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VORWÄRTS/725: Das AKW-Märchen


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 17/18/2011 vom 13. Mai 2011

Das AKW-Märchen

Von Alexandra Takhtarova


Sogar ein Verwaltungsrat des Energiekonzerns "Axpo" behauptet gegen AKWs zu sein und fügt hinzu, dass es aber anders nicht gehe. Und wer das glaubt, der ist schon mittendrin im ganzen AKW-Märchen der Atomlobby.


Dass AKWs nicht sicher sind, haben die Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima bewiesen. Dass unsere AKWs sicherheitstechnisch nicht mehr viel taugen, bewiesen, unter anderem, die von der WOZ veröffentlichten Sicherheitsberichte. Mit der Sicherheit der AKWs, obwohl die sicherlich eine grosse Rolle spielt, will ich mich nicht auseinander setzen. Vielmehr sollen erneuerbare Energien und die bisherige Förderpolitik in der Schweiz aufgezeigt werden.


Erneuerbare Energien

Der Anteil der AKWs an unserer Stromproduktion beträgt 39,3 Prozent. Der Rest verteilt sich mit 55,9 Prozent auf die Wasserkraft, mit 0,6 Prozent auf neue erneuerbare Energieträger (Biogas, Photovoltaik, Windenergie und Kleinwasserkraftwerke) und mit 4,2 Prozent auf konventionell-thermische Enegrieträger. Unter den konventionell-thermischen Energieträgern versteht man fossile Brennstoffe wie Kohle, aber auch erneuerbare Träger wie Geothermie (Erdwärme) und Sonnenenergie. Rund ein Viertel von diesen konventionell-thermischen Energieträgern ist erneuerbar. Fazit: Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Gesamterzeugung liegt bei 57,8 Prozent. Wasserkraft verwandelt die gespeicherte Energie im Wasser in elektrische Energie und leistet einen wichtigen Beitrag zur Gesamtstromproduktion. Zwar gilt die Wasserkraft als eine erneuerbare Energiequelle, aber sie hinterlässt bedenkliche ökologische Schäden beim Artenspektrum, beim Wasserhaushalt, bei der Struktur der Flüsse sowie viele weitere Schäden. Und wenn man dies begriffen hat, hat man schon den ersten Grundsatz verstanden: Es kommt eben darauf an, welche erneuerbaren Energieträger gefördert werden. Vor allem hat die Wasserkraft 90 Prozent ihres Potentials in der Schweiz bereits ausgeschöpft und sie zu fördern, auch in Bezug auf die ökologischen Schäden, macht keinen Sinn. Was aber Potential hat, sind die sogenannten Speicherseen. Die Atomkraftwerke, aber auch die Flusskraftwerke (ein Teil der Wasserkraft) produzieren jeweils immer die gleiche Menge, nur verbrauchen wir in der Nacht kaum Strom und es entsteht ein Stromüberfluss. Dies ist auch der Grund, warum man in der Nacht sogar Geld erhält, wenn man Strom braucht, weil der Strom an der Börse in der Nacht einen negativen Preis hat. Im Moment braucht man diesen überflüssigen Strom der AKWs, um Wasser in speziell gebaute Speicherseen zu pumpen. Dort wird die gespeicherte Energie über Nacht sozusagen gelagert, bis es am nächsten Tag wieder runter gepumpt wird und somit wieder als Strom brauchbar ist. Das gleiche Konzept lässt sich auch auf fast alle erneuerbaren Energien anwenden, vor allem auf die Geothermie, die Flusskraftwerke und die Windenergie. Doch zu dieser Strategie gehört trotzdem eine starke Förderpolitik der erneuerbaren Energien, Investitionen in stromsparende Geräte sowie ganz einfache Verbote (siehe Glühbirnen).


Förderpolitik

In der Schweiz werden erneuerbare Energien, kurz und simpel ausgedrückt, zu wenig gefördert. Einige Massnahmen bringen lächerlich wenig und andere bremsen die Förderung von Alternativen sogar, anstatt sie wie versprochen voran zu treiben. Hier kommen wir langsam an einen kritischen Punkt: Wie soll man effektive Gesetze/Massnahmen zur Förderung erschaffen, wenn in der Politszene eine starke Atomlobby vertreten ist? Die Fördermassnahmen müssen an unterschiedlichen Orten ansetzen und zwar wäre da erstens die Stromeffizienz der Elektrogeräte. Bei der Beleuchtung besteht ein Sparpotential von mehr als 80 Prozent, auch müssen Elektrogeräte der schlechten Klassen C bis G schlicht und einfach weg vom Markt. Denn mit effizienten Elektrogeräten lässt sich der Stromverbrauch extrem reduzieren. Ein konkretes Beispiel wären dafür Elektroheizungen, deren Installation bei Neubauten zwar verboten ist, die aber immer noch in zahireichem Masse vorhanden sind. Würde man all diese durch Wärmepumpen ersetzen, könnte man sich das AKW Mühleberg sparen.


Verzerrter Wettbewerb

Die Herstellungskosten sind bei erneuerbaren Energien höher, doch auch da hat beispielsweise die Photovoltaik stark aufgeholt. Denn AKWs sind eben nicht wettbewerbstauglich, weil es weltweit nur wenige Anbieter gibt. Je weniger Anbieter es gibt, desto weniger herrscht eben ein Wettbewerb und desto selbständiger können sie den Preis bestimmen. Der Strom der AKWs ist unter anderem nur günstiger, weil sie ungenügend versichert sind. Das heisst, dass im Falle einer Katastrophe die Regierung zahlen würde und nicht die AKW-Betreiber. Würden sich AKWs genügend versichern, wäre der Atom Strom doppelt so teuer. Erneuerbare Energien werden durch Massenproduktion billiger, AKWs werden aber nicht in Massen hergestellt. Hier kommt das schweizerische Förderinstrument, die sogenannte kostendeckende Einspeisevergütung (KEV) ins Spiel. Konkret bedeutet sie, dass ein Stromproduzent von erneuerbaren Energien seinen Strom anmelden kann, um ihn in das Stromnetz einzuspeisen und dann die Differenz zwischen den Herstellungskosten seiner Anlage und dem Marktpreis zu erhalten. Auf diese Art und Weise versucht man erneuerbare Energien konkurrenzfähig zu machen. Finanziert wird das ganze über einen Zuschlag von 0,6 Rappen pro verkaufter Kilowattstunde Strom in der Schweiz. Um das Bild zu vervollständigen: Vor 2007 wurde die Einführung der KEV angekündigt, im Mai 2008 konnte man beispielsweise seine neu gebaute Photovoltaik Anlage bei der Netzgesellschaft Swissgrid anmelden. Erst im Januar 2009 trat die KEV aber in Kraft, einen Tag später waren die verfügbaren Mittel aufgebraucht. In den Jahren 2007 und 2008 wurden massiv mehr Photovoltaikanlagen gebaut, aber nicht ans Stromnetz angeschlossen, weil man die KEV abgewartet hat. Nachdem die zur Verfügung gestellten Mittel (namentlich 300 Millionen für alle neue erneuerbare Energien. Vergleich UBS: 62 Milliarden) lächerlich wenig waren, gingen Kleinunternehmen, welche Ersatz- oder Spezialteile für Photovoltaikanlagen geliefert/hergestellt hatten, massenweise bankrott. Bis heute befinden sich namentlich 8882 Photovoltaikanlagen auf der Warteliste. Bösartigerweise könnte man sagen, dass KEV die Förderung von erneuerbaren Energien blockiert hat. Sind also Atomkraftwerke nötige Einrichtungen, wenn es eine Masse an anderen Möglichkeiten gibt? Wer das so sieht, der kann gerne den radioaktiven Müll in seinem Garten vergraben. Übrigens zahlen stets die Steuerzahler für die Lagerung von Atommüll. Na dann.


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 17/18/2011 - 67. Jahrgang - 13. Mai 2011, S. 4
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2011