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VORWÄRTS/1552: Schickt Schiffe, schafft sichere Häfen


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 01/02 vom 17. Januar 2020

Schickt Schiffe, schafft sichere Häfen

von Sabine Hunziker


Zwei migrationspolitische Aktionen fordern, dass die Schweiz endlich Verantwortung übernimmt. Sie muss umgehend Massnahmen ergreifen, damit Menschen In Seenot auf dem Mittelmeer gerettet sowie rasch und dezentral aufgenommen werden können.


Seit über zwei Jahren behindert vor allem die italienische Regierung die zivile Seenotrettung massiv. Unter anderem werden Rettungsschiffe daran gehindert, sogenannte Bootsflüchtlinge an Land zu bringen. "Tage- und wochenlang müssen Aktivist*innen und die Geretteten im Mittelmeer ausharren - die Arbeit rund um die Seerettung wird kriminalisiert. Frankreich, Deutschland, Spanien, Malta, Portugal und Holland haben sich zu einer beschränkten Aufnahme von Geflüchteten bereit erklärt - nicht aber die Schweiz.

Angesichts des täglichen "Sterbens im Mittelmeer" und auf anderen Fluchtrouten nach Europa ist es an der Zeit, dass auch die Schweiz mithilft, Leben zu retten, die Not der Geflüchteten zu mindern und die Ursachen zu bekämpfen: 2018 sind laut Angaben des Hochkommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHC) mindestens 2275 Menschen ertrunken beim Versuch; das Mittelmeer zu überqueren. 3018 Menschen versuchten 2019, Europa von Libyen aus zu erreichen, wurden jedoch wieder dorthin zurückgebracht. Bekannt ist, dass Menschen, die nach Libyen zurückgeschafft werden, schwersten Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Libyen kennt kein Asylsystem, hat die Genfer Flüchtlingskonvention nicht ratifiziert und befindet sich seit 2014 in einem Bürgerkrieg.


Petition eingereicht

Um in dieser katastrophalen Situation nicht tatenlos dazustehen, sind aktuell zwei wichtige migrationspolitische Aktionen am Start: Die Petition "Sterben auf dem Mittelmeer stoppen!" mit über 20.000 Unterschriften wurde im Januar 2020 den Bundesbehörden überreicht. Die Petition wurde lanciert von den Solidaritätsnetzen Schweiz, Solidarité sans frontières sowie anderen Organisationen und zur Unterstützung der gleichnamigen Motion von SP-Nationalrätin Mattea Meyer. Sie verlangt vom Parlament und vom Bundesrat Massnahmen für eine rasche und dezentrale Aufnahme von Bootsflüchtlingen in der Schweiz. Konkret soll die Schweiz sich am Aufbau eines organisierten und finanzierten zivilen Seenotrettungssystems beteiligen. Dabei muss sich das Binnenland für eine gerechte Verteilung von Menschen einsetzen, die aus Seenot gerettet werden. Mattea Meyer reichte die Motion im Mai 2019 ein. Stand der Beratung: wurde im Rat noch nicht behandelt. Inhalt der Motion ist zusätzlich unter anderem noch die Unterstützung von Gemeinden, die sich bereit erklären, Bootsflüchtlinge aufzunehmen. Im August 2019 beantragte der Bundesrat eine Ablehnung Meyers Motion. Einer der Kommentare dazu war: Die Fragen betreffend den Aufbau eines Rettungssystems und die Weiterführung der bestehenden Operationen werden zurzeit zwischen den europäischen Staaten diskutiert.


Menschenwürde verteidigen

"Man lässt keine Menschen ertrinken. Punkt". Das sagte Pastorin Sandra Bils im Abschlussgottesdienst zum Deutschen Evangelischen Kirchentag 2019. In der verabschiedeten Resolution forderte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) auf: Schickt selbst ein Schiff! In Folge ist auf Initiative der evangelischen Kirche das breite Bündnis United4Rescue und der Trägerverein Gemeinsam Retten e.V. entstanden. Beide vertreten ein breites gesellschaftliches Spektrum: Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Unternehmen, Gewerkschaften, Kirchen, Gemeinden, Kultureinrichtungen, Sportverbände, Schulen und soziale Bewegungen.

Das Bündnis will auch Rettungsorganisationen unterstützen und vor allem dort helfen, wo akut Geld für Rettungseinsätze fehlt. Die Spendenaktion #Wirschickeneinschiff für ein Rettungsschiff, das von Sea-Watch betrieben wird, ist eine der ersten Aktionen des Bündnisses. Bald soll ein zusätzliches Rettungsschiff ins Mittelmeer geschickt werden. Ziel ist es, das Schiff im Frühjahr 2020 auslaufen zu lassen.


Das Recht auf Seenotrettung

Hier in der Schweiz fordert das Netzwerk migrationscharta.ch den Rat der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) und die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK) in einem Brief auf, sich diesem Bündnis anzuschliessen und so ein Zeichen der praktischen Solidarität zu setzen. Zudem werden den Verantwortlichen in der europäischen Staatengemeinschaft folgende Forderungen gestellt: das Recht auf Seenotrettung als Teil des Völkerrechts und das Recht auf Leben als Menschenrecht auch in der Praxis zu respektieren und an den Grenzen Europas wieder umzusetzen. Forderungen wie Massnahmen gegen die Kriminalisierung der Seenotrettung und faire Asylverfahren für Menschen, die nach Europa fliehen, sind ebenfalls aufgelistet. Jene Kommunen; die sich zu "Sicheren" Häfen" erklärt haben, sollen rechtliche Möglichkeiten erhalten, zusätzliche Schutzsuchende aufzunehmen.


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Aktion bei der Übergabe der Petition "Sterben auf dem Mittelmeer stoppen!": Die Namen der 35.997 Personen, die auf dem Weg nach Europa gestorben sind, sind auf Stoffstreifen geschrieben.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 01/02 - 76. Jahrgang - 17. Januar 2020, S. 6
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts,
PdAS und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: Vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77,
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Internet: www.vorwaerts.ch
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2020

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