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VORWÄRTS/636: "Killerspiele" verbieten?


vorwärts - die sozialistische zeitung, Nr. 13/14/15/2010 vom 3. April 10

"Killerspiele" verbieten?


mgb. Mitte März beauftragte das Parlament den Bundesrat, ein Gesetz zum Verbot von so genannten "Killerspielen" auszuarbeiten. Es führt damit das bewährte Muster eidgenössischer "Sicherheitspolitik" fort: Mit lautem Gedöns Lösungen beschliessen, die zwar für die breite Masse nett tönen, aber nichts bringen - und ein bestimmtes Segment der Gesellschaft unnötig kriminalisieren.


Einmal mehr war bei diesem Reigen eine Partei ganz vorne mit dabei, von der man eigentlich Besseres erwarten würde: Der Vorstoss stammt aus der Feder von Evi Allemann, einer Berner SP-Nationalrätin. Neben den üblichen RechtsabweichlerInnen unterzeichneten auch Andrea Hämmerle, Carlo Sommaruga und Paul Rechsteiner die Motion. Und nicht nur die gesamte SP-Fraktion, sondern auch eine Mehrheit der grünen Fraktion im Parlament (inklusive PdA-Nationalrat Zisyadis) stimmte für ein Verbot.

Hunderttausende - überwiegend junge - Menschen spielen in der Schweiz zumindest ab und zu Videospiele, die unter das geplante Verbot fallen könnten. Und nun setzt sich ausgerechnet die Linke dafür ein, diese Menschen zu kriminalisieren. Dies könnte natürlich gerechtfertigt sein, wenn dadurch - und nur dadurch - unzählige Massaker und Massenmorde verhindert werden könnten. Doch ist dies tatsächlich der Fall?


Kreative Psychos

Im US-Horrorfilm "Scream", in welchem zwei Teenager ein brutales Massaker an MitschülerInnen veranstalten, wird die Sache auf den Punkt gebracht. Drehbuchautor Kevin Williamson lässt einen der Massenmörder darin eingestehen: "Movies don't create psychos. Movies make psychos more creative." ("Filme machen niemanden zu einem Psycho. Filme machen Psychos kreativer.") Dies ist natürlich extrem verkürzt ausgedrückt - deckt sich aber mit dem Stand wissenschaftlicher Forschung. Gewaltdarstellungen in Medien können nicht als ursächlich für Gewalthandlungen angesehen werden. Filme - und auch Videospiele - machen nicht ansonsten friedfertige und ausgeglichene Menschen zu GewalttäterInnen. Allerdings können sie das Gewaltverhalten von psychisch labilen Personen oder Personen mit einem schwierigen sozialen Umfeld verstärken. Allein damit lässt sich ein Verbot niemals legitimieren. Alkohol hat dieselbe Wirkung, und niemandem käme es hierzulande in den Sinn, deswegen Bier und Wein zu verbieten - hauptsächlich aufgrund der negativen Erfahrungen, die viele Länder mit Alkoholverboten gemacht haben: Höhere Arbeitslosigkeit (Alkoholindustrie, Gastgewerbe), eine überforderte Polizei, eine Stärkung des organisierten Verbrechens und daraus resultierend mehr statt weniger Kriminalität war das Resultat.


Kontraproduktiv

Ähnlich unerwünschte Folgen drohen auch bei einem Killerspielverbot. In Zeiten des Internets können ganze Videospiele mit einem einzigen Knopfdruck anonym auf den heimischen Computer heruntergeladen werden. Im stillen Kämmerlein lässt es sich auch zukünftig insgeheim weiterzocken. Dies hat eine kontraproduktive Wirkung - bei Jugendlichen generell und bei jenen SpielerInnen, die den Umgang mit Videospielen nicht im Griff haben: Für Jugendliche ist es enorm wichtig, dass Eltern und andere Vertrauenspersonen mit ihnen ihren Medienkonsum diskutieren. Nur so können junge Menschen zu verantwortungsbewussten und kritischen Mediennutzenden werden. Und bei sozial isolierten und/oder psychisch labilen Personen wäre es hilfreich, sie nicht aufgrund ihres Freizeitvertreibs - der an und für sich noch niemandem schadet - noch stärker aus der Gesellschaft auszugrenzen. Tabuisierung bringt hier rein gar nichts. Sinnvoller wäre es, in den Schulen und in der Jugendarbeit stärker auf die Förderung von Medienkompetenz zu setzen.

PETITION GEGEN EIN KILLERSPIEL-VERBOT:
WWW.PRO-JUGENDKULTUR.CH


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Quelle:
vorwärts - die sozialistische zeitung.
Nr. 13/14/15/2010 - 66. Jahrgang - 3. April 2010, S. 3
Herausgeberin: Verlagsgenossenschaft Vorwärts, PdAS
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2010