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SOZIALISTISCHE ZEITUNG/1270: Bankgeheimnis à la Steinbrück


SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 5 - Mai 2009
Friede den Hütten - Krieg den Palästen!

Bankgeheimnis à la Steinbrück
Was rettet die Bundesregierung bei der Hypo Real Estate?

Von Benedict Ugarte Chacón


Jeder kleine Kreditnehmer muss sich nackend ausziehen, bevor er oder sie was kriegt. Die HRE aber bekommt Steuergelder, ohne dass die Öffentlichkeit im geringsten erfährt warum.


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Die Hypo Real Estate Holding (HRE) gilt als einer der größten Immobilienfinanzierer in Europa und als großer Emittent von Pfandbriefen. Im Grunde genommen handelt es sich bei ihr um eine Abspaltung des problematischen Immobilienfinanzierungsgeschäfts aus der HypoVereinsbank, die 2003 vorgenommen wurde. Die Anteile der HRE werden seitdem an der Börse gehandelt. Diese Abspaltung soll seinerzeit vorgenommen worden sein, um die HypoVereinsbank für künftige Investoren aufzuhübschen.

Die HRE beteiligte sich am Geschäft mit Kreditverbriefungen, das viele Banken weltweit in Schwierigkeiten brachte. Hierbei werden Kredite in "forderungsbesicherte Wertpapiere" umgewandelt, in Pakete "neu verpackt" und auf dem Kapitalmarkt gehandelt. Insgesamt ein komplexes und intransparentes Geschäft. Im Herbst 2008 geriet auch die HRE ins Schlingern und ihre 2007 übernommene Tochter Depfa Bank mit Sitz in der Steueroase Dublin kam ins Gerede.

Die Bundesregierung kam mit diversen Bankhäusern im September 2008 überein, gemeinsam mit 35 Milliarden Euro für die HRE bürgen zu wollen. Anfang Oktober jedoch ließen die Privatbanken die Vereinbarung platzen und die Bundesregierung erhöhte ihre Bürgschaft auf 50 Milliarden Euro. Eine Begrenzung der staatlichen Unterstützung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzusehen. Auch ist bislang nicht so recht klar, was genau zur Schieflage der HRE geführt hat und ob die daran anschließenden staatlichen Rettungsmaßnahmen tatsächlich so durchdacht waren, wie es die Bundesregierung darstellt.


Systemrelevant

Aus diesem Grund wurde im März 2009 auf Antrag der Oppositionsfraktionen im Bundestag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschlossen. Dieser soll insbesondere klären, ob das Bundesfinanzministerium und die staatliche Bankenaufsicht adäquat mit der sich seit 2007 abzeichnenden Krise der HRE umgegangen sind und ab welchem Zeitpunkt die Bundesregierung und die Bankenaufsicht über den Zustand der HRE informiert waren.

In der Tat ergeben sich aus den wenigen der Öffentlichkeit bislang zugänglichen Materialien einige Fragen. Zum Beispiel gab Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) im Oktober 2008 an, die Depfa könne von der deutschen Bankenaufsicht nicht geprüft werden, da sie sich in Irland befinde. Dem Finanzminister soll aber schon im August 2008 ein Prüfbericht vorgelegen haben. Weiterhin ist bislang nicht klar, aus welchen Geschäftsbereichen der HRE tatsächlich die großen Verluste stammen. Es deutet einiges darauf hin, dass sie eben nicht nur aus den Geschäften der Depfa stammen.

Ob sich nach zwei, drei Jahren, die ein Untersuchungsausschuss normalerweise braucht, um neben der normalen Parlamentsarbeit einen komplexen Sachverhalt mehr oder weniger umfassend darzustellen, neue Details ergeben werden, bleibt abzuwarten. Die HRE jedenfalls wird durch die Bundesregierung vor der Insolvenz bewahrt. Zur Frage, warum die HRE nicht in die Insolvenz geführt werde könne, ist auf der Internetpräsenz des Bundesfinanzministeriums zu lesen:

"Die Hypo Real Estate gehört zu den systemrelevanten wichtigen Banken in Deutschland und wird deshalb von der Bundesregierung gestützt. Systemrelevant bedeutet, dass die Pleite einer Bank einen so genannten Dominoeffekt auslösen, und andere Banken mitreißen kann." Wir wissen also nun, was "systemrelevant" bedeutet, aber nicht, aus welchen Gründen die HRE systemrelevant sein soll. Auf mehrmalige Anfrage teilte das Finanzministerium mit: "Für die Systemrelevanz spricht, dass die HRE zum einen der größte Immobilienfinanzierer ist, zum anderen eng verknüpft mit vielen anderen Banken ist. Die Insolvenz der HRE würde demzufolge viele andere Banken ebenfalls in Probleme bringen. Entsprechend der Einschätzung der SofFin besteht somit ein Interesse an der Erhaltung der Bank."

Das klingt zunächst einmal logisch. Leider wird diese Behauptung aber weder von der HRE noch vom Bundesfinanzministerium belegt. Der Journalist und Krisenbankenexperte Hermannus Pfeiffer stellte in der Wochenzeitung Freitag fest, die Rettung der HRE sei eine Art protektionistische Maßnahme der Bundesregierung. Denn würde eine als sicher geltende Pfandbriefbank wie die HRE fallen gelassen, würde dies eine Verteuerung der Refinanzierung anderer deutscher Banken auf dem internationalen Kapitalmarkt zur Folge haben, die Geldgeber würden dann einen Risikoaufschlag fordern. Dies würde wiederum einen Wettbewerbsnachteil gegenüber US-amerikanischen und britischen Großbanken darstellen.

Andere Medien verwiesen darauf, dass diverse Versicherungen in Produkte der HRE investiert haben, bei einer Insolvenz der HRE deshalb so mancher Anbieter von Lebensversicherungen sowie dessen Kunden in Schwierigkeiten kommen könnten. Solch ein Szenario setzt jedoch voraus, dass Versicherungen ihre Anlagen nicht durch eine breite Streuung absichern - das ist aber schwer vorstellbar.


Geheim

Der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SofFin), auf den sich das Finanzministerium beruft, wurde im Oktober letzten Jahres im Rahmen des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes geschaffen, das landläufig als "Bankenrettungspaket" bezeichnet wird. Verwaltet wird der Fonds von der Finanzmarktstabilisierungsanstalt. Die Geschäftspolitik bestimmt jedoch ein sog. Lenkungsausschuss. Dieser wird von Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen geleitet, einem ehemaligen Lobbyisten für "forderungsbesicherte Wertpapiere", also der Finanzprodukte, die die aktuelle Finanzmarktkrise mit verursacht haben. Kontrolliert werden soll die gesamte Konstruktion von einem parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags, das aus neun Abgeordneten besteht. Da dieses Gremium geheim tagt und weder die restlichen Parlamentarier geschweige denn die Öffentlichkeit erfährt, was dort eigentlich besprochen wird, muss man sich eben darauf verlassen, dass schon alles seine Richtigkeit hat und die HRE nun mal "systemrelevant" ist.

Über eine Insolvenz der HRE wurde ohnehin nie ernsthaft nachgedacht. Sonst hätte die Bundesregierung ihr nicht mit überstürzten Garantien über bislang 90 Milliarden Euro unter die Arme gegriffen. Würde man die HRE jetzt in die Insolvenz entlassen, wären diese Garantien wahrscheinlich fällig. Die Bundesregierung hat sich also von vorneherein einen "Sachzwang" HRE-Rettung konstruiert. Mit dabei sind wieder einmal die Anwälte der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, die auf rechtliche Konstruktionen zur staatlichen "Rettung" und anschließenden Privatisierung von Banken spezialisiert ist.

Nun will die Regierung die Aktien der HRE zu einem überhöhten Preis von 290 Millionen Euro (1,39 Euro pro Aktie) übernehmen und droht, wenn die Aktionäre nicht spuren, würde man sie notfalls enteignen. Bei so einem großzügigen Angebot für ihre Schrottaktien wären die Aktionäre allerdings mit dem Klammerbeutel gepudert, würden sie es nicht umgehend annehmen. Statt die Aktionäre zu enteignen, wird der Steuerzahler belastet.

Es ist zu befürchten, dass sich dieses Spiel bei zukünftigen Bankenpleiten wiederholt. Denn eines steht fest: Wenn die staatliche Bankenaufsicht und das Finanzministerium weiter so pennen wie bisher, ist der nächste Bankencrash vorprogrammiert.


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Quelle:
SoZ - Sozialistische Zeitung Nr. 5, 24. Jg., Mai 2009, Seite 8
Herausgeber: Verein für solidarische Perspektiven
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2009