Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V., Medizin - Kommunikation, 17.07.2018
DGVS aktualisiert Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung von Colitis ulcerosa
Krampfartige Bauchschmerzen, Blut im Stuhl und immer wieder Durchfälle: In Deutschland sind rund 150.000 Menschen an der chronisch entzündlichen Darmerkrankung Colitis ulcerosa (CU) erkrankt. Colitis ulcerosa, die meist im jungen Erwachsenenalter, nicht selten auch schon bei Jugendlichen und Kindern, beginnt, verläuft in Schüben und begleitet die Betroffenen in der Regel ein Leben lang. Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) haben Experten nun die Leitlinie für die Behandlung der Colitis ulcerosa auf den aktuellen Stand der Wissenschaft gebracht.
Ein besonderes Augenmerk haben die Autoren dabei auf die erhöhten Infektionsrisiken von CU-Patienten und den Aspekt Ernährung gelegt. Die Rolle der Ernährung wurde viele Jahre überschätzt: Abgesehen vom Stillen gibt es keine wissenschaftlich belegte Ernährungsform, die das Risiko für die Entstehung einer CU-Erkrankung reduziert.
Fälle von Colitis ulcerosa wurden bis Ende der 1950er-Jahre in Deutschland
selten diagnostiziert und haben seitdem in allen westlichen
Industrieländern deutlich zugenommen. Ein wichtiger Auslöser der
Erkrankung und eine Erklärung für die Zunahme der CU scheint in
veränderten Umwelt- und Hygienebedingungen der modernen Zivilisation zu
liegen. CU tritt eher in Industrieländern als Entwicklungsländern, eher
bei Städtern als in der Landbevölkerung auf. "Die Zunahme der Fallzahlen
in den letzten Jahrzehnten führte zudem zur Theorie, dass der Auslöser für
die Erkrankung auch in den modernen Ernährungsgewohnheiten zu finden sein
könnte", sagt Professor Dr. med. Axel Dignaß von der Medizinischen Klinik
I des AGAPLESION MARKUS KRANKENHAUSES in Frankfurt, einer der
Koordinatoren der Leitlinie. Studien hätten diesen Zusammenhang bisher
allerdings nicht bestätigt. Einzige Ausnahme sei das Stillen: Kinder, die
mindestens sechs Monate lang gestillt wurden, haben ein um fast ein
Viertel reduziertes Risiko, später an CU zu erkranken, als nicht oder nur
kurz gestillte Kinder.
Während eine Prävention über die Ernährung also nicht effektiv möglich zu sein scheint, kommt der Ernährung bei bereits bestehender CU eine große Bedeutung zu. "Wegen der wiederkehrenden Durchfälle und der Schädigung der Darmschleimhaut haben die Patienten ein hohes Risiko für eine Mangelernährung", sagt Professor Dr. med. Torsten Kucharzik von der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Gastroenterologie des Klinikums Lüneburg, der die Aktualisierung der Leitlinie ebenfalls als Koordinator betreut hat. Oft schwächten die Komplikationen, die durch den Nährstoffmangel hervorgerufen würden, die Patienten mehr, als die Darmentzündung selbst. Besonders Kinder weisen häufig - in bis zu 85 Prozent der Fälle - Zeichen einer Mangelernährung auf. Neben starken Proteinverlusten wirken sich auch eine zu geringe Versorgung mit Mikronährstoffen wie Eisen, Vitamin D, Folsäure oder Zink negativ auf Wachstum und Entwicklung aus. Die Versorgung mit Nährstoffen sollte daher regelmäßig überprüft und fehlende Nährstoffe als Tablette oder Infusion zugeführt werden, empfiehlt die Leitlinie.
Die Ursachen für die Entstehung einer CU sind nach wie vor nicht vollständig geklärt, zentral scheint jedoch eine Fehlsteuerung des Immunsystems zu sein. Die Patienten werden daher meist mit immunsuppressiven Medikamenten behandelt. Damit steigt jedoch die Gefahr von bakteriellen oder viralen Infektionen deutlich an. "Besonders die Kombination mehrerer Medikamente stellt ein Problem dar", erläutert Kucharzik. In Studien hatten Patienten, die mehrere solcher Medikamente einnehmen mussten, ein um das 14,5-Fache erhöhtes Infektionsrisiko. Die Mediziner raten daher dazu, noch vor Beginn der Therapie den Impfstatus der Patienten zu überprüfen und fehlende Impfungen nachzuholen. Auch die jährliche Grippeimpfung sei für immunsupprimierte Patienten dringend zu empfehlen.
Obwohl die Krankheit nicht selten ist, dauert es bei vielen CU-Patienten
noch immer lange, bis sie die richtige Diagnose und eine adäquate Therapie
erhalten. "Umso wichtiger war uns die Aktualisierung der Leitlinie", sagt
DGVS-Experte Dignaß. Besonders in den Händen von Hausärzten und der
Patienten selbst könne sie wertvolle Hinweise für eine frühzeitige
Diagnosestellung und optimale Behandlung der Krankheit geben. Die
aktualisierte S3-Leitlinie wurde federführend von der Deutschen
Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und
Stoffwechselkrankheiten erstellt und fasst den aktuellen Stand der
Wissenschaft bei Diagnostik und Behandlung der Colitis ulcerosa zusammen.
Die Leitlinie ist abrufbar unter
https://www.dgvs.de/wissen-kompakt/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/colitis-ulcerosa/
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 5500 Ärzte und Wissenschaftler aus der Gastroenterologie unter einem Dach. Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane - zum Wohle des Patienten.
Originalpublikation:
https://www.dgvs.de/wissen-kompakt/leitlinien/leitlinien-der-dgvs/colitis-ulcerosa/
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dgvs.de
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution76
*
Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.
Medizin - Kommunikation, 17.07.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2018
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