Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


VORWÄRTS/1571: Ultraschnelles Internet - tiefe Personalkosten


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 09/10 vom 13. März 2020

Ultraschnelles Internet - tiefe Personalkosten

von Damian Bugmann


Die digitale 5G-Technologie schreitet voran, die ersten Super-Antennen strahlen bereits. Zivilgesellschaftlicher Widerstand formiert sich und informiert. Unternehmen und Behörden wollen nichts von negativen Auswirkungen, Gehirntumoren und Herzkrebs hören und träumen von der wundersamen digitalen Macht- und Profitsteigerung.


In sehr vielen Ländern und der ganzen Schweiz fanden im Februar 5G-Informationsveranstaltungen und Aktionen gegen die Technologie der fünften Mobilfunkgeneration statt. Fortschrittseuphoriker sind überzeugt, die Digitalisierung bringe Segen und sei nicht aufzuhalten, 5G sei der "Schlüssel zur digitalen Transformation". Um Kosten einsparen zu können, wollen die Unternehmen nicht mehr billige Arbeitskräfte im oder aus dem Ausland ausbeuten, sondern dank Digitalisierung Personalkosten sparen und im Inland Gewinne akkumulieren. Es wird schon fleissig an der Zukunft gewerkelt, obwohl über die Auswirkungen noch wenig bekannt ist.

Neue Technologien gehören zu den vielen Dingen, die im Kapitalismus von der demokratischen Kontrolle ausgeschlossen sind. Die Unternehmen brauchen sie, weil die Konkurrenz sie auch anwendet, um im Wettbewerb um Marktmacht und Profitsteigerung mithalten zu können. Diese Interessengruppe macht sie den Konsument*innen schmackhaft, indem sie ihnen in Aussicht stellt, dass sie damit in der Freizeit und an der Arbeit auch ein bisschen spielen dürfen. "5G wird der gesamten Schweizer Bevölkerung ohne demokratische Debatte und Kontrolle aufgezwungen", empört sich Matthias Hancke, Anti-5G-Aktivist aus der bernischen Gemeinde Belp, "ungeachtet kantonaler Forderungen nach einem Moratorium sowie Umfragen von 2019, die eine Meinungsmehrheit gegen diese Technologie ergaben."


Oberwil: Antenne abgeschaltet

Laut Christian Oesch, Geschäftsführer des Vereins "5G-ade", der mit einer Liste bei den Nationalratswahlen im Kanton Bern knapp 38.000 Stimmen machte, sind im Moment etwa 1.100 Baugesuche für 5G-Antennen ausgeschrieben und gegen fast alle liegen Einsprachen vor. "In Basel-Stadt gibt es eine Einsprache mit 1.250 Unterschriften, in der Gemeinde Bürglen im Kanton Uri gegen 1.500", so Oesch. "Die Gemeinde Meiringen im Berner Oberland sprach sich gegen 5G-Antennen auf Gemeindegebiet aus. Die Gemeinde Oberwil bei Büren hat ein spezielles Abkommen mit dem Kanton und Swisscom. Da die Gemeinde klar gegen 5G ist, hat Swisscom die umstrittene Antenne abgeschaltet." Und er ergänzt: "Das wurde aber noch von keinen Leit-Medien gebracht."

"5G soll politisch durchgedrückt werden", sagt Martin Zahnd vom Verein "Schutz vor Strahlung". "Der Bericht der Arbeitsgruppe Mobilfunk und Strahlung des Bundesamts für Umwelt wurde von Stakeholdern verfasst, kein Verein als Vertretung von Betroffenen wurde eingeladen. Das Dokument möchte Druck machen, den Grenzwert zu erhöhen für die Einführung von 5G. Anscheinend wurde vergessen, dass der Ständerat schon zwei Mal nein zu einer Erhöhung gesagt hatte."


Gigantisches Experiment

In Belp wurden bereits drei 5G-Antennen installiert, ohne dass vorher die Bevölkerung über die Risiken dieser Technologie informiert worden und um ihr Einverständnis gefragt worden wäre. Aus diesem Grund organisierte Hancke Mitte Februar im Restaurant Kreuz in Belp einen Informationsanlass für die Bevölkerung. Matthias Hancke ist überzeugt: "Renommierte Wissenschaftler und Mediziner ohne Interessenkonflikte sind weltweit alarmiert und befürworten das Vorsorgeprinzip. 5G wurde nicht auf seine biologischen Auswirkungen hin geprüft. Seine Einführung läuft daher auf ein gigantisches Experiment an Mensch, Tier und Pflanze hinaus, was einen klaren Bruch des internationalen Rechts darstellt. Zudem wurden schweizweit Milliarden Steuergelder in die Verlegung von Glasfaserkabel investiert, um ein ultraschnelles Internet zu ermöglichen." Bei allen gefährlichen Technologien wie Mobilfunk, Atomkraft und Nanopartikel werden gekaufte "wissenschaftliche" Berichte vorgelegt, die die Harmlosigkeit belegen sollen.


Krebs bei Versuchstieren

Experimente mit Mobilfunkstrahlung an Ratten und Mäusen wurden schon gemacht: Das National Institute of Environmental Health Sciences in den USA bestrahlte Nagetiere zwei Jahre lang während neun Stunden pro Tag mit 900 bis 1800 Megahertz. Die Versuchstiere zeigten starke Anzeichen von Gehirntumoren und eine starke Tendenz zu Herzkrebs. Mit viel geringeren Dosen arbeitete die Studie das Ramazzini-Instituts Bologna. Bei allen Tieren wurden Hinweise auf Hirntumore und eine starke Zunahme von Herzkrebs beobachtet. Seit 2011 wird Mobilfunkstrahlung von der Weltgesundheitsorganisation als "möglicherweise krebserregend" eingestuft.


Summe von Strahlungen

Martin Röösli, Leiter der Abteilung Umwelt und Gesundheit am Schweizerischen Tropen- und Public Health-Institut Basel, tritt vermehrt in den Medien als Experte auf (siehe auch Text auf dieser Seite). Er wird immer wieder zu Elektrosmog-Themen interviewt. Röösli relativiert mögliche Gefahren und begründet seine Aussagen damit, dass es keine wissenschaftlichen Studien gebe, um die Bedenken von mobilfunk-kritischen Menschen zu belegen. Auch mit der letzten Studie, von Röösli im Auftrag von Mobilfunkfirmen durchgeführt, gab es keine eindeutigen Beweise. "Probanden wurden lediglich einzelnen Strahlungen ausgesetzt", präzisiert ein Text von ibes.ch - Leben ohne Elektrosmog. "Die Studie ist nicht repräsentativ, weil nur einzeln die Strahlung in Kurzzeitexpositionen an Menschen getestet worden ist. Es müssen Langzeitstudien erfolgen, welche im Umfeld aller heute im Raum schwirrenden Strahlungen kombiniert durchgeführt werden."

*

Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 09/10 - 76. Jahrgang - 13. März 2020, S. 6
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77,
E-Mail: redaktion@vorwaerts.ch
Internet: www.vorwaerts.ch
 
vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-
Jahresabo: Fr. 160.-, reduziert (AHV, Stud.) 110.-
Probeabo: 4 Ausgaben gratis


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2020

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang