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VORWÄRTS/674: Asyl - Beurteilung der Gesuche sehr restriktiv


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 28/29 vom 13. August 2010

Beurteilung der Gesuche sehr restriktiv
(Freiplatzaktion Zürich - Rechtshilfe Asyl und Migration)

Von Samuel Häberli


Aufgrund des zunehmenden öffentlichen Drucks auf die Zürcher Härtefallpraxis wurde vor einem Jahr eine Härtefallkommission ins Leben gerufen. Diese ist seit November 2009 tätig. Wir, die Freiplatzaktion, die Sans-Papiers-Anlaufstelle und das Solidaritätsnetz Zürich, stellen jedoch fest, dass sich seither die Härtefallpraxis nicht gelockert, sondern sogar erneut verschärft hat.


Alle an der Entscheidfindung beteiligten Akteure wenden die von der Bundesverordnung vorgegebenen Härtefallkriterien sehr restriktiv an. Nicht die rechtlichen Vorgaben, sondern die politischen Entscheidungsträger bestimmen im Kanton Zürich, wer ein Härtefall ist. Die Zahl der bereits gemachten Empfehlungen der Härtefallkommission wurde per Ende Mai veröffentlicht. Die Kommission hat sich zu 31 Härtefallgesuchen geäussert und dabei in fünf Fällen die Gutheissung des Gesuchs empfohlen. Regierungsrat Hollenstein ist zweimal der Empfehlung der Kommission gefolgt. Damit ergibt sich für die im Kanton Zürich ab dem 1. September 2009 eingegangenen Härtefallgesuche per Ende Mai 2010 folgende Bilanz: 31 geprüfte Gesuche, 2 Gutheissungen. Dieses Resultat bedeutete jedoch nicht, dass langjährig anwesende, abgewiesene Asylsuchende nicht integriert wären. Wir stellen vielmehr fest, dass sich die Härtefallpraxis im Kanton Zürich seit Arbeitsaufnahme der Kommission im November 2009 nicht gelockert, sondern sogar erneut verschärft hat. Alle an der Entscheidfindung beteiligten Akteure - das Migrationsamt, die Härtefallkommission und Regierungsrat Hollenstein - wenden die Härtefallkriterien sehr restriktiv an.


Hollenstein stützt restriktiven Kurs

Uns liegen 20 Empfehlungen der Härtefallkommission vor und aufgrund der Auswertung gelangen wir zu folgendem Schluss: Die Kommission ist den vom Migrationsamt definierten und äusserst strengen Kriterien zur Bemessung von Integration (Deutschkenntnisse, Teilnahme am Arbeitsleben, Leumund, Offenlegung Identität) vorbehaltlos gefolgt. Die vom Migrationsamt abweichenden Empfehlungen sind nur entstanden, weil das Migrationsamt inzwischen praktisch gar keine Gesuche mehr gutheisst. Die Härtefallkommission hat es somit verpasst, eigene Akzente zu setzen und sich für sehr gut integrierte, abgewiesene Asylsuchende einzusetzen. Damit entsteht der Verdacht, dass es sich bei der Härtefallkommission bloss um ein politisches Feigenblatt handelt.

Zu Enttäuschung gibt sodann Regierungsrat Hollenstein Anlass: Von den vier beurteilten Härtefallgesuchen, deren Gutheissung die Kommission zuvor empfahl, lehnte er zwei ab (beide Entscheide liegen uns vor). Er bekennt sich damit erstmals offen als Befürworter des restriktiven Kurses seines Migrationsamtes.


Absurde Situation in Zürich

Der Kanton Zürich weigert sich somit faktisch weiterhin, langjährig in der Schweiz anwesende und gut integrierte abgewiesene Asylsuchende zu regularisieren und ihnen eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen. Die Härtefallkommission hat die Chance vertan, das Heft selbst in die Hand zu nehmen und eine eigenständige, liberalere Praxis zu entwickeln. Ein Blick auf die Bundesweisung zu den Härtefällen aus dem Asylbereich zeigt jedoch, dass dies ohne Weiteres möglich wäre. Und Regierungsrat Hollenstein zeigt mit seinen Entscheiden, dass er die restriktive Praxis seines Migrationsamtes de facto (seit jeher) befürwortet. Und so bleibt die absurde Situation aufrecht erhalten, dass einer angewiesenen asylsuchenden Person, die im Kanton Waadt als Härtefall anerkannt wird, im Kanton Zürich vorgehalten würde, sie sei zu wenig integriert und daher nicht eines Härtefalls würdig. In Zürich bestimmen eben nicht die rechtlichen Vorgaben sondern die politischen Entscheidungsträger, wer ein Härtefall ist.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 28/29 - 66. Jahrgang - 13. August 2010, S. 4
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2010