Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → FACHMEDIZIN

NEUROLOGIE/725: Diagnosetest weiterentwickelt - Genauere Ergebnisse bei Störung der rechten Hirnhälfte (idw)


Universität des Saarlandes - 22.02.2013

Psychologin entwickelt Test weiter

Genauere Ergebnisse bei Störung der rechten Hirnhälfte



Schlaganfallpatienten kämpfen oft noch lange mit den Folgen ihrer Krankheit. Eine mögliche Konsequenz des rechtsseitigen Schlaganfalls ist zum Beispiel der so genannte visuell-räumliche Neglect. Patienten vernachlässigen dabei alles, was sich in ihrer linken Sicht- oder Körperhälfte abspielt: Sie schauen nicht nach links, wenn sie eine Straße überqueren, stoßen mit der linken Körperhälfte gegen Türrahmen oder pflegen nur die rechte Gesichtshälfte. Die Psychologin Eva Leonhardt hat in ihrer Masterarbeit nun einen einfachen klinischen Test entwickelt, der die Störung zuverlässiger erfasst als der bisher gängige Test.

In der klinischen Praxis wird die Schwere eines Neglects beispielsweise mit dem so genannten Bells-Test auf einfache Art und Weise überprüft. Dabei verteilen sich gleichmäßig auf einem DIN-A-4-Blatt kleine, schwarze Glocken (vom englischen "Bells" leitet sich der Name ab), Sägen, Autos, Häuser und viele weitere Dinge. Die Patienten sollen nun alle Glocken durchstreichen. Leiden sie an einem Neglect, übersehen die Patienten auf der linken Blattseite viele Glocken. So können die Psychologen herausfinden, wie schwer bei einem Patienten die Vernachlässigung der linken Raumseite ausgeprägt ist. Aber gerade in der Einfachheit dieser Durchstreichtest liegt auch eine Schwäche: "Wenn Durchstreichtests wiederholt werden, wissen viele Patienten bald, wie sie funktionieren und konzentrieren sich besonders auf die linke Hälfte. Das verfälscht das Ergebnis, und wir können keine sichere Aussage mehr über die Schwere des Rest-Neglects im Alltag treffen", erklärt Psychologe Stefan Reinhart von der Arbeitseinheit Klinische Neuropsychologie der Saar-Uni, der die Masterarbeit von Eva Leonhardt betreut. Alternativ zum Bells-Test wird ein Fragebogen zu den Auswirkungen des Neglects im Alltag eingesetzt, den sowohl die Patienten selbst als auch deren Angehörige beantworten können. Hier bewerten die Angehörigen den Neglect oft deutlich stärker als die Patienten selbst, die beispielsweise gar nicht richtig bemerken, dass sie nicht nach links schauen, wenn sie die Straße überqueren.

Eva Leonhardt hatte nun die Idee, einen neuen, schwierigeren Durchstreichtest zu entwickeln: Sie verteilte geometrische Symbole auf einem DIN-A-4-Blatt, die sehr viel schwerer auseinanderzuhalten sind als Glocken und Autos. Dadurch fällt es den Patienten schwer, die gesteigerte Aufmerksamkeit auf die linke Seite aufrecht zu erhalten. Die bisherigen Messungen zeigen, dass im neuen Test auch Patienten linksseitige Symbole auslassen, die im Bells-Test nicht mehr auffällig sind. Darüber hinaus stimmen die Ergebnisse des Tests besser mit den Angaben der Angehörigen im Fragebogen zu den Alltagsproblemen der Betroffenen überein. "Wir können also treffendere Aussagen über den Rest-Neglect machen und besser einschätzen, ob ein Patient eine Neglect-Therapie benötigt", erklärt Eva Leonhardt.

Bis der Test in der klinischen Praxis eingesetzt werden kann, wird es noch einige Monate dauern. Die Psychologen an der Saar-Uni müssen die Testreihe noch weiterführen, um der Methode den letzten Schliff zu geben. "Der Test trägt auch zu einer verbesserten Neglect-Therapie bei, wie sie in unserer Hochschulambulanz standardmäßig durchgeführt wird", erklärt Professor Georg Kerkhoff, Leiter der Arbeitseinheit Klinische Neuropsychologie und der Neuropsychologischen Hochschulambulanz.

Eva Leonhardt hat für ihre Masterarbeit den mit 1.000 Euro dotierten Stipendienpreis der Studienstiftung Saar für anwendungsorientierte Abschlussarbeiten im Jahr 2012 gewonnen.


Kontakt:
Dipl. Psych. Stefan Reinhart
E-Mail: s.reinhart@mx.uni-saarland.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution8

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität des Saarlandes, Thorsten Mohr, 22.02.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2013