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VORWÄRTS/673: 70 Jahre Kommunistenverbot


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 28/29 vom 13. August 2010

70 Jahre Kommunistenverbot

Von Jan Meier


Am 8. August jährt sich das Verbot "kommunistischer Aktivitäten und Propaganda" zum siebzigsten Mal. Ironischerweise wurde einige Monate vorher bekannt, dass der Nachrichtendienst der Klassenjustiz wiedermal, oder besser gesagt immer noch Unmengen von Informationen sammelt, vor allem über die politisch aktiven Teile unserer Bevölkerung.


Am 6. August 1940 verbot der Bundesrat jegliche "kommunistischen Aktivitäten und Propaganda" und am 27. November desselben Jahres wurde die Kommunistische Partei der Schweiz (KPS) verboten. Etwas später wurde die Sozialistische Jugend der Schweiz (SJS), die eine führende Rolle bei der Gründung der KPS spielte, und dann auch die von Léone Nicole angeführte Fédération Socialiste Suisse (FSS) verboten. Diverse Zeitungen wurden zusätzlich verboten: die "Freiheit", "Le Travail" und "Le Droit du Peuple". Schon einige Jahre vorher wurden solche Verbote auf kantonaler Ebene durchgeführt: in Neuenburg, Waadt und Genf, und sogar in den Kantonen Schwyz, Uri und Obwalden, in denen es nicht einmal Sektionen gab!

Diese Verbote müssen natürlich in einem grösseren Kontext verstanden werden. Auf der einen Seite herrschte der vom faschistischen Deutschland geführte Krieg, an dem sich nach einer gescheiterten Beschwichtigungspolitik mit Hitler langsam auch die anderen imperialistischen Mächte beteiligten. Auf der anderen Seite müssen wir die Verbote als "Schlussglied" einer Kette, die bis in die frühen zwanziger Jahre zurückreicht, verstehen.

Spätestens mit dem Generalstreik 1918 und der späteren Gründung der KPS war die bürgerliche Angst vor einer Überwindung des Kapitalismus und somit einer Beseitigung ihrer Privilegien geweckt worden. Schon 1922 wurde versucht, ein "Gesetz über die öffentliche Ordnung" einzuführen, welches vom Volk zu diesem Zeitpunkt sowie auch 1934 und 1936 abgelehnt wurde.

Trotzdem wurden zahlreiche antikommunistische Massnahmen eingeführt, unter anderem eine, die es KPS-Mitgliedern verbot, in der Bundesverwaltung zu arbeiten, da ihre Zugehörigkeit zu einer Organisation, die "unter ausländischem Einfluss und Abhängigkeit stand", ein Widerspruch zu ihrer "Treue zur Eidgenossenschaft" darstellen würde. Dies und weitere Versuche, die der Dritten Internationale angehörenden KPS als "unschweizerisch" und lediglich als Marionette ausländischer Mächte darzustellen, waren Vorwürfe, die Jahre später in einer ähnlichen antikommunistischen Hysterie auch gegen die Partei der Arbeit gerichtet werden sollten.


Antikommunismus

Der Antikommunismus der Vorkriegsjahre war nicht zuletzt bei der Verfolgung und Kriminalisierung der heimkehrenden Spanienkämpfer zu sehen: Viele wurden zu Haftstrafen verurteilt, wobei Schweizer, die auf faschistischer Seite gekämpft hatten, keinen Repressalien ausgesetzt waren. Die hier aufgeführten Massnahmen sind auch nur einige der zahlreichen repressiven Schritte gegen linke und kommunistische Parteien - es gab viele weitere.

Bekanntlich mündete diese antikommunistische Hysterie schliesslich in ein bundesweites Verbot der KPS. Die SP hatte ein ambivalentes Verhältnis zu den Verboten. Obwohl die Partei diese Verbote am Anfang unterstützt hatte, änderte sich die Haltung der Sozialdemokraten, besonders nach dem faschistischen Überfall auf die UdSSR und dem Sieg bei Stalingrad.

Die KPS war natürlich bei weitem nicht die einzige kommunistische Partei, die damals verboten wurde und wie die kommunistischen Parteien vieler anderer Länder auch, führte sie ihre Arbeit als KP im Untergrund weiter. Diese Arbeit bestand vor allem aus einer illegalen Presse, die Flugblätter, Zeitschriften und so weiter an geheimen Orten druckte. Die Mitglieder, als Mitglieder der Partei aber auch der gesamten Arbeiterbewegung, führten ihre Arbeit in den Gewerkschaften weiter und nützten, im marxistisch-leninistischen Sinne, alle weiteren legalen Möglichkeiten aus. Im internationalistischen und antifaschistischen Sinne spielten Mitglieder der Partei eine Rolle in der Unterstützung der italienischen Partisanen und der französischen Résistance-Kämpfer. Auch konnte die Kommunistische Partei Deutschlands, führend im Widerstand gegen Hitler, auf die Unterstützung der Schweizer Kommunisten zählen. Zudem gab es Sabotageaktionen in der Schweiz, zum Beispiel als Güterzüge in Muttenz, die nach Italien fahren sollten, vor der Fahrt mit Sand beschmiert wurden. Nicht zuletzt wurde zahlreichen Flüchtlingen mit kommunistischer Hilfe, unter anderem von dem späteren PdA Mitglied Heiri Strub, der Grenzübertritt in die Schweiz ermöglicht. Die formellen Parteiverbote wurden 1945 zwar aufgehoben, doch die antikommunistische Politik ging weiter. Die damals junge PdA wurde dem Antikommunismus des Kalten Kriegs ausgesetzt und musste repressive, undemokratische Massnahmen hinnehmen.

1999, als Antwort auf eine Interpellation der sozialdemokratischen Fraktion des Nationalrats, rechtfertigte der Bundesrat die Verbote. Nur zu gerne würde ich heute behaupten, dass diese undemokratischen, repressiven Tendenzen Sache der Vergangenheit sind, doch die zum Teil willkürliche Überwachung und die teilweise sehr gezielte Überwachung von Teilen unserer Bevölkerung, die neulich ans Licht gekommen ist, belehrt mich eines Besseren. Die Geschichte hat wohl genug gezeigt, dass es nicht lediglich beim Informationen Sammeln bleibt, sobald es eine Krise im Kapitalismus gibt und antikapitalistische Bewegungen stärker werden.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 28/29 - 66. Jahrgang - 13. August 2010, S. 2
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2010