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VORWÄRTS/1292: Keine Rechtsgleichheit


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 19/20 vom 10. Juni 2017

Keine Rechtsgleichheit

von Tarek Idri


Der Familiennachzug gestaltet sich für MigrantInnen, besonders für vorläufig Aufgenommene, in der Schweiz sehr schwierig. Das Positionspapier der Caritas zum Familiennachzug fordert unter anderem das Ende der Benachteiligung von Nicht-EU-Angehörigen und die Förderung der Arbeitsintegration.


Das Positionspapier der Caritas zur Diskussion um den Familiennachzug zeigt auf, dass die Schweiz vielen MigrantInnen das Recht auf ein Familienleben vorenthält. Schlimmer noch: Regelmässig wollen politische Vorstösse das Recht, die Familie in die Schweiz nachkommen zu lassen, weiter einschränken. Die Unmöglichkeit, mit der Familie zusammenzusein, bedeutet für die Betroffenen eine grosse Not. Die stetigen Einschränkungen stehen aber auch im Widerspruch zu völkerrechtlichen Verpflichtungen, welche die Schweiz mit der Unterzeichnung der Europäischen Menschenrechtskonvention und Uno-Kinderrechtskonvention eingegangen ist.

Mit den rigiden Regeln beim Familiennachzug verwehrt die Schweiz vielen Menschen das Recht, ihre Angehörigen in die Schweiz zu holen und ein Familienleben zu pflegen. Die Rechtslage gestaltet sich unterschiedlich je nach Herkunft und Aufenthaltsstatus der Person, die ein Gesuch auf einen Familiennachzug stellt. Menschen mit Schweizer Pass mit Familienmitgliedern von ausserhalb der EU sind beim Familiennachzug schlechter gestellt als EU-BürgerInnen. Nahezu verunmöglicht wird der Nachzug der engsten Familie jedoch für Menschen mit einer Aufenthaltsbewilligung oder für vorläufig Aufgenommene: Die strengen wirtschaftlichen Kriterien und Wartezeiten sind nicht zu erfüllen. Für die vorläufig Aufgenommenen kommt erschwerend hinzu, dass sie grundsätzlich erst drei Jahre nach Anordnung der vorläufigen Aufnahme ein Gesuch um Nachholung der Ehegatten und minderjährigen Kinder stellen können. Diese unterschiedlichen Rechtslagen untergraben gemäss dem Caritas-Papier das Prinzip der Rechtsgleichheit.


Ein Zweiklassensystem

Nach dem Willen der herrschenden Politik soll der Familiennachzug für die unteren Einkommensschichten am besten ganz abgeschafft werden. So plädierte der SVP-Nationalrat Heinz Brand für ein Zweiklassensystem, als er vor den Medien 2014 erklärte, nur noch die AusländerInnen mit den besten Qualifikationen sollten ihre Angehörigen nachziehen dürfen. "Die Hilfskräfte sind substituierbar und deshalb auch vom Familiennachzug ausgeschlossen."

Im Positionspapier werden verschiedene Forderungen aufgestellt. Unter anderem sollen die im Ausländerrecht bestehenden Benachteiligungen gegenüber Nicht-EU-Angehörigen abgeschafft und das Recht zum Nachzug demjenigen des Freizügigkeitsrechts angepasst werden. Alle müssen gleichermassen das Recht haben, Ehegatten, eingetragene PartnerInnen sowie Kinder und Stiefkinder bis 21 Jahre nachzuziehen. Die Lebensart muss frei wählbar sein und die Staatsangehörigkeit gehört als Kriterium abgeschafft. Bei denjenigen Betroffenen, die eine Arbeitsstelle haben oder sich darum bemühen, darf die finanzielle Situation oder der Sozialhilfebezug kein Kriterium für den Familiennachzug bilden. Es muss vielmehr die Arbeitsintegration gefördert werden.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 19/20/2017 - 73. Jahrgang - 10. Juni 2017, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juli 2017

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