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VORWÄRTS/1412: Gegen die Prämienbelastung


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 31/32 vom 4. Oktober 2018

Gegen die Prämienbelastung

von Tarek Idri


Die SP will eine Initiative lancieren, die die Krankenkassenprämien auf maximal 10 Prozent des Einkommens beschränken soll. Angesichts ständig steigender Prämien und immer weniger Prämienverbilligung scheint das Vorhaben in die richtige Richtung zu gehen.


Im Laufe der letzten 20 Jahre haben sich die Krankenkassenprämien mehr als verdoppelt, während die Löhne und Renten nur leicht angestiegen sind. Die Frage, wie man die Prämien bezahlen kann, ist zu einem der Hauptprobleme für viele Menschen in der Schweiz geworden.

Das soziale Ziel bei der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes - also, dass die Prämienbelastung eines Haushalts nicht mehr als acht Prozent des steuerbaren Einkommens betragen darf - wurde nie wirklich erreicht. Im Gegenteil: Die Prämienbelastung nahm seit 2010 im Durchschnitt über alle Kantone hinweg von 10 auf knapp 12 Prozent zu. Es gibt sogar Haushalte, die mehr als 20 Prozent ihres Einkommens für Krankenkassenprämien ausgeben müssen. Die individuellen Prämienverbilligungen hätten Abhilfe schaffen sollen. Auch Personen, die nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind, werden unterstützt. Allerdings wurden die Kantone damit beauftragt, für die Umsetzung der Prämienverbilligung zu sorgen. In der Folge resultieren beträchtliche kantonale Unterschiede, unter anderem bezüglich des Einkommens, das zur Berechnung der individuellen Prämienverbilligung verwendet wird.

Die eigene Beteiligung der Versicherten an den Gesundheitskosten machen fast 30 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben aus und drücken neben den Prämien, den hohen Mieten und den Steuern auf das Einkommen der Bevölkerung. Während die Prämienverbilligung laufend reduziert wird, erhöht sich die Prämienbelastung. Die Verarmung von vielen Menschen in der Schweiz ist Folge, da vom Einkommen nichts mehr zur Reserve übrigbleibt. Eine andere Folge ist, dass viele Versicherten dann nicht mehr zum Arzt/zur Ärztin gehen (können). Eine Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums zeigte, dass die Anzahl Personen, die aus Kostengründen nicht mehr zum Arzt/zur Ärztin gehen, von 6,2 Prozent (2010) innerhalb von sechs Jahren auf 16,2 Prozent (2016) gestiegen ist! Damit ist die Schweiz nach den USA das OECD-Land, in dem dieser Grund am häufigsten genannt wird.


Harmonisierte Prämienverbilligung

Die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) möchte nun eine Initiative zu diesem Thema lancieren. Die Ziele sind hochgesteckt: Untere und mittlere Einkommen sollen durch eine Begrenzung der Krankenkassenprämien auf maximal 10 Prozent - unter Berücksichtigung des Vermögens - entlastet werden. Die Prämienverbilligung unter den Kantonen soll harmonisiert und die Mittel für die Prämienverbilligung erhöht werden. Bei den Kosten der Beiträge soll der Bund fix zwei Drittel und die Kantone einen Drittel tragen. Neben dem sehr kurzen Initiativtext formuliert die SP in einem Umsetzungskonzept, wie die Initiative angewendet werden soll. Damit zeige die Partei die Richtung der Ausgestaltung auf. Allerdings legen die SozialdemokratInnen die Umsetzung der Vorlage in die gefühllosen Finger der zum Zeitpunkt der Umsetzung wahrscheinlich immer noch bürgerlichen Mehrheit von Parlament und Regierung. In ihrem Konzeptpapier macht die SP gewisse Präzisionen, was die Definition von Einkommen betrifft, und empfiehlt eine Anspruchsobergrenze: Wenn das massgebende Einkommen oberhalb dieser Grenze liegt, soll kein Anspruch mehr auf Prämienverbilligung bestehen, auch wenn die Prämienlast höher als 10 Prozent des Einkommens ist. Als mögliche Obergrenze beziffert das Konzeptpapier der SP ein Jahreseinkommen von 148 200 Franken. Bei Annahme der Initiative geht die SP von Mehrkosten im Umfang von rund 3,6 Milliarden Franken aus.

"Wir wollen der Untätigkeit des Parlaments bei der Reform des Gesundheitssystems und den wiederholten Angriffen auf die Interessen der Versicherten begegnen", sagte Nationalrätin und SP-Vizepräsidentin Marina Carobbio bei der Präsentation des Initiativtextes vor den Medien in Bern. "Die Prämienentlastungs-Initiative wird es den Haushalten erleichtern, ihre Prämien zu bezahlen. Und sie zwingt die Politik, etwas gegen die Kosten im Gesundheitswesen zu tun."

Pünktlich zum Wahljahr 2019 soll die Initiative auf den Beinen stehen: Am SP-Parteitag Anfang Dezember wird sie lanciert, im Frühjahr kann gesammelt werden.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 31/32 - 74. Jahrgang - 4. Oktober 2018, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2018

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