Schattenblick → INFOPOOL → MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE


VORWÄRTS/1388: Jordanien - Streik gegen Regierung


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 21/22 vom 14. Juni 2018

Streik gegen Regierung

von der vorwärts-Redaktion


Mit Protesten und einem Streik zwangen die JordanierInnen ihre Regierung in die Knie: Ein Gesetz, das die Preise fÜr Öl und Strom deutlich angehoben hätte, wurde zurückgezogen und Premierminister Hani Mulki trat zurück.


Selten waren sich die JordanierInnen aus allen Schichten, politischen und religiösen Lagern so einig wie bei der Ablehnung der neuen Einkommenssteuer. Und alle waren sich einig, am 30. Mai in den Streik zu treten. Sie hatten Erfolg: Das Gesetz, das die Preise für Treibstoff und Strom erhöht hätte, wurde zurückgezogen und die Regierung mit dem Premierminister wurden innert fünf Tagen gestürzt. Der jordanische Premierminister Hani Mulki trat am 4. Juni zurück. Am Tag zuvor hatten wieder Tausende DemonstrantInnen vor Mulkis Amtssitz in der Hauptstadt Amman gegen die Regierung protestiert. Am Wochenende versuchte der Premier noch, sein Vorgehen zu verteidigen. Angesichts der Schulden, die das Königreich der Haschemiten angehäuft habe und dem latenten Haushaltsdefizit, gehe kein Weg daran vorbei, die Einnahmen zu erhöhen. Ausserdem seien die Massnahmen die Vorbedingung für weitere Kredite des Internationalen Währungsfonds. Diese Politik trifft vor allem die Armen und die Mittelschicht. Es ist auch weitherum bekannt, dass der Grossteil der Steuern von der Regierung nicht für das Budget oder für den Kampf gegen Korruption eingesetzt wird. Die RegierungsfunktionärInnen geben grosszügig Geld für ihr Essen, Reisen und Löhne aus. Anfang Jahr hatte die Regierung die Umsatzsteuer drastisch erhöht und die Subventionen der Brotpreise reduziert. Vor zwei Wochen beschloss sie auch noch, die staatlich festgelegten Preise für Öl und Strom aufgrund der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt deutlich anzuheben, was die Proteste auslöste.


Noch immer Aufruhr

Selbst der jordanische König Abdullah stellte sich hinter die Demonstrierenden: "Die BürgerInnen haben absolut recht und ich werde nicht akzeptieren, dass sie leiden", liess er seine UntertanInnen wissen. Die JordanierInnen würden mit den Protesten zeigen, wie sehr ihnen an einer besseren Zukunft gelegen sei. "Was ich in den vergangenen Tagen gesehen habe, macht mich glücklich und stolz, ein Jordanier zu sein", zitierte ihn die "Jordan Times". Als die Proteste zum Wochenende hin an Heftigkeit zunahmen, wies der Monarch den Premier offenbar an, die Preiserhöhungen vorübergehend zurückzunehmen. Das beruhigte die Gemüter allerdings nicht. Und selbst jetzt, nachdem Mulki seinen Hut genommen hat, kehrt keine Ruhe ein. Immer noch demonstrieren Tausende, nicht nur in Amman, sondern auch in anderen Städten des Landes. Bis jetzt konnte sich Jordanien aus den Wirren, von denen die arabische Welt erfasst ist, heraushalten, was angesichts der Kriege im Irak und in Syrien beinahe an ein Wunder grenzt. Der Islamische Staat verschonte Jordanien. Warum, bleibt unklar. Denn auch im Reich von Abdullah gibt es DschihadistInnen. Ob sie den sozialen Aufruhr, der jetzt im Gange ist, für sich nutzen wollen und können, bleibt abzuwarten. Abdullah hat Erziehungsminister Omar Al-Rassas mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt, wie die "BBC" meldete - Al-Rassas war früher Ökonom bei der Weltbank.

*

Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 21/22 - 74. Jahrgang - 14. Juni 2018, S. 6
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77,
E-Mail: redaktion@vorwaerts.ch
Internet: www.vorwaerts.ch
 
vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-
Jahresabo: Fr. 160.-, reduziert (AHV, Stud.) 110.-
Probeabo: 4 Ausgaben gratis


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juni 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang