Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

VORWÄRTS/637: Repression und Widerstand in irischen Knästen


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 13/14/15/2010 vom 3. April 10

Repression und Widerstand in irischen Knästen

Von Jan Meier


Der politische Gefangene Gary Donnelly, ein langjähriger Aktivist der irisch-republikanischen Unabhängigkeitsbewegung, hielt kürzlich erfolgreich einen Hungerstreik im Knast ab. Ein Bericht über einen Konflikt, der immer mehr in Vergessenheit gerät.


Blicken wir zurück ins Jahr 1981: Nach einem Hungerstreik, bei dem zehn politische Gefangene ihr Leben opferten, gewannen verhaftete IRA-Aktivisten kollektiv den Status des politischen Gefangenen. Das heisst, sie bekamen ihren eigenen Trakt im Gefängnis, das Recht, ihre eigenen Kleider zu tragen und am wichtigsten, die Identität eines politischen Gefangenen.

Ihren erkämpften politischen Status hatten die Gefangenen bis 1998, als das sogenannte "Karfreitagsabkommen" unterschrieben wurde und die bisher Inhaftierten frei kamen. Doch alle, die gegen das Abkommen waren oder nach seiner Unterzeichnung verurteilt wurden, wurden kriminalisiert - auch von ehemaligen Genossen, welche das Abkommen nun unterstützten. Da das Vertragswerk jedoch nicht das Ende der Besatzung bedeutete - und somit auch nicht das Ende des Kampfes - füllten sich die Gefängnisse wieder und die Auseinandersetzung um den politischen Status wurde leider wieder aktuell.

Ein Hauptanliegen der Inhaftierten war es, wieder ihren eigenen Trakt zu erkämpfen. Nicht nur, weil sie überall im Gefängnis verstreut waren und daher wenig Kontakt miteinander pflegen konnten. Sondern auch, weil sie - oft mit Hilfe der Wärter - von inhaftierten reaktionären, loyalistischen Paramilitärs auf brutalste Weise angegriffen wurden. Die republikanischen Gefangenen beschlossen, alles zu tun, um ihr Ziel zu erreichen. Es kam fast zu einem Hungerstreik, doch die Forderung nach einem eigenen Trakt konnte erneut durchgesetzt werden. Seit 2003 haben die republikanischen AktivistInnen im Gefängnis wieder ihren eigenen Trakt, jedoch noch nicht den Status des politischen Gefangenen.


Täglich von der Polizei schikaniert

Schauen wir uns nun Gary Donnellys Situation an. Gary Donnelly ist ein bekannter republikanischer Aktivist aus der Stadt Derry, im besetzten Teil Irlands. Er ist Mitglied der "32 County Sovereignty Movement", einer legalen politischen Organisation, welche sich geweigert hat, das Ziel eines freien, vereinten demokratisch-sozialistischen Irlands aufzugeben. Donnelly ist sich die Repression gewöhnt. 2008 wurde er zusammen mit drei anderen Aktivisten von der irischen Regierung inhaftiert und der Mitgliedschaft in einer verbotenen Organisation angeklagt. Diese Klage wurde aber, nachdem Gary und die drei anderen fast ein Jahr inhaftiert waren, fallengelassen. Dies, als klar wurde, dass die Polizei illegal vorgegangen war.

Gary wurde nach seiner Freilassung fast täglich mehrere Male von der Polizei angehalten und durchsucht. Diese Schikane ging so weit, dass ihn die Polizei einmal bei einer Kontrolle schwer anging und er dabei seinen Arm brach. Was geschah dann? Wurde er freigelassen? Keineswegs. Er wurde gar angeklagt, die Polizisten angegriffen zu haben. Wie er dies in Handschellen (!) getan haben soll, bleibt ein Rätsel. Das britische Gericht in Irland verurteilte ihn zu einer hohen Geldbusse. Als er dann Beschwerde einlegte, wurde er zusätzlich zu einer Haftstrafe von sieben Monaten verurteilt.

Kaum war er jedoch bei seinen Genossen im republikanischen Trakt des Gefängnisses, wurde er in Isolationshaft verlegt. Dies mit der Begründung, es gäbe Hinweise darauf, dass er Todesdrohungen von den republikanischen Gefangenen, sprich von seinen Genossen, erhalte. Dieser lächerlichen Behauptung wurde sofort den Boden entzogen, als die Gefangenen kollektiv eine Erklärung abgaben, dass eine solche Bedrohung nicht vorhanden sei. Gary wurde nicht zurückverlegt. Er musste in Isolationshaft bleiben und wurde täglich mehrere Male einer Leibesvisitation unterzogen.


Breiter und erfolgreicher Widerstand

Gary fing sofort mit einem Hungerstreik an. Auch ausserhalb des Gefängnisses formierte sich der Widerstand in Form von Kundgebungen, Plakat und vielem mehr. Die Hauptbefürchtung der Gefangenen war es, dass dies ein neuer Angriff der britischen Justiz darstelle, um die erkämpften Errungenschaften wieder rückgängig zu machen.

Republikanische Aktivisten sind es sich gewohnt, dass ihr Widerstand nicht lediglich bei einer Verhaftung endet, sondern auch hinter Gittern weiter geht. Es wurde aber auch klar, dass die Repression gegen den Widerstand nicht bei einer Verurteilung aufhört. Es hat sich gezeigt, dass weder die Gefangenen noch die Bevölkerung es hinnehmen, wenn politische Gefangene kriminalisiert werden. Unter dem Motto "They're in there for you, so be out there for them" ("Sie sind dort drinnen für dich, also sei draussen für sie!") zeigt die Bevölkerung, dass die Gefangenen und ihr Kampf längst nicht vergessen gegangen sind, auch wenn dies einige gerne hätten.

Nach dem angefangenen Hungerstreik sowie Protesten innerhalb und ausserhalb des Gefängnisses musste Gary Donnelly in den republikanischen Trakt des Gefängnisses zurückverlegt werden.


*


Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 13/14/15/2010 - 66. Jahrgang - 3. April 2010, S. 7
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
und ihre Deutschschweizer Sektionen
Redaktion: Vorwärts, Postfach 2469, 8026 Zürich
Telefon: 0041-(0)44/241 66 77, Fax: 0041-(0)44/242 08 58
E-Mail: redaktion@vorwaerts.ch
Internet: www.vorwaerts.ch

vorwärts erscheint 14-täglich,
Einzelnummer: Fr. 4.-
Jahresabo: Fr. 160.-, reduziert (AHV, Stud.) 110.-
Probeabo: 4 Ausgaben gratis


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2010