 20 Betroffenen ergab, dass alle Roten Schnapper verzehrt hatten. Alle Fische waren von demselben Großhändler importiert und deutschlandweit verkauft worden.

Professor Zimmermann vermutet, dass mehr als die bekannt gewordenen 20 Menschen erkrankt waren. Durch die Nachwirkungen unterscheide sich Ciguatera von einer gewöhnlichen Fischvergiftung. Von Durchfall, Übelkeit und Erbrechen erholen sich die Patienten meistens nach wenigen Tagen. Es bleibe aber häufig ein unklares Schwächegefühl, begleitet von einer geringen Belastbarkeit und einer leichten Ermüdbarkeit, die ein Jahr lang anhalten kann. Typisch für Ciguatera sind zudem Juckreiz und ein brennender Schmerz im Zusammenhang mit Abkühlung der Haut.

Die Expertin führt die Symptome auf eine Schädigung der sensiblen Nerven zurück, die Tast- und Temperaturreize ans Gehirn übermitteln. Die Toxine lösen hier eine Überempfindlichkeit aus, die über mehrere Monate anhalten kann. Um eine chronische Ciguatera zu vermeiden, rät Professor Zimmermann den Betroffenen, zunächst auf Alkohol und Kaffee zu verzichten. Auch starke körperliche Aktivitäten und Tätigkeiten, die eine Dehydrierung begünstigen, sollten sie vermeiden, ebenso erneuten Fischkonsum. Denn wer bereits einmal an Ciguatera erkrankt ist, reagiert bei einer erneuten Vergiftung in der Regel sehr viel empfindlicher.

Die Behandlungsmöglichkeiten sind begrenzt. Eine Infusion mit Mannitol, einem Zuckeraustauschstoff, kann die Spätsymptome lindern, wenn es in den ersten drei Tagen, besser aber noch am ersten Tag durchgeführt wird. Colestyramin, ein Austauschharz, das bei Gallenleiden den Juckreiz abmildert, wirke manchmal auch bei Ciguatera. Ein Plasmaaustausch, der das Gift aus dem Blut entfernt, komme nur in sehr seltenen, lebensbedrohlichen Fällen infrage.


K. Zimmermann et al.:
Vergiftung durch Tropenfisch: Ciguatera-Epidemie in Deutschland
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2015; 140 (2); S. 125-130

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Quelle:
FZMedNews - Donnerstag, 19. Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2015

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