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VORWÄRTS/796: Europaweiter Aktionstag am 29. Februar 2012


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr.05/06 vom 10. Februar 2012

Europaweiter Aktionstag

Von Georg Polikeit


Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) spricht sich klar gegen das geplante "Fiskalpaket" aus, das eine Verschärfung der Sparzwangpolitik vorsieht. Der EGB ruft für den 29. Februar, den Vorabend des nächsten EU-Gipfels, zu einem europaweiten Aktionstag auf.


Die europäischen Gewerkschaften sollen am letzten Tag im Februar parallel in ihren jeweiligen Ländern Aktionen organisieren, um "über den Ernst der Situation zu alarmieren". Sie sollen dafür demonstrieren, dass "Beschäftigung und soziale Gerechtigkeit nicht länger die vergessenen Punkte auf den europäischen Tagesordnungen bleiben". Bernadette Ségol, die Generalsekretärin des EGB, erklärte dazu: "Die europäischen Gewerkschaften mobilisieren, um zu sagen: Genug ist genug!" Die von den EU-Zentralen vorgegebene Sparpolitik dürfe nicht die einzige Antwort auf die Krise bleiben. Sie erzeuge enorme soziale Schäden. Das einzige Ziel des sogenannten "Fiskalpakts", der am 1. März auf dem nächsten EU-Gipfel unterzeichnet werden soll, ist es, die öffentlichen Defizite zu reduzieren, wie auch immer die sozialen Auswirkungen sein mögen. "Man kann nicht länger fortfahren, Massnahmen aufzuzwingen, die nicht funktionieren, die die Länder weiter in die Krise, hineintreiben und zur Verarmung von immer mehr Menschen führen."

In einer Erklärung zum "Fiskalpakt", die das Leitungskomitee des EGB beschlossen hat, wird erklärt: "Der EGB stellt sich gegen diesen neuen Vertrag". Dieser Vertrag, heisst es weiter, schreibe "nur immer wieder das Gleiche vor: Sparzwang und Haushaltsdisziplin". Das werde die Mitgliedsstaaten zu einer schädlichen prozyklischen Haushaltspolitik zwingen und "einen Druck zur Absenkung der Löhne und Arbeitsbedingungen erzeugen". Betont wird: "Ohne nachhaltige Investitionen für mehr Wachstum werden die Sparmassnahmen die Krise des Euro und die Beschäftigungskrise nicht lösen (...) In die nationalen Verfassungen oder Gesetzgebungen eine strikte Einhaltung von Regeln für öffentliche Defizite einzuführen, wird die gegenwärtige Krise nur vertiefen". Die "Wirtschaftsregierung" werde "als ein Mittel benutzt, die Mechanismen und Ergebnisse von Tarifverhandlungen einzugrenzen, die Systeme der sozialen Beziehungen zu attackieren und einen Druck zur Senkung des durch Tarifverträge ausgehandelten Lohnniveaus aufzuzwingen, die soziale Absicherung und das Streikrecht zu schwächen sowie die öffentlichen Dienste zu privatisieren". Der EGB werde "diesen Angriffen aktiven Widerstand entgegensetzen".


Gefangen in der Sozialpartnerschaft

Allerdings bleibt der Text der Erklärung trotz dieser gerechtfertigten kritischen Einschätzungen weitgehend in sozialpartnerschaftlichen Illusionen verhaftet. Er erweckt den Eindruck, dass der EGB in Gesprächen und Verhandlungen auf der Ebene der "Sozialpartner" mit den derzeitigen Führungskreisen der EU beziehungsweise Euro-Gruppe eine "Verbesserung", sprich "Ergänzung" der EU-Verträge und einen anderen Kurs zur Bewältigung der EU-Krise erreichen könnte. Dementsprechend werden vor allem "eine andere Rolle der Europäischen Zentralbank" (EZB) als "Geldgeber letzter Instanz" sowie die Einführung von "Euro-Obligationen" als Ausweg aus der Krise befürwortet. Die Erkenntnis, dass der kritisierte Druck auf Löhne und Sozialabbau sowie Deregulierung der Arbeitsverhältnisse kein Nebenprodukt des EU-Sparkurses, sondern der eigentliche gewollte Zweck des neuen Vertrags und der neuen Vollmachten für die Euro-Behörden sind, hat sich offenbar in der EGB-Führung noch nicht herumgesprochen.

Immerhin unterstützt der EGB aber die richtige Forderung nach der Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Gefordert wird ferner die Einführung eines "Sozialen Fortschritts-Protokolls" in die EU-Verträge, "um die Achtung der sozialen Grundrechte zu garantieren". In die gleiche Richtung geht die Forderung nach einer "Lohnerhaltsklausel" in die EU-Abkommen. Damit müsse "die vollständige Respektierung der Autonomie der Sozialpartner zu kollektiven Tarifverhandlungen" vorgeschrieben und verhindert werden, dass sich der Fiskalpakt "in das Gebiet der Löhne, der kollektiven Tarifvertragssysteme, der kollektiven Aktion und Organisation einmischt". Löhne seien "keine Bremse der Wirtschaft, sondern ihr Motor".


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 05/06/2012 - 68. Jahrgang - 10. Februar 2012, S. 6
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2012