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UMWELT/199: Die medizinische Bedeutung chronischer Metallbelastungen - ein Überblick (umg)


umwelt · medizin · gesellschaft - 3/2009
Humanökologie - soziale Verantwortung - globales Überleben

Die medizinische Bedeutung chronischer Metallbelastungen - ein Überblick

Von Peter Jennrich


Hintergrund: Ein Einblick in die Pathophysiologie chronischer Metallbelastungen und die sich daraus ergebende medizinische Bedeutung eröffnet neue Perspektiven in der Diagnose chronischer Krankheiten. Um einer Verharmlosung oder Überbewertung vorzubeugen ist eine fundierte vorurteilsfreie Auseinandersetzung mit diesem Thema angezeigt.

Methode: Es wurde eine Literaturrecherche vorwiegend in der Medizinischen Datenbank Medline der Jahre 1976-2009 vorgenommen um einen Überblick über die medizinische Bedeutung chronischer Schwermetallbelastungen zu erhalten. Fachartikel zu den Themen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Tumorerkrankungen, neurodegenerative Krankheiten und zu grundlegenden Aspekten von Metallbelastungen wurden ausgewählt und werden ohne Anspruch auf Vollständigkeit vorgestellt.

Ergebnisse: Die chronische Exposition gegenüber geringen Konzentrationen verschiedener toxischer Metalle ist der Regelfall. Pathologische Veränderungen können bereits bei chronischer Zufuhr von bislang als unbedenklich eingestuften Konzentrationen auftreten.

Die Pathophysiologie toxischer Metalle ist nicht krankheitsspezifisch. Die Bildung freier Radikale, die Schädigung von Zellmembranen, die Induzierung der Stickstoffsynthese, die Bildung von Peroxinitrit und die damit verbundene Beeinträchtigung der Mitochondrien sowie die Auswirkung auf zelluläre Signalwege können von mehreren Metallen gleichzeitig ausgelöst werden und zur Entstehung oder Verstärkung unterschiedlicher Krankheiten führen.

Schlüsselwörter: toxische Metalle, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Tumorerkrankungen, neurodegenerative Krankheiten.


Einleitung

Bei allen, insbesondere älteren Menschen in Europa muss von einer Schwermetallbelastung durch Ernährung und Inhalation von Schadstoffen ausgegangen werden (1).

Die Multikausalität der Schwermetalle fördert die Entstehung von Krankheiten. Dies beruht auf verschiedenen Pathomechanismen, die sich gegenseitig ergänzen und verstärken können. Dazu zählen die Bildung freier Radikale, die Bildung von Stickstoff radikalen, sowie die Entstehung von Peroxinitrit (2). Der daraus entstehenden Schädigung der Mitochondrien wird eine Schlüsselfunktion bei der Entstehung von Krankheiten und degenerativen Alterungsprozessen zugeschrieben (3, 4). Wird diesem Pathomechanismus kein Einhalt geboten, so ist die Zelldegeneration mit entsprechender Funktionseinschränkung der zugehörigen Organe die Folge. Die Rolle der Schwermetalle bei der Entstehung von Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Arteriosklerose, Autoimmunerkrankungen, Krebserkrankungen, neurodegenerativen Krankheiten und umweltbedingten Erkrankungen ist wissenschaftlich belegt.

Die Folgen einer chronischen Schwermetallbelastung können durch den Einsatz von Chelatbildnern, Antioxidantien und NO Scavengern therapiert werden (5)


Methoden

Um einen Überblick über die medizinische Fachliteratur zum Themengebiet "Die medizinische Bedeutung chronischer Schwer metallbelastungen" zu erhalten, wurde eine Literaturrecherche in der Medizinischen Datenbank Medline der Jahre 1976-2009 vorgenommen. Originalartikel zu verschiedenen Grundlagen und Auswirkungen von Schwermetallbelastungen auf den menschlichen Körper wurden ausgewählt und ausgewertet. Dabei handelt es sich um eine exemplarische Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit.


Quellen der Metallbelastungen

Da Schwermetalle natürliche Bestandteile der Erdkruste sind, wirken sie seit vielen Jahrtausenden auf den Menschen ein. Seit der ersten Verwendung von Metallen (Kupfer, Bronze) zur Werkzeug- und Waffenproduktion kommt der Mensch in immer intensiveren Kontakt mit Schwermetallen. Durch die hochtechnisierte Lebensweise und intensive Ausnutzung fossiler Brennstoffe in der Gegenwart ist der Mensch mit einer Vielfachbelastung mehrerer verschiedener Metalle konfrontiert.

Mögliche Quellen für Schwermetallbelastungen umfassen Wasser, Luft, Lebensmitteldünger (Gülle, Mineraldünger), Nahrungsmittel (z.B. Fisch, Hühnereier, Wildfleisch, Innereien, Fruchtsäfte), Genussgifte (Zigarettenrauch, Alkohol), Kosmetika, exotische Kräuter (Indien, China), Medikamente und Lebensmittelzusatzstoffe (E-Nummern). Jeder Mensch in Europa kommt jeden Tag mit vielen Metallen in Kontakt (6).


Faktoren, die die Aufnahme und Speicherung von toxischen Metallen beeinflussen

Wieviel Schwermetalle ein Mensch pro Tag in seinen Körper aufnimmt und wieviel der aufgenommenen Menge im Organismus gespeichert wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Auswahl und Menge der Nahrungsmittel, des Trinkwassers, der Genussgifte, der Kosmetika und Medikamente, sowie die Qualität der Atemluft bestimmt das Ausmaß der Schwermetallaufnahme in den Körper.

Ist die Beschaffenheit der Schutzschicht der Haut oder die natürliche Schleimhautbarriere im Magen-Darm-Trakt und in den Atemwegen beeinträchtigt, so kann die Aufnahme von Schwermetallen erhöht sein. Besonderes Augenmerk sollte hierbei der Dünndarmschleimhaut und der Darmflora gelten. Physiologische Darmbakterien spielen eine bedeutende Rolle, bei der Entgiftung und Beseitigung toxischer Metalle (7). Liegt ein Leaky Gut Syndrom oder eine Dysbiose vor, so ist die Aufnahme toxischer Metalle aus dem Darm in den Körper erhöht.

Die Entgiftungsfähigkeit von Metallen, die in den Organismus aufgenommen wurden ist von der lymphatischen Aktivität, der Mikrozirkulation und einer intakten Leber- und Nierenfunktion abhängig. Hierbei kommt genetischen Polymorphismen eine besondere Bedeutung zu: Die Glutathion-S-Transferase M1 (GSTM1) kommt in allen Geweben, insbesondere in der Leber und in Lymphozyten vor. Ihre Hauptaufgabe ist die Detoxifikation elektrophiler Substanzen (z.B. Benzopyrene, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Schwermetall-Ionen). 40 bis 50 % der europäischen Bevölkerung tragen die Deletion GSTM1 0/0. Betroffene können dadurch die aufgeführten Schadstoffe nicht optimal metabolisieren. Sie sind folglich anfällig gegenüber Schwermetallen und Karzinogenen (8). Weitere Gene die eine Rolle bei der Entgiftung von Schwermetallen spielen sind: Glutathion-S-Transferase T 1 (GSTT1), Glutathion-S-Transferase P 1 (GSTP1), Glutathion-S-Transferase M 3 (GSTM3) und Apolipoprotein E (APOE).


Pathophysiologie toxischer Metalle

Schwermetalle bilden Komplexe mit den molekularen Zell bausteinen Schwefel, Sauerstoff und Stickstoff. Diese Komplexe inaktivieren Enzymsysteme und verändern empfindliche Eiweißbausteine, die zu zellulärer Fehlfunktion und zum Zelltod führen können. Auf diese Weise schädigen Metalle die DNS, die Mitochondrien und die ungesättigten Fettsäuren der Zellmembranen (9).

Häufig vorkommende Metalle üben auch einen direkten Einfluß auf die Regulation zellulärer Signalwege aus. Der Transkriptionsfaktor NF-κB ist in menschlichen Körperzellen und Geweben in hohem Masse an der Regulation von Genen beteiligt, die für die Zelltransformation, Proliferation und Angiogenese verantwortlich sind. Die Aktivierung von NF-κB begünstigt Entzündungsprozesse, Zellwachstum und die Tumorentstehung. Toxische Metalle wie Blei, Quecksilber, Nickel, Arsen und Kupfer sind äußere Stimuli für die Aktivierung von NF-κB (2,10).

Auch Reaktive Sauerstoff-Spezies (ROS) gelten via TNF und Interleukin I als NF-κB - Aktivatoren (11). Die Auswirkungen toxischer Metalle auf die Entstehung von ROS ist durch viele Studien belegt (2). Sie bilden einen wesentlichen Pathomechanismus über den toxische Metalle auf den menschlichen Organismus einwirken. Blei, Quecksilber, Arsen, Cadmium, Nickel, Aluminium, Eisen und Kupfer zählen zu den Metallen, die ROS bilden können. Ein wichtiges Ziel der ROS sind die Mitochondrien und die damit verbundene ATP Synthese (4). Die Beeinträchtigung der ATP-Synthese führt zum Energiemangel und wirkt sich vor allem auf Zellen mit hohem Energiebedarf aus: neuronale Zellen, Muskulatur, Herzmuskulatur, Zellen des Immunsystems, Sinneszellen der Augen, Hormondrüsen, Leber, Niere und Knochenmark. Verstärkt wird die Mitochondrienschädigung durch Stickstoffradikale. Treffen Stickstoff- und Sauerstoffradikale (Superoxidradikal) aufeinander entsteht Peroxinitrit (12). In der dadurch entstehenden nachhaltigen Mitochondrienschädigung wird ein grundlegender Pathomechanismus für die Entstehung des Chronischen Müdigkeitssyndroms, der Multiplen Chemischen Sensitivität, der Fibromyalgie sowie der posttraumatischen Anpassungsstörung gesehen (13).

Eine chronische niedrig dosierte Bleibelastung führt zu Bildung von Sauerstoffradikalen, sowie über die Aktivierung der endothelialen (eNOS) und induzierbaren Stickstoffsynthase (iNOS) in der Niere, Aorta und Herz und der neuronalen NO-Synthase (nNOS )in Großhirn und Hirnstamm zur Bildung von Stickstoff (14). Zudem kommt es bei chronischer Zufuhr niedriger Mengen Blei zu einer hoch signifikanten Zunahme von Nitrotyrosin (15). Nitrotyrosin gilt als Marker für nitrosativen Stress. Werte ab 10 nmol/l Blut deuten auf nitrosativen Stress hin und sind nachweisbar bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, neurodegenerativen Erkrankungen und septischem Schock. Auch Eisen und Kupfer regen die Nitrotyrosinbildung an (16).


Klinische Bedeutung

Je nach genetischer Prädisposition oder erworbener Anfälligkeit können ein oder mehrere toxische Metalle ein oder mehrere Organe und Organsysteme schädigen. Schädigungen des HerzKreislauf-Systems, Tumorerkrankungen und neurodegenerative Krankheiten gehören zu den häufigsten Krankheitsbildern, die durch toxische Metalle ausgelöst oder verstärkt werden können.


Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Quecksilber
Eine chronisch niedrig dosierte geringe Quecksilberbelastung führt zu einer erhöhten Sterblichkeit durch Bluthochdruck, Herz-, Lungen- und Nierenerkrankungen. Die Ursache liegt in der vermehrten Bildung freier Radikale mit einer daraus folgenden Gewebs- und Gefäßschädigung (17). Eine Quecksilberbelastung kann zudem mit einem erhöhten Cholesterinspiegel als weiterem Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen korreliert sein (18). Es gibt epidemiologische Untersuchungen, die eine beschleunigte Entwicklung von Carotisstenosen durch Quecksilber beobachtet haben (19). E. Guallar von der "Heavy Metals and Myocardial Infarction Study Group" der Johns Hopkins Medical Institution aus Baltimore weist darauf hin, dass Fischkonsum eine Hauptquelle für eine Quecksilberbelastung ist. Er untersuchte 684 Männern mit Herzinfarkt und eine repräsentative Vergleichsgruppe von 724 Männern und fand eine direkte Verbindung zwischen einer erhöhten Quecksilberbelastung und dem Auftreten eines Herzinfarktes. Er kommt zu dem Schluss, dass ein hoher Quecksilbergehalt die kardioprotektive Wirkung von Fisch vermindern kann (20). Kinder, die Fisch essen, wie dies in asiatischen Ländern weit verbreitet ist, haben bereits eine bis zu 3-mal höhere Quecksilberbelastung als Kinder mit fischfreier Ernährung (21).

Blei
Die ersten Berichte über eine mögliche Verbindung zwischen einer Bleibelastung und einem hohen Blutdruck stammen aus dem Jahr 1886. 120 Jahre später - im Dezember 2006 - kommen amerikanische Wissenschaftler der Johns Hopkins University aus Baltimore in einer wissenschaftlichen Zusammenfassung aller bis dahin zu diesem Thema erschienen Studien zu dem Ergebnis, dass Blei hohen Blutdruck und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen kann. Es wird dabei auch deutlich, dass Blei bereits unter der bislang als "sicher" geltenden Grenze von 5µg/dl Vollblut schädigend für das Herz-Kreislauf-System sein kann. Die Ergebnisse wurden vom National Institute of Environmental Health Sciences veröffentlicht (22).

Cadmium
Cadmium kann durch Schädigungen der subendothelialen Matrix und der endothelialen Zellen zur Entwicklung artheriosklerotischer Plaques führen (23).

Amerikanische Untersuchungen zeigen, dass Blei und Cadmium bereits in Konzentrationen, die bislang als unbedenklich galten, mit einer erhöhten Inzidenz der peripheren arteriellen Verschlußkrankheit korrelieren (24).

Arsen
Epidemiologische Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Arsenbelastungen und einer erhöhten Inzidenz für Gefäßerkrankungen, insbesondere KHK, pAVK und Schlaganfälle (25). Neue Forschungsergebnisse weisen daraufhin, dass Arsen die Bildung der Arteriosklerose bei vorhandenem Apolipoprotein E Defekt beschleunigt und verschlechtert (26).

Gerade die Vielfalt der Schwermetalle, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken können, erhöhen das Herz-Kreislauf-Risiko von Patienten mit Schwermetallbelastungen.


Tumorerkrankungen

Die Rolle toxischer Metalle bei der Krebsentstehung hat mehrere Aspekte. Zum Einen können Schwermetalle direkt Krebs erzeugen, zum Beispiel durch Schädigung der Erbsubstanz im Zellkern, zum Anderen können sie die körpereigenen Abwehr- und Reparaturmechanismen schädigen, so dass andere Faktoren zu Entstehung, Wachstum und Metastasierung von Krebszellen führen können. Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass der Schutz des Erbmaterials vor Umweltgiften entwicklungsgeschichtlich bedingt wesentlich unvollständiger ist, als die Reparatur von DNS-Schäden, die bei der normalen Zellteilung entstehen.

Karzinogenese
Arsen, Cadmium Nickel, Chrom und Beryllium sind bekannte Karzinogene. Es gibt auch Hinweise für die karzinogene Wirkung von Blei und Quecksilber, sowie für Kupfer, Eisen, Cobalt und Platin. Die Karzinogenese ist ein komplexes Geschehen, das in 4 Stufen eingeteilt werden kann: Initiation, Promotion, Progression und Metastasierung. Toxische Metalle können durch direkte oder indirekte DNS Schädigung in einem oder mehreren Schritten der Karzinogenese mitwirken (27). Chrom, Nickel, Cadmium, Cobalt und Arsen können bereits in geringen Mengen, die an sich noch nicht toxisch sind, DNS-Reparaturvorgänge im Körper behindern. Dies führt zu einem verstärkten Auftreten von DNS-Schäden und damit zu einem erhöhten Krebsrisiko (28). Die Schädigung des Zellkerns durch toxische Metalle erfolgt durch Bildung freier Sauerstoffradikale, durch Lipidperoxidation und Zellmembranschädigung, durch Zerstörung von DNS Bausteinen, durch Hem mung von DNS-Reparaturenzymen und -Regulationsproteinen, durch Blockierung von Tumorsupressorgenen und durch die Verdrängung von Zink, Magnesium (27, 29).

Neben der Zellkern- und DNS-Schädigung, vermögen toxische Metalle die Zahl der Abwehrzellen zu reduzieren, die Aktivität der Leukozyten zu behindern, das Tumorzellwachstum anzuregen und die Metastasierung zu begünstigen.

Auswirkungen auf die zelluläre Immunität
Epidemiologische Untersuchungen ergaben eine Reduktion des Tumornekrose-Faktor alpha bei einer langjährigen gering dosierten Quecksilberexposition, als mögliche Folge eines funktionellen Defektes des Monozyten-Makrophagen-Systems. Sehr geringe Mengen von anorganischem Quecksilber können die Zahl der zirkulierenden Monozyten und die Anzahl natürlicher Killerzellen reduzieren, sowie die Chemotaxis polymorphkerniger Leukozyten negativ beeinträchtigen (30). Auch eine chronische Bleibelastung kann zur Verringerung der B- und T-Lymphozyten und der natürlichen Killerzellen führen (31).

Einfluss auf Tumorzellwachstum und Metastasierung
Blei, Quecksilber, Nickel, Chrom, Kobalt, Kupfer und Zinn stimulieren das Wachstum von menschlichen Brustkrebs-Zellen durch Aktivierung des Östrogenrezeptors alpha. Auf diese Weise wurde in Gegenwart der toxischen Metalle das Wachstum der Krebszellen in Zellkulturen um das 4-6 fache gesteigert (32).

Ergebnisse aus Zellkulturen zeigten, dass menschliche Gewebszellen, die mit Schwermetallen belastet sind, von Krebszellen verstärkt infiltriert wurden (33). Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass Krebszellen bevorzugt in schwermetallbelastete Organe (z.B. Leber, Lunge) metastasieren.

Epidemiologische Daten

In Taiwan wurde Nickel und Chrom in hoher Konzentration und
Lungen-Tumoren nachgewiesen (34).

Blei, Quecksilber, Cadmium, Eisen, Nickel, Chrom und Zink waren im Brustkrebsgewebe im Vergleich zu gesunden Brustgewebe hoch signifikant angereichert (35).

Arabische Wissenschaftler fanden im Jahr 2001 bei der Untersuchung von 21 gut- und 23 bösartigen Hirntumoren deutlich erhöhte Konzentrationen von Blei, Cadmium und Quecksilber in den Tumoren (36). Immer wieder findet man Hinweise, dass die schädigende Wirkung von toxischen Metallen bereits bei chronischer Zufuhr niedrig dosierten, bislang als unbedenklich eingestuften Konzentrationen auftritt. In diesem Zusammenhang sind auch die Ergebnisse von E.F. Madden von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zu berücksichtigen, die zu dem Ergebnis kam, dass die gemeinsame Wirkung verschiedener Metalle größer sein kann, als die Summe ihrer Einzelwirkungen (27).


Neurodegenerative Krankheiten

Neurodegenerative Krankheiten gehören zu den häufigen Behandlungsanlässen einer allgemeinmedizinischen Praxis. Die Kenntnis um auslösende Ursachen und sich daraus ergebender Therapiemethoden ist von grundlegender Bedeutung.

Metalle sind bekannte neurotoxische Substanzen, die sich bereist negativ auf die Gehirnentwicklung auswirken und ein Leben lang im Körper und ZNS akkumulieren können.

Morbus Alzheimer
Einige epidemiologische Studien mit kontroversen Resultaten haben eine mögliche Verbindung zwischen Aluminium und Alzheimer untersucht. Eine Studie fand eine erhebliche positive Korrelation zwischen Aluminium in Deodorantien und dem Auftreten von Morbus Alzheimer, andere Studien konnten dies nicht bestätigen (37). Arbeitsplatzbedingte Aluminiumbelastungen zeigen ein leicht erhöhtes aber nicht signifikantes Erkrankungsrisiko (38).

Hingegen konnte ein statistisch relevanter Zusammenhang zwischen einer Eisenbelastung des Gehirns und dem Auftreten von M. Alzheimer nachgewiesen werden. Auch eine Anreicherung von Quecksilber im Gehirn von Alzheimer Patienten wurde festgestellt, jedoch ohne statistische Relevanz (39).

Parkinson
Mangan ist ein essentielles Spurenelement, das ein wichtiger Bestandteil von Enzymen ist. Obwohl Mangan neuroprotektiv ist und die Verwertung von Vitamin B1 erhöht, ist es bei Parkinson-Patienten in hoher Konzentration nachweisbar (37). Auch Eisen findet sich zusammen mit Mangan, Kupfer und Blei im Gehirn von Parkinson-Patienten (40, 41).

In Bezug auf Quecksilber gibt es eine Studie, die im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikant hohe Anzahl von Parkinson Erkrankten mit Amalgamfüllungen untersucht hat (43) und eine weitere, die eine Verbindung zwischen erhöhten Quecksilberkonzentrationen in Blut und Urin und dem Auftreten von Parkinsonerkrankungen nachweisen konnte (44).


Amyotrophe Lateralsklerose
Als im Jahr 1850 das Krankheitsbild der ALS beschrieben wurde, waren unter den Betroffenen bereits einige Patienten mit einer beruflichen Bleibelastung. In den letzten 30 Jahren wurden weitere Studien veröffentlicht, die eine Verbindung zwischen einer Bleibelastung und dem Auftreten der Amyotrophen Lateralsklerose aufzeigen (37, 45).

Quecksilber, Blei und der Konsum großer Mengen von Milch wurden bereis 1976 in Verbindung mit dem Auftreten der ALS gebracht (46). Zwar konnten in einer anderen Untersuchung im Blut von betroffenen Patienten keine erhöhten Quecksilberwerte gemessen werden. Es ist jedoch fraglich, ob eine Blutuntersuchung das geeignete Medium zum Nachweis einer Schwermetallbelastung des Nervensystems ist.

Das gilt auch für Eisen. Erhöhte Gewebebelastungen des Gehirns wurden bei ALS Patienten mehrfach nachgewiesen, obwohl in Blutproben und bei der Untersuchung der Zehennägel keine erhöhten Eisenwerte festgestellt wurden (37). Die Auswahl der Organproben ist offensichtlich von Bedeutung, wenn man eine Verbindung zwischen einer Schwermetallbelastung und dem Auftreten organischer Krankheiten untersuchen will.


Ausblick

Chelatoren sind organische Substanzen, die Metallionen binden, und mit diesen komplexe ringförmige Strukturen bilden können. Sie werden als Antidote für akute und chronische Metall vergiftungen eingesetzt. Wissenschaftler vom King's College in London sehen in der Chelattherapie aufgrund ihrer metallbindenden Eigenschaften eine wertvolle Therapieoption zur Behandlung neurodegenerativer Krankheiten (42).

Werden Chelatoren wie EDTA, DMPS, DMSA oder DTPA je nach vorliegender Belastung kombiniert, so kann dies eine Therapie verbessern (6). Synergistische Effekte können auch durch die Kombination von Chelatoren und Antioxidantien bei der Entgiftung von Blei, Quecksilber Arsen und Cadmium erzielt werden (5).


Schlussfolgerung

Jeder Mensch kann jeden Tag mit mehreren toxischen Metallen in Kontakt kommen. Wieviele davon im Organismus akkumulieren, ist von verschiedenen individuellen Faktoren abhängig. Auf der Grundlage einer Literaturrecherche wurde exemplarisch die Bedeutung toxischer Metalle als Ursachen und Co-Faktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Tumoren und neurodegenerative Erkrankungen beschrieben. Von besonderer Bedeutung ist hierbei, dass neue Daten darauf hinweisen, dass die chronisch niedrig dosierte Zufuhr von toxischen Metallen in bislang als unbedenklich geltenden Dosierungen bereits zu pathologischen Veränderungen führen können.


Fazit

Die Kenntnis um die Bedeutung toxischer Metalle für die Entstehung und Verstärkung von Krankheiten ist für jeden Mediziner von Bedeutung. In welchem Ausmaß die Diagnose und Therapie von chronischen Metallbelastungen neue Perspektiven zur Behandlung und Prävention von degenerativen Krankheiten bieten, sollte intensiv und vorurteilsfrei untersucht werden.


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Kontakt:
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Quelle:
umwelt · medizin · gesellschaft Nr. 3/2009, (September 2009)
22. Jahrgang, S. 256 - 260
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2010