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ROTFUCHS/162: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 208 - Mai 2015



ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

17. Jahrgang, Nr. 208, Mai 2015


Inhalt

  • Hitlers Stern ging im Osten unter
  • Bericht des Buchenwald-Häftlings Emil Carlebach: Als kriegsgefangene Rotarmisten ins Lager kamen
  • Wie sich die Häftlinge selbst befreiten
  • Der Schwur von Buchenwald
  • Juri Lewitan: Goworit Moskwa
  • Die Leningrader schrieben Geschichte
  • Vom Zarengeneral zum Stabschef der Roten Armee: M.D. Bontsch-Brujewitsch
  • Ein Teller Haferflockensuppe und seine Folgen
  • Warum wurde das Volkseigentum nicht verteidigt?
  • Als Volkspolizisten ein Kreiskrankenhaus erbauten
  • Hermann Weber verpfiff seine Genossen
  • Maxime der DDR-Schmäher: Haltet den Dieb!
  • Kraftzuwachs nach Hilferuf
  • Mehr als 40 Jahre Mitglied der NDPD
  • Warum ich als Taxifahrer gekündigt habe
  • Ist die Rentenangleichung bis 2019 eine Farce?
  • Das Land, wo Milch und Honig fließen ...
  • Ein Kuckucksei der Reichen
  • Das Teufelchen, das in der Ecke lauert
  • Ein junger Philosoph zu zwei alten Begriffen
  • Kampf der Linien in der KP Chinas
  • RF-Extra - Facetten einer Erinnerungsschlacht
  • RF-Extra - Bilanz eines Divisionskommandeurs
  • KP Japans - Paukenschlag auf Okinawa
  • Die Würger der Griechen
  • Antiimperialistische Solidarität - ein Eckpfeiler unseres Denkens und Handelns
  • Portugals CGTP attackiert "Programm der Aggression"
  • Armutswelle überrollt Spanien
  • Hans Modrow und Volker Hermsdorf über Kuba
  • Als mich die DDR nach Guinea schickte (Teil 1)
  • Würdigung zweier Linker bei "Charlie Hebdo"
  • Unvergessene antifaschistische Athleten
  • Klassenkampf mit elektronischen Waffen
  • Das "Archiv des Todes" lebt
  • Compañera Christa: Brief an meinen Vater (Teil 1)
  • Gisela Steineckert: Hand aufs Herz
  • Leserbriefe 29

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Dank für die Befreiung!

Etwas Außergewöhnliches ist eingetreten: Während es Menschen unseres Schlages normalerweise kalt läßt, zu welchen Takt- und Geschmacklosigkeiten unsere politischen, ideologischen und sozialen Gegner greifen, sehe ich mich zu einem Geständnis veranlaßt. Ich schäme mich für die billigen Ausflüchte einer Bundeskanzlerin, deren steile Karriere nicht nur durch ihre vorzügliche akademische Ausbildung in der DDR, sondern überdies auch durch ein qualifiziertes Zusatzstudium an einer sowjetischen Hochschule zumindest erleichtert wurde. Vor einiger Zeit schilderte ein alter Freund - Johannes Chemnitzer, der zu Zeiten der DDR die SED im Bezirk Neubrandenburg leitete - den Lesern des RF, wie er die sprachbegabte Angela Merkel zu ihrem Sieg bei der DDR-weiten Russisch-Olympiade beglückwünschen konnte. Da ist die Entscheidung von Kohls einstigem "Mädchen", die Moskauer Einladung zu den Feierlichkeiten aus Anlaß des 70. Jahrestages des Sieges der Roten Armee am 9. Mai auszuschlagen, ein Akt moralischer Selbstvernichtung. Auch die Flucht in ein zu nichts verpflichtendes Ausweichmanöver für den Tag darauf ändert an Merkels Boykott überhaupt nichts. Ihre Entscheidung mag unter dem Druck fanatischer Putin-Hasser und deutlich noch weiter rechts stehender Mitglieder ihres Kabinetts zustande gekommen sein. Doch wie auch immer: Das "Njet" der Kanzlerin ist ein Schlag ins Gesicht all jener Deutschen, die sich "den Russen" für die mit Millionen und aber Millionen Opfern verbundene Befreiung vom Hitlerfaschismus zu tiefem Dank verpflichtet fühlen.

Diese Zeilen entstehen in der "RotFuchs"-Redaktion, die ihre Zelte bekanntlich nur wenige hundert Meter vom Deutsch-Russischen Museum in Berlin-Karlshorst aufgeschlagen hat. Dort - in der damaligen Heerespionierschule der faschistischen Wehrmacht - nahm der sowjetische Marschall Shukow im Beisein hochrangiger Vertreter der westlichen Alliierten am 8. Mai 1945 die bedingungslose Kapitulation Nazi-Deutschlands entgegen.

Historischer Boden zwingt in besonderem Maße zu geschichtlicher Exaktheit, wobei wir die militärischen Aspekte des Geschehens vor allem den in dieser Ausgabe des RF zu Wort kommenden Generälen der Sowjetarmee und der NVA überlassen wollen. Nur soviel sei gesagt: Wir vertreten eine fundamental andere Auffassung als Obama und Cameron. Diese bezeichneten die am 6. Juni 1944 in der Normandie nach jahrelanger Verzögerung an Land gesetzten westalliierten Truppen als "größte Befreiungskraft, welche die Welt jemals gekannt hat". In uneingeschränkter Würdigung des Beitrags der Befreier aus allen Staaten der Antihitlerkoalition und der französischen Résistance stimmen wir mit dem renommierten kanadischen Internet-Journal "Global Research" überein: "Die Rote Armee hat den Krieg mit Deutschland gewonnen."

Zum Zeitpunkt der Invasion an Frankreichs Küste lagen hinter den Kämpfern mit dem roten Stern bereits nahezu drei schwere und verlustreiche Kriegsjahre. Am 22. Juni 1941 waren die Faschisten mit drei Millionen Soldaten, 7500 Artilleriegeschützen, 3000 Panzern und 2500 Flugzeugen über die UdSSR hergefallen. Obwohl sie bereits bei dem Versuch, Moskau im Frontalstoß einzunehmen, das Schicksal Napoleons ereilt hatte, brachte erst die Stalingrader Schlacht vom 23. August 1942 bis zum 2. Februar 1943 die kriegsentscheidende Wende.

Als die Westalliierten, die sich zuvor auf die massive Bombardierung deutscher Großstädte beschränkt hatten, schließlich in der Normandie landeten, befanden sich die kampfstärksten Verbände der dezimierten faschistischen Wehrmacht fast ausnahmslos an der "Ostfront". Damit soll der Beitrag der Angehörigen westalliierter Armeen, die ihr Blut im Kampf gegen Nazi-Deutschland vergossen, in keiner Weise geschmälert werden. Doch es gab - aus marxistischer Sicht - einen fundamentalen Unterschied: Während alle beteiligten Armeen als Befreier vom Faschismus zu würdigen sind, öffnete allein die Rote Armee der Sowjetunion den Völkern der durch sie befreiten Territorien, also auch den Menschen in Ostdeutschland, zugleich die Tore zu ihrer sozialen Befreiung vom Kapitalismus. Damit wurden die antifaschistisch-demokratischen und sozialistisch-kommunistischen Kräfte der sowjetischen Besatzungszone in die Lage versetzt, mehr als vier Jahrzehnte in einem Drittel Deutschlands ein ausbeutungsfreies Gesellschaftssystem aufzubauen. Für diese doppelte Befreiungstat gebührt den Rotarmisten unser besonderer Dank. Richard von Weizsäcker, der im Unterschied zu eher kleinkalibrigen Amtsträgern der BRD ein bedeutender bürgerlicher Staatsmann war, hat den 8. Mai in seiner historischen Rede 1985 als Tag der Befreiung bezeichnet. Jetzt versuchen all jene, welche einst über ihn herfielen, Weizsäckers Rede für sich zu vereinnahmen. Der Versuch, sich in den "Mantel der Geschichte" zu hüllen, wirkt nicht weniger kläglich als Merkels Zurückweisung der Moskauer Einladung.

Vor 70 Jahren erlöste uns die Rote Armee der Russen und ihrer Brudervölker von Deutschlands Verderbern. Heute sehen wir uns einer Situation gegenüber, die einmal mehr von der Kriegsdrohung rabiater Kreise der NATO gegen Rußland überschattet wird. Da gilt es, die Befreier von 1945 gegen die alten und neuen Russen-Hasser zu verteidigen.

Unser solidarischer Gruß kommt aus jener Karlshorster Straße, die zu DDR-Zeiten den Namen Fritz Schmenkels trug. Er war ein deutscher Kommunist, der in den Reihen sowjetischer Partisanen auf belorussischem Boden kämpfte. Die Hitlerokkupanten haben ihn in Minsk ermordet. Natürlich wurde auch unsere Straße nach dem Anschluß der DDR an die BRD umbenannt. Doch das Vermächtnis des einstigen Namensgebers lebt wie die Erinnerung an die Großtat der Befreier in uns fort.

Klaus Steiniger

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Hitlers Stern ging im Osten unter

Der Sieg der Roten Armee war eine welthistorische Tat

Im Mai begehen wir den 70. Jahrestag des Sieges der Sowjetarmee im Großen Vaterländischen Krieg. Er brachte uns die Befreiung vom Faschismus. In einer Zeit der Verleumdung und Verketzerung des russischen Volkes durch die gleichen Kräfte, welche die Schuld an den Kriegen der Vergangenheit trugen, sowie der Beleidigung und Herabsetzung seines Präsidenten danken wir der Sowjetarmee und allen Völkern der UdSSR für ihre weltgeschichtliche Tat.

Die Maitage dieses Jahres sind zugleich Gedenktage, die an den Sieg der gesamten Antihitlerkoalition über den deutschen Faschismus erinnern. Deshalb werden sie auch eine Würdigung aller sein, die an seiner Zerschlagung beteiligt waren. Bei uneingeschränkter Anerkennung des Beitrags der westlichen Alliierten zur militärischen Vernichtung der Armeen Hitlers im 2. Weltkrieg bleibt es eine unumstößliche Tatsache, daß die Sowjetunion dabei die Hauptlast trug. Sie hat die meisten Opfer gebracht - 27 Millionen Tote. 1700 Städte und 70.000 Dörfer, insgesamt 6 Millionen Gebäude, fielen der Vernichtung durch die deutschen Aggressoren zum Opfer. Wer das unterschlägt oder leugnet, verfälscht bewußt die Geschichte.

Es waren die Rote Armee und Hunderttausende Partisanen, die aufopferungsvollen Leistungen von Millionen Sowjetbürgern und das anspornende Beispiel sowjetischer Kommunisten an der Front wie im Hinterland, die den Sieg über den Faschismus ermöglichten. In 1418 Tagen wurden die faschistischen Truppen - zunächst in erbitterten Abwehrkämpfen, ab 1942 dann in gewaltigen Offensivschlachten - niedergerungen. Das ganze Land - von Brest bis Wladiwostok - blutete aus tausend Wunden und trauerte um die Opfer.

Übermenschliches an Mut und Standhaftigkeit sowie der unbändige Glaube an den Sieg prägten den Überlebenswillen des sowjetischen Volkes zwischen 1941 und dem Frühjahr 1945. Am 9. Mai aber wehte die rote Fahne der Sieger auf dem Berliner Reichstag. Der Sieg der Sowjetarmee war eine welthistorische Befreiungstat.

Schon in der Schlacht zur Verteidigung Moskaus im Winter 1941/42 wurde den faschistischen Aggressoren eine den weiteren Kriegsverlauf bestimmende Niederlage zugefügt. An der legendären Stalingrader Schlacht im Winter 1942/43, welche die Wende im 2. Weltkrieg einleitete, waren zwei Millionen Rotarmisten, 4000 Panzer und 26.000 Artilleriegeschütze beteiligt. Unvergessen ist auch die Schlacht im Kursker Bogen vom Sommer 1943 - die größte Panzerschlacht des 2. Weltkriegs.

Ein besonderes Kapitel des Heldenmuts und des opferreichen Kampfes schrieb die Bevölkerung Leningrads. Fast zweieinhalb Jahre widerstanden die Einwohner der Heldenstadt und die sie schützenden Soldaten dem Druck der Faschisten. Mehr als eine Million Leningrader kamen ums Leben, verhungerten oder erfroren.

Eine gigantische Leistung war die Verlagerung der wichtigsten Industriebetriebe aus westlichen Teilen der Sowjetunion hinter den Ural bis in die Tiefen Sibiriens, um sie dem Zugriff der Faschisten zu entziehen. Dadurch war es möglich, die Streitkräfte mit dem erforderlichen Kriegsmaterial, neuen Waffen und moderner Kampftechnik zu versorgen. Dazu zählten der robuste mittlere Panzer T-34 und der als Stalinorgel bekannt gewordene Geschoßwerfer "Katjuscha" sowie weiterentwickelte Typen von Granatwerfern, Geschützen, Jagd- und Bombenflugzeugen, Kriegsschiffen und automatischen Handfeuerwaffen.

Drei Viertel der militärischen Kräfte Nazi-Deutschlands wurden durch die Rote Armee zerschlagen. Seine kampffähigsten und stärksten Truppen, einschließlich ihrer Eliteverbände und Verbündeten, gingen im Osten unter. Sie waren nach Anfangserfolgen den Schlägen der sowjetischen Streitkräfte nicht gewachsen. Deren Überlegenheit wurde im Verlauf des Krieges immer augenscheinlicher. In diesen Tagen wird in der früheren UdSSR vielerorts auch der legendären Heerführer gedacht, die entscheidenden Anteil an diesen Erfolgen der Sowjetarmee hatten. Man erinnert an die Marschälle, Generale und Offiziere, aber auch an die Millionen Soldaten, die heldenhaft ihr Land verteidigten. Die Heerführer haben mit Klugheit, militärischer Erfahrung und Können, gestützt auf den Willen von Millionen Kämpfern an der Front, den Kriegsverlauf entscheidend beeinflußt. Während des Studiums an sowjetischen Militärakademien konnten wir uns mit ihren Erkenntnissen und Erfahrungen gründlich vertraut machen.

Der Tag des Sieges wird 2015 im Zeichen des russischen Patriotismus begangen. Das Volk rückt angesichts der Verleumdungen und Schmähungen durch die imperialistischen Kräfte des Westens noch enger zusammen. Es gibt wohl kaum eine russische Familie, die in diesen Tagen nicht ihrer Toten gedenkt. Nie wieder darf sich ein solches Massaker, wie es auf dem Boden der UdSSR begangen wurde, wiederholen! Russische Menschen, denen wir uns in langjähriger Freundschaft verbunden fühlen, ließen uns immer wieder wissen: Wir wollen Frieden mit allen Völkern und dürfen nicht zulassen, daß uns unterschiedliche Kulturen, Weltanschauungen und Lebensauffassungen entzweien.

Wie verlogen sind da Behauptungen westlicher Politiker und Medien, die größte Gefahr für den Frieden gehe derzeit von Rußland aus. US-Präsident Obama verstieg sich sogar zu der empörenden Erklärung, die Welt sei heute vor allem durch Ebola, die Terroristen des IS und Putins Rußland bedroht. Welche Infamie! In ähnlicher Tonart äußerte sich BRD-Präsident Gauck in seiner Rede aus Anlaß des 75. Jahrestages der deutschen Aggression gegen Polen, die er auf der Westernplatte bei Gdánsk gehalten hat. Dort vernahm man kein Wort der Würdigung des Befreiungsbeitrags der Sowjetarmee, sondern nur neue Drohgebärden gegen Rußland.

Das Fernbleiben der Bundeskanzlerin von den Feierlichkeiten am 9. Mai in Moskau ist eine Mißachtung und Beleidigung der Millionen Opfer, welche die Sowjetunion im 2. Weltkrieg auch für die Befreiung des deutschen Volkes gebracht hat. Wir sehen darin einen neuerlichen Affront gegenüber Rußland und eine weitere Verschärfung des Kalten Krieges. Alle auf deutschem Boden, die Freunde der Sowjetunion waren und auch Rußland verbunden bleiben, werden den 70. Jahrestag der Befreiung würdig begehen. In Berlin-Treptow, auf den Seelower Höhen und an vielen anderen Orten erneuern wir unseren Eid: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Generalleutnant a. D. Manfred Grätz
Generalleutnant a. D. Manfred Volland


Beide hochrangige Militärs der NVA haben zwei sowjetische Militärakademien absolviert und - wie sie uns wissen ließen - fast ein Jahrzehnt die "russische Seele" kennen- und liebengelernt.

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Als Kriegsgefangene ins Lager kamen
von Emil Carlebach

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Wie sich Häftlinge selbst befreiten
von Ulrich Schneider

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Der Schwur von Buchenwald

Kameraden! Wir Buchenwalder Antifaschisten sind heute angetreten zu Ehren der in Buchenwald und seinen Außenkommandos von der Nazi-Bestie und ihren Helfershelfern ermordeten 51.000 Gefangenen!

51.000 erschossen, gehenkt, zertrampelt, erschlagen, erstickt, ersäuft, verhungert, vergiftet, abgespritzt. - 51.000 Väter, Brüder, Söhne starben einen qualvollen Tod, weil sie Kämpfer gegen das faschistische Mordregime waren. - 51.000 Mütter und Frauen und Hunderttausende Kinder klagen an!

Wir lebend Gebliebenen, wir Zeugen der nazistischen Bestialität, sahen in ohnmächtiger Wut unsere Kameraden fallen.

Wenn uns eins am Leben hielt, dann war es der Gedanke: Es kommt der Tag der Rache!

Heute sind wir frei!

Wir danken den verbündeten Armeen der Amerikaner, Engländer, Sowjets und allen Freiheitsarmeen, die uns und der gesamten Welt den Frieden und das Leben erkämpfen. Wir gedenken an dieser Stelle des großen Freundes der Antifaschisten aller Länder, eines Organisators und Initiators des Kampfes um eine neue, demokratische, friedliche Welt, F.D. Roosevelt. Ehre seinem Andenken!

Wir Buchenwalder - Russen, Franzosen, Polen, Tschechen, Slowaken und Deutsche, Spanier, Italiener und Österreicher, Belgier und Holländer, Engländer, Luxemburger, Rumänen, Jugoslawen und Ungarn - kämpften gemeinsam gegen die SS, gegen die nazistischen Verbrecher, für unsere eigene Befreiung.

Uns beseelte eine Idee: Unsere Sache ist gerecht - Der Sieg muß unser sein!

Wir führten in vielen Sprachen den gleichen harten, erbarmungslosen, opferreichen Kampf, und dieser Kampf ist noch nicht zu Ende. Noch wehen Hitlerfahnen! Noch leben die Mörder unserer Kameraden! Noch laufen unsere sadistischen Peiniger frei herum!

Wir schwören deshalb vor aller Welt auf diesem Appellplatz, an dieser Stätte des faschistischen Grauens: Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!

Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.

Das sind wir unseren gemordeten Kameraden und ihren Angehörigen schuldig.

Buchenwald/Weimar, 19. April 1945

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Goworit Moskwa - Hier spricht Moskau
von O. Jewsikow (APN)

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Als die Leningrader Geschichte schrieben

Am 27. Januar 1944 endete nach 900 Tagen die Einkesselung Leningrads durch die faschistische Heeresgruppe Nord unter Generalfeldmarschall Ritter von Leeb. Auf besonderen Befehl Hitlers sollte Lenins Stadt - die Wiege der Oktoberrevolution - ausgehungert und dann dem Erdboden gleichgemacht werden.

Dieser Befehl kostete eine Million Einwohner das Leben. Gleich zu Beginn der Blockade gab es keinen Strom mehr, alle Wasserleitungen waren eingefroren. Die tägliche Brotration sank auf zwei Scheiben pro Person. Die Rote Armee und Zehntausende Zivilisten konnten zwar über den im Winter zugefrorenen Ladogasee eine "Straße des Lebens" errichten, die aber zur Versorgung nicht ausreichte.

Während viele Menschen vor Entkräftung tot umsanken, ging die Arbeit in den Fabriken weiter. Sie stellten Panzer, Geschütze und Munition her, die beim Kampf gegen die faschistischen Aggressoren eingesetzt werden konnten. Und während der Tod reiche Ernte hielt, blieben Theater und Bibliotheken, sogar die Ermitage, geöffnet, gab es Konzerte und trug man Gedichte vor.

Dem Hunger und der drohenden Unterjochung durch Hitlers Soldateska zum Trotz vollbrachten die Leningrader im Kampf gegen die längste Belagerung im 20. Jahrhundert Unvorstellbares: Aus der Bevölkerung rekrutierte Verteidigungskommissar Shdanow zehn Divisionen der Arbeitermiliz. 32.000 Frauen und Mädchen gingen als Krankenpflegerinnen an die Front. 90 % aller Leningrader Komsomolzen - das waren etwa 600.000 Jugendliche - arbeiteten Tag für Tag, selbst bei minus 40 Grad, nur mit Hacke und Schaufel ausgerüstet, an den Verteidigungsanlagen. Sie hoben 700 Kilometer Panzergräben aus, errichteten auf einer Länge von 300 Kilometern Baumsperren und bauten 5000 Erdbunker.

Nie zuvor oder danach - sieht man hier vom vietnamesischen Ho-Chi-Minh-Pfad ab - wurde eine solche Verteidigungsleistung vollbracht. Wie auch auf tausend anderen Kampfplätzen in der UdSSR opferte sich die kommunistische Jugend für die Freiheit des Vaterlandes auf, trug sie maßgeblich dazu bei, daß Leningrad der Titel "Heldenstadt" verliehen wurde.

Joachim Augustin, Bockhorn (Friesland)

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M. D. Bontsch-Brujewitsch
von Steffen Kastner

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Ein Teller Haferflockensuppe und seine Folgen

Warum der 8. Mai für mich immer der Tag der Befreiung sein wird

Niemand wird als Kommunist geboren. Aber oftmals können sich traumatische Kindheitserinnerungen prägend auf die weitere Persönlichkeitsentwicklung auswirken. Ich bin 1941 geboren und erinnere mich noch lebhaft an Fliegeralarm und das Hasten unserer Mutter mit ihren zwei Söhnen in den Luftschutzkeller der benachbarten Bank. Wir wohnten damals in der Schützenstraße von Coswig/Anhalt, die nach der DDR-Gründung in Puschkinstraße umbenannt wurde.

Es war Ende April/Anfang Mai 1945, als vor unserem Haus sowjetische Zwangsarbeiter beim Straßenbau eingesetzt wurden. Ich saß auf den Treppenstufen vor der Haustür, als sich plötzlich eine kriegsgefangene Rotarmistin völlig erschöpft neben mir niederließ. Meine Mutter reichte ihr rasch einen Teller Haferflockensuppe. Ich habe nie wieder einen Menschen so angstvoll und hastig essen sehen. Dann stellte mir meine Sitznachbarin den leeren Teller schnell auf den Schoß. In den Augen des faschistischen Blockwarts, der davon erfuhr, hatte sich meine Mutter mit ihrer humanen Geste über ein Nazi-Verbot hinweggesetzt, das jeglichen Kontakt mit Kriegsgefangenen bei strengster Strafe untersagte. So zeigte der Blockwart die Spenderin bei der SS an. Dies und das darauf Folgende weiß ich aus Erzählungen meiner Mutter.

In Coswig gab es damals eine illegale Gruppe der KPD unter Leitung Paul Bothmanns. Dessen Familie wohnte uns direkt gegenüber. Im Auftrag dieses Genossen besuchte uns in den Abendstunden jenes Tages eine Mitstreiterin, die wir nur als Frau Fahlteich kannten. Sie bedeutete meiner Mutter, schnell ein paar Sachen zusammenzupacken, um mit mir und meinem zweijährigen Bruder bis zu einem vereinbarten Punkt an der Autobahn Coswig-Dessau zu eilen und so der drohenden Erschießung durch ein SS-Kommando zu entgehen.

An diese nächtliche Flucht erinnere ich mich noch sehr genau. Wir näherten uns auf unwegsamem Gelände der Autobahn, immer vor den kreisenden Scheinwerfern der Wehrmacht in Deckung gehend. Ich zog meinen kleinen Bruder im Kinderwagen hinter mir her und folgte der Mutter, die ihr Fahrrad mit ein paar Habseligkeiten führte. Im Böschungsgraben mußten wir abermals eine Scheinwerferpause abwarten, um während dieser schnell über die Autobahn zu huschen. Auf der anderen Seite befanden wir uns auf bereits befreitem Gebiet. Ein sowjetischer LKW, auf dem zahlreiche Menschen, vorwiegend Frauen mit Kindern, unter einer Plane saßen, brachte uns zum Dessauer Hauptbahnhof. Dann waren wir wieder auf uns selbst gestellt.

Mein Erinnerungsvermögen hat auch einen Fliegerangriff auf den Leipziger Hauptbahnhof festgehalten. Das Glasdach zerbarst, Eisenträger stürzten herab, und überall sah man Tote. Wir saßen auf einer Decke mit dem Rücken zur Wand und eng an unsere Mutter geschmiegt.

Als das Schlimmste vorüber war, wurde ein Zug bereitgestellt, den alle, die mit heiler Haut davongekommen waren, unverzüglich stürmten. Auch wir befanden uns in der Menge. Meiner Mutter mit Kleinkind auf dem Arm gelang es, in einem Dienstabteil unterzukommen, während ich zunächst auf dem Trittbrett blieb, bis mich beherzte Männer durch ein offenes Fenster zu ihr hineinreichten.

Unser Reiseziel war Bad Klosterlausnitz, wo die Großeltern mütterlicherseits lebten. Sie gewährten uns einige Tage Unterkunft und Nahrung.

Nach dem 8. Mai 1945 zögerte meine Mutter nicht, nach Coswig zurückzukehren, wobei sie nicht wissen konnte, was uns dort erwartete.

Ihre Geste, der Kriegsgefangenen einen Teller Haferflockensuppe zu reichen, war dem sowjetischen Stadtkommandanten zu Ohren gekommen. Deshalb schrieb er an sie: "Die Ihnen vom faschistischen Bürgermeister entzogene Wohnung steht Ihnen ab sofort wieder zur Verfügung."

Weihnachten 1946 kam auch mein Vater heim. Er hatte zum Erstaunen unverbesserlicher Zeitgenossen seine Entlassung aus britischer Kriegsgefangenschaft in die Sowjetische Besatzungszone erwirkt.

Als reifer werdender Jugendlicher begriff ich, daß die Nachkriegsentscheidungen beider Eltern so oder so politischer Natur waren. Vor allem aber wurde mir bewußt, daß es deutsche Kommunisten gewesen sind, die meiner Mutter das Leben gerettet und uns Kinder vor einer ungewissen Zukunft bewahrt hatten.

Als die mich am meisten prägenden Jahre betrachte ich die Zeit zwischen 1956 und 1962, als ich in Wernigerode die Fachschule für Landwirtschaft besuchte. Hier erwarb ich von überzeugend parteiverbundenen Pädagogen das politische und geistige Rüstzeug, um bereits dort Kandidat und später Mitglied der SED zu werden. In meiner weiteren beruflichen Entwicklung gab es zwar einige Brüche, doch ich blieb der kommunistischen Sache treu. Auch heute steht mir - einem inzwischen 73jährigen - am 8. Mai jeden Jahres noch einmal der Graben an der Autobahn bei Coswig vor Augen.

Dieter Pfannenberg, Berlin

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Warum wurde das Volkseigentum nicht verteidigt?

Auf einer Veranstaltung unserer "Rot-Fuchs"-Regionalgruppe mit Christa Luft, die am 28. Februar stattfand, wurde von mehreren Diskussionsteilnehmern die Frage aufgeworfen, warum die Arbeiterklasse der DDR eigentlich kein engeres Verhältnis zu "ihrem" Volkseigentum entwickelt habe. Die fehlende Verbundenheit sei auch daran zu messen gewesen, daß die meisten Betriebskollektive der als "Abwicklung" bezeichneten Zerschlagung der VEBs durch die Treuhand nur wenig Widerstand entgegengesetzt hätten.

Eine plausible Antwort auf diese alle bewegende Frage konnte während der Veranstaltung nicht gefunden werden. Ich möchte den Versuch wagen und hänge die Darlegung meines Standpunkts an dem bekannten Sprichwort auf: "Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul."

Der bildhafte Satz stammt aus der Zeit des vielerorts üblichen Pferdehandels. Erfahrene Roßhändler waren dazu in der Lage, das tatsächliche Alter des Gauls durch einen Blick auf sein Gebiß zu bestimmen. Dadurch konnten sie betrügerischen Behauptungen über die Verfaßtheit des Tieres - also Roßtäuschertricks - begegnen. Der "Blick ins Maul" war indes überflüssig, wenn es sich um ein Geschenk handelte, Geld also keine Rolle spielte. Darauf soll der Ursprung dieses Sprichworts beruhen.

In unserem Falle geht es nicht um Pferde, sondern um Betriebe und Liegenschaften, die den Werktätigen gewissermaßen "geschenkt" wurden. Hier kommt eine menschliche Schwäche zum Vorschein, die sicher jeder aus eigenem Erleben kennt: Die meisten Menschen verhalten sich zu geschenkten Gegenständen völlig anders als in bezug auf Werte, die sie selbst durch körperliche Anstrengungen oder geistige Arbeit erworben haben. Die investierte Kraft und Mühe sind es, die Achtung, Wertschätzung und pfleglichen Umgang bewirken.

Was nun das Volkseigentum betrifft, so wurde es uns Arbeitern der DDR quasi "geschenkt". Ich kenne keinen, der physische oder geistige Energie dafür hat aufwenden müssen, "seinen" Betrieb in Besitz zu nehmen. Hier haben wir, will mir scheinen, einen Grund für das ungenügend ausgeprägte Eigentümerbewußtsein der in unseren volkseigenen Betrieben beschäftigt Gewesenen.

So weit, so gut. Oder besser gesagt: nicht so gut. Die eingangs gestellte Frage mag damit zumindest teilweise beantwortet sein. Doch der Gedanke, wie man es denn hätte besser machen können, steht weiter im Raum. Mit einiger Phantasie vermag man sich so manches vorzustellen. Warum erhielt beispielsweise der einzelne Kollege mit seinem Eintritt in einen volkseigenen Betrieb der DDR nicht das Recht, durch Arbeit bestimmte Anteile am Betriebsvermögen zu erwerben? Ich meine damit nicht Aktien im kapitalistischen Sinne, sondern etwas qualitativ völlig anderes. Die Höhe seines Anteils hätte von seiner Leistung und der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit abhängig gemacht werden müssen. Die Zinsen dafür wären dem Miteigner dann in Form von Lohnerhöhungen oder als Prämien ausgezahlt worden.

So oder ähnlich ließen sich bestimmt verschiedene Varianten ausfindig machen, um Betriebsangehörigen eine materiell spürbare Beteiligung am Volkseigentum - in diesem Falle ihres konkreten VEB - zu ermöglichen. Unter solchen Bedingungen wären sie stärker mit ihrem Werk oder Unternehmen verbunden gewesen, hätten sie mit weitaus mehr Schöpfertum an der Mehrung des gesellschaftlichen Reichtums mitgewirkt und ihr Eigentum auch entsprechend verteidigt.

Wolfgang Giensch, Neubrandenburg

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Als Volkspolizisten ein Kreiskrankenhaus erbauten

Seit Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 war gelebte Solidarität ein bestimmendes Merkmal des Füreinanderdaseins. Sie förderte den Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft der Bürger untereinander, was sich auch in der Erfüllung übernommener Verpflichtungen positiv niederschlug. Auf diese Weise konnten erhebliche zusätzliche Werte geschaffen werden, die allen zugute kamen.

Gerne erinnere ich mich an die auf freiwilliger Basis beruhende Verpflichtungsbewegung innerhalb der Deutschen Volkspolizei aus Anlaß des 80. Geburtstages von Wilhelm Pieck am 3. Januar 1956. Im Unterschied zu manchen Politikern in späterer Zeit genoß der erste und einzige DDR-Präsident ein hohes Maß an Popularität. Die Volkspolizisten setzten sich zum Ziel, das erst 1951 neuerrichtete Landambulatorium in Röbel - dem kleinsten Kreis der gesamten Republik - aus Spendenmitteln zu einem Kreiskrankenhaus zu erweitern.

Die Initiative löste eine beispiellose Bewegung der Hilfsbereitschaft und Unterstützung aus, die fast in jeder VP-Dienststelle Widerhall fand. In der ganzen Republik spendeten Volkspolizisten einen Prozentsatz ihres damals noch kargen Einkommens. Innerhalb weniger Wochen waren zwei Millionen Mark der DDR auf dem Spendenkonto eingegangen. Doch auf finanzielle Unterstützung beschränkte man sich nicht. Unsere Genossen nahmen selbst die Rekonstruktion und Erweiterung des Objekts in Angriff. Ein Staunen und Raunen ging durch die kleine Stadt an der Müritz: Volkspolizisten, die von Beruf Maurer, Zimmerleute, Klempner, Dachdecker und Installateure waren, reisten aus territorial weit entfernten Dienststellen an und konnten das Bauvorhaben in einem knappen Jahr abschließen.

Dieser Solidaritätsbeweis gegenüber den nur 18.000 Einwohnern des Kreises Röbel war einmalig. Die örtlichen Partei- und Staatsorgane erwiesen den freiwilligen Helfern vielfältige Unterstützung. Und wir Volkspolizisten hielten Wort. Am 3. Januar 1957, dem 81. Geburtstag unseres Wilhelm Pieck, war es soweit: Die gut ausgestattete medizinische Einrichtung konnte übergeben werden. Röbel besaß nun sein eigenes Kreiskrankenhaus. Der damalige Chefarzt Dr. Kosmowski nahm den Schlüssel entgegen. Trotz des ungemütlichen Winterwetters hatten sich zahlreiche Einwohner Röbels zur Zeremonie eingefunden.

Als zeitweiliger Leiter des Volkspolizeikreisamtes Röbel habe ich - auch in späteren Jahren - immer wieder lobende Worte zum Ruf des Hauses vernommen. Noch heute schwelge ich in diesen Erinnerungen, und das nicht nur, weil meine Frau dort als Krankenschwester tätig gewesen ist. Bis 1953 hatten in der alten Einrichtung drei Ärzte und ein Zahnmediziner praktiziert. Ab 1963 waren es dann acht Ärzte und vier Dentologen, in den 70er Jahren sogar 18 Ärzte und zehn Zahnärzte.

Bei einer Kapazität von 165 Betten konnten der stationären Behandlung bedürfende Patienten durch gut ausgebildete Fachkräfte in den Disziplinen Chirurgie, Innere Medizin, Gynäkologie, Pädiatrie, Allgemeinmedizin und Stomatologie versorgt werden.

Ich bin noch heute froh, daß meine Polizei des Volkes mit ihren Spenden und Aufbauleistungen an der Errichtung des Kreiskrankenhauses so maßgeblich mitgewirkt hat. Unter BRD-Bedingungen wären soziale Taten dieser Art undenkbar, geht es doch in ihrem Gesundheitswesen allein darum, am Menschen und an seinen Leiden möglichst viel Geld zu verdienen. Unterdessen ist die während vieler Jahre erfolgreiche Einrichtung - wie vieles andere auch - dem Abwicklungsfanatismus der kapitalistischen Rückeroberer zum Opfer gefallen.

Walter Krüger, Güstrow

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Hermann Weber verpfiff seine Genossen
von Hans Dölzer

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Maxime der DDR-Schmäher: Haltet den Dieb!

Es füllt den schwarz-weiß und kunterbunt gedruckten Tages-, Wochen- und Monats-Blätterwald, abendliche TV-Talk-Shows, öffentliche Foren, Koalitionspapiere von Parteien, Erklärungen führender bundesdeutscher Staatsmänner und solcher, die es gerne werden möchten. Von extrem rechts bis hinein in "Die Linke" erklingt es im Chor: "Die DDR war ein Unrechtssystem, ein Unrechtsstaat."

Doch hin und wieder melden klügere Köpfe hierzu Zweifel an. Statt sich unmißverständlich zu erklären, schleichen sie wie die Katze um den heißen Brei oder winden sich wie ein Aal, um nicht öffentlich bekunden zu müssen, daß die DDR ein Rechtsstaat gewesen ist.

Einige "klammern" sich ans Völkerrecht, das den Begriff "Unrechtsstaat" nicht kennt. Es ist ein Versteckspiel vor jenen, welche das Leben in der DDR und deren Geschichte dem Reißwolf übergeben zu haben glauben. Die aber haben ihren Schmähbegriff ohne Rücksicht auf das Völkerrecht kreiert. Will man nicht begriffsstutzig sein, muß man die "Begriffsschöpfer" gehörig stutzen und den Wölfen des Verrisses die Zähne ziehen.

Andere flüchten in "Vergleiche". Sie meinen, wie ich kürzlich im blaßroten ND einem Interview mit dem Innenminister der damals bereits im Koma liegenden DDR entnahm, es könne doch nicht sein, daß man die DDR mit dem Unrechtssystem der Nazis auf eine Stufe stelle. Das wäre der DDR gegenüber deshalb ungerecht, weil sie im Ergebnis des 2. Weltkrieges rechtmäßig entstanden sei. Ich schätze diesen einstigen Minister der Noch-DDR wegen seiner politischen Lauterkeit sehr. Die DDR in einen historischen Vergleich mit der Hitlerdiktatur zu stellen, betrachte ich jedoch als einen "Griff in die falsche Kiste".

Andere würden von einem "Fehltritt" sprechen. Die DDR war nicht "rechtmäßig" im Ergebnis der Niederlage Hitlerdeutschlands in einem von diesem entfachten verheerenden Weltenbrand entstanden, sondern entsprach mit ihrer Gründung am 7. Oktober 1949 und der nachfolgenden Entwicklung den völkerrechtlichen Festlegungen des Potsdamer Abkommens vom August 1945. In ihm wurden die Voraussetzungen eines antifaschistischen, entmilitarisierten und friedfertigen deutschen Staates festgelegt. Das geschah im Gegensatz zu der Deutschland spaltenden Gründung der BRD im Mai 1949, die sich alsbald anti-antifaschistisch, säbelrasselnd und dem deutschen Kapital weiterhin treu ergeben präsentierte.

Besonders "ausgewogen" Argumentierende bezeichnen Unrecht in der DDR als etwas in jedem Staat und jeder Gesellschaft "völlig Normales". Sie mögen damit zwar recht haben, der antikommunistischen Politfloskel vom "Unrechtsstaat DDR" widersprechen sie damit aber noch nicht. Was als rechtens oder gegen das geltende Recht in einem souveränen, weltweit anerkannten Staat wie der DDR Verstoßendes zu bewerten ist, läßt sich nur mit einem subjektiven, inzwischen aus historischer Distanz getroffenen Urteil bestimmen. Jeder Staat nimmt sich berechtigterweise das Recht, gegen eine ihm von außen drohende Gefahr oder sein "Terrain" unterwühlende "Maulwürfe" im Innern vorzugehen. Er schafft sich hierfür Gesetze, die so lange kein Unrecht sind, wie sie nicht gegen das Völkerrecht und die deklarierten Menschenrechte verstoßen. Eine Verletzung geltenden Völkerrechts konnte der DDR weder im Verlauf ihrer 40jährigen Existenz noch "postum" in den fast zweieinhalb Jahrzehnten seit ihrer Annexion durch die BRD nachgewiesen werden. Und schlüssige Beweise für Menschenrechtsverletzungen in der DDR sind die Erfinder des "Unrechtssystems" und des "Unrechtsstaates" bisher ebenfalls schuldig geblieben.

Ohne jede Einschränkung stelle ich fest: Die zunächst antifaschistisch-demokratische, dann sozialistische DDR war zeit ihres Bestehens dem Frieden, der Völkerfreundschaft und der sozialen Sicherheit ihrer Bürger verpflichtet. Ihr rechtsstaatliches Gesellschaftsmodell könnte ganz Deutschland eines Tages als Vorbild dienen.

Manfred Wild, Berlin

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Kraftzuwachs nach Hilferuf

Auf den im November-RF veröffentlichten redaktionellen Hilferuf "Es geht um die Wurst", in dem wir die angespannte finanzielle Situation unseres weder einen Preis fordernden noch Mäzene besitzenden Blattes darlegten, erreichte uns tage- und wochenlang eine geradezu überschäumende Welle der Solidarität. Dieser Kraftzuwachs verlieh unserem schon etwas struppig erscheinenden kleinen roten Fuchs wieder ein glänzenderes Fell. Der Bestand der Zeitschrift, die wie die "junge Welt" und andere Publikationen eine echte Alternative zur Presse der antikommunistischen Brunnenvergifter darstellt, ist damit vorerst gesichert. Wir danken den Tausenden und aber Tausenden "RotFuchs"-Lesern der Print- wie der Internetausgabe, die in den 17 Jahren des Bestehens dieses kleinen und zugleich großen Blattes dafür gesorgt haben, daß es niemals in die roten Zahlen geriet, für ihre ständige ideelle und materielle Unterstützung.

In der Gewißheit, daß wir unsere - Eure - rote, antifaschistische, dem Frieden und der internationalen Solidarität verpflichtete Zeitschrift auch in Zukunft gemeinsam über Wasser halten können, grüßen wir jeden von Euch auf das herzlichste.

Klaus Steiniger, Chefredakteur des RF,
Wolfgang Dockhorn, amtierender Vorsitzender des RF-Fördervereins

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Mehr als 40 Jahre Mitglied der NDPD

Erfahrungen und Erkenntnisse eines DDR-Blockpolitikers

Ohne Rückblick auf in der Vergangenheit selbst Erlebtes und Gestaltetes sind Vorstellungen über eine friedliche Zukunft in einer sich rasch verändernden Welt nicht möglich.

40 Jahre Mitgliedschaft in der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NDPD) waren vier Jahrzehnte reifender Erfahrungen und Erkenntnisse bei der Block- und Bündnispolitik mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der Christlich-Demokratischen Union (CDU), der Liberaldemokratischen Partei Deutschlands (LDPD) und der Demokratischen Bauernpartei Deutschlands (DBD). Nach dem 2. Weltkrieg und dem "Sturz" ins Unbekannte war ich Beteiligter an einem politischen Experiment besonderer Art mit seinen Qualitäten, Unwägbarkeiten und Illusionen. Dieses "Experiment" - eine 40jährige "Langzeitstudie" des Aufbaus des Sozialismus in der DDR - hat sich als Tatsache und visionärer Ausblick erwiesen, aber auch Öffnungen und Grenzen gezeigt.

Die hier geäußerten Gedanken beruhen auf meinen Lebenserfahrungen. Sie sind keine Schönfärberei, um einigen zu gefallen oder nach dem Munde zu reden. Es sind Schlußfolgerungen aus einer Zeit, in der ich mitreden konnte, ob erwünscht oder manchmal auch nicht, und die ich keineswegs missen möchte. Sie beweisen, was möglich ist, wenn mit Vernunft und klarem Blick, dynamisch und praktisch-dialektisch gedacht und gehandelt wird. Wo ehrliche Partner sich gefunden hatten, blieben gemeinsame Erfolge nicht aus, Grenzen wurden nicht nur rechtzeitig erkannt, sondern auch überwunden. Es war eine Zeit, die in dieser Farbigkeit und Tiefe der Problematik wohl so nicht wiederkommen wird.

Das Zusammenwirken zwischen Mitgliedern der Blockparteien verlief nicht immer konfliktlos und auf Augenhöhe. Die allzu prononcierte Dominanz einer Partei, gleich welcher, schadet ihrer Führungsposition. Partner sind keine Erfüllungsgehilfen, sondern verantwortliche Gestalter in voller Mitverantwortung! Im Block der antifaschistisch-demokratischen Parteien und Massenorganisationen fanden die politischen Kräfte unter Beachtung der besonderen Rolle der SED zusammen, wenn auch manche Beratung ohne einstimmig gefaßte Beschlüsse ausging. Die Beziehungen zwischen den Verantwortlichen der Parteien waren freundlich, aber nicht immer freundschaftlich und kameradschaftlich.

Meine Aufgabe als politischer Leiter eines Kreisverbandes - er nannte sich später Kreissekretär - war es, Mitglieder zu gewinnen und die Arbeit zu organisieren. Das "Tauziehen" um für geeignet gehaltene Personen zwischen NDPD, LDPD und CDU verlief nicht immer ohne "blaue Flecken". Dabei ging es vor allem um die Besetzung leitender Positionen in Staat und Gesellschaft. Ich wurde von meinem Landesvorstand daran gemessen, wie sich der Einfluß der NDPD im Kreis entwickelte. Wir erlebten einen Prozeß des Umdenkens zur Gestaltung einer neuen, völlig anderen Gesellschaftsordnung und hatten dafür keinerlei "Vorbereitungszeit". Ich habe in dieser frühen Phase der DDR etwa 100 Mitglieder für meine Partei geworben.

Es gab natürlich auch Leute, die der SED gewissermaßen in gebückter Haltung gegenübertraten, was allerdings bei uns im Bezirk Karl-Marx-Stadt untypisch war. Meine Parteifreunde verhielten sich kritisch und waren manchmal auch unbequem. Ich betrachtete die Entwicklung und Festigung von Bündnissen als ein schweres, aber erstrebenswertes Unterfangen. Entscheidend war dabei das vertrauensvolle Handeln aller Beteiligten ohne Tabus bei inhaltlichen Fragen.

Ein paar Bemerkungen zu mir selbst: Ich kam direkt aus dem Kloster und überquerte 1949 "schwarz" die Zonengrenze gen Osten, wo meine Eltern und Verwandten lebten. Mein Vater konnte sich in Reichenbach als Gastwirt des "Waldhauses zur Postsäule" eine neue berufliche Existenz aufbauen.

Im Dezember 1949 wurde ich Mitglied der NDPD. In der Partei fand ich tolerante Partner und Freunde. Sie akzeptierten meinen katholischen Glauben.

Leitende Funktionäre der Partei wie Vinzenz Müller, unser Politischer Geschäftsführer, und der sächsische Landesvorsitzende Wilhelm Adam, die in sowjetischer Kriegsgefangenschaft zum Nationalkomitee Freies Deutschland gestoßen waren, inspirierten mich ebenso wie Dr. Lothar Bolz. Der NDPD-Parteivorsitzende hatte vor seiner Emigration verfolgte Antifaschisten als Anwalt vertreten. 1953 besuchte ich den 2. Halbjahreslehrgang an der Hochschule für Nationale Politik in Waldsieversdorf. Ob als Mitarbeiter im NDPD-Bezirksvorstand Karl-Marx-Stadt, persönlicher Referent seines Politischen Geschäftsführers, stellvertretender Bürgermeister eines Stadtbezirks, stellvertretender Vorsitzender des Bezirksfriedensrates oder Vorsitzender des Bezirksausschusses der Volkssolidarität - stets war ich bemüht, mein Bestes zu geben. Dabei fanden mein medizinisches Fachschulstudium als Arbeitshygieniker/Inspektor für Arbeitshygiene sowie meine philosophischen Interessen und das Studium an der Leipziger Karl-Marx-Universität nicht immer den "Segen" der Partei. Als aber am Ende alles erfolgreich verlief und auch meine wissenschaftliche Arbeit Beachtung fand, änderte sich die Situation. Alles in allem war die Tätigkeit in der NDPD für mich also eine Lebensschule, zu der "Streicheleinheiten" wie "Backpfeifen" gehörten.

Die Personalpolitik in der DDR beruhte ganz wesentlich auf der Beachtung und Gewährleistung der führenden Rolle der SED. Als unverzichtbare Bündnispartner unterstützten die Blockparteien sie öffentlich und intern, wenn auch mit bisweilen unterschiedlichen Positionen. Sie wurden in die Verantwortung einbezogen, wobei die Entscheidungskompetenz in Schlüsselfragen der Ideologie, der Wirtschaft sowie im Sicherheitsbereich in Händen der SED lag. Charakter und Modalitäten der Wahlen, zu denen die Kandidaten der Nationalen Front gemeinsam antraten, sicherten deren führende Rolle. Bei Personalentscheidungen wurden Wissen und Können der Blockfreunde berücksichtigt. Deren Arbeits- und Leitungswirksamkeit hing in der Praxis davon ab, in welchem Maße man ihnen vertraute und wie man sie einsetzte.

Daran, daß die DDR vier Jahrzehnte lang bestand, hatten die Blockparteien und deren kompetente Persönlichkeiten einen nicht unwesentlichen Anteil.

1990 entließ ich als amtierender Vorsitzender des Stadtvorstandes Karl-Marx-Stadt die NDPD kurz vor dem 3. Oktober schweren Herzens in die Geschichte.

Dr. Wilfried Meißner, Chemnitz

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Warum ich als Fahrer gekündigt habe

Wie von den Taxi-Unternehmern der Mindestlohn unterlaufen wird

Am 7. Februar erhielt ich Gelegenheit, in einem Interview mit der "Thüringer Landeszeitung" ein paar den Unternehmern unangenehme Wahrheiten über die Taxibranche nicht nur in Weimar auszusprechen. Das Blatt war durch die Lese-Empfehlung eines Weimarer Onlineportals auf mein Blog aufmerksam geworden, aus dem ja auch der "RotFuchs" Erlebnisse und Geschichten eines Taxifahrers veröffentlicht hat.

Angesichts des "neuen Zeitalters" für den Niedriglohnsektor und in realistischer Einschätzung der Lachnummer "Mindestlohn" hatte ich mir rechtzeitig eine andere Lohnarbeit gesucht. Die düstere Vorahnung wurde durch das "großzügige Angebot" meines Taxiunternehmers bestätigt, fortan für 41 statt wie bisher für 40 % Umsatzbeteiligung zur Vermehrung seines Reichtums beizutragen. Einziger Fahrer, der auf der Bezahlung der Zeitstunde mit 8,50 EUR bestand, waren meine Tage in Diensten dieses marktwirtschaftlichen Vorzeigebürgers gezählt.

Alle anderen Kollegen fühlen sich gezwungen, das schäbige Spiel mitzumachen und sich zu denselben Konditionen wie zuvor, nun aber unter Fingierung reduzierter Arbeitsstunden, zähneknirschend weiter ausbeuten zu lassen. Da werden Arbeitszeitkonten gefälscht, Fahrtenbucheinträge untersagt oder der nun als "Überstunden" zu deklarierende Anteil der Arbeitszeit einem fiktiven Überstundenkonto gutgeschrieben. Dieses soll angeblich am Jahresende - also am Sankt-Nimmerleins-Tag - ausgeglichen werden. Etwa 250 Stunden im Monat waren die Regel und sind es immer noch. Nur werden jetzt 100 davon als "Überstunden" deklariert. Kein Fahrer glaubt daran, daß "sein" Unternehmer ihm nach einem Jahr mehrere tausend Euro auszahlen oder ihn ersatzweise 3 bis 4 Monate bei Weiterbezug des Lohns freistellen wird.

Eine pikante Extranote erhält die Angelegenheit durch die drastische Tariferhöhung von beinahe 100 % pro gefahrenem Kilometer (3,00 € statt bisher 1,60 €), die sich Weimars Taxi-Unternehmerschaft schon im Dezember 2014 von der Stadt hatte genehmigen lassen. Die nun spürbar verteuerten Fahrten sorgen für deutlich mehr Umsatz, und das sogar in den traditionell "schwachen" Monaten Januar und Februar. Die Fahrer aber müssen mit ansehen, wie von diesem Mehrerlös nichts bei ihnen hängenbleibt.

Selbst eine derart dreiste Nummer der "Arbeitgeber", als Begründung für die Tariferhöhung den ihnen drohenden Mindestlohn anzugeben und sich die dadurch gesteigerten Mehrumsätze in die eigenen Taschen zu stecken, wird von der Mehrzahl der Fahrer entweder nicht zur Kenntnis genommen oder mit resignierendem Achselzucken verbucht. Die Vereinzelung, das Gegeneinander und die Reduzierung jedes Fahrers auf eine beliebig ausnutzbare Einkommensquelle für den jeweiligen Unternehmer ist ungebrochen.

Es ist überflüssig zu erwähnen, daß ich nach Erscheinen des Interviews in der "Thüringer Landeszeitung" erst recht keine Chancen mehr hatte, von irgendeinem Taxibetreiber jemals wieder gefragt zu werden, ob ich nicht ein paar Schichten fahren wolle. Allerdings war das auch nicht meine Absicht, obwohl ich die Arbeit wegen der Fahrgäste und mancher Kollegen gerne gemacht habe. Meine Hoffnung war, daß durch die Publikation eines Artikels mit klar geäußerten Hinweisen auf den branchenüblichen Versuch der Umgehung des Mindestlohns vielleicht die eine oder andere Behörde aufmerksam und den "Arbeitgebern" etwas genauer auf die Finger und in die Bücher geschaut würde.

Ich denke nicht, daß sich diese Hoffnung erfüllen dürfte. Zu sicher sind sich die Bosse, daß ihre Masche nicht auffliegt, sondern sogar auf verständnisvolles Wohlwollen bei politischen Sachwaltern stößt. Immerhin ist ja - wenige Monate nach Einführung des "flächendeckenden Mindestlohns" - schon wieder die Rede davon, den Firmenchefs solche Zumutungen wie eine genaue Zeiterfassung zu ersparen. Das aber wäre die einzige Maßnahme, die eine wirksame Kontrolle darüber ermöglichen würde, ob der Mindestlohn tatsächlich auch gezahlt wird.

Wenn es noch eines Beispiels zur Illustration der Schaumschlägerei sozialdemokratischer Kapitalistenversteher dafür bedurft hätte, um klarzustellen, wer hierzulande das Sagen hat und die Gesetze macht - der "Mindestlohn" öffnet einem die Augen. So man es denn will.

Wenn aber schon weitaus "größere", für das Überleben der Menschheit spürbar gefährlichere Entwicklungen wie der immer kriegslüsternere Expansionsdrang des Imperialismus nicht in der Lage sind, eine Mehrheit der Bevölkerung gegen die Lügen der herrschenden Klasse zu mobilisieren, wie soll dann erst irgendein Hund durch den marktwirtschaftsüblichen Betrug an den Arbeitern in einer peripheren Niedriglohnbranche wie dem Taxiwesen hinterm Ofen hervorgelockt werden?

Die Aufgabe von Kommunisten, Sozialisten und anderen Humanisten kann angesichts der gegebenen Verhältnisse nur darin bestehen, geduldig aufzuklären und die Ursachen von Not, Ausbeutung, Arbeitslosigkeit und Krieg zu benennen. Man darf die Hoffnung nicht verlieren, daß sich eines Tages genügend Menschen zusammentun, die mit der nötigen Konsequenz die Eigentumsfrage stellen. Für mich heißt das nicht - wie für die Partei Die Linke -, den Kapitalismus ein bißchen erträglicher machen zu wollen und dafür in bürgerlichen Wahlen Stimmen zu sammeln, sondern aus dem Kapitalstandort BRD ein Land zu machen, wo eine bedürfnisorientierte Planwirtschaft den immensen Reichtum von Land und Leuten allen zugute kommen läßt.

Kay Strathus, Weimar

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Ist die Rentenangleichung bis 2019 eine Farce?

Im Februar verlautete aus Merkels Regierung, man sei besorgt, daß die im Koalitionsvertrag vereinbarte volle Angleichung der Ostrenten an die Westbezüge bis 2019 scheitern könnte. Während der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg meint, die schnelle Rentenangleichung sei der falsche Schritt, und man wolle erst einmal abwarten, wie sich der Mindestlohn auf die Renten auswirkt (!), verkündete Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haselhoff (gleichfalls CDU), daß der Markt es nicht richten werde, und "die Politik" unverzüglich eingreifen müsse. Die Ostrenten betragen derzeit 92,4 % des Westniveaus.

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) mahnte schon Ende 2014, daß die Angleichung ohne zusätzliche Milliarden aus dem Staatshaushalt wohl nicht gelingen könne, weil eine Anpassung der ostdeutschen Löhne, die gegenwärtig bei 80 % der westdeutschen liegen, auch in den nächsten Jahren nicht zu erwarten sei.

Derzeit beträgt die Ost-Standardrente aus der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) etwa 1190, die West-Standardrente aber 1290 Euro. Völlig unberücksichtigt bleibt dabei die Tatsache, daß in den alten Bundesländern nur 41 % der abhängig Beschäftigten Rente aus der GRV beziehen und 51 % Einkünfte aus einer Kombination von GRV-Rente, betrieblicher Altersversorgung (AV) und anderen Zusatzleistungen erhalten. In Ostdeutschland sind hingegen 98 % der abhängig Beschäftigten allein auf die Rente aus der GRV angewiesen. Betrachtet man nun die Gesamteinkünfte, so entspricht das Ostniveau nur 65 % des Westniveaus!

Der den Bezügen zugrundeliegende Rentenwert und die Beitragsbemessungsgrenze wurden seit dem Anschluß der DDR an die BRD in der Annahme, daß sich die Einkommensverhältnisse in Ost und West kurzfristig angleichen würden, unterschiedlich festgelegt und auch entsprechend fortgeschrieben. Die Bundesregierungen haben jedoch seit 1989 keinen gleichstellenden Aufschwung der Produktions- und Lebensverhältnisse in die Wege zu leiten vermocht.

Seit mehr als zehn Jahren liegen Untersuchungen, Vorschläge und Anträge von Gewerkschaften, Sozialverbänden und der Linkspartei zur Lösung dieses Problems vor. Stets waren sich CDU und SPD einig, dem nicht zu entsprechen. Unisono haben sie in der vergangenen Legislaturperiode alle 19 Anträge der Linkspartei nicht nur abgelehnt, sondern deren Verfasser überdies auch noch verhöhnt.

Da verblüfft es schon, wenn Iris Gleicke (SPD), Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder, im Februar verkünden ließ, sie halte einen "Zwischenschritt" und nicht etwa den letzten Schritt bei der Rentenangleichung Ost - West im Jahr 2017 für "wahrscheinlich".

Aber die eigentliche Frage ist doch, ob das mit dem Rentenüberleitungsgesetz angeblich nur für kurze Zeit anvisierte "Sonderrecht Ost" zur Alterssicherung, das unterschiedliche Rentenwerte und Beitragsbemessungsgrenzen manifestiert, weiterhin unverändert und mit unbestimmtem Ende für die noch lebenden ehemaligen DDR-Bürger und die heute im Osten der BRD Ansässigen gelten soll.

Die damals gegebenen Voraussetzungen haben sich inzwischen grundlegend geändert. 1990 ging man von gleichen Beschäftigungsverhältnissen in ganz Deutschland aus. Doch im Osten ist die Zahl der Beitragszahler deutlich geringer geworden und sinkt weiter. Das Auswandern Arbeitsfähiger in den Westen, das Pendeln von im Osten Lebenden und im Westen Arbeitenden, deren Anzahl Ende 1991 rund 1,7 Millionen betrug und sich bis heute in unterschiedlichem Maße fortsetzt, haben zum Vergreisen ganzer Landstriche auf einstigem DDR-Territorium geführt. Dort gibt es nur noch Rentenempfänger, aber fast keine Beitragszahler mehr. Das ist für die private Versicherungswirtschaft eine Steilvorlage, um profitable Verträge abzuschließen.

Der einzig logische Weg wäre, die Beiträge der aus dem Osten in den Westen abgewanderten Lohn- und Gehaltsempfänger, die alle in die Rentenkasse West einzahlen, denen anzurechnen, die sie im Osten erzogen und auf das Berufsleben vorbereitet haben. Ein Ausgleich, der dem "Generationenvertrag" entspräche - dem gesellschaftlichen Konsens, daß sich eine Generation solidarisch zur anderen verhalten muß.

"Die Gesetzliche Rente hat eine Zukunft - auch im Osten -, wenn endlich der Rentenwert Ost an den Rentenwert West angeglichen, das Rentenüberleitungsgesetz korrigiert und bei der Rentenversicherung eine grundlegende Kehrtwende eingeleitet wird", stellte die frühere Bundestagsabgeordnete und jetzige Beraterin der Linkspartei, Dr. Martina Bunge, fest.

Heinz Scharf, Neuenhagen

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Das Land, wo Milch und Honig fließen ...

Pünktlich vor dem Ostergeschäft 2015 legten sich die Medien der BRD einmal mehr mächtig ins Zeug, um Massen von Menschen in die Geschäfte zu locken. Das Konsum-Barometer war auf 9,7 Punkte gestiegen und wies somit den höchsten Wert seit Oktober 2001 auf. Daß die derzeit niedrigen Zinsen viele nicht mehr zum Sparen animieren, ließ man nur noch in Nebensätzen durchblicken. Die Frage, ob ein nicht geringer Teil der Bevölkerung denn überhaupt imstande sei, etwas beiseite zu legen, blendeten Presse, Funk und Fernsehen gleich ganz aus.

Bestimmte Tatsachen werden aber mit Vorliebe unter den Teppich der Erfolgsmeldungen gekehrt: 25 Prozent der Arbeiter und Angestellten waren 2014 im sogenannten Niedriglohnsektor beschäftigt. Sie verdienten weniger als zehn Euro brutto in der Stunde. Wovon sollten diese etwa acht Millionen Betroffenen denn noch irgend etwas anlegen?

Licht ins Dunkel brachte die Berliner Sparkasse, als sie 2014 in ihrem Magazin "Berliner Akzente" Einnahmen und Ausgaben gegenüberstellte. Da war der 22jährige Student mit einem Nettoeinkommen von 1000 Euro, Ausgaben 995 Euro. Macht satte fünf Euro Überschuß. Der Weg zum neuen Fahrrad oder Smartphone dürfte hier sehr lang sein oder ein Kauf auf Pump erfolgen. Eine alleinerziehende Frau (30) mit vierjähriger Tochter wurde vorgestellt. Nettogehalt: 1430 Euro, Ausgaben: 1422 Euro. Von den acht Euro Ersparnis pro Monat wird die junge Mutter kaum "große" Sprünge machen können. Geht hier die Waschmaschine kaputt, ist der Weg in die Schuldenfalle vorprogrammiert. Und die Bedürfnisse der Tochter werden in den künftigen Jahren mit Sicherheit steigen. In beiden Fällen muß übrigens mehr als ein Drittel der Nettobezüge für die monatliche Wohnungsmiete auf den Tisch gelegt werden. Das gleichfalls vorgestellte Seniorenehepaar bringt es bei Nettorenten in Höhe von 2200 Euro und Ausgaben von 2168 Euro immerhin auf ein Plus von 32 Euro.

Mit dem folgenden Fall eröffnete die Berliner Sparkasse dem Leser endlich jene Gehaltsklasse, welche erklommen werden muß, um unbeschwert über die Runden zu kommen. Eine drahtige Endvierzigerin, als Single in einer Eigentumswohnung lebend, kann auf ein Nettoentgelt in Höhe von 3000 Euro verweisen. Bei vergleichsweise hohen Ausgaben für Wohnen, Ernährung, Bildung und Freizeit verbleiben ihr davon immerhin 360 Euro, von denen sie etwas auf die hohe Kante legen kann. Der Beruf der Dame wurde nicht verraten. Möge jeder RF-Leser darüber nachdenken, wie viele Menschen es in seinem Umfeld gibt, die zu derart gehobenen Gehaltsklassen gehören.

Rico Jalowietzki

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Was in der DDR undenkbar gewesen wäre

Ein Kuckucksei der Reichen für das Nest der Einkommensschwachen

Ich stelle mir vor, das Staatliche Komitee für Fernsehen und das Staatliche Komitee für Rundfunk beim Ministerrat der DDR wären im Verbund mit der DDR-Volkskammer übereingekommen, das Kündigungsrecht für eine Rundfunkleistung abzuschaffen und die bestehende individuelle Rundfunkgebühr für Radio und Fernsehen (ein Gerät = eine Gebühr) aufzuheben, um diese durch eine pauschale Abgabe pro Wohnung zu ersetzen. Und zwar unabhängig davon, ob sich dort überhaupt ein Gerät befindet.

Welches Geschrei hätte sich in den West-Medien über eine solche Maßnahme der DDR erhoben? Wäre sie nicht wegen des Entzugs der freien Selbstbestimmung ihrer Bürger darüber, wofür sie ihr Geld auszugeben oder nicht auszugeben gedenken, wegen schwerster Verletzung der Menschenrechte angeklagt worden? Eine "kommunistische Einheitsgebühr" für Rundfunk und Fernsehen hätte vortrefflich in das Konzept der Anti-DDR-Propaganda gepaßt!

Als aber im Januar 2013 eine solche in der DDR undenkbare "Wohnungsabgabe" bundesweit eingeführt wurde, blieb ein Aufschrei der Medien aus. Der Staatsrundfunk verteidigte die neue Beitragsregelung sogar als "sozial gerecht". Die Presse berichtete wertungsneutral oder gab Meinungen kommentarlos wieder. Man schwieg zu dem sozialen Unrechtsgesetz, wonach Geringverdienende den Beitrag für Besitzende, die mehr als ein Radio und ein Fernsehgerät sowie das Internet in ihrer Wohnung nutzen, mitfinanzieren müssen. Hatte nicht Herr Gauck in seiner Rede auf der 22. Sitzung des UN-Menschenrechtsrats in Genf am 25. Februar 2013 erklärt, auch Demokratien müßten "sich fragen lassen, ob sie nicht aus wirtschaftlichen Gründen Menschenrechte relativieren". Relativieren?

Im Reigen der BRD-Medien nimmt "neues deutschland" in dieser Frage sogar eine Sonderrolle ein. In seiner Ausgabe vom 20./21. Dezember 2014 verteidigte die "Sozialistische Tageszeitung" unter dem Titel "Schon gezahlt?" von Robert D. Meyer ausdrücklich die seit 2013 geltende Wohnungsabgabe und stellte jene an den Pranger, welche ihre Stimme dagegen erheben.

So behauptete das Blatt u.a.: "... egal, ob alte GEZ-Gebühr oder Haushaltsabgabe: In beiden Fällen war und ist der monatliche Beitrag nicht an die tatsächliche Nutzung gekoppelt." Stimmt das? Nein. Auch wenn sich für jene, welche schon immer für ein Radio und für ein Fernsehgerät bezahlt haben, ab Januar 2013 nichts geändert hat.

Wer sich den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag vom Dezember 2010, in der Fassung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrags mit Rechtskraft ab 1. Januar 2013 ansieht, wird folgende Änderungen feststellen: 1. Die individuelle Rundfunkgebühr (1 Gerät = 1 Gebühr), wie sie bis Dezember 2012 galt, wurde abgeschafft und durch eine Wohnungsabgabe ersetzt. 2. Das Recht auf Kündigung, um eine nichtgewollte Leistung abwehren zu können, wurde aufgehoben. So wird jede und jeder unterschiedslos gezwungen, sobald er oder sie eine Wohnung besitzt, einen Rundfunkbeitrag zu leisten. 3. Ein Bußgeld wurde eingeführt, um jene zu belangen, die sich weigern, für eine nichtgewollte Rundfunkleistung zu bezahlen. 4. Personen wie z.B. Hartz-IV-Empfänger, die bis Dezember 2012 von der Rundfunkgebühr befreit waren, haben nun einen geminderten Rundfunkbeitrag zu erbringen.

Leidtragende der Neuregelung sind alle, die nur ein Radio nutzen. Für sie erhöhte sich der Beitrag um 200 Prozent, für Nutzer nur eines Fernsehgeräts um 30 Prozent. Wer weder Radio noch Fernseher, noch das Internet in Anspruch nimmt, muß unter Strafandrohung für nichts und wieder nichts eine volle Wohnungsabgabe von 17,98 Euro im Monat entrichten.

Personen, die mehr als ein Radio, mehr als ein Fernsehgerät und das Internet nutzten, mußten bis Dezember 2012 für jedes Empfangsgerät eine Gebühr entrichten. Sie sind ebenso Nutznießer dieser Regelung wie Wohngemeinschaften, deren Mitglieder sich eine "Wohnungsabgabe" teilen können. Um Verständnis für das soziale Unrecht zu wecken, verweist das "nd" auf das "Gesundheitswesen". Da müßten ja auch alle zahlen. Wer sich indes auskennt, weiß, daß sich der Beitrag für die Sozialversicherung nach dem Einkommen des Versicherten richtet, wovon Privatversicherte ausgenommen sind. Das Gesundheitswesen ist überdies eine soziale Einrichtung.

Die Entstehungsgeschichte zum aktuellen Rundfunkbeitrag begann mit einer Hetzkampagne des Deutschlandfunks im Sommer 2010 gegen sogenannte Schwarzseher und -hörer. Sie wurden systematisch kriminalisiert. Dann scheuchten die Rundfunkanstalten ihre Mitarbeiter durch die Wohngebiete, um "illegale" Zuschauer und Hörer aufzuspüren. Die so entstehende Unruhe sollte die Bevölkerung zur Akzeptanz jeder Gebührenlösung bewegen, um nur in Ruhe gelassen zu werden. Das Ganze mündete in der parlamentarischen Absegnung des von den Rundfunkanstalten begehrten Gesetzes.

Ich erhob in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde gegen die Abschaffung des Kündigungsrechts. Sie wurde wegen eines Formfehlers nicht angenommen.

Zugegeben: Auch in der DDR war nicht alles so, wie es hätte sein sollen. Doch auf die Idee, eine Gebühr zu erlassen, bei der Geringverdienende für Besserverdienende zur Kasse gebeten werden, lag in ihrer Zeit außerhalb jeglichen Vorstellungsvermögens der Bürger.

Hans-Jürgen Schmidt, Berlin

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Ein Teufelchen, das in der Ecke lauert

Die Prosperität ist jene Etappe im Krisenzyklus des Kapitals, welche den Kapitalisten besonders hohe Profite beschert. Es ist eine Etappe des steigenden Umsatzes, der relativ stabilen Preise, des billigen Geldes und günstiger Kredite bei verhältnismäßig geringer Arbeitslosigkeit und wachsendem Konsum. Kurzum, eine scheinbare Wohlfühlzeit für alle Schichten der Gesellschaft.

Allerdings gibt es da ein kleines Teufelchen, das versteckt in der Ecke lauert. Und das ist ausgerechnet der Markt, dem man es am wenigsten zugetraut hätte. Er ist der große Regulierer der Produktion, der allumfassende Wahrsager, Bedürnisbefriediger, ja der Messias der kapitalistischen Gesellschaft.

Wieso ist er das? Es ist nicht seine Schuld. Nein, er ist nach wie vor das exakte Barometer der Bedürfnisse und des Verbrauchs. Andere Bedingungen der kapitalistischen Produktion sind es, die seine regulative Wirkung zeitweise außer Kraft setzen. In erster Linie handelt es sich dabei um das Finanz- und Kreditsystem als festen Bestandteil der widersprüchlichen Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise. Marx, der diese Zusammenhänge aufdeckte, schreibt: "In Zeiten der Prosperität, großer Expansion, Beschleunigung und Energie des Reproduktionsprozesses sind die Arbeiter voll beschäftigt. Meist tritt auch Steigen des Lohnes ein und gleicht das Fallen desselben unter das Durchschnittsniveau in den andern Perioden des kommerziellen Zyklus einigermaßen aus. Gleichzeitig wachsen die Revenuen der Kapitalisten bedeutend. Die Konsumtion steigt allgemein." (MEW, Band 25, S. 462)

Das sind alles Erscheinungen, wie wir sie aus der Gegenwart kennen, wenn auch die "Reservearmee" der Arbeitslosen nie ganz verschwindet, wie das an anderer Stelle in der Krisentheorie hervorgehoben wird. Die Prosperität ist auch keine weltweit gleichzeitig auftretende Erscheinung. Die fortgeschrittene Globalisierung in der Wirtschaft nivelliert heutzutage die Krisenzyklen der einzelnen Länder. Bestimmte Etappen verschieben sich zeitlich oder treten nur stark deformiert auf. Viele Länder, auch europäische mit hoher Arbeitslosigkeit und Anziehen der Preise für Konsumartikel sind der Beweis.

Noch ein Wort zur Einschränkung der Wirkung des Marktes. Marx schreibt: "Der Kredit macht den Rückfluß in Geldform unabhängig vom Zeitpunkt des wirklichen Rückflusses, sei es für den industriellen Kapitalisten, sei es für den Kaufmann. Jeder von beiden verkauft auf Kredit; seine Ware ist also veräußert, bevor sie sich für ihn in Geld rückverwandelt, also zu ihm selbst in Geldform zurückgeflossen ist. Andrerseits kauft er auf Kredit und so hat sich der Wert seiner Ware für ihn rückverwandelt, sei es in produktives Kapital, sei es in Warenkapital, schon bevor dieser Wert wirklich in Geld verwandelt worden, bevor der Warenpreis verfallen und bezahlt ist." (A.a.O., S. 463f.)

Marx meint hier eindeutig, daß der Akt des echten Verkaufs der Ware auf dem Markt und der Rückfluß seines Kapitals durch den Kredit zeitlich auseinanderfallen. Den Kapitalisten interessiert nicht mehr, wo seine Ware abbleibt, ob sie verkäuflich ist oder in Textillagerhallen und auf Stellplätzen für Neu- oder Gebrauchtwagen, ja sogar auf dem Müll landet.

Wenn den Kreditgebern das Geld ausgeht, nennt sich das "Finanzkrise". Dann hilft der kapitalistische Staat. Falls die Steuern des Volkes nicht reichen, wird eben neues Geld gedruckt. Auf den Markt schaut niemand mehr. Diese Geldaufblähungen müssen irgendwann einmal reguliert werden. Die Luft entweicht mit einem Knall.

Dr. oec. Werner Kulitzscher, Berlin

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Demokratie und Freiheit aus philosophischer Sicht

Gegenwärtig ergehen sich die Politiker der Bourgeoisie einmal mehr in den Vokabeln Demokratie und Freiheit. Die Begriffe hängen inhaltlich von der jeweiligen Interessenlage ab. Es geht darum, wann und wo welche Werte wie und warum zu verteidigen sind. Für uns Marxisten gibt es auf diese Frage nur eine Antwort: Demokratie ist kein klassenneutraler Begriff. Sie hängt von den ökonomischen Rahmenbedingungen ab. Dem Wort liegen zwei griechische Vokabeln zugrunde. Demos bedeutet nicht Volk, sondern Angehöriger einer Gemeinschaft. Damit waren in der Antike Gelehrte, aber auch Handwerker und Soldaten gemeint. Demos ist also nicht gleichbedeutend mit ethnos (Volk). Der zweite Begriff - kratia - heißt Herrschaft im Sinne von Entscheidungsmacht.

Der Begriff Freiheit taucht erstmals in der Idee des Naturrechts auf, die insbesondere von John Locke entwickelt wurde. Danach hat der Mensch von Natur aus Grundrechte, deren Beschneidung einen Eingriff in seine garantierten Freiheiten darstelle. Freiheit im Sinne von Selbstbestimmung wird erst mit Immanuel Kant eingeführt. Er unterscheidet zwei wichtige Arten: Erstens die Willkürfreiheit, also die Freiheit, die uns gestattet, jede beliebige Handlung ohne Rücksicht auf andere auszuführen. Da der Mensch jedoch ein vernunftbegabtes Wesen ist, bleibt diese Freiheit unvollkommen.

Zweitens die Freiheit als Autonomie. Diese koppelt sich selbstverständlich auch an das, was Kant unter Demokratie versteht. Die Garantie der Entscheidungsfreiheit eines jeden zugunsten der optimalen Freiheit aller. In Hegels Rechtsphilosophie wird die Freiheit zur Idee, also zum Begriff aller Begriffe der menschlichen Geschichte.

Für Marx - und das ist der entscheidende Übertritt - sind Demokratie und Freiheit wie bei Hegel zwar historische Begriffe, entspringen aber nicht dem Denken, sondern werden erst durch die sozialökonomischen Bedingungen als Gedachtes reflektiert. Hier sind die Begriffe, mit denen sich der "Zeitgeist" kleidet, Ergebnisse der jeweiligen Klassengesellschaft, oder anders ausgedrückt: Die herrschenden Bedingungen, die herrschende Klasse geben die Definition ihrer Begriffe vor. Dennoch sollten wir nicht den Fehler begehen, diese Fragen allein an den Klassenkampf zu verweisen. Das würde Marx und seinen Vorläufern, die er selbst als "Giganten" bezeichnete, nicht gerecht. Die Praxis als Kriterium der Wahrheit zu nehmen bedeutet auch, den historischen Hintergrund der unterschiedlichen Kulturen zu achten. Der Marxismus zeichnet sich in der Tradition der Hegelschen Philosophie eben dadurch aus, daß er kein Dogma ist, sondern sein revolutionäres Programm daraus herleitet, inwieweit und durch was die historischen Bedingungen gegeben sind. Das heißt vor allem, die Befangenheit in einem historischen Wertesystem aus der Politik der Arbeiterbewegung zu verbannen.

Nico Jühe, Wuppertal

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Kampf der Linien in der KP Chinas

Mit dieser Überschrift versahen Richard Corell u. a. von der "Kommunistischen Arbeiterzeitung" (KAZ) ihren die Gesamtentwicklung Chinas positiv bewertenden Beitrag in der Vierteljahresschrift "Theorie und Praxis" (T & P), in dem es einleitend heißt:

"Es gibt in der KPCh einen harten politischen Meinungskampf, in dem zwei Grundlinien deutlich sind: Die Mehrheit will eine kontinuierliche Entwicklung. Eine linke Minderheit sieht aber die Gefahr, daß bei 'Öffnung und Reform' die Marktwirtschaft vom Mittel zum Zweck wird, d. h. zur Rückkehr des Kapitalismus und zur Machtübernahme der Bourgeoisie führt."

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RF-Extra

Facetten einer Erinnerungsschlacht

Über die konträren Vorstellungen der Deutschen zum 8. Mai 1945

In der Sowjetischen Besatzungszone, aus der später die DDR hervorging, war jeder 8. Mai seit 1946 als Tag der Befreiung ein Staatsfeiertag. Im Westen wurde das Gedenken als "verordneter Antifaschismus" denunziert.

In der BRD blieb das historische Datum des 8. Mai lange Zeit kaum beachtet. Von Regierungsseite wurde es weder geachtet noch gewürdigt. Das änderte sich erst mit der Ansprache Richard von Weizsäckers am Tag der Befreiung 1985, die in die Reihe der berühmtesten Reden der Weltgeschichte einging. Heutige Leser sollten bedenken, in welcher politischen Situation sie gehalten wurde. Damals stand Michail Gorbatschow an der Spitze der UdSSR. Wollte man ihm eine goldene Brücke bauen?

Als Helmut Kohl zehn Jahre später über den 8. Mai schwadronierte, verkündete er ganz andere Wahrheiten. Im Unterschied zu der staatsmännischen Rede Weizsäckers lautete Kohls Fazit, nach dem Mai 1945 sei "in Teilen Deutschlands und Europas die Hoffnung auf neues Recht und neue Freiheit sehr schnell bitter enttäuscht" worden.

Der Kanzler bestimmte nicht nur die Richtlinien der Politik, er verordnete auch seine These, die DDR-Bürger hätten bis 1990 unter einer totalitären Diktatur gelebt.

Kohls Formel von der Gleichheit der Diktaturen steht übrigens auch in der sächsischen Landesverfassung.

Politiker des Freistaates, die Putin den St.-Georgs-Orden an die Brust hefteten, scheuten sich nicht, den Charakter des 8. Mai besonders grob zu verfälschen. Ministerpräsident Georg Milbradt hielt im Frühjahr 2005 drei entsprechend sprachgeregelte Reden. Am 25. April 2005 trat er in Torgau aus Anlaß des 60. Jahrestages der "Begegnung an der Elbe" auf. Der Begriff Antihitlerkoalition und eine Würdigung der Befreierrolle der Sowjetunion fehlten, während er andererseits bemerkte, es habe noch einmal 44 Jahre gedauert, bis "Freiheit und Demokratie" auch in Sachsen Einzug gehalten hätten. Seine Kernthese lautete: In Sachsen folgte der Nazidiktatur die Diktatur der DDR.

In seiner Landtagsrede am 8. Mai 2005 wickelte Milbradt den Antifaschismus der DDR noch krasser ab. Als er über Hitlers zwölfjährige Terrorherrschaft sprach, wählte er die Begriffe Nationalsozialismus und nationalsozialistisch, also jene verharmlosende Sprache, welche die Nazis zu Zwecken ihrer Tarnung erfunden hatten. Für die neuen Faschisten bevorzugte er den Begriff "Rechtsextremisten". Heute spricht man von "Rechtspopulisten".

Wenn Milbradt indes die Worte "Antifaschismus" oder "antifaschistisch" verwendete, dann tat er das nicht zur Würdigung des Kampfes der Hitlergegner von einst, sondern um den Antifaschismus der DDR zu diskreditieren. In seiner Landtagsrede vom 8. Mai 2005 behauptete er: "Der sogenannte Antifaschismus war die Rechtfertigung von erneuter Unterdrückung und Verfolgung, diesmal im Namen der kommunistischen Ideologie."

Wer die Reden Milbradts in den Kontext neusächsischer "Erinnerungspolitik" einordnet, findet den Weg zur Erklärung des heutigen "Patriotismus" in Dresden. Solche Saat ist im ehemals braunen Sachsen gut gediehen.

Der Streit um die Wertung des Tages der Befreiung wird seit siebzig Jahren geführt.

Für Menschen wie den aus der SPD kommenden antifaschistischen Widerstandskämpfer und langjährigen KZ-Häftling Otto Buchwitz und andere an seiner Seite war es buchstäblich ein Tag der Befreiung, für die in Nürnberg zum Tode verurteilten und später gehenkten Marschälle Keitel und Jodl ein Tag der schwersten Niederlage.

Der Streit um den Platz des 8. Mai 1945 scheint der Streit um einen Begriff der Historie zu sein, doch bei genauerem Hinsehen handelt es sich um höchst aktuelle Politik.

Die konträren Bezeichnungen dieses Tages lauten: Kriegsende, Kapitulation, Niederlage, Katastrophe, Zusammenbruch, Stunde Null, Besetzung, Befreiung. Es lohnt sich, jeden dieser Begriffe auf seinen Gehalt zu prüfen.

Der Begriff Faschismus wird in der BRD von Staats wegen nicht verwendet. Daran hielt sich auch Weizsäcker. Das Wort Kriegsende ist als Bezeichnung für jenen denkwürdigen Tag im Mai unstrittig. An ihm endete der Zweite Weltkrieg, allerdings nur in Europa. In Asien dauerte er fort, bis sich auch der kaiserlich-japanische Imperialismus geschlagen geben mußte. Das Ende des Krieges, der am 1. September 1939 durch den Überfall der Hitlerfaschisten auf Polen ausgelöst worden war, hatten sich die meisten Deutschen zwar schon seit längerem gewünscht, viele allerdings mit einem anderen Ausgang.

Als 1941 dann die UdSSR überfallen wurde, führte der Verlauf der Kampfhandlungen nach Anfangserfolgen des Aggressors zu herber Enttäuschung. Die neu aufkeimende Hoffnung vieler Deutscher wurde spätestens Anfang 1943 zunichte gemacht. Nach Stalingrad begann sich das Bild vom Kriegsgeschehen und dessen Perspektive einschneidend zu wandeln. Das geriet schließlich bis zu jener Haltung: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Daß den Deutschen "am Tage danach" eine ganz andere Rechnung präsentiert werden würde als die des Jahres 1919 - dessen waren sich viele bewußt. Gerichtshöfe und Henker warteten auf jene, welche gefordert hatten, den Krieg "bis zum letzten Mann und bis zur letzten Patrone" fortzusetzen.

Jene Deutschen aber, welche immer noch auf den Endsieg gehofft hatten, empfanden das Geschehen als ärgste Niederlage, weit schlimmer noch als die des Kaiserreiches. Daran konnte niemand zweifeln. Denn als der 1. Weltkrieg im November 1918 mit der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde im Wald von Compiègne zu Ende gegangen war, befanden sich keine Soldaten der Kriegsgegner Deutschlands auf dessen Territorium. Die Front war von der Reichsgrenze im Westen weit entfernt, und erst später wurden, in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des Friedensvertrags von Versailles, Teile dieses Gebiets von militärischen Einheiten der Siegermächte besetzt.

Im Mai 1945 aber lagen die Dinge völlig anders. Die Truppen der Antihitlerkoalition waren kämpfend ins Reichsinnere vorgedrungen, ihre Soldaten standen in Berlin, München, Hamburg und Leipzig. Eine deutsche Regierung gab es nicht mehr. Was sich dafür ausgab und an der dänischen Grenze etablierte, hatte nur eine kurze Galgenfrist. So war es nicht einmal nach der preußischen militärischen Katastrophe von 1806 zugegangen, als Napoleons Truppen gesiegt hatten. Der Begriff Niederlage erhielt in der deutschen Geschichte einen neuen Inhalt. Er verband sich mit der zusätzlichen Kennzeichnung total.

Aus dem "totalen Krieg", den Goebbels unter dem zustimmenden Gebrüll der Pseudo-Reichstagsabgeordneten verkündet hatte, war die totale Niederlage, die "deutsche Katastrophe" geworden. Die Charakterisierung des Kriegsendes als Untergang spielte im landläufigen Sprachgebrauch kaum eine Rolle, tauchte aber in politischen Wertungen nach 1945 auf. Die gebräuchlichste Bezeichnung für das Geschehene lautete Zusammenbruch. Noch Jahre später, als die schlimmsten Kriegsfolgen längst überwunden waren, wurde die keiner weiteren Erläuterung bedürfende umgangssprachliche Redewendung "nach dem Zusammenbruch" gebraucht.

Was war da eigentlich zusammengebrochen? Nicht nur Häuser und Brücken, Wassertürme und Gasbehälter, Fabrikschlote und Förderanlagen, Kirchen und Theater. Nicht einmal nur ein Staatswesen, das zwölf Jahre existiert hatte, nachdem es mit dem Anspruch auf 1000 Jahre angetreten war.

In Trümmern lag 1945 auch die Gedankenund Gefühlswelt der meisten Deutschen. Millionen empfanden schmerzlich, daß ihre Lebenspläne, die sie mehr oder weniger eng an den Faschismus und Hitler gebunden hatten, restlos zerstört waren. Ratlosigkeit, Resignation und Depression charakterisierten die Stimmung.

Zunächst konnten nur wenige diesen Zusammenbruch als Chance eines Aufbruchs begreifen. Am Anfang waren das vor allem jene, welche als politische Gegner und Verfolgte des Regimes versucht hatten, dessen Ende herbeizuführen oder zu beschleunigen.

Das einprägsame Bild von der Stunde Null war in Sprache und Denken erst Jahre nach dem Krieg aufgetaucht, dann aber populär. Filme und Bücher hatten mit ihren Titeln dazu beigetragen.

In der BRD kam 1969 "Meine Stunde Null" - die abenteuerliche Geschichte der Wandlung eines jungen Wehrmachtssoldaten - in die Kinos. Dieser Streifen wird noch heute gelegentlich von Fernsehsendern ausgestrahlt. Null sollte hier soviel heißen wie die unterste aller denkbaren Lebensstufen, einen Abstieg ins Leere, zugleich aber auch einen Standort, von dem aus es nicht mehr tiefer hinabging.

Doch die Geschichte kennt keinen Nullpunkt. Jeder ihrer Momente enthält Kontinuität und Diskontinuität, Fortgang der Dinge und Wandel bis zum Bruch. So war das auch im Mai 1945. Dem einzelnen mochte es zwar so vorkommen, als stünde er vor dem Nichts. Doch die sozialen Klassen und Schichten verfolgten auch in einer solchen Situation ihre Interessen und Pläne. Sie hatten modifizierte oder neue Ziele, ja selbst Vorstellungen von ihrer künftigen Strategie und Taktik. Denn verzweifeltes Dahindämmern der einen stand nüchternste Klarsicht anderer gegenüber. Die Führungszentren des deutschen Kapitals besaßen stets ihre Pläne "für die Zeit nach Hitler". Nicht anders verhielt es sich bei den Parteien der Arbeiterbewegung.

Ein wesentlicher Aspekt, der die Geschichte der Deutschen beeinflußte, war die Rolle der Siegermächte. Deutschland war nach der Kapitulation am 8. Mai 1945 von ihren Armeen vollständig besetzt worden und blieb das auf Jahrzehnte hinaus. Es bestanden ein Alliierter Kontrollrat mit Sitz Berlin und vier Besatzungszonen: Ohne Einwilligung der Militärregierungen konnte kein Schritt zur künftigen Gestaltung gegangen werden. Deutschland - wie anfangs auch Österreich - war besetztes Gebiet. Das entsprang dem Willen der vier Großmächte. Ihr programmiertes Ziel war es, Faschismus und Militarismus dauerhaft auszurotten und "die Deutschen" daran zu hindern, jemals wieder andere Länder mit Krieg zu überziehen.

Die Bestrebungen der Sieger, dahin zu gelangen, scheiterten indes, da sie nicht alle in die gleiche Richtung strebten und Inhalt wie Methoden ihrer Politik konträr waren. Die Regierungen der kapitalistischen Großmächte kehrten zu ihrer alten antisowjetischen Politik zurück, die lediglich durch die Bildung des faschistischen Staatenblocks und die Formierung der Antihitlerkoalition im 2. Weltkrieg zeitweilig unterbrochen worden war.

Auf ihrem opferreichen Weg von den Ufern der Wolga und den Küsten der Normandie in das Innere des Deutschen Reiches hatten die Soldaten der alliierten Armeen viele Millionen Menschen aus der Gewalt der Eroberer befreit - Franzosen und Russen, Belgier und Niederländer, Tschechen, Ukrainer, Polen und Angehörige vieler anderer Nationen. Für sie hatte das Wort Befreiung einen unzweideutigen, im Wandel ihres Alltags sofort spürbaren Sinn. Von vielen war die Last der jahrelangen Todesdrohung genommen. Manche sagten, ihnen sei das Leben ein zweites Mal geschenkt worden. Das galt vor allem für die Häftlinge in faschistischen Zuchthäusern und Konzentrationslagern. Indessen veränderte sich die Situation für die Befreier, als sie die Reichsgrenzen überschritten. Bis dahin waren sie begrüßt, gefeiert und von frommen Menschen gesegnet worden. Nun aber befanden sie sich auf deutschem Territorium, also in jenem Land, dessen Politik mit Unterstützung des überwiegenden Teils seiner Bewohner in ganz Europa so viel Unheil angerichtet hatte. Über die Grenzen wurden Gefühle des Hasses, der Revanche und der Rache mitgenommen, in ihrem Grad vielfach abhängig von dem Leid, das den einzelnen Soldaten und ihren Nächsten widerfahren war, die nun hoffen konnten, daß sie den Tag des Sieges erleben würden.

Und die Deutschen? Wenngleich viele es nicht wußten, so ahnten sie doch, was ihnen blühen würde, wenn nun eine Abrechnung erfolgen sollte, die den Finger auf jeden Posten legte und Gleiches mit Gleichem vergalt. Das Gefühl des Befreitseins konnte bei ihnen da nicht aufkommen. Weder bei denen, die Haus und Hof verlassen mußten, noch bei den geschlagenen Soldaten Hitlers, die den Weg in die Kriegsgefangenschaft anzutreten hatten, noch bei den Millionen "kleinen" oder sich nun klein machenden Nazis, die damit rechnen mußten, daß von ihrer Rolle nicht ohne Folgen die Rede sein würde. Und selbst jene, welche vom Krieg kaum etwas zu spüren bekommen hatten, sahen beklommen in die Zukunft.

Richard von Weizsäcker hat für diese Menschen beeindruckende Worte gefunden.

Kann es Zufall sein, daß sowohl "Der Spiegel" als auch der "Zeit"-Verlag den Begriff Zusammenbruch bevorzugten? Wer oder was brach denn da zusammen? Mußte man den Kollaps Hitlerdeutschlands etwa bedauern? War 1945 wirklich als eine "Stunde Null" zu betrachten, wenn sich vor und nach dem 8. Mai dieselben politischen Kräfte - unter radikal veränderten Bedingungen - abermals gegenüberstanden? Kannten sich Kanzler Konrad Adenauer und Präsident Wilhelm Pieck nicht bereits aus dem preußischen Staatsrat?

Mit Begriffen wie Niederlage, Kriegsende, Kapitulation, Zusammenbruch und anderen wird versucht, das Wesen des Tages der Befreiung als einer weltgeschichtlichen Zäsur zu vernebeln. Doch der Streit um Begriffe widerspiegelt diametral entgegengesetzte politische Traditionen und Konzepte. Die Erinnerung an den Tag der Befreiung darf nicht im Nebel falscher "Vergangenheitsbewältigung" untergehen!

Prof. Dr. Horst Schneider

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Bilanz des Divisionskommandeurs

Vom Kampfesweg der 39. GSD der Roten Armee im Großen Vaterländischen Krieg

Am 9. Mai werden wir feierlich den 70. Jahrestag der Befreiung und des großen Sieges über den Nazismus und Faschismus begehen. Dies ist ein großer Feiertag für uns. Es waren das Volk und die Rote Armee der Sowjetunion, die den entscheidenden Beitrag zur Zerschlagung des Nazismus geleistet haben. Dank des Mutes der Soldaten und Offiziere wurden bei Moskau und Stalingrad, am Kursker Bogen, in Leningrad und Warschau, Wien und Prag, Budapest und Berlin die kampfstärksten Truppenteile des Aggressors zerschlagen. In den schwersten Schlachten haben unsere Streitkräfte nicht nur die Hitlertruppen von unserem Boden vertrieben, sondern auch die weltgeschichtliche Aufgabe zur Befreiung der Völker Europas von der braunen Pest erfüllt.

Mir wurde die große Ehre zuteil, eine Motschützendivision zu befehligen, die ihren Kampfesweg in Ehren von Moskau über Stalingrad bis nach Berlin zurückgelegt hat. Dieser Verband war eine der acht Schützendivisionen der Roten Armee, die während des Krieges mit fünf Orden ausgezeichnet wurden. Mut und Heldentum der Angehörigen dieses Verbandes haben sich für immer in die Geschichte des Großen Vaterländischen Krieges eingeschrieben.

Die 39. Gardeschützendivision (GSD) der Roten Armee wurde am 2. August 1942 in Ramenskoje bei Moskau auf der Basis des 5. Luftlandekorps formiert und Ende September 1942 in den Bestand der später in 8. Gardearmee umbenannten 62. Armee bei Stalingrad verlegt.

Die Division nahm an der Stalingrader Schlacht, an der Befreiung der Ukraine, Weißrußlands, Polens und an der Berliner Angriffsoperation teil. Sie befreite die Städte Stalingrad (2. Februar 1943), Barwenkowo (10. September 1943), Saporoshje (14. Oktober 1943), Dnepropetrowsk (25. Oktober 1943), Nowi Bug (8. März 1944), Odessa (10. April 1944), Lublin (24. Juli 1944), Poznán (23. Februar 1945) und Berlin (2. Mai 1945) von den faschistischen Aggressoren.

Die Stalingrader Schlacht

Der Verband erhielt seine Feuertaufe in der Stalingrader Schlacht. Dort kämpfte die Division unter dem Kommando von Generalmajor Gurjew in südwestlicher Richtung und später in der Stadt auf dem Territorium des Traktorenwerkes "Roter Oktober". Besonders schwere Kämpfe führte sie auf diesem Gelände Mitte Oktober 1942, als sie nur noch 800 aktive Soldaten zählte. Sie erhielt Verstärkung und Nachschub, führte heftige Kämpfe gegen die deutschen Einheiten der 100. Leichten Infanteriedivision und der 79. Infanteriedivision, säuberte den Bereich des Traktorenwerkes von gegnerischen Kräften, indem sie die Taktik der Sturmgruppen aktiv anwandte. Sie beteiligte sich an der Auflösung der eingekesselten 6. Armee von Paulus. Am 3. Januar 1943 überreichte der Kommandierende der 62. Armee Generalleutnant Tschuikow der Division die Gardefahne und am 20. Juni 1943 den Orden des Roten Banners für die Verteidigung der Stadt Stalingrad.

Befreiung der Ukraine

Die 39. Gardeschützendivision hat sich für immer aufgrund ihrer Tapferkeit und ihres Heldentums in die Geschichte der Befreiung der Ukraine von den Nazi-Invasoren eingeschrieben. Ihren Ehrentitel und drei der fünf Orden hat sie durch militärische Leistungen erworben, die von den Angehörigen des Verbandes in der Ukraine erbracht wurden: den Orden des Roten Banners (14. Oktober 1943 für Mut und Heldentum in den Kämpfen um die Stadt Saporoshje), den Suworow-Orden II. Klasse (19. März 1944 für Mut und Heldentum in der Schlacht am Fluß Ingulez und die Befreiung von Nowi Bug), den Bogdan-Chmelnizki-Orden II . Klasse (20. April 1944 für Mut und Heldentum in der Schlacht um die Stadt Odessa).

Nach Abschluß der Stalingrader Schlacht führte die Division ab Februar 1943 im Bestand der Truppen der Süd-Westfront schwere Kämpfe in Richtung Charkow. Am 10. September 1943 erhielt sie für die Befreiung der Stadt Barwenkowo den Ehrentitel "Barwenkowoer Verband". Laut Befehl des Oberkommandos vom 10. September 1943 wurde der Division Dank ausgesprochen und Moskau salutierte mit 12 Artilleriesalven aus 124 Geschützen.

Die Division befreite die Stadt Saporoshje. Dafür wurde ihr laut Befehl des Oberkommandos vom 14. Oktober 1943 ebenfalls Dank ausgesprochen, und Moskau salutierte mit 20 Artillerie-Salven aus 224 Geschützen. Die Division nahm an der Schlacht um den Dnepr teil - eine der größten Schlachten der Weltgeschichte. Am 24. Oktober 1943 forcierte sie den Fluß. Für die Befreiung der Städte Dnepropetrowsk und Dneprodsershinsk wurde der Division laut Befehl des Oberkommandos vom 25. Oktober 1943 Dank ausgesprochen, und Moskau salutierte abermals mit 20 Artilleriesalven aus 224 Geschützen.

Zu Beginn des Jahres 1944 führte die Division unter dem Kommando von Oberst Kamynin die schweren Kämpfe in der Ukraine. In den Schlachten zur Vernichtung der feindlichen Kräfte in der Dnepr-Biegung durchbrach sie die stark befestigte feindliche Verteidigungslinie südlich von Nowo-Nikolajewka und trug zur Befreiung von Nikopol bei. Den Gegner verfolgend, befreite sie 37 Ortschaften. Vernichtet wurden mehr als 1200 Soldaten und Offiziere des faschistischen Aggressors und ein großer Teil seiner militärischen Ausrüstung. Vom 10. zum 11. Februar 1944 unternahm sie einen 50-Kilometer-Marsch und griff in den Kampf mit dem Feind ein, der in Richtung Apostolowo von Süden her angriff. In den heftigen Kämpfen gegen dessen zahlenmäßig überlegene Kräfte hat die Division alle Gegenangriffe abgewehrt und den Feind nicht in die Stadt eindringen lassen. In diesen Kämpfen ist am 14. Februar 1944 der Divisionskommandeur Oberst Kamynin als Held gefallen.

Im März 1944 kämpf te die Division im Bestand der 8. Gardearmee der 3. Ukrainischen Front im Raum vom Nikolajew. Oberst Strigol befehligte sie zu diesem Zeitpunkt. Am 2. März forcierte sie den Fluß Ingulez und nahm aktiv an der Angriffsoperation von Bereznegowato-Snigirewskaja teil, bei der 13 deutsche Divisionen eingekesselt wurden. Am 12. März zerschlug die Division im Raum Malejewka eine die Umzingelung durchbrechende Gruppierung von 3000 Mann.

Am 19. März erreichte die 39. GSD den Fluß Südlicher Bug, begann am nächsten Tag mit dem Forcieren am südöstlichen Stadtrand von Kowalenko und war gegen 16 Uhr - außer den Artillerieabteilungen - vollständig auf das rechte Ufer übergesetzt. Doch der Feind unternahm mit Panzern, Artillerie und Flugzeugunterstützung starke Gegenangriffe auf die Positionen der Division. Diese erfolgten wieder und wieder: von 6 bis 12 Uhr waren es 15. Beim Ort Tkatschewka kam es zum Nahkampf. Die Verluste der Division betrugen 30 Tote und 109 Verletzte.

Am 23. März 1944 wurden die Truppenteile der Division auf Befehl des Kommandos des Schützenkorps auf das östliche Ufer zurückverlegt. Am 28. März bekam die Division eine Auffüllung und begann mit der Offensive auf Odessa. Am 6. April 1944 stieß sie zur Hadzibejski-Mündung vor, und am 10. April betraten ihre Kämpfer Odessa. Für die Befreiung der Stadt wurde die Division mit dem Bogdan-Chmelnizki-Orden II. Klasse ausgezeichnet. Man sprach ihr den Dank aus, und Moskau salutierte mit 24 Artilleriesalven aus 324 Geschützen. Zu Ehren der Soldaten, die den wichtigsten Hafen am Schwarzen Meer - Odessa - befreit hatten, salutierten zugleich die Kriegsschiffe der Schwarzmeerflotte mit 12 Artilleriesalven aus 120 Geschützen.

Für Polens Freiheit

Die Truppenteile der 39. GSD spielten bei der Befreiung Polens eine aktive Rolle. Im Juni 1944 wurde die Division an den linken Flügel der 1. Belorussischen Front verlegt. Während der Lublin-Brester Angriffsoperation durchbrach sie im Zusammenwirken mit anderen Verbänden die stark befestigte feindliche Verteidigung westlich von Kowel, forcierte erfolgreich den Fluß Westlicher Bug, betrat das Territorium Polens und nahm am 24. Juli an der Befreiung von Lublin teil. Während der Kämpfe um diese Stadt, die am 22. und 23. Juli 1944 stattfanden, befreite sie Majdanek, eines der schrecklichsten Vernichtungslager der deutschen Faschisten.

Nach der Einnahme der Stadt Lublin und der Abwehr gegnerischer Angriffe mit Panzern und Infanterie erhielt die 39. GSD eine neue Gefechtsaufgabe: Es galt, im Laufe von zwei Tagen einen 110-Kilometer-Marsch zu bewältigen, sich im Wald am Ostufer der Weichsel zu sammeln und die Überschreitung des Flusses vorzubereiten. Nach der Aufklärung des Geländes am 31. Juli erteilte der Divisionskommandeur Oberst Martschenko den Regimentskommandeuren den Befehl, mit dem Forcieren der Weichsel am Morgen des 1. August 1944 zu beginnen.

An jenem Tag überquerten die Truppenteile der Division die Weichsel, errichteten einen Brückenkopf sechs Kilometer nordöstlich von Magnuszew und begannen mit anderen Truppenteilen der 8. Gardearmee diesen zu stärken und auszubauen, wodurch die Vorbereitungen für den weiteren Vormarsch der sowjetischen Truppen getroffen wurden. Der Magnuszew-Brückenkopf spielte in der Endphase des Großen Vaterländischen Krieges eine entscheidende Rolle, weil die Einheiten der 1. Belorussischen Front im Januar 1945 den Hauptstoß von dort aus unternahmen. Am 14. Januar 1945 ging die Division als Teilnehmerin an der Warschau-Posener-Angriffsoperation von diesem Brückenkopf aus zur Offensive über und durchbrach - gemeinsam mit anderen Truppenteilen der Armee - die tiefgestaffelte Verteidigung des Gegners, um die erfolgreiche Offensive in Richtung Posen (Poznán) fortzusetzen.

Besonders heftige und blutige Kämpfe führte die Division vom 25. Januar bis zum 23. Februar bei der Erstürmung der Zitadellenstadt Posen, die vom faschistischen Kommando in eine massive Festung verwandelt worden war. Alle Regimenter der Division wurden während der Kämpfe für die Befreiung Polens mit Orden und Ehrentiteln gewürdigt.

Die Schlacht um die Seelower Höhen

Nach dem Forcieren der Oder im Februar 1945 zwang die Division den Feind zum Rückzug von der Küste und nahm Positionen auf dem Küstriner Brückenkopf ein. Im Februar und Anfang März 1945 führte sie schwere Kämpfe zu dessen Behauptung und Ausbau. Von hier aus sollte der Vormarsch auf Berlin beginnen. Die Verbände der 8. Gardearmee unter dem Kommando von Generaloberst Wassili Tschuikow, einschließlich der Kräfte der 39. Gardeschützendivision, hatten zuerst die Seelower Höhen zu erstürmen. Das Gefecht um sie war eine Operation der sowjetischen Truppen, die im Rahmen der Berliner Angriffsoperation durchgeführt wurde. Sie fand in der Zeit vom 16. April bis Mai 1945 statt. Ursprünglich befand sich die 39. GSD in der Armeereserve.

Doch am 17. April 1945 führte der Feind die beiden frischen motorisierten Divisionen "Kurman" und "Müncheberg", zu denen noch eine Infanteriedivision kam, in die Schlacht: Es entbrannten heftige Kämpfe. Ein Gegenangriff folgte dem anderen, vor allem auf der linken Flanke der 8. Gardearmee. Im Raum Diedersdorf versuchte der Gegner, die Straße Küstrin-Berlin abzuschneiden, wo sich der Großteil der Kampftechnik und der rückwärtigen Dienste mit der Ausrüstung des 29. Gardeschützenkorps und der 1. Garde-Panzerarmee bewegten. Um dieser Gefahr zu begegnen, wurde dem Kommandeur des 28. Gardeschützenkorps befohlen, die 39. Gardeschützendivision, die bisher in der 2. Staffel gefolgt war, in den Kampf einzubeziehen. Die Division nahm ihn am 18. April 1945 auf und beteiligte sich an der Abwehr des Gegenangriffs dreier deutscher Divisionen auf der linken Flanke der 8. Gardearmee.

Der Sturm auf Berlin

Die erste Phase der Schlacht um die deutsche Hauptstadt bestand im Überwinden der Flüsse und Kanäle fast in der gesamten Stadt. Die innere Zone der deutschen Verteidigung verlief im Angriffsstreifen der 39. GSD entlang des Teltowkanals. In Richtung Zoo vorstoßend, gelangte die Division bereits am 29. April bis zum Landwehrkanal und konnte sich erfolgreich in nordöstlicher Richtung zum Reichstag hin bewegen.

Mit entschlossenen Schritten nahmen die Einheiten der 39. GSD in der ersten Hälfte des 1. Mai den südlichen Teil des Tiergartens sowie den Zoo in Besitz und verbanden sich mit Truppenteilen der 3. Stoßarmee, der 2. Gardepanzerarmee und der 1. Polnischen Armee. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß trotz des schweren Feuers und der erbitterten Kämpfe um die Beherrschung des Zoos fast alle dort befindlichen Tiere und Vögel am Leben blieben.

Ihren Kampfesweg beendete die 39. Gardeschützendivision am 9. Mai 1945 in diesem Raum. Während der Angriffsoperation und des Sturms auf die deutsche Hauptstadt war Oberst Martschenko als Divisionskommandeur im Einsatz.

Für Mut, Heldentum und militärisches Können in den Kämpfen um Berlin wurde die 39. GSD mit dem fünften Orden - dem Lenin-Orden - ausgezeichnet.

Nach dem Großen Vaterländischen Krieg gehörte die 39. GSD zum Bestand der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland. Zwischen Juni 1945 und Oktober 1991 war sie in den thüringischen Garnisonen Ohrdruf, Gotha und Meiningen stationiert.

Verehrte Leser des RF! Liebe Freunde! Nehmen Sie bitte meine herzlichsten Glückwünsche zum 70. Jahrestag der Befreiung und des großen Sieges im Mai 1945 entgegen! Ob die Russen den Krieg wollten? Nein, die Russen wollten niemals Krieg - auch heute nicht.

Abschließend möchte ich noch einmal die Aufmerksamkeit auf den Kampfesweg der Division zur Befreiung der Ukraine richten. Wir haben dafür einen hohen Preis gezahlt. Es ist sehr bitter, erkennen zu müssen, daß in der Ukraine nach dem vorjährigen Putsch fanatische neue Nazis an die Macht gekommen sind und daß die heute in Kiew Regierenden mit Unterstützung der USA und anderer NATO-Staaten den Weg der Konfrontation mit Rußland gewählt haben. Dabei handelt es sich wohl um die bisher größte Dummheit in diesem Jahrhundert!

Generalmajor a.D. Walentin N. Piwowarow


Bemerkung des Autors:
Mein Dank gebührt Oberst Gennadi Gorschkow für dessen redaktionelle Arbeit und die Übersetzung des Artikels aus dem Russischen ins Deutsche sowie Oberst a.D. Hans Linke, Suhl, als dem Initiator und Ideengeber für dieses Projekt.

Ende RF-Extra

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Paukenschlag auf Okinawa

6 Millionen Stimmen für Japans Kommunisten stärken die Friedenskräfte in Asien

Wie die RF-Leser bereits wissen, hat die Kommunistische Partei Japans (KPJ) bei den Unterhauswahlen im Dezember 2014 einen außergewöhnlichen Erfolg für sich verbuchen können. Mit 6,06 Millionen Stimmen und einem Wähleranteil von 11,7 % gelang es ihr, die Zahl der KPJ-Mandate von 8 auf 21 zu erhöhen. Geradezu triumphal war ihr Abschneiden auf Okinawa, wo sich der KPJ-Direktkandidat Seiken Akamine im Stimmbezirk Nr. 1 klar durchsetzen konnte. Sein Sieg war keineswegs zufällig. Seit Jahrzehnten stehen die Inselbewohner und mit ihnen die KPJ hier in einem erbitterten Kampf gegen die massive militärische Präsenz des Pentagons. Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten, die auf Okinawa bereits mehrere Stützpunkte unterhalten, wollen jetzt für die Spezialeinheiten der U.S. Marines eine neue gigantische Luftwaffenbasis errichten.

Als die großbürgerlich-rechtskonservative Regierung des derzeitigen Tokioter Premiers Shinzo Abe im vergangenen Jahr dem Ansinnen Washingtons entsprach, in Okinawas ökologisch besonders sensibler Henoko-Bucht dieses Projekt zu verwirklichen, brach unter den Inselbewohnern ein Sturm der Entrüstung los. Die auflagenstarke japanische Morgenzeitung "Asahi Shimbun" kommentierte die Gründe für den Wahlausgang bereits in ihrer Schlagzeile: "LDP (gemeint ist die regierende Liberal-Demokratische Partei Abes - RF) erleidet vernichtende Niederlage auf Okinawa - ein Schlag für die Stützpunktanhänger." In einem ersten redaktionellen Kommentar schrieb das großbürgerliche Blatt: "Die Kandidaten der Opposition gewannen alle vier Direktmandate. Das ist ein Symptom für die wachsende Frustration der Wähler über die geplante Verlegung des Luftwaffenstützpunktes der U.S. Marines von Futema nach Henoko auf Okinawa. Einer der vier Gewinner von Direktmandaten war der kommunistische Bewerber."

Hier bedarf es eines Wortes der Erklärung: Das japanische Wahlsystem stellt eine Kombination aus proportionaler Sitzverteilung nach der Anzahl der abgegebenen Stimmen und sogenannten Einzelstimmbezirken dar. Dort fällt der Sitz automatisch an die vorne liegende Partei, während das Votum für alle anderen Bewerber keine Berücksichtigung findet. Dieser Modus sicherte der regierenden LDP bisher automatisch eine stabile Mehrheit im Unterhaus. Seiken Akamine vermochte diesen Teufelskreis als erster KPJ-Bewerber seit 1996 zu durchbrechen.

Schon 2014 hatten Okinawas Wähler ihrem Unmut über die geplante Verlegung der amerikanischen Superbasis nach Henoko dadurch Ausdruck verliehen, daß sie mit Takeshi Onaga einen entschiedenen Gegner der Stützpunkterrichtung auf den Posten des Gouverneurs ihrer Präfektur beriefen. Jetzt berichtete "Ryuku Shimpo", Okinawas auflagenstärkste Zeitung, der kommunistische Kandidat habe diesmal die Unterstützung der Kräfte jener zwei Parteien erhalten, die seinerzeit Onagas Wahl abgesichert hatten. Ein breites Spektrum aus anderen Oppositionsparteien und zahlreichen Unabhängigen habe dem Bewerber der KPJ den notwendigen elektoralen Rückhalt verliehen. Selbst aus dem zentristischen und konservativen Lager seien ihm wegen seiner konsequenten Haltung gegenüber Washington und Tokio höchst ungewöhnlicherweise Stimmen zugeflossen.

Schon zu Jahresbeginn 2014 war in der Stadt Nago, in deren unmittelbarer Nähe der zur Debatte stehende Stützpunkt eingerichtet werden soll, der parteilose Gegner des Vorhabens Inamine Susumu mit deutlichem Vorsprung als Bürgermeister wiedergewählt worden. Auf einer Rundreise durch die Vereinigten Staaten forderte der Kommunalpolitiker wenige Monate später, Washington solle sein Vorhaben aufgeben. Japans Regierende, ließ er wissen, handelten mit ihrer Förderung des Pentagon-Projekts gegen den erklärten Willen der Bevölkerung. Wörtlich erklärte Susumu: "Die Okinawaer werden nicht nur von den US-Streitkräften kontrolliert, sondern auch durch Tokio unfair behandelt." Sie kämen sich vor, als sollten sie kolonisiert werden.

Die KPJ stellte die Forderung nach einem "stützpunktfreien Okinawa" bewußt in den Mittelpunkt ihrer jüngsten Wahlkampagne. Sie attackierte zugleich die Remilitarisierungspläne des Tokioter Kabinetts und die von ihr als "Abenomics" gegeißelte Politik im Interesse des Big Business. Angesichts des erst drei Jahre zurückliegenden Super-GAUs von Fukushima wandte sich die KPJ zugleich auch gegen die Nutzung der Kernenergie.

Dieser Kurs der Kommunisten brachte ihrer Partei auf Anhieb Millionen neue Wählerstimmen ein. Obwohl auf die Liste der LDP nur noch 33 % des Votums entfielen, behielt Abes Partei dank des zuvor geschilderten Wahlsystems die Kontrolle über das Unterhaus.

Im vergangenen Dezember bestätigte das Tokioter Kabinett ein Rekord-Rüstungsbudget von 42 Milliarden Dollar, die auch für den Ankauf von Stealth-Kampfmaschinen aus den USA bestimmt sind. Andererseits wurden die Ausgaben für soziale Zwecke weiter gekürzt und die "Konsumsteuer" angehoben.

Vor dem Hintergrund des hier dargestellten Geschehens ist wohl auch die Japan-Reise der Bundeskanzlerin im März zu bewerten. Sie fand zu einer Zeit statt, in der sich der Ausbau militärischer Zusammenarbeit zwischen Berlin und Tokio wie in "alten Tagen" schnell entwickelt. Kriegsschiffe beider Staaten haben am Horn von Afrika bereits gemeinsame taktische Manöver durchgeführt. Auch Heer und Luftwaffe der BRD strecken Nippon ihre Fühler entgegen. Regierungsberater haben der Kanzlerin bereits 2013 empfohlen, "sich an der politisch-militärischen Neuausrichtung der USA nach Asien zu beteiligen".

Wie das Internet-Portal "German Foreign Policy" hierzu feststellte, handelt es sich um "die Stärkung westlicher Positionen im Umfeld der Volksrepublik China, die machtpolitisch zurückgedrängt werden soll".

Vor diesem Hintergrund ist der Wahlerfolg der japanischen Kommunisten ein ermutigendes Signal.

RF, gestützt auf "People's World", New York

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Die Würger der Griechen

Troika und Oligarchen wollen Hellas weiterhin im Griff behalten

Griechenland befindet sich seit mehr als sechs Jahren in einer tiefen politischen und ökonomischen Krise. Da Athen seinen internationalen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnte, erhielt es bisher Kredite in Höhe von ca. 240 Mrd. Euro von der Europäischen Union (EU)/der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) - der "Troika". Sie dienen ausschließlich dem Ziel, die internationale Zahlungsfähigkeit, d. h. den Ausgleich der Zahlungsbilanz gegenüber Gläubigerländern, sowie die internationale Liquidität zu sichern. In keiner Weise trugen sie zur Verbesserung der sozialen Lage der Hellenen und zur wirtschaftlichen Entwicklung Griechenlands bei, sondern waren allein ein Bombengeschäft für IWF, EZB und insbesondere die BRD.

"Im Zeitraum von 2010 bis 2014 wurden an den Bund Zinseinnahmen von insgesamt rund 360 Millionen Euro ausgekehrt", teilte die Bundesregierung auf Anfrage der "Linken" mit. Es gebe Berechnungen, wonach Griechenland in diesem Jahr rund 6 Mrd. Euro Zinsen an den IWF, die EZB und andere Kreditgeber zahlen müsse.

Die hohe Auslandsverschuldung resultiert aus der Staatsverschuldung, da sich die bisher politisch Tonangebenden Geld auf den internationalen Märkten besorgten. Lag sie 2003 noch bei 168,03 Mrd. Euro, so schnellte sie auf 355,11 Mrd. Euro im Jahre 2011 hoch. Mit dem "Schuldenschnitt" im Jahre 2012 sank die Summe der Verbindlichkeiten dann zunächst auf 303,92 Mrd. Euro. Heute liegt sie bereits wieder bei geschätzten 320 Mrd. Euro. Das ist ein Anstieg von mehr als 5 Prozent innerhalb von nur zwei Jahren - trotz der "Hilfsmaßnahmen" und Sparauflagen der bei den Griechen verhaßten "Troika"! Im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt wuchs die Staatsverschuldung von 157,19 % (2012) auf geschätzte 174,7 % im vergangenen Jahr.

Alle Zahlen beweisen eindeutig, daß die Auflagen der "Troika" und der Verkauf griechischen Staatsvermögens keine Linderung der wirtschaftlichen und sozialen Probleme gebracht haben. Im Gegenteil: Die Volkswirtschaft wurde nur tiefer in die Krise hineingetrieben und regelrecht kaputtgespart. Die Staatseinnahmen brachen noch stärker weg. Ursachen dafür waren radikale Kürzungen im öffentlichen Dienst und bei staatlichen Aufgaben, eine enorme Reduzierung der Mittel für das Gesundheitswesen sowie der Renten, Gehälter und Mindestlöhne. Zwischen 2010 und 2013 sanken die Löhne um 23 Prozent. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 26 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung. Unter Jugendlichen beträgt sie nahezu das Doppelte. Über ein Drittel der Griechen gilt als arm und sozial ausgegrenzt. Viele sind auf Suppenküchen oder Armenspeisung angewiesen und haben keine Krankenversicherung mehr. Auf diesem Hintergrund stieg die Selbstmordrate um 40 %.

Bisher behauptete die "Troika", Sparmaßnahmen und der Verkauf von Staatsvermögen seien unvermeidlich. BRD-Bundesfinanzminister Schäuble erklärte noch am 29.12.2014 vor der Presse: "Die harten Reformen tragen Früchte, sie sind ohne jede Alternative ... Jede neue Regierung muß die vertraglichen Vereinbarungen der Vorgänger einhalten." Tatsache ist aber, daß die bisherige Politik der "Troika" nicht der Unterstützung Athens, sondern ausschließlich der Rettung von Banken, Hedgefonds und Unternehmen ähnlicher Art diente. Diese erhielten hinreichend Zeit, sich der anrüchigen griechischen Staatspapiere zu entledigen oder ihr Kapital ins Ausland zu schaffen.

Nachdem klar war, daß bei den Neuwahlen des griechischen Parlaments am 25. Januar mit dem Sieg der linksgerichteten Syriza zu rechnen war, schwenkte die EU zunächst scheinbar um. Syriza-Chef Alexis Tsipras hatte in deren Vorfeld die Absicht geäußert, die EU/IWF-Zwangsfestlegungen für "Reformen" zu stoppen und die Zinsknechtschaft zu beenden. Daraufhin änderte man bei der EU die Rhetorik. Ein Regierungsberater vom bundesdeutschen DIW schlug beispielsweise vor, Hellas die Hälfte der Staatschulden zu erlassen. Die BRD würde den Verlust in Höhe von 40 bis 50 Mrd. Euro tragen müssen. Auf die EU/EZB würden etwa 25 Mrd. Euro Forderungsabschreibungen zukommen. Der Chef des Münchener Ifo-Instituts ging sogar davon aus, daß die BRD für insgesamt 76 Mrd. Euro geradestehen müßte. Er forderte den Austritt der Griechen aus der Euro-Zone und die Wiedereinführung der Drachme.

Ein schlechter Witz war der Vorschlag des ehemaligen EU-Währungskommissars Olli Rehn. Er möchte lediglich die Kreditlaufzeiten ausdehnen, wodurch die Frist für Zinszahlungen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag verlängert würde. In diese Richtung gingen auch die Vorstellungen von EU-Kommissionspräsident Juncker. Der meinte am Tag nach den Athener Wahlen, daß das Land durch verlängerte Kreditlaufzeiten genügend Spielraum erhalte. BRD-Finanzminister Schäuble gab demgegenüber die EU-Sprachregelung für Verhandlungen zum Thema Schuldenschnitt vor: "Diese Frage stellt sich nicht." Ein vollständiger Schuldenschnitt oder ein Erlassen der Verbindlichkeiten wäre die unabdingbare Voraussetzung, um der Ausplünderung und dem Kapitalabfluß ein Ende zu setzen.

Griechenland muß definitiv seine Reparationsforderungen in Höhe von bis zu 162 Mrd. Euro aus der Zeit der faschistischen Okkupation im Zweiten Weltkrieg gegenüber der BRD - dem Rechtsnachfolgestaat Hitlerdeutschlands - durchsetzen. Es handelt sich hierbei um Zwangskredite und Besatzungskosten, die den Griechen bei der Okkupation des Landes im Jahre 1941 auferlegt wurden.

Eine prinzipielle Frage bleibt die Heranziehung der auf kriminellem Wege - vor allem durch Steuerbetrug - von den griechischen Oligarchen zusammengeraubten Vermögen für eine neue eigenständige Wirtschaftsentwicklung. Die herrschende Klasse des südeuropäischen Landes - eng verflochten mit der politischen Führungskaste der Rechtspartei Nea Dimokratia und Kräften aus der inzwischen abgewirtschafteten sozialdemokratischen PASOK - hat im Zusammenwirken mit dem internationalen Finanzkapital Griechenlands lang anhaltende Misere verschuldet und muß dafür die Rechnung präsentiert bekommen. Es fragt sich übrigens, ob Athen nicht auch andere Kreditgeber finden könnte.

Dr. Ulrich Sommerfeld, Berlin

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Antiimperialistische Solidarität - ein Eckpfeiler unseres Denkens und Handelns

Bitte Satz einfügen:

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Die Fotoseite wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Portugals CGTP attackiert "Programm der Aggression"

In Portugal ist Wahljahr, und die liberal-konservative Lissabonner Regierung von Pedro Passos Coelho hat gute Nachrichten: 2014 verringerte sich das Haushaltsdefizit des Landes stärker als erwartet. Bereits im Mai verließ Portugal offiziell das Hilfsprogramm der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Kapitalmärkte und Rating-Agenturen reagieren nun freundlicher, ein Teil der Notkredite in Höhe von 78 Milliarden Euro zur Abwendung eines Staatsbankrotts soll vorzeitig zurückgezahlt werden. Stark angehobene Einkommens- und Verbrauchssteuern haben dem Fiskus Rekordeinnahmen verschafft. Überdies profitiert das Land vom Preisverfall bei Öl und Gas auf den Weltmärkten. Die Krise, die Portugal seit 2010 fest im Griff hat und dem Land einen Regierungswechsel und einen harten Sparkurs bescherte, scheint gemildert zu sein.

Erkauft wurde die Sanierung der Bilanzen mit der drastischen Senkung des Lebensstandards der Bevölkerung und radikalen Kürzungen im öffentlichen Dienst. Das Abkommen mit der "Troika" aus Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und Internationalem Währungsfonds verpflichtete Lissabon zu Einsparungen und Umstrukturierungen sowie zur Privatisierung von Staatsbetrieben. Aus Sicht der den Kommunisten nahestehenden größten Gewerkschaftszentrale CGTP-Intersindical ist es ein "Programm der Aggression".

Für die meisten Portugiesen vertieft sich die Krise indes weiter. 2014 standen offiziell 15,6 Prozent der Landesbürger ohne Job da, in der Altersgruppe bis 25 waren es sogar mehr als 40 Prozent. Reguläre Arbeitsplätze sind kaum zu haben. Viele Berufstätige müssen ihr Leben vom Mindestlohn (515 Euro) fristen. Die Lebenshaltungskosten sind weiter gestiegen, die Rechte der Beschäftigten wurden noch mehr beschnitten, die Arbeitszeiten verlängert, das Renteneintrittsalter wurde heraufgesetzt. Budgetkürzungen bei Krankenhäusern haben den Termin dringender Operationen weiter hinausgeschoben und überfordern die Rettungsstellen. Hunderttausende sind aus wirtschaftlichen Gründen in andere europäische Länder, aber auch nach Brasilien oder in Portugals einstige Kolonien Angola und Moçambique emigriert. Der Sparkurs wurde mit gewaltigen Massenprotesten und wiederholten Generalstreiks beantwortet.

Während sich die meisten Menschen einschränken müssen, bedient sich die "Elite" aus Politik und Wirtschaft weiterhin ohne Skrupel. Ans Licht kam eine Kette von Korruptionsaffären, welche die regierende Mitte-Rechts-Koalition erschütterten. Der Skandal um die frisierten Bilanzen des Geldhauses Banco Espirito Santo ließ Tausende geprellte Kleinanleger zurück. Hohe Beamte machten sich mit "goldenen Visa", welche Zuwanderern die freie Bewegung im europäischen Schengen-Raum ermöglichen, eine goldene Nase. Es gilt das Prinzip: Wer genügend zahlt, muß nicht in einer Nußschale auf dem Mittelmeer sein Leben riskieren. Wie andere EU-Staaten ermöglicht es seit 2012 auch Portugal "jedermann", gegen Zahlung von einer Million Euro, bei Erwerb einer Immobilie im Wert von mindestens 500.000 Euro oder im Gegenzug für die Schaffung von Arbeitsplätzen die Eintrittskarte nach Europa zu lösen. Dieses Verfahren brachte Lissabon mehr als eine Milliarde Euro ein. Vor allem reiche Chinesen und betuchte Angolaner erwarben auf solche Weise zahlreiche Immobilien.

Hohe Beamte von der Ausländerpolizei und aus dem Justizministerium, die dabei mit abkassierten, flogen auf und landeten vor Gericht. Der Innenminister mußte seinen Hut nehmen. Ein Höhepunkt war die Verhaftung des früheren portugiesischen Regierungschefs José Sócrates im November 2014. Der Rechtssozialist regierte das Land zwischen 2005 und 2011. Angelastet werden ihm Korruption, Steuerbetrug und Geldwäsche. Das ist für die größte Oppositionspartei des Landes vor den im Herbst stattfindenden Wahlen eine schwere Hypothek.

Doch beim Ausverkauf Portugals gibt es keine Unterbrechungen. Auf der Liste stehen nunmehr auch das Geldinstitut Novo Banco, Portugal Telecom und die Fluggesellschaft TAP. Deren Beschäftigte wehren sich energisch gegen die Privatisierungspläne. Unter dem Motto "Wir lassen uns unsere Rechte nicht rauben!" folgten Tausende von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes dem Aufruf der CGTP zu einem Protestmeeting in Lissabon gegen die geplante Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich.

Peter Steiniger, Berlin

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Armutswelle überrollt Spanien

Seit 2009 ist die ununterbrochen ansteigende Armutswelle in Spanien nicht zum Stehen gekommen. 2013 lebten statistischen Erhebungen zufolge 27,3 % aller Einwohner des iberischen Landes - insgesamt 12,8 Millionen Menschen - unter Bedingungen, die "das Risiko der Armut oder sozialer Absturzgefahr" in sich bargen.

Der Studie "Stand der Armut in Spanien" konnte man entnehmen, daß bereits 2008 ein Viertel aller Landesbürger unmittelbar von Verarmung betroffen war.

Sämtliche offiziellen und offiziösen Berechnungen gingen jahrzehntelang vom Durchschnittseinkommen der Bevölkerung aus. Die ein Frisieren der Zahlen erleichternde Änderung dieser Methode zur Einholung der Daten durch Spaniens Nationales Statistisches Institut führte dann zur Verschleierung der tatsächlichen Situation. Wären nämlich 2013 - dem Jahr der letzten landesweiten Erhebung - noch die Kriterien von 2004 der Maßstab gewesen, dann betrüge der Anteil als arm Eingestufter an der Gesamtbevölkerung derzeit 28,4 %, bei Jugendlichen 33 % und bei Kindern 31,9 %.

Einem im März 2014 vorgelegten Bericht der Europäischen Vereinigung zum Kampf gegen die Armut (ESPN) zufolge vegetieren derzeit 6,2 % aller Spanier unter Bedingungen "extremer materieller Not".

Seit 2009 verdoppelte sich der Anteil Geringverdienender an der Gesamtheit aller Berufstätigen unter 60 auf 15,7 %. Da ist die Tatsache aufschlußreich, daß 11,7 % der als ausgesprochen arm eingestuften Spanier einer regelmäßig ausgeübten Tätigkeit nachgehen.

RF, gestützt auf "Avante!", Lissabon

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Hans Modrow im Gespräch mit Volker Hermsdorf

Ein Buch über Kuba, das Position bezieht

An Kuba scheiden sich seit Jahrzehnten die politischen Geister. Der sozialistische Inselstaat in der Karibik ist eine gesellschaftliche Alternative zum sich immer aggressiver und menschenverachtender gebärdenden Imperialismus. Das ist unbestritten. Doch die Bilder der Wahrheit werden gar schnell verzeichnet. Auch in den Reihen der Linken ist das dort verbreitete Kuba-Bild verschwommen, nicht aus Mangel an erwerbbarem Wissen, sondern eher aus fehlender Haltung. Es gibt für das Verhältnis zu Kuba kein treffenderes Wort als Standpunkt, getragen von marxistischer Analyse.

Im Verlag Wiljo Heinen - einem der wenigen meist kleineren Verlage, in denen politische Analysen nicht dem verheerenden "Zeitgeist" geopfert werden - erschien zu Jahresbeginn ein Buch über die Insel. Volker Hermsdorf führte monatelang Gespräche mit Hans Modrow. "Amboß oder Hammer" umfaßt 430 Seiten. Es handelt sich aus meiner Sicht um die tiefgründigste und aufrichtigste Information über Kuba, die hierzulande derzeit vorliegt.

Nun ist Hans Modrow, was politische Welterfahrung betrifft, durchaus kein Einsteiger. Ein Aussteiger ist er schon gar nicht. 17 Monate später als Fidel Castro und im selben Jahr wie Che Guevara geboren, ist er in der Tat ein sozialistischer Zeitgenosse und sachkundiger Zeitzeuge zu dem Geschehen seit dem Sieg der kubanischen Revolution. Die Fragen des Interviewbandes greifen bis in die Jugendzeit und die frühe politische Tätigkeit des Befragten zurück. Dabei geht es auch um einen Vergleich von Erfahrungen in der DDR und auf Kuba sowie um die Gründe, wieso die DDR unterging und Kuba sich zu behaupten wußte. Beide Länder waren von Beginn an im Willen verbunden, eine menschliche, antikapitalistische Gesellschaft aufzubauen.

Das Buch hat elf Kapitel. In ihnen widerspiegelt sich ein Stück Weltgeschichte. Das erfolgt nicht wie bei manch anderen sich links gebärdenden Autoren im Zerrspiegel.

Hans Modrow stellt sich die Frage, wieso sich Kuba ungeachtet aller von den USA ausgehenden Vernichtungsversuche auf sämtlichen Ebenen behaupten konnte, und gelangt dabei zu einem, wie mir scheint, sehr wesentlichen Ergebnis, das auch den Untergang der DDR verstehen hilft. "In Kuba haben sich Menschen meiner Generation diese Möglichkeit zehn Jahre später mit der Waffe in der Hand erkämpfen müssen. Uns fehlt dieses Erlebnis der Revolution."

Hans Modrow hat Kuba zwischen 1970 und 2014 neunmal - nicht als Tourist - besucht. Er war stets in politischer Mission unterwegs. So sind sein Bericht und sein Urteil politisch substanzreich. Das betrifft vor allem jene Kapitel, in denen er - positiv und solidarisch - die Systemfrage aufwirft. Im Kapitel "Alternativen und Hoffnungen" gelangt er mit Blick auf Kuba zu dem Schluß, daß eine andere Welt möglich ist. Das geschieht sehr behutsam. Der Leser spürt bei den Antworten die politische Sensibilität der Thematik. Nicht zuletzt ist es die von Kuba auf ganz Lateinamerika ausstrahlende Anpassung des Sozialismus an die Gegebenheiten der aktuellen Situation. Wenn sich fernab von den Schauplätzen solcher Weiterentwicklung der sozialistischen Idee, die Marx und Lenin nicht außer acht läßt, unter uns bisweilen ein eher akademischer Streit vollzieht, so läßt uns Hans Modrow am praktischen und theoretischen Ringen um die gesellschaftliche Alternative teilhaben.

Es bereitet Spätergeborenen Freude, wenn er betont, daß die DDR und Kuba zu allen Zeiten gute Beziehungen unterhielten. Auch für mich war es ein nicht verblassendes Erlebnis, wie ich mit Kubanern, die in der Lausitz eine Ausbildung erfuhren, zusammengetroffen bin. Was für eine Begeisterung, welche Lebensfreude, welch ein Wissensdurst - so hatte ich es bei uns nie erlebt. Revolutionäres Feuer eben. Selbstredend begeisterte mich Fidel Castro, der begnadete Volkstribun. Der erste in deutscher Sprache erschienene Sammelband seiner Reden - er kam zur Zeit der Kubakrise heraus - war Verheißung. Revolutionärer Elan sieht, so nahm man es wahr, anders aus als das, was ich im eigenen Land nur allzuoft wahrnehmen mußte. Mit den Antworten auf diesbezügliche Fragen wird das Verstehen der kubanischen Revolution erleichtert.

Hans Modrow wendet sich auch Fragen der Ökonomie zu. Im Kapitel "Wirtschaftsbeziehungen und gegenseitiger Vorteil" wertet er das einstmals in der DDR in Angriff genommene, dann aber bald wieder aufgegebene Neue Ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft mit Blick auf Kuba. Er nennt es "eine Phase der Suche, eine Phase der Öffnung und der offenen Debatten. Das sind Ansätze, die heute in ähnlicher Art auch in Kuba diskutiert werden", stellt er fest.

Die beiden am Buch Beteiligten - Hans Modrow, der nie seine DDR-Wurzeln verleugnet, und der westdeutsche Journalist Volker Hermsdorf - haben einen höchst gewinnbringenden Dialog über Kuba geführt. Der Interviewer ließ sich dabei von der mittlerweile eher seltenen Gabe leiten, Entwicklungen, Prozesse und Widersprüche zu ergründen, wobei er voll in der Materie steht. Hans Modrow vermittelt Erfahrungen seiner Generation. Fundiert, ambitioniert wertet er den revolutionären Prozeß aus.

Kuba verblüfft immer aufs neue die Welt mit selbstloser internationalistischer Hilfe. Als die kapitalistischen Staaten, einschließlich der BRD, bei der Ebola-Bekämpfung noch recht tatenlos zuschauten, befanden sich bereits Hunderte kubanischer Ärzte im Einsatz. Die heutige Leistungsfähigkeit der Inselrepublik auf medizinischem Gebiet sowie in der pharmazeutischen Forschung und Produktion haben auch in der Kooperation mit der DDR ihre Wurzeln, läßt Modrow wissen.

Barack Obamas Erkenntnis, daß Kubas Isolierung nicht funktioniert hat, war eine späte Erleuchtung des Herrn im Weißen Haus. In "Amboß oder Hammer" machen die Beteiligten klar, warum das so ist und wie es sich erklärt, daß sich Kuba seit Fidel Castros Einzug in Havanna nicht vom US-Imperialismus politisch weichklopfen ließ.

Kuba wurde wie kaum ein anderes Land zum Leuchtfeuer sozialistischer Ideen und zum Initiator neuer, den Gang der Welt befruchtender Konzepte. Dank seiner großen Erfahrungen, die er in mehr als einem halben Jahrhundert politischen Wirkens sammeln konnte, aber auch seiner analytischen Fähigkeit wie der Zurückweisung europäischer Großmannssucht und politischer Beckmesserei, hat Hans Modrow in dem hier besprochenen Sachbuch Wichtiges dazu vermittelt.

Der Interviewband nimmt den Leser gefangen und bereichert das Wissen all jener, denen es um ein unverfälschtes Bild Kubas, Lateinamerikas und der Welt geht. Deshalb empfehle ich seine Lektüre.

Sieghard Kosel, Bautzen


Volker Hermsdorf/Hans Modrow: Amboß oder Hammer. Gespräche über Kuba. Verlag Wiljo Heinen, Berlin und Böklund 2015, 430 S., 16 €

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Als mich die DDR nach Guinea schickte (Teil 1)

Vier schöne Jahre einer weißen Internationalistin unter schwarzen Freunden

Eine heute 93jährige einstige DDR-Bürgerin hat ihre Erinnerungen über eine mehrjährige Tätigkeit in Guinea aufgeschrieben und dem "RotFuchs", in dessen Spalten sie schon früher publizierte, Teile ihrer Arbeit zur Verfügung gestellt. Sie erscheinen - redaktionell leicht bearbeitet und gekürzt - als mehrteilige Serie.

Fremde Länder reizten mich, seit ich verinnerlicht hatte, daß mein Heimatdorf Kleinböhla in Sachsen nicht der Mittelpunkt der Welt sein konnte. Vielleicht war diese Szene der Auslöser: Mutter saß mit einem dicken Buch am Fenster, ihr zu Füßen die kleine Tochter. "Mutti, was liest Du'n da?" Antwort: "Ein Buch über Pflanzen in den Tropen." "Was is'n das - Tropen?" "Das ist ganz weit weg von hier in Afrika." Und sie zeigte mir ein Bild mit merkwürdigen Bäumen. Afrika, Tropen, seltsame Bäume - das wollte mir nicht mehr aus dem Kopf. Kindliches Fernweh spukte fortan immer wieder durch meine Träume und wurde zu einer Realität, als Mutter zufällig auf eine Annonce stieß: "Junge Mädchen gesucht, die in der DRK-Schwesternschaft FÜR DEUTSCHE IN ÜBERSEE ausgebildet werden wollen."

Mich faszinierte allein der Begriff Übersee, von Krankenpflege hatte ich keine Ahnung. Ich sagte trotzdem sofort zu und wurde mit sechs anderen Mädchen nach Wilhelmshaven geschickt, wo wir im Stadtkrankenhaus den Krankenpflegeberuf erlernten und nebenbei erklärt bekamen, wie mit Hilfe des Mikroskops die Erreger von Tropenkrankheiten zu erkennen seien.

Im Herbst desselben Jahres aber begann der alles überschattende Zweite Weltkrieg. Afrika rückte für mich in weite Ferne. Mit heiler Haut davongekommen, fand ich mich danach in Dresden wieder, wo ich an einer neu eingerichteten Fachschule für Mittleres Medizinisches Personal den Höhepunkt meines Berufslebens erreichte: Lehrerin an dieser Einrichtung. Überdies gründete ich mit der Geburt meines Töchterchens eine Kleinfamilie. Was wollte ich mehr? Ich war glücklich und zufrieden.

Eine Besonderheit verband mich immer noch mit Afrika: Das waren afrikanische Schülerinnen und Schüler, die bei uns zu Medizinisch-Technischen Assistenten für ihre Länder ausgebildet wurden, in welche sie später zurückkehren sollten.

Eines Tages kam ich ins Lehrerzimmer, als unser Direktor gerade den Hörer aus der Hand legte. "Ich kann's doch auch nicht ändern, wenn niemand will!", sagte er. "Was hast Du denn für Sorgen, wer will was nicht?", fragte ich. "Na, willst Du vielleicht als Lehrerin nach Afrika gehen?" Ich mußte mich erst einmal hinsetzen. "Jaa, natürlich!" Aber ich konnte das alles noch nicht so recht fassen und kehrte auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Was wird mit der erst 7jährigen Dorothee, fragte ich mich. Günter telefonierte zurück und überbrachte mir die Nachricht: "Jetzt stehst Du auf der Liste, und für Dein Kind wird auf alle Fälle in einem sehr schönen Heim gesorgt, wenn Du es nicht mitnehmen kannst."

In der Folge absolvierte ich noch einen Französisch-Kurs, doch alles zog sich in die Länge. Theoretisch war ich bereits in Togo, Mali und sonstwo. Immer wieder erfolgte eine Absage. Später erfuhren wir den Grund: Die Hallstein-Doktrin der BRD verwehrte den afrikanischen Staaten das Recht, Leute aus der DDR einzustellen. Anfang der 70er Jahre mußte dieses unselige Dogma endlich aufgegeben werden. Prompt machte man mir den Vorschlag, nach Guinea zu gehen, wo Lehrer aus der DDR zur Ausbildung von Laborkräften gesucht wurden. Ob ich wollte? Dorothee war gerade dabei, ihr Abitur abzulegen. Ein Studienplatz an der Berliner Humboldt-Universität war ihr so gut wie sicher. Die Großmama zog zu ihr in die Dresdner Wohnung, so daß beide nicht mehr allein waren. Mein Traum erfüllte sich.

Am 10. September 1973 fand unsere Luftreise nach Conakry einen geradezu theatralischen Abschluß. Wir näherten uns einer Gewitterfront. Unser silberner Vogel stieß respektlos hindurch. Er wurde gerüttelt und geschüttelt. Plötzlich war da ein Loch in der Wolkendecke, Bäume und Sträucher tauchten auf, und uns trennten nur noch wenige Meter von der Erde. Nichts deutete auf einen Flugplatz hin. Meine Nerven begannen zu zappeln. Da! Ein Zementstreifen raste heran, das Flugzeug setzte präzise auf. Als die Kabinentür geöffnet wurde und wir die Gangway betraten, schlug uns ein Schwall feuchtheißer Luft entgegen.

Nach vielen Jahren erinnere ich mich noch heute an jede Phase der halbstündigen Fahrt in die Stadt: an die volkreiche Straße, die Frauen in langen farbenfrohen Gewändern mit Babys auf dem Rücken, eine Last auf dem Kopf, die Männer in einfachen Anzügen oder im langen Bubu, Rundhütten und Palmen am Rande, Ziegen und Hühner ungeniert im Verkehr. Ich sog die fremde Kultur auf, wollte sie verstehen und lieben. Reni, einer jungen Biologielehrerin, und mir wurde eine Wohnung im europäischen Stil zugewiesen. Glasfenster gab es nicht, wohl aber eine Art Jalousie. Tropisches Getier empfing uns, das zwei Monate lang ungestört in den Räumen hatte leben und sich vermehren können: Gottesanbeterinnen mit zierlich erhobenen Vorderbeinen, Geckos, die mückenfangend die Wände hinauf und hinunterhuschten, auch Kakerlaken, von denen es wimmelte.

Die ersten Tage waren mit der Vorstellung bei guinesischen Behörden, Besprechungen und wechselseitigem Kennenlernen ausgefüllt. Wir wurden in sogenannte Expertengruppen eingeteilt. Ich gehörte zu den Medizinern. Unser Leiter war ein junger Arzt aus Leipzig. Wir duzten uns alle. Helli, so hieß er, erbot sich, mich zur Ecole de la Santé zu begleiten. Da er sich verspätete, wartete ich auf einer Bank, die an eine Palme gelehnt war. Ein großer Mann lief schnellen Schrittes auf mich zu und redete in einer mir unverständlichen Sprache auf mich ein. Er schüttelte mir die Hände, redete und redete. Es war Diakité, der Technische Direktor der Medizinischen Schule.

Dann wurde ich zur Rektorin der Einrichtung beordert, die gerade Schreibhefte an die Klassenältesten austeilte - "un pour chacun", für jeden nur eins. Wir begrüßten einander, wobei ich vorbaute: "Mon Français n'est pas bien encore." Die Rektorin winkte ab. Noch unvollkommene Sprachkenntnisse im Französischen seien nicht schlimm, für Guineer sei das ja auch nur eine Fremdsprache. Dann erzählte sie mir von ihrer Reise in die DDR, wie sie die Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser in einem Land beeindruckt hätten, wo niemand hungert, jedes Kind den Unterricht besuchen müsse und alle Kranken unentgeltlich ärztlich behandelt würden. Und sie fügte hinzu: Wo jeder Arbeit und eine Wohnung habe. Für DDR-Bürger seien das Selbstverständlichkeiten, von denen man in Guinea vorerst nur träumen könne.

Renate Teller, Worpswede

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Würdigung zweier Weggefährten

"Charlie Hebdo" war auch das Blatt Wolinskis und Charbs

Zwei der Anfang Januar in Paris ermordeten Zeichner des buchstäblich über Nacht in das Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit geratenen Satiremagazins "Charlie Hebdo" waren eng mit der französischen Linken verbunden. Darüber berichtete das belgische PTB-Monatsmagazin "Solidaire" in seiner März-Ausgabe.

Am 7. Januar - dem Tag seines gewaltsamen Todes - ging eine letzte Arbeit von Charb, dem Chefredakteur des überfallenen Blattes - in Druck. Sie war nicht für "Charlie Hebdo" bestimmt, sondern erschien tags darauf in der "l'Humanité Dimanche", die eine ständige Rubrik "Charbs Woche" eingerichtet hatte. Ein jammervoll bekleideter Obdachloser - in Frankreich als SDF - bezeichnet - sitzt auf dem Trottoir und vernimmt aus seinem Schrottradio: "Die Kälte hat wieder einen SDF getötet." Wutentbrannt entzischt es ihm: "Es ist nicht die Kälte, die tötet! Es sind die Obdachlosigkeit und das Fehlen sozialer Politik!" Ein Bourgeois, die Zigarre im Mundwinkel, geht vorbei und wirft ihm statt einer Münze die Worte zu: "Passen Sie auf! Wut verbrennt Kalorien ... Sie werden den Winter nicht überleben."

Charbs letzte Karikaturenreihe erschien also in der einst durch den später gleichfalls ermordeten Sozialistenführer Jean Jaurés begründeten "Humanité". Auch wenn dieses Blatt heute nicht mehr das politische Flaire der alten "Huma" aus den Tagen einer von Maurice Thorez, Jacques Duclos und Marcel Cachin geführten grandiosen FKP besitzt - es ist noch immer eine vielbeachtete linke Publikation. Da versteht es sich von selbst, daß die Medien der Bourgeoisie und die aus aller kapitalistischen Herren Länder angereisten illustren "Trauergäste" - von Netanjahu über Poroschenko bis zu Merkel - diese letzte Wortmeldung des genialen Zeichners ganz und gar unbeachtet gelassen haben.

Georges Wolinski, der ebenfalls am 7. Januar in den Räumen von "Charlie Hebdo" ermordet wurde, war ein nicht minder renommierter Weggefährte der "Humanité" aus Zeiten, in denen dieses Blatt noch direkt mit der FKP verbunden war. Er löste gewissermaßen die Generation der unmittelbar aus den Kampfreihen der Résistance gekommenen Generation von Grafikern und Karikaturisten des Blattes ab. 1977 vollzog sich im Bündnis, das damals die von Georges Marchais, François Mitterrand und Robert Fabre geführten Kommunisten, Sozialisten und Radikalen Linken geschlossen hatten, ein Bruch. Der Konflikt wurde durch unterschiedliche Interpretationen des 1972 durch die Führer der drei Parteien unterzeichneten Gemeinsamen Programms ausgelöst. Auch Wolinski beteiligte sich mit seinen Mitteln an der hitzigen Debatte. Er zeichnete ein Bett, auf das es heruntertropfte und erfand dazu folgenden Dialog: "Es regnet auf mein Bett. Folgt man den Kommunisten, dann müßte man das Dach reparieren." "Aber nein! Hört lieber auf die Sozialistische Partei! Es genügt, das Bett zu verschieben!"

Wolinski, der nach dem Ende der alten "Huma" seine Arbeiten auch in so auflagenstarken Blättern wie "Paris-Match" und "Le Journal du Dimanche" veröffentlichte, vergaß dabei nie seine Freunde von einst. Auf jedem "Huma"-Pressefest in La Courneuve sah man ihn und konnte am Stand von "Cuba Sí" auch mal ein Gläschen mit ihm leeren.

Die linken Freunde von Wolinski und Charb hielten den beiden Karikaturisten bis zuletzt die Treue. In Pontoise, wo Charb bestattet wurde, erklang nach der Marseillaise die von vielen mitgesungene Internationale.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

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Sport-Senioren bewahren das Vermächtnis antifaschistischer Athleten

In der Weimarer Republik gab es bis zur Machtauslieferung an den Hitler-Faschismus neben bürgerlichen, oft national-konservativen Sportverbänden auch eine starke Arbeitersportbewegung, die eine eigene, meist auf den Breitensport orientierte Kultur pflegte. Sie wurden oft von erfolgreichen Sportlern geleitet, die Kommunisten waren: So Ernst Grube, der seit 1930 die "Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit" anführte, Hans Zoschke, Bruno Plache und andere.

Nach Zerschlagung der Nazi-Diktatur wurden diese Traditionen, aber auch fortschrittliches Gedankengut aus den Tagen von Friedrich Ludwig Jahn und Guts Muths auf die Tagesordnung gesetzt. Sportplätze, Stadien, Sporthallen, Schulen, Betriebe in Stadt und Land, Brigaden und Straßen erhielten Namen fortschrittlicher und antifaschistischer Sportler. In den Sportgemeinschaften und Sportverbänden des DTSB der DDR wurden Pokalwettkämpfe, Turniere und Gedenkveranstaltungen zu Ehren von Arbeitersportlern oder von den Faschisten ermordeter Athleten durchgeführt. Das jährlich in Leipzig ausgerichtete "Werner-Seelenbinder-Turnier" hatte aufgrund seiner weltweiten Resonanz fast den Status einer Weltmeisterschaft. Der Deutsche Ringerbund der BRD wußte 1990 nichts Eiligeres, als dieses Turnier von der Wettkampfliste zu streichen.

Der Freundeskreis der Sport-Senioren Berlin hat sich in engem Zusammenwirken mit der Arbeitsgruppe Sport bei der Gesellschaft für Rechtliche und Humanitäre Unterstützung (GRH) die Pflege der Traditionen des deutschen Arbeitersports und die Wahrung des Andenkens hingerichteter Widerstandskämpfer aus dessen Reihen zu einer wichtigen Aufgabe gemacht. Dazu gehört vor allem die Ehrung Werner Seelenbinders, die eine lange, aber auch wechselvolle Tradition hat. Sie begann im September 1945 mit der feierlichen Beisetzung der Urne im Beisein von 100.000 seiner Gedenkenden, die mit der Umbenennung des Sportparks Neukölln in "Werner-Seelenbinder-Kampfbahn" verbunden war. Weil der Geehrte aber Kommunist war, tilgten die Westberliner Verwaltungschefs schon 1950 seinen Namen.

Gemeinsam mit unseren Neuköllner Freunden und der VVN-Bund der Antifaschisten ehren wir jährlich am 24. Oktober - dem Tag der Ermordung Werner Seelenbinders - das Andenken dieses herausragenden Ringers und standhaften Genossen. Nicht nur Angehörige des Freundeskreises erinnern bei dieser Gelegenheit an die Mordtat, würdigen das Leben und den Kampf des gefallenen Widerstandshelden.

Eng verbunden mit Werner Seelenbinder war auch das politische und sportliche Wirken Erich Rochlers, der viele Jahre im faschistischen Zuchthaus gequält wurde. Nach 1945 war er ein gefragter Gesprächspartner. Vor Kindern und Jugendlichen schilderte er Episoden aus dem gemeinsamen Sport- und Leidensweg mit Werner Seelenbinder. Erich Rochler war in der DDR Ehrenmitglied des DTSB und des Ringerverbandes der DDR.

Auch Helmut Behrendt, Mitglied der Roten Sporteinheit seit 1931, mußte wegen seines mutigen Auftretens gegen die faschistische Diktatur mehrere Jahre in Zuchthäusern und Konzentrationslagern verbringen, wo er seine Haltung tapfer bewahrte. Im KZ Mauthausen gehörte er der Lagerorganisation des Widerstandes an. Als Vizepräsident des Deutschen Fußballverbandes der DDR und Generalsekretär des Nationalen Olympischen Komitees der DDR leistete Helmut eine verdienstvolle Arbeit für die internationale Anerkennung des DDR-Sports, gegen die Hallstein-Doktrin. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) verlieh ihm den Olympischen Orden in Bronze.

In Würdigung seines Lebensweges erhielt die Schwimmhalle in Berlin-Marzahn nach Helmuts Tod 1985 seinen Namen. Die Bilder- und Schilderstürmer der Konterrevolution vergingen sich auch an seinem Andenken. Sie tilgten den Namen der Sportstätte und entwendeten die Büste des Namensgebers. Das stieß bei uns auf Widerstand. Gemeinsam mit dem Bezirksamt und dem Bezirkssportbund konnten wir 2002 durchsetzen, daß die Schwimmhalle Helmut Behrendts Namen zurückerhielt. Seine Büste steht heute wieder in deren Vorraum. Am 4. September 2015 - dem 30. Todestag des verdienstvollen Genossen - werden wir dort seiner gedenken.

Viele Sportstätten und Einrichtungen trugen den Namen Ernst Grubes, des Leiters der "Kampfgemeinschaft Rote Sporteinheit". Seit 1933 verfolgt und eingesperrt, starb er 1945 im KZ Bergen-Belsen an Flecktyphus. Seine Lebensleistung wurde mit der Benennung des Magdeburger Stadions gewürdigt. Dessen Vermarktung nach dem Anschluß der DDR an die BRD hatte zur Folge, daß auch der Name dieser Sportstätte unter die Räder geriet. An seinem 70. Todestag im April gedachten die Leipziger Sport-Senioren in der Ernst-Grube-Halle auf dem Gelände der ebenfalls abgewickelten DDR-Hochschule für Körperkultur und Sport dieses herausragenden kommunistischen Widerstandskämpfers.

Kurt Schlosser, des Roten Bergsteigers und Ehrenvorsitzenden des bekannten Dresdner Bergsteiger-Chores, wurde im vergangenen Jahr anläßlich seines 70. Todestages durch Angehörige des Freundeskreises der Sport-Senioren und Chormitglieder gedacht. Schon 2010 hatten 200 Freunde aus Berlin das Traditionskonzert des "Kurt-Schlosser-Chores" erleben können.

Erhard Richter


Unser Autor war Generalsekretär des Deutschen Ringerverbandes (DRV).

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Klassenkampf mit elektronischen Waffen

Was die HV A schon lange vor Edward Snowdens Enthüllungen wußte

Als ich unlängst mit einer Besuchergruppe den Bundestag besichtigte, wurde viel Demokratie und Souveränität propagiert. Der Erklärer geriet ins Schwärmen darüber, wie hier der Wille aller Bürger vertreten werde und sich zu politischen Entscheidungen kristallisiere. "Einzug fand das", schloß er den Vortrag, "in die neue Architektur. Mit der gläsernen Kuppel" - dabei hob er Stimme und Arme -, "in der Sie die Besucher wandeln sehen, sollen die Abgeordneten immer an den wahren Souverän über ihnen erinnert werden!"

Also stieg ich denen aufs Dach, ohne daß einer von ihnen nach oben geschaut hätte. So blickte ich auf die USA-Botschaft mir gegenüber und auf die verblendete Dachetage. Da waren mir alle Sätze vom großen Volkssouverän aus dem Kopf geblasen, was nicht nur am frischen Wind lag, der hier oben wehte.

Erneut kam ich angesichts der knallerbsengroßen Kugeln, die sich am Horizont vom Teufelsberg zeigten, ins Grübeln. Sie waren auf jener Anhöhe stationiert, welche die Amis einst als "letzten Hügel vor Moskau" bezeichnet hatten. Von dort aus betrieben sie während des Kalten Krieges ihre "Field Station Berlin". Es handelte sich dabei um ein Abhörzentrum, das von der BRD durch Zuwendungen in Höhe von 300 Millionen DM mitfinanziert wurde. Seine "Ohren" reichten wirklich fast bis nach Moskau, nahmen aber auch Westberlin und Westdeutschland ins Visier.

Allerhöchste Zeit, sagte ich mir, endlich Klaus Eichners Buch über die elektronische Kriegführung der USA und der NATO zu lesen. Der Autor war als Analytiker der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit auf die Geheimdienste der Vereinigten Staaten spezialisiert. Ein Experte also, an dem ob seines umfangreichen Insiderwissens mittlerweile auch sogenannte Leitmedien nicht vorbeikommen. Er ist zugleich ein gefragter Gesprächspartner bei zahlreichen Veranstaltungen des RF.

Dort, wie im Buch, macht er klar, daß die Aufklärung der DDR über die NSA-Überwachungsmaßnahmen und die Aktivitäten anderer US-Geheimdienste lange vor den Enthüllungen von Edward Snowden gut informiert war. Das Wissen darüber betraf nicht nur die Field Station auf dem Berliner Teufelsberg, sondern auch NSA-Großstationen wie jene in Augsburg-Gablingen oder Bad Aibling. Der Grund für solche Umsicht lag auf der Hand: "Der Klassengegner war kein Hirngespinst, sondern arbeitete sehr real gegen die DDR."

Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der PDL-Fraktion im Januar dieses Jahres geht hervor: Westdeutsche Dienste haben zwischen 1946 und dem April 1990 mindestens 71.500 DDR-Bürger ausspioniert. Hans Modrow, Ministerpräsident der Noch-DDR, wurde vom BND seit 1958 beobachtet. Erst im März 2013 endete das Interesse des Verfassungsschutzes an dem SED-Politiker, langjährigen Bundestagsabgeordneten und früheren Mitglied des Europaparlaments.

Aber mußten selbst die eigenen Verbündeten ins Visier genommen werden? In den 80er Jahren lieferte eine Quelle der HVA den "Wunschzettel" von NSA & Co., die "National SIGINT Requirement List", die etwa 10 Aktenordner füllte. Unschwer war dort herauszulesen, daß sich die US-Geheimdienste für jedes Land der Welt interessieren. Die damaligen Schnüffelziele in der BRD füllten allein 35 Seiten! Und auch dem Bonner Auslandsnachrichtendienst BND oblag nicht nur das Belauschen der "Ostblock"-Staaten.

Eichner serviert eine "Delikatesse": Unter dieser Deckbezeichnung nutzte der BRD seit 1975 in Zusammenarbeit mit dem spanischen Geheimdienst ein Objekt an der Mittelmeerküste zur massenhaften Erfassung von Informationen, die über transatlantische Unterseekabel liefen. Diesen Weg dürften wohl kaum Berichte der Warschauer Vertragsstaaten genommen haben. Erschreckend ist, was schon Anfang 1986 dem Pentagon und den US-Geheimdiensten zur Aufgabe gestellt wurde: Alle Möglichkeiten des modernen Kampfes mit elektronischen Mitteln zu prüfen, um einen atomaren Enthauptungsschlag gegen die Leitzentralen der UdSSR und des Warschauer Vertrages führen zu können. Es war der Auftakt für die Kriegführung im elektronischen Raum. Eichner nennt den Cyberspace die fünfte strategische Dimension neben Land, Luft, See und Weltall - heute längst eine Realität. Auch dort wollen die USA ihre Hegemonie aufrechterhalten - mit unvorhersehbaren Folgen!

Das reich bebilderte Buch liest sich wie ein Spionagethriller. So, wenn die Werbung von Quellen und die Arbeit mit ihnen geschildert wird. Eine arbeitete zunächst auf dem Westberliner Teufelsberg der Amis und später in Frankfurt am Main. Eine andere, von der im Buch die Rede ist, saß in einem Objekt der U.S. Air Force in Berlin-Marienfelde. Beide mußten nach ihrer Enttarnung langjährige Haftstrafen absitzen, wobei die USA in einem Fall auch vor der gewaltsamen Entführung des ehemaligen Aufklärers nicht zurückschreckten, ohne sich darum zu scheren, daß dieser mittlerweile Bürger der BRD war. Ein Akt der Verletzung der Souveränität der Bundesrepublik! Doch ein Protest dagegen blieb aus.

Auch anläßlich der Snowden-Enthüllungen geht es Klaus Eichner niemals um ein "Ätsch, das haben wir längst gewußt!" Das Wissen der HV A zu diesem Komplex war aktenkundig. Es wurde von keinem Reißwolf zerrissen, so daß es auch die neuen Machthaber auf dem Tisch hatten. Um so peinlicher war die zur Schau gestellte Betroffenheit nach den Enthüllungen der Whistleblower. Ausführlich wird in dem Buch geschildert, wie mit den Dokumenten umgegangen wurde, welche das Ausspionieren auch der BRD durch die USA belegten. Nach Eichners Informationen, "wurden diese Dokumente durch die Geheimschutzstelle des Bundesinnenministeriums aus der damaligen Gauck-Behörde abgezogen, um sie direkt an die USA auszuliefern." Selbst wenn eine "ersatzlose Herausgabe" solcher Unterlagen, nach BRD-Rechtsauffassung vertretbar wäre, hätte die Behörde in ihrem Tätigkeitsbericht an den Deutschen Bundestag solche brisanten Aktionen darstellen müssen. Doch der Souverän blieb blind.

Eichner zieht das Fazit: "Die Überwachung der deutschen Telekommunikation durch die NSA ist nicht der Kern des Problems, sondern der imperiale Drang der Großmacht USA, ihren globalen Herrschaftsanspruch mit Hilfe der NSA im elektronischen Krieg gegen Feind wie Freund durchzusetzen."

Bernd Gutte


Klaus Eichner: Imperium ohne Rätsel - Was bereits die DDR-Aufklärung über die NSA wußte. Edition Ost, Berlin 2014, 128 Seiten, 9,99 Euro, ISBN 978-3-360-01864-9

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Das "Archiv des Todes" lebt

Spannender DDR-"Straßenfeger" soll in Rußland neu verfilmt werden

Rudi Kurz, der Regisseur vieler unvergessener Filme und Fernsehserien, wurde am 9. Mai 1921 in Ludwigshafen geboren. Er absolvierte das Gymnasium und studierte Schauspiel und Gesang in Mannheim. Nach Krieg und Gefangenschaft war er als Schauspieler, Regisseur und Dramaturg in Altenburg, Weimar, Leipzig und Berlin tätig. Zu seinen Werken zählen über vierzig Theaterinszenierungen von Goethe, Schiller, Kleist, Shakespeare, Hauptmann, Friedrich Wolf u.v.a., außerdem Uraufführungen von Hedda Zinner, Hans Rehfisch, Ulrich Becher sowie Opern (u.a. Tschaikowskis "Zauberin" und Mozarts "Figaro"). Daneben lehrte er als Hochschuldozent in Leipzig. Ab 1960 arbeitete er als Drehbuchautor und Regisseur.

Beim Fernsehen entstanden viele Filme und Serien wie "Das grüne Ungeheuer", "Ohne Kampf kein Sieg", "Artur Becker", "Ernst Schneller", "Hans Beimler, Kamerad" und "Der Leutnant vom Schwanenkietz".

Rudi Kurz nutzte das Abenteuergenre geschickt, um Geschichten wirksam und erlebnisreich zu gestalten. Schöpferische Phantasie in reicher Fülle und großes Wissen um gesellschaftlich relevante Fragen sind Quellen seiner Ausstrahlungskraft. Vieles hat er selbst erlebt in der Zeit der Weimarer Republik, dem Nazireich, in zehn Jahren Krieg und Gefangenschaft, in beiden deutschen Staaten und in der widerspruchsvollen Gegenwart.

Seine Arbeiten zeichnen eine hohe Spannung und große Publikumswirksamkeit aus. Sie sind erregend und mitreißend - wie u.a. die Erfolgsproduktion "Archiv des Todes".

Die Umstände sind authentisch, die Personen der Fernsehserie frei erfunden. So auch die internationale Kundschaftergruppe, die unter der Leitung eines jungen sowjetischen Oberleutnants heim Abschuß einer Transportmaschine ohne Kennzeichen weitab von ihrem Zielgebiet abspringt und jeden der Kundschafter - Oberleutnant Boris, den ehemaligen polnischen Partisanen Janik, Hauptmann Ernst, den Gefreiten Heiner und Georg, einen erfahrenen kommunistischen Widerstandskämpfer - zu verantwortlichem Handeln zwingt. Die Trennung, irgendwo im okkupierten Vorland der Beskiden, darf nicht zum Scheitern eines wichtigen Auftrages führen ... Die Serie lief u.a. auch im sowjetischen Fernsehen.

"Das musikalische Motiv von Wolfgang Hohensee, das die Helden der Serie ankündigte und begleitete, war (in den 13 Wochen der Ausstrahlung im Fernsehen der DDR) zu einer Art Markenzeichen geworden. Es signalisierte die Begegnung mit historischen Begebenheiten, profilierten Charakteren, interessanten Fakten und spannenden Vorgängen. Die Spannung war wahrscheinlich das bestimmende Moment der Serie. Sie wurde sachkundig eingesetzt, prägte den Aufbau der einzelnen Teile, verselbständigte sich jedoch niemals. Es ging heiß her, jedoch stets im Sinn der Sache. Man fieberte mit den Kundschaftern, fieberte den nächsten Folgen entgegen, wurde mitgerissen, wie es nur in guten Kunstwerken möglich ist ... Das Wesen der Sache, der historische Auftrag und die geschichtliche Situation, waren das Fundament der abenteuerlichen Spannungskurve. Ungeheuerliche Begebenheiten, ein breites Panorama von Figuren, Tatbeständen, Handlungsorten, außergewöhnlichen Umständen und ganz gewöhnlichen Verhaltensweisen wurden in ein realistisches Wechselspiel gebracht." (Irene Böhme in "FF dabei", Nr. 15/1980)

Архив смерти

Jetzt haben sich die Moskauer Firmen Magic Factory / Sputnik Vostok Production mit Rudi Kurz über eine Neuverfilmung seines Stoffes verständigt. Wir beglückwünschen unseren Autor zu diesem Vertragsabschluß - und zu seinem 94. Geburtstag am 9. Mai, an dem in diesem Jahr der 70. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg gefeiert wird.

RF

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Brief an meinen Vater (Teil 1)

Compañera Christa: Für junge und junggebliebene Rotfüchse

Es riecht wieder nach Krieg, lieber Vater! Seit Monaten herrscht eine beschämende Hetze gegen die Russen. Vergessen sind die 27 Millionen Toten der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg. Putin wird mit Hitler gleichgesetzt, und die Medien forcieren den neuen eiskalten Krieg in Europa.

Es sind Nachtgedanken, die mich diesen Brief schreiben lassen. Vater, Du bist in den Räumen, die mit den Füßen keiner betritt ... So lange bist Du schon tot, aus dem Leben gerissen mit 31, im Kriegsjahr 1943. Und ich, Deine damals winzige Kleine, bin jetzt 73 und habe Dich schon 42 Jahre überlebt. Manchmal begegne ich Dir, in den Nächten, wenn ich nicht schlafen kann ..., dann höre ich ein Akkordeon ... Deine Stimme singt "Über die Prärie klingt ein Lied durch die Nacht ..." Solltet ihr alle umsonst gelitten haben, umsonst gestorben sein? Sollen eure Urenkel wieder in den Krieg ziehen müssen für die Interessen von Globalstrategen und Rüstungsmilliardären, für geheuchelte Freiheit und Demokratie?

Die Angst, die ich als Kriegskind hatte, ist noch immer unter meiner Haut: Die Flucht aus Liegnitz im Januar 1945 mit Mutter und Margot in eisiger Kälte in Güterwagen. Sirenen und Bomben, Verwundete und Tote. Erfrorene auf Bahnhöfen, die wie Bretter geworfen wurden, Hunger, Kälte und Blut. Und Schreie, die wie Glas zersplitterten. Du konntest uns nicht mehr beschützen, Du warst schon tot. Ich hatte immer Sehnsucht nach Dir, nach einer schützenden männlichen Hand. Als ich heranwuchs, trug ich Dein Foto jahrelang in der Schulmappe, bis es ganz zerknittert war. Ein schöner junger Mann mit traurigen Augen und einer roten Blume in der Hand. Was weiß ich von Dir, lieber Vater? Mutter sagt, Du bist nicht in die Nazi-Partei eingetreten, obwohl sie Dich bedrängten. Die braunen Machthaber waren Dir zu brutal. Du warst im Arbeiter-Sportverein unter Gleichgesinnten und spieltest Akkordeon. Die Heine-Werke in rotem Einband hast Du in Ölpapier in eurer Gartenlaube vergraben, erzählte Mutter. Du hattest Dir in der Kaserne einen Posten als Tankwart besorgt, um nicht an der Front töten zu müssen.

Mit achtundzwanzig hast Du Hedwig, eine junge Frau, Verkäuferin mit zwei unehelichen Kindern, eines von einem jüdischen Mann, geheiratet. Das erste Kind hatte Hedwig von einem Zahnarztsohn, der sie schwanger sitzen ließ. Bittere Realität für ein hübsches Mädchen aus armem Haus. Mutter war neunzehn, stand schon auf eigenen Füßen und konnte ihren Jungen ernähren.

Der Mann, den sie dann kennenlernte und liebte, war Jude und hieß Joseph Reiner. Als sie wieder ein Kind erwartete, schrieb man mit Kreide "Judenhure" an ihre Tür. Sie flüchtete hochschwanger mit Joseph Reiner nach Görlitz. Im kleinen Hotel "Preußenhof" in der Salomonstraße 6 vertrauten sie sich der Wirtin an. Diese half Mutter bei der heimlichen Entbindung im Hotel. Im Oktober kam meine Schwester Margot zur Welt. Die Wirtin, schon eine ältere Frau, gab sie als Verwandte aus, um sie zu schützen. Aber die Görlitzer Gestapo spürte sie nach einer Denunziation im November auf. Im Morgengrauen wurden beide Frauen festgenommen. Mutter kam nach Dresden ins Frauengefängnis. Die Wirtin hatte, bevor die Gestapo eindrang, meine winzige Schwester im Wäschekorb in ein anderes Zimmer gestellt und sie so vor dem Zugriff gerettet.

Im Frauengefängnis Dresden erlebte Hedwig Verhöre, Schläge und Demütigungen. Auf "Rassenschande" und "volksschädigendes Verhalten" lautete die Anklage. Und da war auch das "noble" Angebot zur Freilassung. Sie, eine blonde deutsche Frau, sei doch sicher von dem Judenschwein vergewaltigt worden. Sie brauche das nur im Protokoll zu unterschreiben.

Hedwig blieb sich treu und dem, den sie liebte. Joseph Reiner war ins KZ Buchenwald gekommen. Ein entwichener Mithäftling brachte ihr später die Nachricht von seinem Tod. Da hatte sie ein Jahr Frauengefängnis hinter sich und war verstört fürs ganze Leben. Ich weiß nicht, ob sie Dir das alles erzählt hat. Mir hat sie sich offenbart, als "Holocaust" im Fernsehen lief. Dieser Film hatte bei ihr Schleusen geöffnet. Bis dahin hatte sie das alles verdrängt, vor uns und anderen geheimgehalten. War die Scham, Mutter zweier unehelicher Kinder zu sein, stärker als die Erkenntnis ihrer tapferen stillen Größe? Zu Zeiten der DDR hat sie sich nicht als Verfolgte des Naziregimes gemeldet.

Nach der Entlassung aus dem Gefängnis Ende 1935 suchte sie ihr Kind in Görlitz. Die Wirtin hatte Margot in ein privates Kinderheim gegeben. Sie war jetzt ein Jahr alt - Margot, meine schöne schwarzhaarige Schwester, die sich mit 34 Jahren das Leben nahm. Waren bei ihr in frühester Kindheit Wurzeln zerstört worden? War es die geheimnisvolle Kette des Unglücks, die manchen Tod so rätselhaft macht? Es stimmt wohl, daß man auch ein Schicksal erben kann.

Vater, Du hast Hedwig in Liegnitz kennengelernt, eine vom Leben gezeichnete junge Frau. Eure erste Begegnung hat sie mir so erzählt: Eines Tages kam ein schöner junger Mann ins Warenhaus EHP, wo sie als Verkäuferin in der Besteckabteilung wieder Arbeit hatte.

Der schmale junge Mann kaufte einen Silberlöffel. Am zweiten Tag kam er wieder, um die passende Gabel zu kaufen. Am dritten Tag kaufte er das Messer. Als Mutter fragte, warum er nicht das Besteck auf einmal gekauft hätte, erwiderte er lächelnd, da hätte er sie ja nicht jeden Tag wiedergesehen. Schüchtern hast Du Mutter zum Essen eingeladen, aber sie entzog sich. Du bliebst hartnäckig, bis sie Dich eindringlich bat, sie in Ruhe zu lassen. Um Dich abzuschrecken, erzählte sie von ihren beiden Kindern und ihrer Gefängniszeit. Aber Du machtest ihr bald einen Heiratsantrag. Das war der größte Liebesbeweis.

Im September 1940 habt ihr geheiratet. Du hast Hedwig und ihren Kindern Deinen Namen Schmidt gegeben. Das schützte sie und die Kinder. Wenn Du mit der kleinen schwarzhaarigen Margot spazierengingst und die Leute sagten "Ganz der Vater", hast Du vielleicht leise gelächelt. Du hattest ja auch pechschwarze Haare. Gearbeitet hattest du noch in der Kaserne als Tankwart. Dein jüngerer Bruder Herbert sollte an die Front. Er wollte vorher seine Lisbeth heiraten und bat Dich um einen kleinen Kanister Benzin, für eine Hochzeitsreise auf dem Motorrad nach Breslau. Diese Freude hast Du Deinem Bruder gemacht. Das brachte Dich in die Hände der Geheimen Staatspolizei. Haussuchung, Verhaftung, Verhöre. Denunziert hatte Dich Deine Schwägerin, Mutters Schwester Emma, eine Nazisse. Die Anklage gegen Dich lautete "Heeresguthinterziehung". Kollegen setzten sich für Dich ein. Du kamst mit einem blauen Auge davon: Das Kriegsgericht verurteilte Dich zu fünf Monaten Gefängnis und Strafversetzung. Dein Bruder Herbert fiel wenige Wochen nach der Kriegstrauung.

Christa Kozik

Teil 2 folgt in der Juniausgabe.

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Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

Über Glück und Unglück weiß ich als Hausfrau, Mutter und Mitlebende im Weltprozeß mit all seinen - befürchteten oder überraschenden - Katastrophen durch Wetter, persönliches Schicksal und die Folgen von sogenannter Politik doch einiges, wenn auch nicht genug, wie sich immer wieder zeigt. Es gibt auch glaubwürdige Anzeichen von Gelassenheit und ruhigerer Handhabung im eigenen Leben. Aber davon soll hier nicht die Rede sein, im Gegenteil:

Das Jahr hätte gut beginnen können, aber es gelang mir im Januar, durch einen Sturz drei wichtige Knochen meines rechten Mittelfußes zu brechen. Im Haushalt, einem der bevorzugten Orte, um aus dem Stand in den Ruhestand zu gelangen. Kalender und Hirn waren voller Termine und Pläne, aber es half nichts. Die Prophezeiung des knurrigen, aber kundigen Arztes wies auf Zeitverluste hin, von akuten Schmerzen und bleibenden Schäden zu schweigen. Es war ein Unglück, das mir Glück brachte. Ich hatte es nicht erwartet.

Früher, bei uns zu Hause, wie wir noch immer gelegentlich sagen, da wäre meine Bettkante besetzt gewesen, man hätte mir Mühen aus der Hand gerissen, sich um mich gekümmert, mich getröstet und verwöhnt.

Aber heute? Heute rennt jeder nur noch dem eigenen Gutgehen hinterher, man hat keine Zeit mehr für fremdes Unglück, und ehrlich "... man kann in einem solchen Fall sowieso nicht wirklich helfen."

Das alles scheint den Verhältnissen und den neuen sozialen Ängsten geschuldet, ist auch wahrnehmbar. Ich habe es nun anders erlebt. Es gibt uns noch, ich habe die Art wiedergefunden, es war ein ganz privates, für meine Arbeit aber glückseliges Ereignis. Was hieß da Fuß? Meine Seele erlebte in unerwartetem Umfang freundschaftliche Solidarität und Hilfe jeder Art. Es war ein eher mürrischer Scherz von mir, um Suppe statt Blumen zu bitten.

Wenn ich jetzt erkläre, daß ich keinen Tag dieser zehn Wochen missen möchte, dann ist es die Wahrheit. Ja, auch, weil bei uns Pelmeni, Rouladen, Kartoffelsuppe und Käsetorte abgegeben wurden, auch Obstsalat und Gulasch, Hühnersuppe und andere Köstlichkeiten. Das war tatkräftige Hilfe. Andere brachten mir ihre eben ausgelesenen oder noch nicht ausgepackten Lieblingsbücher, denn ich litt ja nun nicht an Zeitmangel. Nur eins war darunter, das habe ich in den Papierkorb befördert, also nicht auf die Konsole in unserem Hausflur gelegt, wo jedes Buch schnell verschwindet. Warum? Nun, mir sollten die Vorurteile zwischen Wessis und Ossis von der Seele geräumt werden. Das wäre ja auch schön gewesen. Nur stellte sich leider bei der Lektüre heraus, daß unsere "Vorurteile" zumeist von unserer Weltfremdheit herrühren, während die armen Wessis (nicht alle) nur noch mehr Geduld aufbringen müssen.

Ich konnte am 8. März mit viel Hilfe auf die Bühne humpeln, statt 400 Gäste zu enttäuschen. Es war ein glücklicher Tag, er hat uns zusammen den alltäglich nötigen Mut gestärkt, denn wir begingen ihn in seinem gemeinten Sinn, so wie wir uns den Tag der Befreiung nicht nehmen lassen.

Ich konnte in diesem unverhofften Urlaub in aller Ruhe die Zeitungen lesen. Sonst nicht? Nein, sonst nicht.

Gewärmt von der neuen und Brechtschen Überzeugung, daß der Mensch dem Menschen ein Helfer sein kann, es sein könnte, empfing ich die geistigen Faustschläge der Informationen ungeschützt. Die Gesinnung hinter den Nachrichten ist allemal nackt und eindeutig. Es braucht keine Beweise, um ein Schurke genannt oder als Schurkenland gebrandmarkt zu werden. Griechenland wird von Kapitalisten erpreßt, Schuld und Schulden vergangener Regierungen helfen dabei.

Ich war noch jung und politisch naiv, als ich ein Hörspiel über Manolis Glezos schrieb. Er hatte die verhaßte Besatzerfahne der Nazis heruntergeholt. Ich habe die Mauthausenkantate von Theodorakis in unsere Sprache gebracht - und einmal hatte ich die Ehre, beim Friedensmarsch von Marathon nach Athen dreißig Kilometer in der ersten Reihe zu laufen, Arm in Arm mit dem Sohn des Arztes, der erschossen worden war, weil er diesen Marsch neu belebt hat, und neben einem ehemaligen Auschwitz-Häftling. Mehr als hunderttausend Griechen, unter ihnen Maria, die einen Genossen geheiratet hat, um Kontakte zu den Gefangenen auf der Insel herzustellen - sie sind noch zusammen und haben zwei Kinder.

Was mich damals tief bewegte: Neben uns fuhren langsam teure Autos vorbei, hielten an, fuhren weiter. Man erzählte mir, es seien Ärzte, Rechtsanwälte, Kaufleute, die den Zug begleiten, um Ermüdete aufzunehmen. Und Konrad war bei uns, der Pastor, er hatte in Athen studiert und für Griechenland eine Medaille bei einem Europa-Cup geholt. Er ging mit uns DDR-Leuten in die Gasse der Juweliere und Kaufleute, wo die Dächer ganz niedrig waren. Nach einem bestimmten Klopfzeichen wurde die Tür aufgerissen, und Männer lagen sich in den Armen. Bei dem jungen Genossen Bürgermeister, der die Universität gegen die Panzer der Junta verteidigt hatte, erfuhr ich von Konrads eigentlichem Verdienst: Als die Rechten an die Macht kamen, hatte er die Namenslisten der Genossen unter seiner Kleidung nach Hamburg gebracht und aufbewahrt, bis er sie feierlich wieder übergeben konnte. Ich muß daran denken, gerade jetzt: Wir gingen beim Friedensmarsch an einer amerikanischen Kaserne vorbei, der Posten stand mit gespreizten Beinen davor, die Hände im Rücken. Ich fragte die zierliche Amerikanerin hinter mir, ob er wohl bewaffnet wäre. Das war naiv.

Und dann kamen aus dem Lautsprecherwagen, zu Ehren unserer Delegation, die griechischen Lieder in deutscher Sprache, meine Nachdichtungen. In Athen wartete auf einer Bühne im Freien, in einem Thronsessel, die berühmteste griechische Dichterin auf uns, die von dreißig Kilometern Weg ermüdet waren. Was sie sagte, wurde nicht übersetzt. Die Griechen wollten ihr zuhören, sie ließen sich auch von der Gegendemonstration nicht unterbrechen, und wir erfuhren später, was sie gesagt hat.

Haltungen haben ihren Augenblick der Entstehung. Man muß ein Schurke sein, um von einer solchen Barrikade wieder herunterzusteigen. Ich fühle oft Trauer um einen Verlust, neben dem der Gewinn blasser erscheint. Auch, wenn ich das nicht will und mich trotz langsam schwindender Kraft einbringe, wo Heilung oder Gewinn vorsichtig blinken.

Das Herz beharrt aber auch auf seinen Stempeln.

Den Tag der Befreiung vom deutschen Faschismus erlebte ich, vier Tage vor meinem vierzehnten Geburtstag, im Innviertel, in unserem kleinen Dorf. Wir standen im Freien und reichten uns gegenseitig ein Fernrohr, durch das man die Straße von der Bahnstation Gurten nach Ried im Innkreis sehen konnte. Ungenau zu erkennen war ein langer, langsam sich bewegender Zug aus Menschen in gestreiften "Schlafanzügen" - so nannte es neben mir ein Soldat, der alle Kennzeichnungen von seiner Landseruniform entfernt hatte, ehe er Stunden später in amerikanische Gefangenschaft lief. "Die sind aus Mauthausen", sagte der Landser. Mehr sagte niemand, und später: "Man hat ja nicht mehr gewußt." Das stimmt nicht, ich weiß es.

Peter Edel meinte einmal, er wäre wahrscheinlich in diesem Zug gewesen. Da er in Mauthausen befreit wurde, könnte es sein. Das macht nichts besser.

An einem 9. Mai wurde meine Tochter geboren. Damals war der Frieden sechs Jahre alt. Er soll uns, sie und unser Kind von ihr überleben.

Soll der Mensch den Menschen nie mehr
nach der Schlacht betrauern
muß auf dieser Erde eben
Frieden wie das eigne Leben
kostbar sein und dauern ...

Ich kann inzwischen beinahe mühelos wieder gehen. Jedenfalls bestehe ich darauf.

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Leserbriefe an RotFuchs

Zu den wichtigsten Ereignissen meines Lebens gehört die Reise mit der ersten FDJ-Studentendelegation in die UdSSR. Beim Besuch der Moskauer Universität stellten wir fest, daß die meisten Studenten nicht mehr ganz jung waren. Viele hatten ihr Studium auf Jahre unterbrechen müssen, um an den Fronten zu kämpfen.
Unvergeßlich bleibt mir Stalingrad. Rund um die Stadt befanden sich noch viele Schützengräben. Bis auf einen neu errichteten Bezirk bei der großen Treppe zur Wolga war alles ein einziges Trümmerfeld. Als ich 1975 bei einer Wolga-Don-Reise erneut in Stalingrad, das jetzt Wolgograd hieß, Station machte, war die Stadt vollständig wiederaufgebaut. Das gewaltige Monument "Mutter Heimat" auf dem Mamajew-Kurgan beeindruckte mich zutiefst.
Tragen wir dazu bei, daß es auf russischem Boden nie wieder ein solches Blutvergießen wie die Stalingrader Schlacht gibt!

Dr. Johanna Jawinsky, Roggentin


Da ich feststellen mußte, daß der Umgang mit den Erinnerungen an den Aufenthalt der sowjetischen Truppen in der DDR heute kaum noch eine Differenzierung erfährt, faßte ich meine Erfahrungen und Erlebnisse in einer Fotodokumentation "Freunde zum Anfassen" zusammen. Die Begegnungen und Treffen fanden zwischen Menschen statt, deren Staaten heute schon nicht mehr existieren. Was jedoch weiterbesteht, ist eine enge Beziehung zwischen mir - einer Deutschen - und ihren Freunden in Rußland, Belarus und der Ukraine.
Anfang der 80er Jahre traf ich während einer Klassenfahrt mit meinen Schülern zufällig auf sowjetische Wehrpflichtige. Bei Sport- und Musiknachmittagen, wechselseitigen Besuchen in Garnison und Schule wurde das Interesse an weiteren Kontakten geweckt. In den Kasernen konnten sich die Schüler vom keineswegs leichten Dienst und vom Leben in der Sowjetarmee ein Bild machen. Sie erfuhren zugleich viel intensiver als im Geschichtsunterricht, warum die Soldaten mit dem roten Stern bei uns waren, was sie zu eigenem Engagement ermutigte. Der diesjährige 70. Jahrestag der Befreiung mahnt uns, gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt aufzutreten. Das Datum fordert uns heraus, die Haß- und Verleumdungskampagne gegen Rußland nicht hinzunehmen, die Erinnerung an die sowjetischen Soldaten und deren Taten, die sie gemeinsam mit den anderen Alliierten vollbrachten, um den Sieg über den Faschismus möglich zu machen, für immer im Gedächtnis zu bewahren.

Brigitte Großmann, Berlin


Am 6. März vor 70 Jahren mußte ich mit meinen damals schon betagten Großeltern und meiner Mutter Greifenhagen, das jetzt zu Polen gehört, verlassen. Der Krieg tobte bereits in unserer Nähe. Flüchtlingstrecks schleppten sich durch die Stadt. Wir hörten den Donner der Kanonen und sahen Stettin brennen. Tiefflieger schossen auf uns. Junge Menschen zogen früh mit Panzerfäusten los, abends kehrten nur wenige zurück. Angst ging um. Mit dem letzten Transport konnten wir dem Kriegsgebiet entrinnen. Wir wurden in Viehwaggons verladen und kamen nach dreitägiger Fahrt im mecklenburgischen Boddin an, wo uns anfangs ein Stall als Quartier diente. Drei schwere Jahre haben wir dort gelebt. Dann übersiedelten wir nach Berlin.
Mit der Zeit bauten wir uns etwas auf. Die DDR wurde zur gleichen Zeit gegründet wie unsere Familie. Die vier Kinder erwarben eine gute Schulbildung und erlernten solide Berufe. Die DDR war unsere Heimat. Wenn jetzt vom "Unrechtsstaat" die Rede ist, dann weiß ich wirklich nicht, wie ein Rechtsstaat beschaffen sein soll. Ich bin darüber glücklich, 40 Jahre auf der sicheren Seite gewesen zu sein. An meinem 85. Geburtstag werde ich mich mit Freuden dieser Zeit erinnern.

Hannelore Dondalewski, Berlin


Als Kind von Widerstandskämpfern und Opfern des Faschismus danke ich auch im Sinne meiner Eltern den Bürgerinnen und Bürgern der UdSSR, ihrer Armee und den sowjetische Partisanen. Gemeinsam mit ihnen gedenken wir unserer Toten. Nichts und niemand wird vergessen.
Wir stehen in der Tradition des Schwurs von Buchenwald.
Ich verweigerte einst den Kriegsdienst in der Bundeswehr. Mein Fall ging durch zwei Instanzen. Auch damals sprachen die herrschenden Kreise wie zu Hitlers Zeiten von einer Bedrohung aus dem Osten.

Edwin Wesemann, Hannover


Habt ihr alles vergessen?
Den Kummer und den Schmerz.
Leid und Trauer in eurem oft geprüften Herz.
Als gefallen gemeldet: der Vater, der Bruder und der Sohn!
Sie zogen gegen die Sowjetunion.
Soll sich das noch einmal wiederholen?
Nein! Solch grausiges Leiden
Müssen wir vermeiden!

Maria Benditz (84), Eberswalde


In seinem 1959 erschienenen militärpolitischen Abriß stellte der sowjetische Schriftsteller Deborin fest: "Die führenden Staatsmänner der USA und Großbritanniens haben die Verdienste der Sowjetarmee und des Sowjetvolkes bei der Zerschlagung Hitlerdeutschlands noch während des Zweiten Weltkrieges anerkannt."
So richtete USA-Präsident Franklin D. Roosevelt am 23. Februar 1943 folgende Worte an die Mitstreiter aus der Antihitlerkoalition: "Im Namen des Volkes der Vereinigten Staaten will ich der Roten Armee anläßlich ihres 25. Jahrestages unsere tiefe Bewunderung für ihre großartigen, in der Geschichte unübertroffenen Siege ausdrücken. Derartige Erfolge kann nur eine Armee erringen, die über eine gewandte Führung, eine feste Organisation und entsprechende Ausbildung verfügt und die vor allem entschlossen ist, den Gegner zu besiegen, ohne eigene Opfer zu scheuen. Die Rote Armee und das russische Volk haben die Streitkräfte Hitlers gezwungen, den Weg der endgültigen Niederlage zu gehen."
Und im Februar 1945 schrieb der britische Premier Winston Churchill: "Die Rote Armee und das russische Volk feiern ihren 27. Jahrestag und haben die Streitkräfte Hitlers besiegt." Am 5. März 1946 soll er dann erklärt haben: "Wir haben offenbar das falsche Schwein geschlachtet!"

Klaus Keller, Heiligenstadt


Nach der aufmerksamen Lektüre der März-Ausgabe kam ich auf eine Idee. Bestimmt machen doch auch Mitglieder und Verantwortliche des "RotFuchs"-Fördervereins gelegentlich Urlaub in Österreich, ja sogar in meiner engeren Heimat Tirol. Bestünde da nicht die Möglichkeit, daß sie sich bei dieser Gelegenheit mit Österreichern treffen, die noch von der Notwendigkeit einer revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft überzeugt sind?
Wir würden uns über einen Gedankenaustausch, besonders mit gleichgesinnten früheren Bürgern der DDR, sehr freuen.

Wilfried Bader, Angerberg (Tirol)


Zur Grafik von Klaus Parche im März-RF (Die schnelle Eingreiftruppe auf den Spuren der Verlierer): Die Herren der Industrie, des Geldes und der Generalstäbe haben nichts dazugelernt - weder diesseits noch jenseits des Atlantiks.
Sie strecken ihre Klauen erneut zum tapferen, großen Rußland aus. Nicht ihre neue Stärke fürchten wir, sondern ihre Blindheit.

Günter Schmidt, Chemnitz


Folgt man Jean-Claude Juncker, dem Chef der EU-Kommission, dann ist eine Europäische Armee unerläßlich. Sie werde gebraucht, um "gemeinsam die Verantwortung Europas in der Welt wahrzunehmen". Dabei hat Juncker die Stoßrichtung gleich vorgegeben. Diese EU-Armee würde "Rußland den Eindruck vermitteln, daß wir es mit der Verteidigung der Werte der Europäischen Union ernst meinen". Die gegenüber Rußland zu verteidigenden Werte hat Juncker nicht näher beschrieben. Norbert Röttgen (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, hält "die Zeit für gekommen". Und bei Frau von der Leyen hört sich das so an: "Deutschland ist bereit, international eine sicherheitspolitische Führungsrolle zu übernehmen ..." (Münchener Sicherheitskonferenz 2015)

Wilfried Steinfath, Berlin


In der Garnisonstadt Marienberg inmitten unseres schönen und friedlichen Erzgebirges warten derzeit 900 Bundeswehrangehörige auf ihren Einsatzbefehl. Bestens ausgerüstet und auf neuestem militärtechnischem Stand, bilden sie - wörtlich so formuliert - die "Speerspitze" der "schnellen Eingreiftruppe" für einen Blitzeinsatz mit unabsehbaren Folgen.
Die baltischen Staaten und Polen haben Washington und die NATO offiziell darum ersucht, sie durch solche Kommandos "vor den Russen zu schützen". Von möglicher Bedrohung ist die Rede.
Kann ein vernünftig denkender Mensch etwa glauben, ausgerechnet Rußland, dessen Vorgängerstaat UdSSR durch den Überfall Hitlerdeutschlands nahezu 27 Millionen Menschen verlor, sei an einem es selbst beschädigenden Krieg interessiert?

Dr. Wilfried Meißner, Chemnitz


Den 8. Mai 1945 erlebte ich bei meiner Großmutter in Leisnig an der Freiberger Mulde. Zuerst rasten die Amerikaner mit ihren Jeeps durch die Straßen. Sie rückten jedoch bald wieder ab. Nun kämen die Russen zu uns, hieß es. Diese Nachricht löste Angst und Schrecken aus. Die Greuelmärchen der faschistischen Propaganda waren nicht ohne Massenwirkung geblieben. Vorsichtshalber begaben sich meine beiden Schwestern mit mir auf den Dachboden. Aus der Luke sahen wir, wie die Russen auf der schmalen Straße mit ihren kleinen Pferden und den Panjewagen zum Zentrum zogen. Uns gegenüber befand sich eine Gaststätte. In ihr verschwanden einige von ihnen. Es dauerte gar nicht lange, bis die ersten Kinder auftauchten. Neugierig betrachteten sie Pferde und Wagen aus vorsichtiger Entfernung. Dann wagten sich die Mutigsten vor und versuchten, auf einen der Wagen zu klettern. Die Russen lachten nur und halfen ihnen dabei. Sie zogen ihren Proviant aus dem Beutel und boten den Kindern etwas davon an. Unsere Flucht auf den Dachboden erwies sich als grundlos. Doch es war ein weiter Weg der Erkenntnis, um die Bedeutung des 8. Mai als Tag der Befreiung zu erfassen.

Gerda Huberty, Neundorf


Karl Marx - zwei seiner Werke wurden inzwischen in die Weltkulturerbe-Liste der UNESCO aufgenommen - hat 1843 in seiner "Kritik des Hegelschen Staatsrechts" die Gewalt der Verfassung folgendermaßen beschrieben: "Sie hat der gesetzgeberischen Gewalt Gesetze gegeben und gibt sie ihr beständig." (MEW Bd.1, S. 257) Was aber geschieht, wenn ein Staat wie die BRD lediglich über ein als Grundgesetz bezeichnetes Provisorium verfügt? Gar nichts! Im Artikel 146 heißt es zur Geltungsdauer des GG: "Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."
Seit dem Anschluß der DDR an die BRD sind über 25 Jahre vergangen. Doch die Formulierung eines Verfassungstextes sowie die Organisierung eines Volksentscheids kosten offenbar sehr viel Zeit und Geld. Das könnte man vielleicht durch den Verzicht der Bundeswehr auf den neuen Hubschrauber und andere Rüstungsgüter beschaffen. Oder wäre mit einer "gesamtdeutschen Verfassung" gar Herrn Schäubles "schwarze Null" gefährdet?
Nebenbei möchte ich bemerken, daß das Provisorium Grundgesetz für die alte BRD bis zum November 2012 insgesamt 48mal geändert worden ist, einige der 203 betroffenen Artikel sogar mehrmals. Ein Menschenrecht auf Arbeit ist dabei allerdings nicht herausgekommen.

Dr. Klaus Emmerich, Edertal-Mehlen


Der März-RF enthält u. a. drei wertvolle Beiträge zur israelischen Kolonialisierungspolitik in Palästina. Joachim Augustin hat faktenreich an das Massaker von Hebron erinnert und die lange andauernde Heldenverehrung extremistischer Siedler für den Massenmörder beschrieben. Hinzugefügt werden kann, daß zwei Tage nach der Bluttat das Begräbnis des dabei umgekommenen Attentäters stattfand, wobei es in der Grabrede von Rabbi Yaakov Perrin hieß, "eine Million Araber" seien "nicht einen jüdischen Fingernagel wert".
Wenige Jahre nach Hebron marschierte der damalige Außenminister und spätere Premier Ariel Sharon mit einem starken Polizei- und Militäraufgebot auf den Jerusalemer Tempelberg. Nach internationalen Regelungen steht dieser Bereich mit der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom als muslimischen Heiligtümern unter palästinensischer Verwaltung. Juden sind das Betreten des Terrains und das Abhalten religiöser Kulthandlungen dort streng untersagt. Sharons Provokation wurde in der ganzen arabischen Welt als Versuch empfunden, diese Heiligtümer zu entweihen und Schritt für Schritt in Besitz zu nehmen. Das löste die zweite Intifada aus.

Prof. Dr. Herbert Meißner, Oranienburg


Mein Vater, der Tischler, hatte viele Freunde - auch jüdische. Alle waren Arbeiter wie er, ansässig im Wedding. Meine Mutter kam am Beginn der 30er Jahre nach Berlin und fand Anstellung bei einem jüdischen Rechtsanwalt in Charlottenburg. Von den jüdischen Familien überlebte niemand das "Dritte Reich". Oft erzählten die Eltern nach dem Krieg von dieser Zeit. Nicht selten flossen dann bei uns Kindern die Tränen. So prägte sich das in der DDR "staatlich verordnete" Achtungsverhältnis gegenüber jüdischen Menschen bei uns aus.
Meine Kritik richtet sich allein gegen die aggressive Politik Tel Avivs, nicht aber gegen das Volk in Israel, sei es jüdisch oder palästinensisch. Netanjahu verfolgt einen rabiat antiarabischen Kurs, den es zu verurteilen gilt. Vermutlich haben nicht wenige jüdische Israelis ein ähnliches Verhältnis zu "ihrem" Imperialismus wie wir zu "unserem".

Horst Birkholz, Berlin


Der bereits im Februar-RF erschienene Beitrag von Dr. Klaus Schwurack über die Bombardierung Dresdens geht mir unter die Haut. Er ist überaus glaubhaft geschrieben und deckt sich mit meinem bisherigen Denken. Darüber hinaus vermittelt er zusätzliches Wissen. Jede Zeile erscheint mir bedeutungsvoll und bereichert die eigenen Kenntnisse. Ich werde den Artikel in meine Dresden-Mappe einordnen, damit er mich überdauert. Damals wohnten wir in Heidenau. Ich habe noch die Angst der Erwachsenen vor jedem Bombenangriff und den glühend roten Himmel Dresdens im Gedächtnis.

Barbara Ludwig, Berlin


Als 1936 in der Dresdner Neustadt Geborener, der die Großangriffe im Februar 1945 miterlebt hat, möchte ich in der Erinnerung Bewahrtes schildern: Am 13. Februar wurden zunächst Orientierungsmarken für die Bomber, sogenannte Christbäume, gesetzt, während es zugleich Brandbomben hagelte. Wir wohnten in einem Mietshaus mit vielen Schichtarbeitern. Mein Vater war bei der Dresdner Straßenbahn tätig. Glücklicherweise befanden sich fast alle Männer des Hauses mit im Luftschutzkeller. Sie begaben sich sofort auf den Dachboden, um erste Brände unter Kontrolle zu bringen. Dadurch blieb unser Haus erhalten. Das Nebengebäude, in dem überwiegend ältere Frauen wohnten, brannte ebenso aus wie weitere Häuser unseres Straßenzuges. Andere wurden von Sprengbomben getroffen.
Als mein Vater, der tags darauf nach den Großeltern hatte sehen wollen, von dort zurückkehrte, berichtete er von zahlreichen Flüchtenden, die auf den Elbwiesen durch Tiefflieger niedergemäht worden waren.
Walter Weidauer, Dresdens Bürgermeister nach dem Krieg, ging von 35.000 Toten aus. Damals hatte Dresden 628.000 Einwohner. Doch zum Zeitpunkt der Angriffe befanden sich etwa 1 Million Menschen in der Stadt, darunter viele Soldaten und Flüchtlinge. Eine unbestimmte Zahl von Toten wurde wegen Seuchengefahr schon kurz nach dem Luftüberfall auf dem Altmarkt verbrannt.

Gerhard Frank, Riesa


Am 25. März 1995 trafen sich in Berlin ehemalige Kundschafter der DDR, die bereits aus der Haft entlassen worden waren. Unter den Anwesenden befanden sich auch die einstigen Chefs der HVA Markus Wolf und Werner Großmann. Bei diesem Treffen wurde die Initiativgruppe "Kundschafter des Friedens fordern Recht" gegründet, deren Vorsitz man mir übertrug. Unser Anliegen war und ist es, die Ungleichbehandlung von Menschen publik zu machen, die in Ost und West eine formell gleiche Tätigkeit ausgeübt hatten. Dagegen sollten rechtliche Schritte eingeleitet werden. Doch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erklärte sich für unzuständig. Aber eine erfolgreiche Öffentlichkeitskampagne, bei der wir den zu 12 Jahren Freiheitsentzug verurteilten DDR-Kundschafter im NATO-Hauptquartier Rainer Rupp in den Mittelpunkt stellten, brachte uns viel Solidarität ein.
Insgesamt waren 245 Personen aus unseren Reihen zu Freiheitsstrafen verurteilt worden.
Während sich in der BRD niemand mehr in Strafhaft befindet, wurden in den USA der Deutsch-Amerikaner Kurt Stand und dessen damalige Ehefrau Theresa Squillacote zu einem Zeitpunkt, als es die DDR schon längst nicht mehr gab, zu 17 bzw. 21 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Theresa ist noch immer in Haft. Ihr gilt in besonderem Maße unsere Solidarität.

Dieter Popp, Bonn


Unlängst stieß ich in der "Sächsischen Zeitung" auf einen Bericht, der an Deutlichkeit nicht zu übertreffen war. Das Blatt kolportierte Äußerungen Frau von der Leyens auf einer Pressekonferenz zu Fragen der Sicherheitspolitik: "Unsere Interessen haben keine unverrückbare Grenze, weder geographisch noch qualitativ ... Daraus läßt sich auch kein starrer Handlungskatalog, keine Checkliste für Auslandseinsätze ableiten", sagte die Verteidigungsministerin aus der CDU. Besonders bemerkenswert fand ich ihr Fazit: "Für das internationale Engagement Deutschlands muß gelten: Kein Zugzwang, aber auch keine Tabus."

Marianne Wuschko, Hoyerswerda


Anfang März berichtete die "Lüneburger Zeitung", der frühere Bundesfinanzminister und Ex-Kanzlerkandidat der SPD Peer Steinbrück wolle der Ukraine beim Aufbau eines modernen Bankwesens behilflich sein. Gemeinsam mit weiteren prominenten Experten aus dem Westen werde er für eine "Agentur zur Modernisierung der Ukraine" wirken.
Der Präsident des ukrainischen Unternehmerverbandes Dmitri Firtasch sagte dem "Handelsblatt", er stehe wie andere seines Schlages der "Initiative" zur Verfügung: "Wir wollen mit Deutschland einen Garantiefonds über 500 Millionen Dollar schaffen, in den Großunternehmer wie Rinat Achmetow, Viktor Pintschuk, ich und andere ihr Geld investieren."

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg


Der März-RF war wie stets interessant und informativ. Zum Leserbrief Dr. Günter Stubenrauchs scheinen mir die mutmachenden Verse Heinz Kahlaus zu passen: Unaufhaltsam

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Das Gedicht wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Herzliche Grüße aus dem schwarzen Nordwesten.

Richard Georg Richter, Cloppenburg


Als Vorsitzender des Vereins Erinnerungsbibliothek DDR danke ich dem "RotFuchs" dafür, daß er seine Leser über unser Vorhaben (www.erinnerungsbibliothek-ddr.de) informiert hat. Das trug dazu bei, daß uns zahlreiche weitere Autobiographien zugeschickt wurden. Auf der Festveranstaltung der Berliner RF-Regionalgruppe zum 65. Jahrestag der DDR-Gründung am 10. Oktober 2014 sagte Egon Krenz: "Ich kann Euch nur bitten: Schreibt für Eure Kinder, Enkel und Urenkel Eure Lebensgeschichte in der DDR auf, mit Euren eigenen Überlegungen, auch mit unseren Irrtümern. Dokumentiert diese Lebensläufe bei der Erinnerungsbibliothek DDR. So machen wir den Anti-DDR-Ideologen ihr Leben schwerer."
Inzwischen haben wir etwa 750 Autobiographien deponiert, von denen ein erheblicher Teil ursprünglich nur für die eigene Familie bestimmt war. Mit unserer Sammlung sichern wir, daß man auch noch in 100 Jahren erfahren kann, wie das Leben in der DDR wirklich gewesen ist.
Übrigens findet unsere diesjährige Mitgliederversammlung am 27. Mai um 13.30 Uhr im Münzenbergsaal des ND-Gebäudes, Franz-Mehring-Platz 1, statt. Interessierte "RotFüchse" sind dort herzlich willkommen.

Dr. Rolf Funda, Staßfurt


In meinem zweiten Leben schöpfe ich viel aus dem RF, der inzwischen für mich unverzichtbar gewordenen Lektüre. Sie gab mir letztlich auch den Anstoß, ernsthaft an einer Art Zeitzeugenbericht zu arbeiten. Dabei geht es um den gesamten landwirtschaftlichen Straßenbau in der DDR. Zwischen 1961 und 1989 waren das mehr als 13.000 Kilometer. Natürlich dreht sich der Bericht auch um meine Ausbildung, meinen Werdegang und die Darlegung von Berufserfahrungen.
Inzwischen trifft sich hier in Brno ein Freundeskreis ("Deutschkurs"). Gestern kamen wir zum 94. Mal zusammen. Sehr oft liegen unseren Diskussionen Beiträge aus dem "RotFuchs" zugrunde. Das Prinzip, etwas Verstandenes ist nur etwas, was auch einem Zweiten oder Dritten in einfachster Weise erklärt werden kann, sticht aus jedem Eurer Artikel ins Auge. Ich schließe dabei die Darstellung von Zusammenhängen im geschichtlichen Kontext ein.

Ekke Abicht, Brno (Tschechien)


Ich möchte den RF-Lesern ein Geständnis machen: In der ganzen Zeit meiner Parteizugehörigkeit (und das waren immerhin 45 Jahre, also von 1945 bis 1990) habe ich mich nie so wohl gefühlt wie jetzt, da ich als 92jähriger beim "RotFuchs" mitarbeiten darf.

Helmuth Hellge, Berlin


Ich fände es gut, wenn der "RotFuchs" ausführlicher auf die legendäre "zweite Lohntüte" in der DDR eingehen würde, die ja nicht nur aus staatlichen, sondern auch aus betrieblichen Mitteln gefüllt wurde. Bei Gesprächen im Bekanntenkreis sind von Kindern und Jugendlichen, aber auch von Erwachsenen oftmals Fragen zu diesem Thema an mich gerichtet worden.

Horst Lüneburg, Schkeuditz


Nach 40jähriger Tätigkeit als Lehrerin - davon 30 Jahre im Schulwesen der DDR - betrachte ich mich wie Prof. Dr. Horst Weiß als "Kennerin der Materie". Die in seinem Beitrag "Gedanken eines Insiders" aufgeführten Forderungen zur Veränderung der BRD-Schulstrukturen halte ich für richtig. Neben diesen Zielvorgaben müßte jedoch eine tiefgreifende Wandlung der Lehrinhalte erfolgen.

Edith Bergk, Arnstadt


In der DDR geboren und aufgewachsen habe ich bis 1990 diesem Staat als Offizier der NVA gedient. Ich erinnere mich noch an die letzte Mitgliederversammlung unserer SED-Grundorganisation im Geschwader HAG-35. Dort gehörte ich zu den wenigen, die gegen die Auflösung der APO stimmten.
Als es diese dann nicht mehr gab, gingen meine Frau und ich in die PDS-Wohngebietsgruppe. Unsere spätere Entscheidung, die Mitgliedskarten abzugeben, wurde u.a. auch durch folgende Begebenheit beeinflußt: 1989 war unser Sohn geboren worden, und meine Frau befand sich 1990 noch im Babyjahr. In jenem Herbst suchte sie ihre mit der PDS verbundene Arbeitsstelle auf. Zu Hause fand sie ein Kündigungsschreiben der Partei im Briefkasten vor. Niemand hatte den Mut gehabt, ihr auch nur ein Sterbenswörtchen darüber zu sagen, sie sei entlassen worden. Man handelte so, wie es jeder kapitalistische Firmenchef auch getan hätte.
Heute würde ich nicht mit Menschen in einer Partei sein wollen, die mir erklären, ich hätte in einem Unrechtsstaat gelebt und ein bestimmtes Ministerium sei mit der Gestapo gleichzusetzen.

Rolf-Dieter Ellermann, Rostock


Ramelows Politik des Kniefalls bei uns in Thüringen, aber auch weiterer Führungskräfte der "Linken" in der Zentrale und anderen Landesverbänden offenbart immer mehr die Abkehr vom Erfurter Programm und damit die Schädigung des Profils der Partei. Die wirklich Linken sollten sich in allen Landesverbänden zu einem "Liebknecht-Kreis" zusammenfinden, wie das Volker Külow in Leipzig für Sachsen getan hat. Das ist eine positive Entscheidung im Sinne des Erfurter Programms.

Gert Thiede, Suhl


Nach dem 2. Weltkrieg wurden Millionen Spanier, Italiener und Jugoslawen als "Gastarbeiter" in die BRD geholt, um dort die Drecksarbeit zu machen. Auch nahezu drei Millionen Republikflüchtige, die vor der Errichtung der Berliner Mauer in den Westen gegangen waren, sollten hier nicht vergessen werden. Es handelte sich in der Regel - ob Hochschulabsolventen oder Facharbeiter - um gut ausgebildete Arbeitskräfte, die eine große Bereicherung für die BRD darstellten. Mir kann auch niemand erklären, warum fast vier Millionen Türken, die keine Kriegsflüchtlinge sind, hier leben. Die DDR nahm ebenfalls Ausländer auf. Diese hatten befristete Arbeitsverträge und erhielten eine solide Ausbildung, die ihren Heimatländern nach der Rückkehr zugute kam. Jetzt erklingt plötzlich wieder der Ruf nach ausländischen Fachkräften. Die BRD brauche sie und heiße sie herzlichst willkommen, damit der "Wohlstand" in deutschen Grenzen nicht gefährdet werde. Natürlich fehlen die Abgeworbenen ihren eigenen Ländern! "Der Islam gehört zu Deutschland!", sagte Angela Merkel. Heuchler aller Länder, vereinigt euch!"

Gerhard Kmoch, Aachen


Ich bin eine gelegentliche Besucherin von "RotFuchs"-Veranstaltungen, hatte aber bisher noch nie eine Ausgabe der Zeitschrift in der Hand. Jetzt erhielt ich durch Freunde den März-RF, den ich mit großem Interesse las, darunter auch die vielen Zuschriften, oft Leser-Reaktionen auf zuvor erschienene Artikel. Man muß ja nicht immer mit allem Geschriebenen übereinstimmen. Reibung tut bisweilen not.
Die unqualifizierten Angriffe auf Petra Pau veranlassen mich zu einer Meinungsäußerung. Petra ist immer für die PDS und die Partei Die Linke eingetreten. Man denke nur an die Jahre, in denen sie allein mit Gesine Lötzsch am "Katzentisch" des Bundestages gesessen hat, oder an ihre Rolle im NSU-Untersuchungsausschuß. So ist es in meinen Augen unverständlich, daß Konstantin Brandt sie in seiner Zuschrift fast als Feindin erscheinen läßt. Mit der Bitte um weitere Ausgewogenheit im "RotFuchs" grüße ich Sie freundlich.

Ingrid Graubner, Berlin

Notiz der Redaktion:
Dietrich Lade aus Neuenhagen verwies auf eine Ungenauigkeit. Im oben erwähnten Leserbrief hieß es: "Die DDR-Pionierleiterin Petra Pau erklärte unlängst ..." Zu Recht stellt unser aufmerksamer Leser fest, daß diese Tätigkeit durch die heutige Bundestagsvizepräsidentin in relativ weit zurückliegender Vergangenheit ausgeübt worden ist.


Konstantin Brandt äußert sich zu einem angeblichen Interview Petra Paus in der "Süddeutschen Zeitung". Er polemisiert dabei gegen eine in ihr Gegenteil verkehrte Aussage. Das wird deutlich, sobald man den redaktionellen Artikel der SZ - kein Interview - gelesen hat. Petra Pau erklärte nicht, die Hinwendung der PDS/Partei Die Linke zu den sozialen Interessen der Mitarbeiter bewaffneter Organe der DDR sei ein Fehler gewesen und man müsse da eine klare Trennlinie ziehen. Vielmehr sagte sie wörtlich: "Es gab mal eine sehr bewußte Entscheidung, die uns heute sehr viel Ärger macht, sich den sozialen Interessen der ehemaligen bewaffneten Kräfte zuzuwenden." Die Integration ehemaliger DDR-Eliten in die Partei fand Pau grundsätzlich nicht verkehrt. Sie teile aber nicht alle Auffassungen der ehemaligen Staatsträger und mache das gern auch mal deutlich. "Da muß man eine knallharte Trennlinie ziehen." Soweit die SZ.
Auch ich kann in Petra Pau leider nur eine durch die Nähe zur Macht politisch verdorbene ehemalige Linke sehen, zu der eine "knallharte Trennlinie" erforderlich ist. Das hat sie sich seit Jahren durch die verschiedensten Äußerungen, Stellungnahmen und Entschuldigungen verdient. Unsere Argumentation muß aber sachlich richtig und damit überzeugend sein.

Jürgen Stenker, Halle/Saale


Das durch Klaus Steiniger im März-RF vorgestellte Reisedokument existiert in abgewandelter Form auch heute noch: Vor einigen Jahren war ich als Firmenvertreter eines westeuropäischen Unternehmens in den baltischen Staaten tätig. Einer meiner russischen Mitarbeiter mit dortigem Wohnsitz erhielt für seine Auslandsreisen ebenfalls nur einen ALIENS-PASSPORT. Auf der letzten Seite war - sinngemäß - folgender Vermerk eingedruckt: Der/Die Inhaber/-in dieses Reisedokuments ist kein/keine Staatsbürger/-in der ...ischen Republik. Er/Sie hat keinen Anspruch auf politische, juristische oder materielle Unterstützung durch die Regierung der ...ischen Republik oder deren diplomatische Vertretungen im Ausland. Er/Sie ist jedoch nicht im Sinne entsprechender UN-Regulierungen als staatenlos zu betrachten.
Im Auftrag meiner Firma hatte ich einmal zwei russische Mitarbeiter mit deren Ehefrauen in das Restaurant meines Hotels zum Abendessen eingeladen. Aus Rücksicht auf die Damen sprachen wir statt des in Geschäftskreisen üblichen Englisch diesmal Russisch. Nach einer Viertelstunde ohne Bedienung fragte ich einen der Ober. Dessen schnoddrige Antwort lautete: "Sie werden von uns bedient, die Russen nicht." Daraufhin wechselte ich mit meinen Gästen in ein russisches Lokal. Die Leute in Brüssel und Berlin wissen sehr genau, daß russische Bürger in den baltischen Republiken diskriminiert werden. Doch bei Staaten, die der NATO oder der EU angehören, drückt man ein Auge zu.

H.K., Rostock


Herzlichen Dank für die tolle Zeitschrift "RotFuchs", die ich auf dem UZ-Pressefest zufällig kennengelernt habe. Jede Ausgabe ist spannend. Weiterhin viel Kraft und Energie!
Als langjähriger Sympathisant der PDL hatte ich die ständigen Debatten über den "Unrechtsstaat" DDR und ähnliche Themen satt. So zog ich einen Schlußstrich und bin 2014 in die DKP eingetreten. Die DDR habe ich selbst nur kurz kennengelernt. Doch mein Lebenspartner ist dort geboren und aufgewachsen. Er hatte eine sehr glückliche und behütete Kindheit, möchte diese Zeit also niemals missen. Seine alleinerziehende Mutter mit vier Kindern lebte sorgenfrei.
Ich selbst war froh, daß es ein zweites, ein anderes Deutschland gab. Ich hätte mir deshalb eine reformierte DDR sehr gewünscht und ziehe den Hut vor den Errungenschaften dieses kleinen Landes, dessen steiniger Weg beschwerlich gewesen sein dürfte.

Thomas Grundmann, Köln


Seit dem Potsdamer Sommerfest der "Linken" im September 2013 beziehe ich den "RotFuchs". Zuvor erhielt ich ihn in unregelmäßigen Abständen von Freunden und Bekannten. Heute will ich Euch sagen, wie ich die Zeitschrift sehe: Ich bin begeistert. Es ist ein Blatt von hoher Aktualität, Qualität und Sachlichkeit. Inhaltlich dürfte der RF mit seinen Berichten und Kommentaren zu nationalen und internationalen Ereignissen wohl kaum zu übertreffen sein. Auch die Kultur kommt nicht zu kurz. Fazit: Eine Zeitschrift, die meine Frau und ich nicht mehr missen möchten.

Klaus Kaiser, Potsdam


27.000 Staatsangestellte, vor allem sächsische Lehrer, kämpften am 24. März gegen anhaltende Diskriminierung und für soziale Gerechtigkeit. Eigentlich traten sie gegen den Verrat am Hauptgesetz der internationalen Gewerkschaftsbewegung auf den Plan: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!
Dieses Gesetz wird sowohl von den Kapitalisten selbst als auch von den Behörden des kapitalistischen Staates flächendeckend gebrochen: Beamtung und Nichtverbeamtung bei gleicher Tätigkeit führen in ein und derselben Schule zu völlig unterschiedlichen Gehaltseinstufungen. Jetzt war den von der Diskriminierung Betroffenen endlich der Geduldsfaden gerissen. Drücken wir den Langzeitbetrogenen die Daumen!

Joachim Spitzner, Leipzig


Das Rostocker Volkstheater soll den Bach runtergehen. Das durch seine hervorragenden Inszenierungen international bekanntgewordene Haus kann von der Kommune nicht länger über Wasser gehalten werden. Die DDR finanzierte es aus Mitteln, welche die volkseigenen Betriebe erwirtschafteten. Nach der "Wende" kamen und gingen fünf Intendanten. Alle verzweifelten an der wirtschaftlichen Situation und verließen schnell wieder unsere Hansestadt. Der Jetzige sollte wegen kritischer Äußerungen zu Fall gebracht werden. Pläne aller Art für den Neubau an den verschiedensten Rostocker Standorten wurden diskutiert und danach verworfen. Nun soll das einst zu den führenden Theatern der DDR gerechnete Haus größtenteils aus der Stadtszene verschwinden. Ähnliches drohte einst auch dem DDR-Museumsneubau - der Kunsthalle. Sie wurde von "Kulturbeflissenen" aus dem Westen geleitet, die den Ossis endlich mal "Kunstverständnis" beibringen sollten. Doch die Lehrmeister scheiterten allesamt. Unsere Kunsthalle am Schwanenteich wurde durch den Einsatz eines Rostockers, der es verstand, Gleichgesinnte um sich zu scharen, gerettet.
Es ist eine Schande, wie unersetzliche Kultur- und Bildungseinrichtungen dem Profit zuliebe gnadenlos vernichtet werden. Sage ich heute, das sei doch von den DDR-Bürgern 1989/90 so gewollt gewesen, antwortet mir fast jeder wie aus der Pistole geschossen: aber nicht von mir.

Hans Jürgen Grebin, Rostock

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Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift.

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Redaktionsschluß für die übernächste Ausgabe ist der 20. eines Monats.

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Joachim Augustin
Dr. Matin Baraki
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Bernd Gutte
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Eberhard Herr
Erik Höhne
Rico Jalowietzki
Ralf Jungmann
Christa Kozik
Siegfried R. Krebs
Marcel Kunzmann
Rudi Kurz
Dr. Dieter Laser
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Dr. Bernhard Majorow
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RotFuchs Nr. 208, 17. Jahrgang, Mai 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2015

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