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BERICHT/219: Vortrag - Social Media. Wie Google, Facebook & Co. unsere Gesellschaft verändern (idw)


Europäische Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen Bad Neuenahr-Ahrweiler GmbH - 23.10.2012

Vortrag der Europäischen Akademie und der Kreissparkasse Ahrweiler: Social Media

Leben, lieben, arbeiten in Zeiten von Social Media. Wie Google, Facebook & Co. unsere Gesellschaft verändern



Bad Neuenahr-Ahrweiler, 23. Oktober 2012. - Erleben wir derzeit durch den Einzug des Internets in immer mehr Lebensbereiche und die zunehmende Verbreitung sozialer Netzwerke eine digitale Revolution? Professor Caja Thimm, Medienwissenschaftlerin an der Universität Bonn, beantwortete diese Frage beim diesjährigen Kreissparkassenvortrag in Bad Neuenahr-Ahrweiler mit einem unmissverständlichen "Ja". Vor rund 150 Zuhörern erläuterte die Referentin in ihrem Vortrag, welche Chancen, aber auch welche Risiken der Umgang mit sozialen Netzwerken wie Facebook, Google plus und Twitter biete.

Der 19. Kreissparkassenvortrag, der im Steigenberger Hotel Bad Neuenahr stattfand, wurde von Dieter Zimmermann, Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Ahrweiler, eröffnet. Dr. Stephan Lingner, stellvertretender Direktor der Europäischen Akademie GmbH, stellte die Referentin vor, führte in das Thema ein und moderierte die anschließende lebhafte Diskussion.

Wie nur wenige Technologien zuvor verändern die digitalen Medien unsere Gesellschaft bereits jetzt, so die Referentin: Zwar würden wir dort überwiegend dieselben Tätigkeiten wie im realen Leben vollziehen, zum Beispiel einkaufen, flirten oder lernen. Ebenso seien auch die Schattenseiten des menschlichen Miteinanders vertreten, etwa Diebstahl, Betrug oder Mobbing. Allerdings, und das sei der Unterschied, blieben unsere Handlungen in der virtuellen Welt auf lange Zeit hin sichtbar und es sei fast unmöglich, die eigenen Spuren, die man im Netz hinterlasse, für immer auszulöschen. Anhand zahlreicher Beispiele zeigte Thimm, wie wir in den sozialen Netzwerken bereits eine neue Lebenswelt schaffen, in der sich verschiedene Lebensbereiche immer mehr vermischen: Wir beteiligen uns politisch (s. die Protestbewegung "Stuttgart 21" oder der US-Wahlkampf), diskutieren öffentliches Auftreten in der Gesellschaft (z. B. über die "Causa Bettina Wulff") oder teilen private Erlebnisse (z. B. Urlaubsfotos). Und während traditionelle Medien nur in eine Richtung, also von einer Person zu einer anderen oder zu mehreren funktionierten (z. B. Radio oder Fernsehen), seien im Internet kommunikative Vernetzungen in alle erdenklichen Richtungen möglich.

Die digitalen Medien würden in allen Altersgruppen immer mehr genutzt und man könne sich über Social Media, unabhängig von realen Distanzen, verbinden (z. B. über Messenger oder Skype). So positiv nach Auskunft der Referentin diese neuen Möglichkeiten auch seien, weil sie dem grundlegenden Wunsch des Menschen nach Gemeinsamkeit entsprächen, sieht Thimm es kritisch, dass diese Netzwerke zunehmend über zahlreiche Informationen einzelner Bürgerinnen und Bürger verfügten. Nicht nur deshalb stellten sie bereits eine globale Macht dar.

Als ernstzunehmendes Problem, vor dem wir durch die immer häufigere Internetnutzung stünden, stufte die Medienwissenschaftlerin die Macht von Großunternehmen wie Google ein. Diese würden immer mehr unsere Weltbilder bestimmen: Der Algorithmus, nach dem deren Suchmaschine eine Rankingliste erstellt, sei nicht bekannt. Die Relevanz der angebotenen Informationen sei so mitunter nur schwer einschätzbar. Zunehmend würden die Suchergebnisse für jeden von uns maßgeschneidert, wodurch wir zwar schneller fänden, was wir suchen, alternative Angebote gerieten allerdings aus dem Blick. Weniger wichtiges - aber vielleicht dennoch Interessantes - würde herausgefiltert. So lebte am Ende jeder Nutzer in seiner eigenen Informationsblase. Obwohl die Politik hier nach Regulierung rufe, habe sie noch keine Lösung für das immer drängendere Thema gefunden.

Thimms Fazit: Digitale und reale Welt lassen sich nicht mehr voneinander trennen, da sie immer abhängiger voneinander werden. Ihre Forderung an die Politik war somit unter anderem, dass digitale Medienkompetenz - neben Lesen, Schreiben und Rechnen - von Beginn als grundlegende Fertigkeit in der Schule gelehrt werden müsse.


Über die Referentin:

Professor Dr. phil. Caja Thimm, Leiterin der Abteilung "Medienwissenschaft", Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn

• Studium der Linguistik, Communication Studies und Politischen Wissenschaft in Heidelberg, San Francisco und Berkeley
• Promotion im Fachbereich Germanistische Linguistik an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Habilitation 1999 ebendort
• seit 2000 Professorin für Medienwissenschaft und Intermedialität an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
• verschiedene Gastprofessuren in den USA (UC Santa Barbara, San Francisco State University) und Großbritannien (Liverpool University)
• von 2007-2010 Mitglied der Kommission zur Erstellung des 6. Altenberichts der Bundesregierung
• von 2009-2010 sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission "Verantwortung in der digitalen Welt" des Landes Rheinland-Pfalz
• seit 2011 sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommission 16/2 "Bürgerbeteiligung" des Landes Rheinland-Pfalz


Über die Europäische Akademie Bad Neuenahr-Ahrweiler:

Die Europäische Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen Bad Neuenahr-Ahrweiler gGmbH wurde 1996 vom Land Rheinland-Pfalz und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR) gegründet. Wissenschaftlich-interdisziplinäre Arbeitsgruppen widmen sich der Erforschung und Beurteilung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen für das individuelle und soziale Leben des Menschen und seine natürliche Umwelt. In wissenschaftlicher Unabhängigkeit führt die Akademie einen Dialog mit Wirtschaft, Kultur, Politik und Gesellschaft. Damit will sie zu einem rationalen Umgang der Gesellschaft mit Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen beitragen. Weitere Informationen erhalten Sie über die Homepage
www.ea-aw.de.

Weitere Informationen unter:
http://www.ea-aw.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution626

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Europäische Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-
technischer Entwicklungen Bad Neuenahr-Ahrweiler GmbH,
Katharina Mader, 23.10.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Oktober 2012