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ONKOLOGIE/1966: Hirnmetastasen bei Brustkrebs - vielversprechende Ergebnisse der Hochpräzisionsbestrahlung (idw)


Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V. - 20.02.2019

Hirnmetastasen bei Brustkrebs - vielversprechende Ergebnisse der Hochpräzisionsbestrahlung


20-25% aller Brustkrebspatientinnen entwickeln Metastasen. Früher kam die Diagnose von Metastasen oft einem Todesurteil gleich, hier ist es jedoch, auch dank der Strahlentherapie, zu einem Paradigmenwechsel gekommen. "Sogar Hirnmetastasen können heute mit einer kurativen Zielsetzung strahlentherapeutisch behandelt", erklärt Frau Prof. Dr. Anca Grosu, Universitätsklinikum Freiburg. DEGRO-Präsident, Prof. Dr. Wilfried Budach, Düsseldorf, ergänzt. "Durch rasante Fortschritte der Technologie sind hoch präzise Bestrahlungen schnell und komfortabel durchführbar. Verschraubungen mit dem Schädelknochen gehören der Vergangenheit an.

Jährlich erkranken über 71.000 Frauen und ca. 700 Männer an Brustkrebs [1]. Ungefähr 316.000 Frauen leben in Deutschland mit einer Brustkrebserkrankung (Zahlen von 2013). Eine Heilung ist heute in 75-80% der Fälle möglich (in den 60iger Jahren waren es nur 50-60%). Beim Fortschreiten der Erkrankung bilden sich oft Metastasen, typischerweise in Knochen, Lunge und Leber, aber auch Hirnmetastasen sind relativ häufig (insbesondere bei den sogenannten HER2-Rezeptor-positiven Tumoren).

"Wohingegen die Diagnose von Metastasen früher oft einem Todesurteil gleichkam, können heute Patientinnen mit Hirnmetastasierung relativ lange bei guter Lebensqualität überleben, auch eine Heilung kann noch möglich sein, wenn rechtzeitig mit einer adäquaten Therapie begonnen wird", erklärt Frau Prof. Grosu. Bei Metastasen von HER2-positiven Tumoren spielt die Antikörpertherapie eine wichtige Rolle, eine systemische Chemotherapie dagegen ist bei Hirnmetastasen häufig unwirksam, da die Substanzen nicht ausreichend bis zu den Krebszellen vordringen (Phänomen der "Blut-Hirn-Schranke"). Bei über 2-3 cm großen Hirnmetastasen ist eine Operation zu überlegen, insbesondere, wenn diese günstig für eine Operation liegen, so dass Folgeschäden unwahrscheinlich sind. Bei kleinen oder ungünstig gelegenen Herden ist die Strahlentherapie die Therapie der Wahl.

Die Strahlentherapie verfügt bei Hirnmetastasen über ein breites therapeutisches Spektrum und ermöglicht oft eine maximale Schonung gesunden Hirngewebes. Die Therapie ist nicht-invasiv und daher sicherer für die Patienten als eine Operation. Der Einsatz erfolgt auch in Hirnarealen, die operativ nicht gefahrlos erreicht werden können, zudem ist die Therapie schmerz- und bei kleinen Herden praktisch nebenwirkungsfrei. Moderne Bestrahlungsverfahren sind bei Hirnmetastasen oftmals die effektivste Behandlung.

Abhängig von der Zahl der Hirnmetastasen stehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Die sogenannte Radiochirurgie (auch stereotaktische Hochpräzisionsbestrahlung) und die Ganzhirnbestrahlung "mit Hippocampus-Schonung".

Die Radiochirurgie ermöglicht eine punktgenaue, hochdosierte Bestrahlung einzelner Metastasen. Bei der stereotaktischen Hochpräzisionsbestrahlung wird eine hohe Strahlendosis für eine kurze Behandlungsdauer von ca. 20 Minuten eingesetzt. Eine Studie [2] zeigte die hohe Effektivität der stereotaktischen Radiochirurgie, sogar bei multiplen Hirnmetastasen bei Brustkrebspatientinnen. "Wir erreichen mit der Radiochirurgie eine lokale komplette Tumorkontrollrate von 50-70%, bei maximaler Schonung von gesundem Hirngewebe", erklärt Frau Prof. Grosu. "Bei neu auftretenden Metastasen kann die Behandlung auch wiederholt werden."

Während bei einer kleineren Zahl lokalisierter Metastasen (4-5 Stück gilt meistens als Grenze) die alleinige Radiochirurgie durchgeführt wird, so wird bei einer höheren Zahl oder wenn erneut immer wieder Metastasen auftreten, eher die Ganzhirnbestrahlung empfohlen. Auch dabei ist die Zielsetzung immer lokal-kurativ. Derzeit läuft die multizentrischen NOA-14/ARO 2015-3/HIPPORAD-Studie, die von der Deutschen Krebshilfe finanziert wird Es werden Patienten mit vier bis zehn Hirnmetastasen unterschiedlicher solider Tumore mit einer Hippocampus-schonenden Ganzhirnbestrahlung behandelt - mit zusätzlichem Boost (d. h. stereotaktische Dosiserhöhung) auf die Metastasen. Verglichen werden die kognitiven Leistungen und morphologischen Hirnveränderungen der Patienten gegenüber einer Behandlung mit Ganzhirnbestrahlung und Boost, jedoch ohne Hippocampusschonung. "Wir erhoffen uns zwei Effekte", so Prof. Anca Grosu, "nämlich eine noch höhere Bestrahlungseffektivität auf die Metastasen bei gleichzeitig weniger neurokognitiven Nebenwirkungen". "Insgesamt können Brustkrebspatientinnen mit Hirnmetastasen heute in einer früher ausweglosen Situation durch die moderne Strahlentherapie behandelt werden und gewinnen deutlich an Lebenszeit. In seltenen Fällen kann sogar eine Heilung erreicht werden. Durch die optimale Schonung gesunden Hirngewebes ist die Therapie nebenwirkungsarm", fasst Prof. Dr. med. Wilfried Budach, Düsseldorf, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO) zusammen.


Literatur

[1] RKI/Robert-Koch-Institut:
https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebsgeschehen/Krebsgeschehen_download.pdf?__blob=publicationFile

[2] Cho E, Rubinstein L, Stevenson P et al. The use of stereotactic radiosurgery for brain metastases from breast cancer: who benefits most? Breast Cancer Res Treat 2015; 149(3): 743-9

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.degro.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution2244

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V. - 20.02.2019
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2019

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