vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 35/36 vom 26. Oktober 2017
Schlusslicht beim Streik
von Tarek Idri
In der Schweiz wird pro Jahr bloss ein Tag auf tausend Arbeitende gestreikt. Im internationalen Vergleich belegt sie damit einen hinteren Rang. Gewichtiger Grund: das schwache Streikrecht.
Dass die Schweizer Arbeitenden wenig streiken, gilt als
allgemein bekannt. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft
(IW) zeigt nun aber, wie streikfaul die SchweizerInnen wirklich sind:
Unter den 22 untersuchten Ländern belegt die Schweiz den drittletzten
Platz. Nur in der Slowakei und in Japan fallen weniger Arbeitstage aus
durch Arbeitskämpfe. Den Spitzenplatz belegt Frankreich, wo pro Jahr
durchschnittlich 123 Tage je 1000 ArbeiterInnen die Arbeit
niedergelegt wird, in Japan gerade einmal 0,2 Tage. Zu den
streikfreudigsten Ländern in der Studie gehören neben Frankreich noch
Dänemark mit 118, Kanada mit 87 und Belgien mit 79 Ausfalltagen.
Italien und Griechenland wurden wegen fehlenden Daten nicht in der
Studie berücksichtigt, hätten wohl aber auch auf den vordersten
Plätzen rangiert: In vielen Ländern wird relativ wenig gestreikt. In
knapp der Hälfte der untersuchten Länder streiken die Arbeitenden
weniger als zehn Tage pro tausend Arbeitende. Laut Bundesamt für
Statistik wurde im letzten Jahr achtmal gestreikt, woran sich etwa
2200 Lohnabhängige beteiligten. Durch die Aktionen fielen rund 1000
Arbeitsstunden aus. Im Jahr 2015 lag diese Zahl wegen dem harten
Arbeitskampf im Baugewerbe noch bei 13000 Stunden. Die Zahl der
registrierten Streikfälle stieg aber seit 2011 an und liegt seither
konstant über sieben Fälle pro Jahr. Am meisten streiken die
BauarbeiterInnen (29 Prozent) sowie die Staatsangestellten (28
Prozent). Im Transport kommt es vergleichsweise selten zum Streik: Nur
zwei Prozent der Fälle fanden seit 2008 in dieser Branche statt.
Im Vergleich zu früheren Zeiträumen kann das unternehmerInnennahe IW im untersuchten Zeitraum von 2007 bis 2016 international einen Rückgang der Ausfalltage beobachten (in der Schweiz allerdings stieg die Anzahl der jährlichen Streiks seit 1990). Die SpitzenreiterInnen bei den Streiks hätten aber bereits in früheren Zeitperioden mehr Streiktage verzeichnet. Die Studie erklärt entsprechend die grossen Unterschiede zwischen den Ländern mit einer "historisch gewachsenen Streikkultur. Ein weiterer Erklärungsfaktor seien politische Streiks. Während diese in Ländern wie Griechenland, Frankreich, Beglien oder Spanien eine Renaissance erleben, werden sie Deutschland, Japan und auch in der Schweiz nicht durchgeführt. Zurückgeführt werden kann das auf die arbeiterInnenfeindliche Gesetzgebung: In Deutschland und in der Schweiz sind politische Streiks halbillegal. In der eidgenössischen Verfassung steht zum - Beispiel: "Streik und Aussperrung sind zulässig, wenn sie Arbeitsbeziehungen betreffen." Weiter verweist der Verfassungsartikel zum Streikrecht darauf, dass dem Streik die Wahrung des "Arbeitsfriedens oder Schlichtungsverhandlungen vorgehen. Der Streik wird somit rechtlich zum äussersten Mittel im Arbeitskampf.
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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 35/36 - 73. Jahrgang - 26. Oktober 2017, S. 2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2017
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