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ARTIKEL/841: Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin in Hamburg (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 12/2019

Schlafmedizin
Die "innere Uhr" sollte den Schlaf bestimmen


27. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) in Hamburg. Beide Kongresspräsidenten kommen aus Schleswig-Holstein.


Die "Innere Uhr" war das Hauptthema des 27. Jahreskongresses der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) im November in Hamburg. Alle körperlichen und geistigen Funktionen sind zirkadian gesteuert: Schlaf-Wach-Rhythmen, Stoffwechsel, Aufmerksamkeit und auch unser Immunsystem.

Kongresspräsidenten waren die schleswig-holsteinischen Mediziner Dr. Holger Hein aus Reinbek und Prof. Robert Göder aus Kiel. Hein ist auch Mitglied des Vorstands der DGSM und hatte die Tagung seinerzeit nach Hamburg geholt. Mit über 2.000 Teilnehmern, über 150 Referenten und Posterautoren sowie 45 Ausstellern war es einer der größten europäischen Schlafkongresse.

Passend zum Motto standen neue Erkenntnisse der chronobiologischen Forschung im Fokus. 2017 war der Medizin-Nobelpreis an drei Chronobiologen vergeben werden. Michael Young, Michael Rosbash und Jeff Hall erhielten den Preis für ihre Untersuchungen der molekularen Mechanismen des zirkadianen Rhythmus. Im Zentrum des aktuellen Interesses stehen die Fragen, wie sich Störungen und Verschiebungen der inneren Uhr auf die Physiologie auswirken. Wie reagiert der Metabolismus, welche Krankheiten können dadurch entstehen? Wer entgegen seiner inneren Uhr schläft, hat beispielsweise eine abgeschwächte Immunantwort, er wird anfälliger für Infekte, und möglicherweise treten maligne Erkrankungen häufiger auf. Oder ein hoher Glukosespiegel trifft auf eine Insulinsensitivität des Gewebes, die zirkadian bereits herunterreguliert wurde.

Licht und Dunkelheit sind die wichtigsten Taktgeber für das zirkadiane System. In unser modernen Gesellschaft sind wir oft in Innenräumen und nur relativ kurz dem natürlichen Licht ausgesetzt. Auch in hellen Räumen ist es tagsüber deutlich dunkler als außen. Chronobiologisch gesehen leben wir in biologischer Dunkelheit. In einer kürzlich abgeschlossenen Studie erhielten junge Erwachsene in 85 Prozent ihrer Wachzeiten weniger als 200 Lux. Zum Vergleich: an wolkenfreien Sommertagen werden 100.000 Lux außen gemessen. Die Probanden entwickelten eine unzureichende Schlafqualität.

Deshalb ist es notwendig, tagsüber helleres Licht in den Innenräumen zu haben und abends die aktivierenden Blaulicht-Anteile aus dem Lichtspektrum herauszufiltern. Weitere Forderungen betreffen die Reduzierung von Schichtarbeit und einen späteren Schulbeginn von Jugendlichen. Moderne Arbeitgeber sollten ihre Arbeitnehmer nach deren biologischen Bedürfnissen schlafen lassen, damit sie zu den Zeiten ihrer optimalen Leistungsfähigkeit arbeiten können.

Auch wenn die Chronobiologie im Fokus stand, kamen die anderen Themen der Schlafmedizin in Hamburg nicht zu kurz. Der Bogen erstreckte sich vom Schlaf bei Kindern, der Traumforschung, neuen diagnostischen Methoden der Schlafmedizin bis hin zur Versorgung internistischer, neurologischer und psychiatrischer Schlafstörungen.

Digitalisierung und Telemedizin werden in der zukünftigen Schlafmedizin eine zunehmend wichtigere Rolle spielen. Über innovative Telemonitoring-Plattformen kann die Verschlechterung von Atmungsstörungen im Schlaf außerklinisch erkannt werden, über Methoden der künstlichen Intelligenz können Schlafuntersuchungen einfacher analysiert werden. Um die Messungen im Schlaflabor für die Patienten so angenehm wie möglich zu gestalten, wird an kontaktlosen Aufnahmesystemen gearbeitet. Mit Hilfe eines über den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderten Projektes soll die Versorgung von Menschen mit Insomnien in Deutschland verbessert werden. Außerdem ist eine intensive Zusammenarbeit mit den Hausärzten durch neue telemedizinische Behandlungsprojekte geplant.

Der Kongress bot insgesamt einen spannenden Mix aus klinischen und wissenschaftlichen Symposien Parallel fanden Fortbildungen für Hausärzte und technisches Personal statt. Patienten und Selbsthilfegruppen waren eingebunden. Alle Beteiligten zogen ein positives Fazit. Die nächste Tagung der DGSM wird im Oktober 2020 in Essen stattfinden. (PM/RED)


Info

Die Tagungsleitung der 27. Jahreskongresses der DGSM lag bei zwei Ärzten aus Schleswig-Holstein. Dr. Holger Hein ist niedergelassen in einer Praxis für Innere Medizin, Pneumologie, Allergologie und Schlafmedizin mit Schlaflabor in Reinbek. Prof. Robert Göder ist in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel tätig.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 12/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201912/h19124a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, Dezember 2019, Seite 37
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2019

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