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BERICHT/137: Wissenschaft in den Massenmedien - geht das überhaupt? (verbundjournal)


verbundjournal - September 2008
Das Magazin des Forschungsverbundes Berlin e.V.

Auf allen Kanälen
Wissenschaft in den Massenmedien - geht das überhaupt?

Von Gesine Wiemer


Forscher erleben Kontakte mit Journalisten überwiegend positiv und sind mit der Berichterstattung zufrieden. - Dies ist das Ergebnis einer internationalen Studie unter Leitung von Prof. Hans Peter Peters vom Forschungszentrum Jülich, die im Juli in "Science" veröffentlicht wurde. Dieses Ergebnis war nicht unbedingt zu erwarten - aber auch die Tatsache, dass "Science" darüber berichtet, ist eine kleine Überraschung. Popularisierung von Wissenschaft galt unter Wissenschaftlern lange Zeit als unseriöse Effekthascherei. Wenn Forschungsergebnisse für Laien verständlich seien, könne es sich nicht um richtige Forschung handeln, so die verbreitete Meinung.

"Dabei sollte den Wissenschaftlern bewusst sein, dass es sich bei der Kommunikation mit Fachkollegen und mit der Öffentlichkeit um zwei verschiedene Kommunikationsebenen handelt", betont der Wissenschaftsjournalist Prof. (em.) Winfried Göpfert von der FU Berlin. Natürlich können Laien ein neues Forschungsergebnis nicht im Detail verstehen - und sie wollen es auch gar nicht. Aber die Bedeutung und der Nutzen der Ergebnisse lassen sich oft sehr gut auch dem Laienpublikum vermitteln. Das gilt nicht nur für angewandte Forschung, sondern auch für Grundlagenforschung. Winfried Göpfert erklärt das mit dem kindlichen Erkenntnisdrang, der in uns allen steckt: "Der Teilchenbeschleuniger CERN ist sehr teuer, und es gibt keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Nutzen. Dennoch gelingt es, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Suche nach dem Higgs-Teilchen nicht sinnlos ist. Wir Menschen wollen die Welt erklären und auch Laien sind von dieser Suche fasziniert." Auch wenn das wirkliche Verstehen nur ganz wenigen vorbehalten sei, sollten doch möglichst viele Menschen auf die Entdeckungsreise so weit wie möglich mitgenommen werden. Ohne diese Unterstützung durch die Öffentlichkeit sei die Finanzierung solcher Projekte auch gar nicht durchzusetzen, denn die Politiker schauten sich die Stimmung im (Wahl-)Volk sehr genau an.

Doch nicht nur die "breite Öffentlichkeit" wird durch Massenmedien erreicht. Auch die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung lesen Zeitung, ebenso wie Wissenschaftsmanager. Hans Peter Peters hat in seiner Studie festgestellt, dass bei der Verteilung von finanziellen Mitteln oder Stellen nicht nur die wissenschaftliche Leistung eine Rolle spielt. Der Gesamteindruck einer Einrichtung oder einer Person sei dabei nicht zu unterschätzen. 42 Prozent der befragten Wissenschaftler gaben an, dass Kontakte mit den Medien ihrer persönlichen Karriere förderlich waren. "Dies kann man durchaus kritisch sehen", so Peters. "Doch ist das die Realität in unserer demokratischen Wissensgesellschaft, der sich auch die Wissenschaftler nicht entziehen können." Diese kommen allerdings gut mit der Situation zurecht: die meisten fühlen sich von den Medien gut behandelt.

Nicht zuletzt Wissenschaftler erhalten Informationen über Forschungsergebnisse aus den Medien, ist Giovanni Carrada, italienischer Dozent für Wissenschaftskommunikation, überzeugt - zwar nicht, wenn es um ihr eigenes Fach geht, jenseits ihrer Disziplin sind sie jedoch Laien, wenn auch sehr gebildet. Nur in populären Darstellungen könnten sich Wissenschaftler einen umfassenden Überblick über wichtige Entwicklungen verschaffen, so Carrada.


Die Gesellschaft muss verstehen, wie Wissenschaft funktioniert

Es ist längst allgemeine Überzeugung, dass Wissen unser wichtigster Rohstoff ist und die entscheidende Rolle bei der Lösung drängender Menschheitsfragen spielt. Dementsprechend müssen Wissenschaft und Wissenschaftler mitten in der Gesellschaft verankert und dort auch sichtbar sein. Helga Nowotny, Vizepräsidentin des Europäischen Forschungsrats und emeritierte Professorin für Wissenschaftsforschung an der ETH Zürich, sagte einem europäischen Forschungsmagazin: "Die Wissenschaft kann von der Gesellschaft nicht mehr eine bedingungslose - auch finanzielle - Unterstützung für alles erwarten, was sie tun will, und ebenso wenig die bedingungslose Anerkennung ihrer Autorität. Die Gesellschaft wird zu einem besseren Verständnis dessen geführt werden müssen, wie Wissenschaft wirklich funktioniert."

In einer Mediengesellschaft ist dies nur zu erreichen, indem die Wissenschaft in den Massenmedien präsent ist. Diese folgen bei der Berichterstattung ihren eigenen Regeln, die besagen, dass es nicht um reine Wissenschaftsvermittlung gehen soll, sondern auch um Unterhaltung. Der Wissenschaftsjournalist Göpfert sieht das gelassen: "Auch wenn Magazine wie 'Galileo' auf Pro7 oder 'Clever' auf Sat.1 nicht mehr wissenschaftlich sind, sind solche Wissenssendungen immer noch besser als Serien - so fangen die Leute wenigstens an, nachzudenken." Aber selbst Serien wurden mittlerweile für die Wissenschaftskommunikation entdeckt: Das Projekt EuroWistdom (European Women in Science TV Drama on Message) prämierte Drehbuchideen, welche aktuelle Themen aus Wissenschaft und Technik mit weiblichen Rollenvorbildern in den Mittelpunkt von Fernsehfilmen und Soaps stellen. Prämiert wurde beispielsweise das Drehbuch zu einem Kinderfilm, in dem sich die 12-jährige Protagonistin leidenschaftlich für wissenschaftliche Fragestellungen interessiert. Gefördert wird ihr Interesse durch ihre Patentante, die eine führende Wissenschaftlerin auf dem Gebiet der Bionik ist.


Fernsehhelden dienen jungen Leuten als Rollenvorbilder

Hintergrund für das von der EU geförderte Projekt war der Kontrast, in dem die öffentliche Wahrnehmung von Wissenschaft und Technik zu ihrer gesellschaftlichen Bedeutung steht. Lediglich 1,9 Prozent der Berufsrollen in populären Filmen sind technische Berufe. Besonders in Deutschland erscheinen Wissenschaft und Technik in den Medien mehr als Risiko und weniger als Chance für die Zukunft. Das Projekt zielt darauf ab, Wissenschaft und Technik als Inspirationsquelle für neue Themen, Charaktere und weibliche Rollen in populären Fernsehformaten zu entdecken.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung fördert das Nachfolgeprojekt MINTiFF (Mathematik, Informatik, Natur- und Technikwissenschaften und Chancengleichheit im Fiction-Format). Projektleiterin Prof. Marion Esch von der TU Berlin erläutert: "In diesem Projekt unterstützen wir nicht nur weibliche Rollen in MINT-Berufen, sondern wir forschen auch zu dem Thema: Wie können Vorbildrollen aussehen, damit diese Berufe für Mädchen und Jungen attraktiv werden?" Doch die Arbeit von MINTiFF beschränkt sich nicht auf die Theorie, auch das Herstellen von Kontakten zwischen Wissenschaft und Film sowie ein Angebot von Workshops sind weitere wichtige Aufgaben von MINTiFF.

Aufgeschlossenheit gegenüber den Medien heißt jedoch nicht, um jeden Preis in die Medien zu gelangen. Denn einerseits muss der zeitliche Aufwand für den einzelnen Wissenschaftler in einem erträglichen Rahmen bleiben, und andererseits sollte die gesamte Kommunikation einer Organisation nach außen ein stimmiges Bild ergeben. Eine unkritische Zusage auf jede Medienanfrage kann dabei auch kontraproduktiv sein. Helga Nowotny vom Europäischen Forschungsrat plädiert dafür, nicht jeden Wissenschaftler vor die Kameras zu stellen: "Man kann nicht von jedem Wissenschaftler erwarten, dass er in allen Kommunikationsformen gleichermaßen beschlagen ist." Daher sei eine Arbeitsteilung auch beim Auftritt gegenüber den Medien sinnvoll. Klare Richtlinien zum Umgang mit der Presse hat sich das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung gegeben.

Ein letzter Aspekt sollte nicht unterschätzt werden: Den meisten Wissenschaftlern macht es Spaß, den Inhalt ihrer Arbeit einem großen Personenkreis zu vermitteln. Um Wissenschaftler zu werden, bedarf es schließlich einer gewissen Leidenschaft, und die teilen die meisten gern mit anderen Menschen.


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Quelle:
verbundjournal, September 2006, S. 3-4
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2008