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VORWÄRTS/730: Eine Frage der Erkenntnisse


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 19/20/2011 vom 27. Mai 2011

Eine Frage der Erkenntnisse

Von Siro Torresan


Am 14. und 15. Mai fand in Zürich der 20. Kongress der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) statt.[*] Heftig diskutiert wurde über die Frage der Zugehörigkeit zur Europäischen Linkspartei. Dahinter steckt aber eine viel grundsätzlichere Frage: Welche politische Ausrichtung soll die Partei annehmen. Diese Frage hat Sprengpotential, sie ist aber gleichzeitig eine grosse Chance und Herausforderung.

Wo steht die PdAS nach ihrem Parteitag? Ist sie einen Schritt weitergekommen? Oder trampelt sie am gleichen Ort und hat sinnlos viel Energie für nichts verpufft? Oder hat sie gar einen Rückschritt zu beklagen? Die Antworten liegen in den Erkenntnissen, die aus dem Kongress gezogen werden können und darin, ob die Partei aus diesen Erkenntnissen heraus fähig ist, die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Ein guter Beginn, um den Erkenntnissen auf die Spur zu kommen, ist die Aussage eines jungen Genossen, der zum ersten Mal einen Kongress der PdAS miterlebte. Er sagte: "Die Partei hat eine ganze Menge an Demokratie ertragen. Das ist doch ein gutes Zeichen." In der Tat, der Kongress zeichnete sich durch lebhafte und teilweise äusserst kontroverse Diskussionsbeiträge aus sowie durch die vielen Abstimmungen über ebenso viele Anträge. Dies ist ohne Wenn und Aber ein Zeichen, dass die Partei trotz ihren Widersprüchen lebt. Und noch was zum Thema parteiinterne Demokratie und Meinungsverschiedenheiten: Wer noch glaubt, dass die AktivistInnen der PdAS ein Haufen kopfnickender Ja-SagerInnen sind, die kommentarlos die Befehle und Vorgaben der Parteileitung absegnen, dem sei der Besuch des nächsten Kongresses empfohlen. Auch die letzten "Kalten KriegerInnen" werden sich vom Gegenteil überzeugen lassen müssen.


Die "versteckte" Frage

Starke Emotionen weckte die Diskussion um den Verbleib der PdAS in der Europäischen Linkspartei (ELP). Das Resultat sei vorweggenommen: Der Kongress sprach sich mit einer doch deutlichen Mehrheit für den Verbleib aus. Viel knapper wurde es, als die Frage gestellt wurde, ob die PdAS als Vollmitglied in der ELP bleiben oder in den so genannten "Beobachterstatus" wechseln soll. Für die Vollmitgliedschaft sprachen sich 23 Delegierte aus, für den Beobachterstatus 21. Was bringt eine Diskussion über den Verbleib in der ELP? Es ist eine Frage der Bündnispolitik der Partei. Darüber zu diskutieren ist legitim und auch notwendig. Und der Kongress ist der demokratische Ort dazu. Sicher ist aber auch - und dies wurde mehrmals von den GenossInnen unterstrichen -, dass sich die PdAS mit viel wichtigeren Fragen zu beschäftigen hat.

Die Diskussion zur ELP wurde sehr hart geführt, blieb in der Regel aber sachlich. Natürlich gab es Ausnahmen, welche die Regel bestätigten und abstruse Formen annahmen. Es waren Redebeiträge, die im bekannten und ebenso nutzlosen Verbalradikalismus nach einer "klaren marxistischen und kommunistischen Linie" schrien, während andere sich selber diskreditierten und lächerlich machten mit Vorwürfen wie "Sektierer" und "Linksextremisten". Doch hinter der Diskussion um die ELP "versteckt" sich die Frage der politischen Ausrichtung der Partei. So zeigte der Kongress deutlich, dass innerhalb der PdAS ein grosser Diskussionsbedarf über die aktuelle, aber vor allem über die künftige politische Ausrichtung der Partei besteht. Diese Tatsache ist die erste wichtige Erkenntnis des Kongresses.


Unüberwindbare Hürde oder Herausforderung

Somit ist gesagt, dass die bevorstehende und nötige Programmdiskussion eine ziemliche Härteprüfung für die PdAS werden wird. Denn in der Frage der politischen Ausrichtung gibt es innerhalb der Partei Positionen die, gar nicht so überspitzt formuliert, vom Revolutionären Aufbau bis in die Mitte der SP reichen. Wie damit umgehen? Es gibt zwei Wege, die beschritten werden können: Der einfache ist, die kontroversen Positionen als unüberwindbare Hürden zu sehen und zu bezeichnen. Die Programmdebatte wird so zu einem sinnlosen, dummen Linienstreit führen, dessen Risiko mehr als bekannt ist: Es entstehen zwei oder drei noch kleinere Parteien oder Gruppierungen, die jede für sich alleine die absolute "Sozialistische" oder "Kommunistische" Wahrheit beanspruchen. Dann gibt es den schwierigeren Weg. Dieser versteht und bezeichnet die aktuellen Probleme und Risse innerhalb der PdAS als eine politische Herausforderung für die Zukunft. Als dialektische Chance, eine neue, gemeinsame politische Kultur zu erarbeiten. Sie ist die Basis für die nötigen, gemeinsamen Grundwerte, um Antworten und Forderungen auf die brennenden, gesellschaftlichen Probleme zu formulieren und zu fordern. Ein unbestrittener Grundwert muss der Marxismus als eines der wichtigsten Instrumente der Gesellschaftsanalyse bleiben.

Genau so wichtig ist es aber, dass die Partei lernt, mit Mehrheits- und Minderheitspositionen in den eigenen Reihen umzugehen. Es gibt Gemeinsamkeiten, die gar nicht wenige sind. Aber es wird unmöglich sein, ein Parteiprogramm zu erarbeiten, mit dem alle in allen Punkten zufrieden oder gar einverstanden sein werden. Deutlich wurde dies am Kongress dadurch, dass drei Genossen, die gegen den Verbleib in der ELP waren, ihre Kandidatur für die PL kurz vor der Wahl zurückzogen. Kein gutes Zeichen, aber ein weiterer Beweis, dass die Frage der politischen (Streit-)Kultur die zentrale Herausforderung der PdAS ist. Und dies ist die zweite, wichtige Erkenntnis des 20. Parteitages.


"Wir werden nicht ruhen"

Es gibt eine dritte, wichtige Erkenntnis: Die PdAS ist durchaus in der Lage, eine gute und fruchtbare Debatte zu führen. Und zwar dann, wenn sie sich auf zentrale Anliegen wie die Nationalratskampagne konzentriert. So geschehen am zweiten Kongresstag, als das Grundlagendokument der PL diskutiert wurde. Die oft sehr guten Beiträge und Kritiken werden nun in das definitive politische Dokument zu den Nationalratswahlen 2011 fliessen. Der Kongress beschloss einstimmig, eine gesamtschweizerische Wahlkampagne durchzuführen. Diese ist als Ergänzung zu den kantonalen Kampagnen gedacht und beinhaltet Themen wie "Arbeit", "Demokratie" und "Wohnen". Neben dem politischen Dokument sollen spezifische Flyer mit den konkreten Forderungen und dem gemeinsamen Slogan "Wir werden nicht ruhen" erstellt werden. Und um das Bild abzurunden, sollen die Webseiten der Partei verbessert werden, da diese besonders vor den Wahlen eine wichtige Funktion inne haben.

Wo steht nun die PdAS nach ihrem 20. Parteitag? Die Antwort ist... "einfach und logisch": Hat sie die Fähigkeit, die richtigen Schlüsse aus dem Kongress zu ziehen, ist sie mit Sicherheit einen Schritt weiter.


[*]PARTEITAG

Am 14. Und 15. Mai fand in Zürich der 20. Kongress der Partei der Arbeit der Schweiz (PdAS) statt. Rund 50 Delegierte aus der ganzen Schweiz und zahlreiche weitere AktivistInnen der PdAS erlebten einen sehr lebhaften Parteitag. Am Samstag, 14. Mai freute sich der Kongress über die Besuche der Botschafter aus Vietnam und Kuba. Beide überbrachten solidarische Grussbotschaften der Kommunistischen Parteien ihrer Länder und bedankten sich für die langjährige Solidarität. Danach folgte die Debatte über die weitere Zugehörigkeit der PdAS zur Europäischen Linkspartei (ELP). Nach gut vier Stunden Diskussion, die teilweise sehr hart geführt wurde, sprach sich der Kongress deutlich für den Verbleib in der ELP aus.

Am Sonntag diskutierten die Delegierten das Grundsatzdokument zu den kommenden Nationalratswahlen. Einstimmig wurde eine gemeinsame Kampagne mit dem Slogan "Wir werden nicht ruhen" beschlossen, welche die Kampagnen der einzelnen Sektionen ergänzen wird. Am Nachmittag wurden das Zentralkomitee und die Parteileitung neu gewählt. Als Präsident der PdAS ist der Tessiner Genosse Norberto Crivelli bestätigt worden.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 19/20/2011 - 67. Jahrgang - 27. Mai 2011, S. 5
Extrabeilage zum 20. Kongress der PdAS
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: Vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77,
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Internet: www.vorwaerts.ch

vorwärts erscheint 14-täglich,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2011