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VORWÄRTS/1066: Wie weiter bei NZZ-Print?


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 43/43 vom 12. Dezember 2014

Wie weiter bei NZZ-Print?

Von Jonas Komposch



Der NZZ-Konzern will seine Druckerei in Schlieren schliessen und bis zu 125 ArbeiterInnen entlassen. Die Gewerkschaften werden dennoch gebeten, "Vorschläge zu erarbeiten, wie Kündigungen vermieden werden können."


Der Kurs der NZZ-Aktie schnellte in die Höhe, als die Konzernleitung Ende November mitteilte, den Druckereistandort Schlieren (ZH) per Ende Juni 2015 dichtzumachen. Die "NZZ" und deren Sonntagsausgabe würden künftig bei der Konkurrentin Tamedia gedruckt. Diesbezüglich existiere bereits ein "langfristig bindender" Vertrag. Der Schliessungsentscheid wird mit dem anhaltenden Strukturwandel der Medienbranche begründet. So sei die Auflage der gedruckten Ausgabe seit 2008 um 36.000 Exemplare gesunken, wovon aber 18.000 durch digitale Abos ersetzt worden seien. Im Druckereigewerbe gebe es zudem "erhebliche Überkapazitäten". Ein zweistelliger Millionenbetrag wäre laut NZZ zu investieren, um die 1989 erbaute Druckerei zu erhalten, was sich "wirtschaftlich nicht rechtfertigen" lasse. Den Konkurrenzdruck massgeblich erhöhen dürfte wiederum Tamedia. Wie die "Handelszeitung" berichtete, verfügt Tamedia über eine neue Druckmaschine mit enormer Kapazität. Mit günstigen Produktionskosten soll ein Sog im Druckereimarkt erzeugt werden. Tamedia könnte so seine Vormachtstellung ausbauen und die Branche weiter monopolisieren. Das Angebot scheint so attraktiv, dass nun auch die NZZ, deren Traditionsbewusstsein und Eigenständigkeit oft betont wurde, gewillt ist, sich "an das veränderte Marktumfeld anzupassen".


Branche In der Krise

Dass der Zeitungsmarkt, besonders dessen Printbereich, zunehmend Einbussen zu verzeichnen hat, ist bekannt. Laut Viscom, dem Unternehmerverband der grafischen Industrie, haben sich die Beschäftigtenzahlen wie folgt reduziert: Vor 25 Jahren beschäftigte die Branche 70.000 ArbeiterInnen, 2013 waren es noch 18.000. Der Schliessungsentscheid kommt auch in Schlieren weder unerwartet noch alleine. Fast zeitgleich kündigte die Société neuchâteloise de presse (SNP) an, ihren Standort zu schliessen, 31 Entlassungen vorzunehmen und den Druck an eine Tamedia-Tochter nach Lausanne auszulagern. Ebenfalls werden in Appenzell zwei Druckereien zusammengelegt. Abgänge sollen über die natürliche Fluktuation bewältigt werden.

Die Krise der Branche ist indes nicht nur auf die technischen Umwälzungen und auf die Digitalisierung zurückzuführen. Die Konzentrationsprozesse profitorientierter Medienunternehmen zwingen zu ökonomischer Rationalisierung in allen Bereichen. Aus dieser Position der Schwäche ist es freilich eine Herausforderung, ArbeiterInnenforderungen durchzusetzen. So klagt die Gewerkschaft syna: "Die einst stolze Branche, mit Vorzeigecharakter, mit einem der fortschrittlichsten Gesamtarbeitsverträgen, den die Schweizer Arbeitswelt hatte, zeigt gnadenlose Auflösungserscheinungen." Ob aber solche in Nostalgie schwelgenden Wehklagen zu Erfolgen führen, darf bezweifelt werden.


"Vorschläge erarbeiten"!

Die Gewerkschaften syndicom und syna empören sich, weil sie nicht früher informiert wurden und den NZZ-Entscheid via Medien erfahren mussten. Sie wünschen, bei Schliessungsentscheiden in ein vorgängiges Konsultationsverfahren miteinbezogen zu werden, so wie es der bis 2015 geltende GAV vorschreibe. Nur sei der GAV mittlerweile derartig schwammig geworden, dass sich die UnternehmerInnen nicht mehr daran halten würden. Die Rede ist vom selben GAV, den die Gewerkschaften selbst akzeptiert und unterzeichnet haben. Dafür gab es verschiedentlich Kritik. Eine "Kapitulation auf ganzer Linie" bezeichnete etwa syndicom SOS, eine Gruppe von kritischen BasisgewerkschafterInnen, die Haltung der Gewerkschaftsführung in dieser GAV-Verhandlung.

Berechtigt ist hingegen die Empörung der Gewerkschaften, wenn diese aufgefordert werden, Vorschläge zur Arbeitsplatzerhaltung zu erarbeiten. Der Deal mit Tamedia steht ja bereits. Der NZZ-Konzern bedient sich hiermit einer beliebten Strategie: Die Lohnabhängigen werden als gleichberechtigte Teile des ganzen Unternehmens gezeichnet. Nicht bloss das Management soll sich um die ArbeiterInnen kümmern. Sie selbst sind dazu aufgerufen, ihr Schicksal zu schmieden. Urplötzlich sollen sich die ArbeiterInnen um die Unternehmensführung sorgen und strategische Vorschläge zur Sicherung ihrer Arbeitsplätze liefern. Produktivitätssteigerung und Kostensenkung als ArbeiterInnenforderung? Auch das würde nicht verhindern, dass im Kapitalismus der technologische Fortschritt die Einkommensquelle der Lohnabhängigen bedroht. Erfolgsversprechender sind Kampfmassnahmen, die dem Unternehmen ernsthaften Schaden zufügen. Wie etwa der Arbeitskampf bei ARO-Druck 2003 gezeigt hat, sind den Unternehmen nur durch ökonomischen Druck akzeptable Abfindungen abzuringen.

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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 43/44 - 70. Jahrgang - 12. Dezember 2014, S. 4
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Dezember 2014


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