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VORWÄRTS/1444: Rot ist das neue Grün!


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 05/06 vom 21. Februar 2019

Rot ist das neue Grün!

von Seyhan Karakuyu


Nach den erfolgreichen Klimastreiks der SchülerInnen gingen am 8. Februar Zehntausende von Menschen in der Schweiz auf die Strasse für mehr Klimaschutz. Es war eine der grössten Protestaktionen in der Schweiz der letzten Jahrzehnte und dies angeführt von jungen Menschen! Super, doch...


Nach den erfolgreichen Klimastreiks am 21. Dezember und 18. Januar der SchülerInnen in der ganzen Schweiz (siehe dazu auch Text unten auf dieser Seite), wurde unter dem Motto "Tut nicht so erwachsen! Unsere Erde braucht euch" zu Klimademos schweizweit aufgerufen und zwar für den 8. Februar. Ziel war es, nebst den Streiken an den Schulen den "Erwachsenen" und der Bevölkerung die Forderungen und Realität der jungen Klimabewegung zu zeigen. In 13 Schweizer Städten demonstrierten rund 60.000 Menschen für mehr Klimaschutz in Politik und Wirtschaft. "Damit ist der 'Klimastreik' in der Schweiz eine der grössten Protestaktionen der letzten Jahrzehnte, schreibt die NZZ dazu. Wer hätte gedacht, dass die junge Klimabewegung der Jugend so rasch so viele Menschen mobilisieren kann? Doch, ist alles Gold was glänzt?


Grünliberaler Charakter

Wir von der Kommunistischen Jugend Schweiz (KJS) waren natürlich dabei. Für die Demo in Basel arbeiteten wir gemeinsam mit den GenossInnen der SYKP einen Flyer aus, um die antikapitalistischen Elemente einzubringen. Doch genau dabei stiessen wir an Grenzen, die zu thematisieren sind, wie auch der junge Genosse John Kaufmann der KJ Basel zu berichten weiss. Wir sprachen mit ihm:

John, wie war dein erster Eindruck und was hast du in der Folge beobachtet?

Das erste, was auffiel war, dass Menschen aus verschiedensten Altersklassen an der Demonstration teilnahmen. Es waren alle Generationen vertreten, was ich prinzipiell gut finde. Beim Flyern auf dem Barfüsserplatz kamen dann einige Leute auf uns zu. Sie wiesen uns darauf hin, dass das Verteilen von Flyern nicht erwünscht sei. Man wolle nicht 'politisieren'. Das Apolitische zog sich dann durch den gesamten Marsch durch. Die Parolen, die durch das Megaphon angestimmt wurden, schienen mir oft ein wenig matt und angesichts der ernsten Thematik vielleicht doch ein wenig banal. Die gleiche Stimmung war auch in der Menge zu spüren. Einerseits finde ich es erfreulich, dass die Bereitschaft zum gemeinsamen Aktivismus verschiedener Generationen zu sehen war. Umso mehr finde ich es jedoch schade, dass diese Dynamik nicht effektiver eingesetzt wurde. Man scheitert daran, den politischen Hintergrund des Klimawandels aktiv zu thematisieren und verliert in meinen Augen so die Glaubwürdigkeit. Im grossen Ganzen behielt die Demonstration, trotz wenigen antikapitalistischen Elementen, einen grünliberalen Charakter.


Was denkst du sollte sich innerhalb der Klimabewegung ändern und hättest du Interesse im Komitee selbst mitzuwirken?

Die Klimaerwärmung ist ein direktes Nebenprodukt des Kapitalismus und somit ist der Umweltschutz nur im Kampf gegen den Kapitalismus effektiv. Einen Klimaprotest zu 'apolitisieren' heisst für mich, ihm jegliche Glaubwürdigkeit zu nehmen. Wichtiger als im bestehenden Komitee aktiv zu sein, ist für mich der Aufbau der Zusammenarbeit antikapitalistischer Organisationen für einen Klimaaktivismus, der sich nicht davor fürchtet, zu 'politisieren'.


Der Kapitalismus schadet dem Planeten

Anders als in Basel sind die GenossInnen der KJS in der Westschweiz, die Jeunes POP, schon länger beim Thema Umweltschutz aktiv. Bei ihnen liegen auch viele Unterlagen zum Thema Marxismus und Ökologie. Grund dafür ist sicher auch die enge Zusammenarbeit mit der COMAC, der Jugendorganisation der Partei der Arbeit Belgiens. So nahm Anfang Dezember eine Delegation aus der Westschweiz an der Klimakonferenz in Belgien teil. Im Gegensatz zu Basel war in der Westschweiz kein Verbot politischer Materialien bekannt. Die Sektion Neuenburg der Jeunes POP nahm mit einem Transparent "Der Kapitalismus schadet dem Planeten ernsthaft", Megaphon und antikapitalistischen Slogans an der Demonstration in Neuenburg teil. In der Westschweiz wurde deutlich rot-grüne Farbe bekannt. Wir sprachen mit Jordan Willemin, der an den Demos und Streiks teilgenommen hat.


Jordan, wie war die Atmosphäre an der Klimademo im Vergleich zu den Streiks?

Viele Menschen verspotten den Klimastreik, indem sie sagen, dass junge Menschen daran teilnehmen, nur um die Schule zu vermeiden. Wir konnten sehen, dass dies nicht stimmt. Bei der letzten Demonstration war die Beteiligung höher als bei den Aktionen zuvor. Die Atmosphäre war umso festlicher und die Jugendlichen konnten ihre Motivation und Entschlossenheit zur Veränderung zeigen. Alle Generationen waren bei der Veranstaltung anwesend und schufen so eine breite Front für echte Veränderungen.


Wie ist Jeunes POP in die Klimabewegung eingebunden?

Wir sind gut in die Bewegung eingebunden. Wir haben mehrere Mitglieder, die in den verschiedenen Organisationskomitees für Klimastreiks vertreten sind. Alle Sektionen der Jeunes POP nahmen an den Streiks und Demonstrationen teil. Das Umweltthema ist für unsere Jugendorganisation wichtig, daher ist es für uns selbstverständlich, aktiv an einer solchen Bewegung teilzunehmen. Wir wollen zeigen, dass der Kapitalismus das Klimaproblem nicht lösen kann, wir brauchen einen Systemwechsel.


Wie weiter!

Es ist klar, dass nicht alle, die an den Streiks und Demonstrationen teilnehmen, reformistisch oder "apolitisch" sind. Der Klimawandel ist eine der grössten Verantwortungen unserer Zeit. Diese Verantwortung wurde von der Jugend angenommen. Dies beweist, dass die Jugendlichen mitbestimmen wollen, nicht einfach fern von der Politik bleiben wollen und auf keinen Fall gewillt sind, einfach nur zu gehorchen. Es sind bald nicht mehr die Gerontokraten, also die Greise, die uns zur Seite schieben. Im Gegenteil: Die Jugend zwingt die "Grossen" auf die Strassen. Doch wie auch aus den Worten der GenossInnen zu hören ist, besteht die Gefahr, dass die dominierende grünliberale Präsenz die ganze Bewegung verpuffen lassen könnte. Es liegt an uns, den marxistischen Jugendorganisationen, Wege zu finden, um in der Bewegung das Bewusstsein zu schaffen, dass im Kapitalismus die Klimaprobleme nicht gelöst werden können, denn: Wie kann die Ursache des Problems zur Lösung beitragen? Wir müssen gegen das grünliberale Paradigma ankämpfen. Verteilt Flyer wo es geht, veranstaltet Infoabende zum Thema und kommt an den Demos mit den Jugendlichen ins Gespräch!

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 05/06 - 75. Jahrgang - 21. Februar 2019, S. 10
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77,
E-Mail: redaktion@vorwaerts.ch
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vorwärts erscheint 14-täglich,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. März 2019

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