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ROTFUCHS/160: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 206 - März 2015


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

18. Jahrgang, Nr. 206, März 2015



Inhalt

  • Dresdens Heldinnen der ersten Stunde
  • Prof. Herbert Meißner: Marx, Lenin und Die Linke
  • Die DDR - ein Unrechtsstaat? Aber ja doch!
  • Eine Reise nach Hameln
  • "Patriotische Europäer" - welch ein Widersinn!
  • "Harsche Verhörmethoden"
  • Phantasiepapiere für "Aliens"
  • Thüringen: Staatsämter als oberstes Parteiziel
  • Warum wir drei Brüder die DDR lieben
  • Ein Kreuzanhänger und die Crux der Haßprediger
    Über Aufmüpfigkeit und echten Widerstand
  • Ökonomisches - Hüllen und Inhalte
  • Pädagogik: Gedanken eines Insiders
  • Erinnern an Dr. Theodor Neubauer
  • Als ich bei Lidl Argumente verkaufte
  • Spaltpilze aus Übersee
  • Von der "Grünen Mappe" zum "Grauen Plan"
  • Zur Legende von der Souveränität der BRD
  • RF-Extra - November 1989: DDR-Militärführung handelte besonnen
  • RF-Extra - Die VR China und der Dollar
  • USA und Eurasien
  • Weg einer Gewerkschaft: Frankreichs CGT
  • Kubas Lateinamerikanische Medizinschule
  • New York Times verurteilt "Brain-Drain"
  • KP Japans: 6 Millionen Stimmen und 21 Sitze
  • Namhafter norwegischer Arzt aus Gaza verbannt
  • Israels Kommunisten trotzen Netanjahu-Regime
  • Nigeria: Der Amoklauf von Boko Haram
  • Was in Libyen mit Gaddafi unterging
  • Auschwitz-Gedenken: Helden und Heuchler
  • Zwei Brudervölker: Russen und Belorussen
  • Auch das gehörte zum "American way of life"
  • Erinnern an die Kämpfer der Roten Ruhrarmee
  • H.D. Hüsch: Gesang gegen die Bombe (1963)
  • Christa Kozik: Die Venus aus dem Osten
  • Wie mich Frau Holle an Tante Frieda erinnerte
  • "Wende"-Erfahrungen
  • Gisela Steineckert: Hand aufs Herz
  • Leserbriefe

*

Olymp der Heuchler

Um es vorweg zu sagen: Der Olymp, auf dem die Götter der Antike thronten, war bisher in meinem Vokabular nur positiv besetzt - höher ging's nimmer, jede Steigerung blieb ausgeschlossen. Das aber hing wohl mit meinem an Griechisch und Latein gekoppelten Besuch eines humanistischen Gymnasiums zusammen, der mich für die Dauer von acht Jahren an die Sprache Ciceros wie Cäsars band und fünf Jahre lang in Homers Reich von Ilias und Odyssee entführte. Als ich dann Mitte der 80er Jahre den Arbeitersohn und hochgebildeten Autodidakten Horst Sindermann, einen der eher seltenen Parteiführer und Staatsmänner der DDR mit Bodenhaftung, hinter dem 12 Jahre faschistisches Zuchthaus und KZ lagen, nach Athen begleitete, nützte mir das wie Altmittelhochdeutsch längst erloschene Idiom aus der hellenischen Vergangenheit nichts. Bei dem etwa zweistündigen Gespräch, zu dem KKE-Generalsekretär Harilaos Florakis - er hatte 18 Jahre auf der KZ-Insel Makronissos leiden müssen - die DDR-Volkskammerdelegation empfing, hätte ich ohne die Dolmetscherin wohl kaum ein Wort verstanden. Und dennoch fühlten wir uns angesichts der strategischen Klugheit und des taktischen Geschicks dieses bedeutenden hellenischen Parteiführers "wie auf dem Olymp".

Szenenwechsel: Auch so manche politischen Tiefflieger unserer Tage haben sich erst unlängst bemüht, die Höhen eines ihnen völlig fremden Metiers zu erklimmen. Sie wurden dabei nicht vom Glanz der Götter verflossener Zeiten inspiriert, sondern begaben sich als Protagonisten eines Trauerspiels besonderer Art ins "Rampenlicht" geistiger und politischer Finsternis.

Was nach dem ruchlosen Anschlag auf die buchstäblich über Nacht zum Big Business gewordene Pariser Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" (statt 60.000 erschienen auf einmal imaginäre 7 Millionen Exemplare!) geschah, war kaum weniger erschreckend als die Bluttaten im Redaktionsgebäude und einem nahegelegenen jüdischen Supermarkt. Ich meine dabei nicht vordergründig die Instinktlosigkeit einiger Gestalter des Blattes, das seit eh und je auf Rundumschläge gegen beliebige Konfessionen geeicht ist, den Propheten Mohammed einmal mehr der Lächerlichkeit preiszugeben und so fast die gesamte islamische Welt gegen sich aufzubringen. Mir geht es um die Gala perfider Heuchler aus etlicher Herren Länder, die auf der Woge des Geschehens in Paris ein groteskes Wellenreiten veranstalteten. Während Frankreichs als Marianne agierendes Rechtsaußenidol Marine Le Pen, deren Vater und Mentor zu den Auschwitz-Leugnern gehört, verständlicherweise zum rassistisch-chauvinistischen Halali bläst, hüllten sich andere Reaktionäre vorübergehend in die Toga von Verteidigern sonst von ihnen verachteter, nun aber angeblich durch Kollektivrache bedrohter Islam-Anhänger. Mit erstarrtem Ausländerhaß stellten sie temporäre Ausländerliebe zur Schau. Im Schatten solcher Maskerade zog die Geheimpolizei mehrerer NATO-Staaten im Interesse der "nationalen Sicherheit" die Daumenschrauben der Überwachung und Diskriminierung "Verdächtiger" weiter an.

Zwei vom Fernsehen und Zeitungen in aller Welt übertragene Bilderserien symbolisierten auf besonders gespenstische Art und Weise die Besteigung des Olymp der Heuchelei durch Spitzenleute der "politischen Klasse", wie sich im Dienste der ökonomisch Herrschenden stehende Personengruppen zu bezeichnen pflegen.

Da sah man in einer Pariser Nebenstraße ein paar Dutzend eingehakte Staatschefs unter offensichtlich massivem Polizeischutz in den angeblich vordersten Reihen einer zur Verteidigung der Demokratie einberufenen Massendemonstration. Die vorgetäuschte Harmonie sollte Volksnähe suggerieren. In Wirklichkeit aber waren Hunderttausende Kundgebungsteilnehmer von den Akteuren der Show räumlich getrennt. In dieser Sternstunde des vor dem Tiefpunkt seiner politischen Karriere gerade noch einmal geretteten Antipathieträgers François Hollande wußte der französische Präsident solche "humanitären Lichtgestalten" wie Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, den Kindermörder von Gaza, und Kiews Milliardär Petro Poroschenko, den Ghettoisierer von zwei Millionen ostukrainischen Zivilisten, verläßlich an seiner Seite.

Doch noch verlogener als die gestellte Szene an der Seine war das Schauspiel am kurzfristig trikolorefarbenen Brandenburger Tor, wo ein hilfswilliger Moslemführer in perfektem Deutsch den Conferencier für die Repräsentanten der BRD gab. Diese produzierten sich teils in gewohnt schwülstiger Phrasendrescherei, teils in geübt geistlosen Allgemeinplätzen. Beide Akteure hängten sich an die "Charlie Hebdo"-Konjunktur, um fehlendes Eigenprofil zu kompensieren.

Die Tatsache, daß auch Zehntausende redliche Antifaschisten, tatsächliche Gegner deutsch-nationalistischer PEGIDA-Frömmelei und aufrechte Verfechter politischer wie religiöser Vielfalt in diese anrüchige Gesellschaft gerieten, machte das Maß des Peinlichen voll. In ihrer Gegenwart schwangen sich jene, welche die Stunde der Demagogen nutzten, in den Olymp der Heuchelei.

Fazit: Als in der politischen und sozialen Realität des imperialistischen deutschen Staates, Europas und der Welt orientierungsfähige Sozialisten, Kommunisten und Antiimperialisten unterschiedlicher Weltanschauungen stehen wir unverrückbar gegen Krieg und Kriegsgeschrei, Ausbeutung und Unterdrückung, für internationale Solidarität und Toleranz gegenüber Andersdenkenden demokratischer Gesinnung. Mit besonderer Entschiedenheit wenden wir uns gegen jegliche Formen der Islamfeindlichkeit, des Antisemitismus, der Diskriminierung von Sinti und Roma, des Ausländerhasses und des bundesdeutschen Größenwahns.

Klaus Steiniger

*

Frühling

Es hat der Schnee mit den Sträuchern geschwatzt.
Der Wind hat's mir auch zugeweht,
daß die Erde schon geraume Zeit
mit dem Frühling schwanger geht.

Schon wäscht sie wohlig im Schneetau sich,
macht Märzwind zu ihrem Kamme.
Die Sonne soll die Hebamme sein
und gleichzeitig auch die Amme.

Die Amsel singt am Wochenbett.
Ein leichter Wind schaukelt die Wiege,
der laue Regen wäscht sie rein.
Die Welt wird "frühjahrsmüde".

Wir warten alle, sinnenfroh, benommen,
auf der Erde baldiges Niederkommen.
Ich weiß es genau, das ist kein Scherz,
die Niederkunft ist am 20. März.

Christa Schmidt (Kozik), 1963

*

Trümmerfrauen - Mythos oder Symbol des Neuaufbaus?

Dresdens Heldinnen der ersten Stunde

Am 11. Dezember 2014 veröffentlichte Oliver Reinhard in der "Sächsischen Zeitung" einen Artikel zur Popularisierung der Dissertation "Mythos Trümmerfrauen" von Leonie Treber. Die eine wie die andere Publikation ist zu Recht auf harsche Kritik gestoßen. Doch man muß vor allem die Frage stellen: Wem paßt aus welchen Gründen dieser Artikel gerade jetzt in den politischen Streifen?

Dissertation wie Zeitungsbeitrag strotzen von Unwahrheiten und Unterstellungen, die auf böse Absichten schließen lassen. Um eine Würdigung des von den Trümmerfrauen tatsächlich Geleisteten geht es weder Treber noch Reinhard. Dessen Gehässigkeit beginnt bereits in der Überschrift "Angestanden an Ruinen". Das soll eine Parodie auf die DDR-Nationalhymne sein, die mit den Worten "Auferstanden aus Ruinen" beginnt und deren Text 1990 von einem einheitlichen Deutschland ohne weiteres hätte übernommen werden können.

Wenn eine Historikerin den Mythos der Trümmerfrauen entzaubern will, ist das ihre Sache, aber keine Wahrheitssuche. Mythen sind Legenden und erfundene Biographien aus antiken Tagen. Die Trümmerfrauen und deren Arbeit aber waren im 20. Jahrhundert härteste Realität, die jeder wahrnehmen konnte. Das Denkmal vor dem Dresdner Rathaus ist keine Ikone für irgendeinen Mythos, sondern symbolisiert einen ganz bestimmten Menschentyp. Es erinnert daran, daß beherzte Mitbürger damals den Mut aufbrachten, inmitten der Trümmerberge den Kampf gegen die Kriegsfolgen aufzunehmen und ihre Stadt neu zu gestalten. "Elbflorenz" war - der RF berichtete in seiner Nr. 204 ausführlich darüber - bekanntlich am 13. Februar 1945 in Schutt und Asche gelegt worden.

Während der historische Kern dem Bombenterror vollständig zum Opfer fiel, blieb anderes erhalten - darunter auch die Dresdner Rüstungsindustrie, die für die Kriegsführung Hitlerdeutschlands von Bedeutung war. Der Abschlußmeldung der höheren SS- und Polizeiführung vom 15. März 1945 war zu entnehmen:

Alle großen Bank- und Versicherungsgebäude der Innenstadt sind zerstört;
das Kühlhaus im Schlachthof ist ausgefallen;
die Hafenmühle muß als nicht mehr betriebsfähig bezeichnet werden;
die Gas- und Wasserwerke wurden schwer getroffen;
auf dem Hauptbahnhof registrierte man einen hundertprozentigen Zugausfall.

Wie man sieht, blieben Rüstungsbetriebe hier ausgespart.

Statt einen Mythos zu erfinden, sollte die Leistung jener Frauen gewürdigt werden, die mit der Beseitigung von Schutt und Asche begannen. Oliver Reinhard fragt: "Muß nun auch dieser Mythos beräumt werden?" Leonie Treber begründete ihr Anliegen so: "Als Massenphänomen hat es Trümmerfrauen nur kurz und an wenigen Orten gegeben. Sie haben die Arbeit weder freiwillig noch selbstlos, noch freudig getan."

Bei diesem Urteil geht es also um Motive und Gefühle, die unterstellt werden, nicht aber um den historischen Platz der Leistung und ihrer Ergebnisse. Dabei ging vom Wirken der Trümmerfrauen nur Positives aus. Die Beseitigung der Ruinen ermöglichte es, den innerstädtischen Verkehr in Gang zu setzen und den Neuaufbau einzuleiten. Die Frauen in ihrer einfachen Kluft strahlten Optimismus aus, ob sie nun auf einem Foto gerade lächelten oder nicht. Übrigens: Wie würde ein Reporter heute Arbeiterinnen ablichten, falls so etwas überhaupt noch geschieht? Und: Welches Prominentenfoto ist nicht "gestellt"?

Warum fast nur Frauen damals in den ersten Reihen standen, versteht sich von selbst: Die Männer waren ganz überwiegend gefallen oder befanden sich als Kriegsgefangene hinter Stacheldraht. So fehlten sie natürlich auf den Trümmerhalden.

Für gewisse Ost-West-Unterschiede im Nachkriegsdeutschland gibt es ebenfalls Gründe. Zweifellos spielte dabei auch die Tatsache eine Rolle, daß die Bombergeschwader der USA und Großbritanniens zu Jahresbeginn 1945 konzentriert solche Städte im Osten zerstörten, die vermutlich von der Sowjetarmee befreit werden würden. Warum aber hat die sowjetische Luftwaffe eigentlich keinen Krieg gegen Frauen und Kinder geführt?

Ein Wort zur Technik: Es konnte damals nur das eingesetzt werden, was existierte, repariert oder neu hergestellt wurde. Wer die Texte von Treber und Reinhard analysiert, stößt noch auf manche andere Ungereimtheit. Doch warum attackieren sie ausgerechnet das "Symbol Trümmerfrau"?

Als am 23. Mai 1990 die neue Dresdner Stadtverordnetenversammlung zusammentrat, fiel mir als ältestem Abgeordneten die Aufgabe zu, ihre Konstituierung zu leiten. Da es in der Stadt Mandatsträger gab, die früher das Denkmal der Trümmerfrau vor dem Rathaus hatten weghaben wollen, nahm ich in meiner Rede gerade dazu Stellung: "Sie erleichtern es uns, eine Ehrenpflicht zu erfüllen: den Dank jenen abzustatten, welche mit ihrer ganzen Kraft dazu beigetragen haben, Dresden aus den Ruinen wieder erstehen zu lassen. Im Hinblick auf die ästhetische Gestaltung und die politische Wertung der Trümmerfrau ... kann es sicherlich unterschiedliche Meinungen geben, wohl aber kaum darüber, daß allein ehrliche, uneigennützige Arbeit Dresden auch künftig voranbringen wird. Es sollte beim Klassiker-Satz bleiben: 'Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.'"

Der Einsatz der Trümmerfrauen hatte auch noch eine andere Wirkung: Er war Beginn, Bedingung und Bestandteil der Pläne des Nationalen Aufbauwerks. Durch die Arbeit der Frauen war bewiesen worden, daß die Trümmerberge beseitigt und der Neuaufbau gewagt werden konnten, auch wenn das viele Dresdner noch für unmöglich hielten.

Am 5. Januar 1946 konnte der Rat der Stadt den "Ersten Großen Dresdner Aufbauplan" verkünden. "Und diese neue Stadt ... soll nicht etwa von unseren Kindern und Enkeln gebaut werden, sondern wir, die jetzt Lebenden, wollen und müssen diese gewaltige Arbeit für unsere Nachkommen auf uns nehmen", sagte damals der sächsische Ministerpräsident Max Seydewitz.

Nicht zufällig wurde der Zwinger zu einer der ersten Baustellen. Die Erfüllung der jährlichen Pläne des Nationalen Aufbauwerks unterlag öffentlicher Kontrolle. Nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 und 1956, als Dresden sein 750. Jubiläum beging, konnte eine positive Bilanz gezogen werden. Wer die Arbeit der "Aktivisten der ersten Stunde", zu denen zweifellos die Trümmerfrauen gehören, herabzuwürdigen versucht, schmäht die Geschichte.

Prof. Dr. Horst Schneider

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Ergänzende Bemerkungen zum Leitartikel in der Januar-Ausgabe des RF

Marx, Lenin und Die Linke

Namhafte und leitende Funktionäre der Partei Die Linke sind von Marx'schem Denken weit abgerückt. Wie weit, das hat Klaus Steiniger im Januarheft des RF am Beispiel von Gregor Gysi überzeugend gezeigt.

Diese Kritik läßt sich nach mancher Richtung hin erweitern. So hat Gysi in einem Interview im ND vom 25. Januar 2012 formuliert: "Man sollte dem bürgerlichen Staat gegenüber offen sein. Man muß ihn nicht mögen, aber man sollte daran denken, daß er ein wichtiges Instrument und der Garant der demokratischen Praxis und des politischen Einflusses der Bürgerinnen und Bürger ist." Diese Einschätzung eines Staates, der uns täglich sein undemokratisches Verhalten und seine Wahrung der Interessen des Großkapitals vorführt, als Garant demokratischer Praxis und des politischen Einflusses der Bürger zu verkaufen, stammt aus keiner wirklich sozialistischen Denkweise. Und daß es sich nicht um einen zufälligen Ausrutscher handelt, zeigt folgende Illusion des Interviewgebers: "Leider bestimmt Ackermann (damals Chef der Deutschen Bank - H. M.), was Merkel tut. Ich möchte es umgekehrt." Aber was würde sich da ändern, wo doch beide die gleichen Kapitalinteressen vertreten? So hatte Lenin das Primat der Politik wohl nicht gemeint.

Aber es geht nicht um Einzelpersonen, sondern um die Orientierung im Führungszirkel der Partei. So legten die beiden Parteivorsitzenden Ende November 2013 dem PDL-Vorstand ein 25 Seiten umfassendes Strategiepapier vor. Ohne zu übersehen, daß es durchaus einige wichtige Aufgabenstellungen enthält, sei in gebotener Kürze auf ein paar Auffälligkeiten hingewiesen.

Erstens erstaunt, daß in dem gesamten Konzept nicht ein einziges Mal das Parteiprogramm erwähnt wird. Sollten strategische Überlegungen nicht vom Parteiprogramm ausgehen und langfristig seiner Realisierung dienen? Oder zielt diese Ignoranz darauf ab, das Programm in den Hintergrund zu rücken?

Zweitens heißt es in diesem Konzept, die parlamentarische Arbeit folge "anderen Logiken als die politisch-strategische Planung der Partei". Und: "Die innerparteiliche Demokratie hat fast ausschließlich Einfluß auf die Gremien der Partei." Ist das die für Bodo Ramelow gebaute Brücke, über die er mit der These balanciert, für den thüringischen Ministerpräsidenten seien weder das Parteiprogramm noch Parteibeschlüsse bindend?

Drittens fällt auf, daß in dem Papier außerordentlich häufig die Begriffe "Transformation", "Transformation der Gesellschaft", "Transformationspfad" u.ä. gebraucht werden. Das trifft sich mit der These von Michael Brie und Dieter Klein (ND, 30.12.2013): "Die Linke braucht ein neues strategisches Fundament und als solches könnte sich das Konzept einer doppelten Transformation ... erweisen." Daß dieses Konzept weder realistisch noch marxistisch ist, hat Konrad Hannemann in einem lesens- und unterstützenswerten Artikel gezeigt (RF, Januar 2015).

Man kann hinzufügen, daß für die Gültigkeit seiner Argumente schon in der Weimarer Zeit der konkret-historische Beweis erbracht worden ist. Nach dem Ersten Weltkrieg gab die SPD-Führung die Losung aus: Der Sozialismus marschiert! Der Hintergrund bestand in der Illusion, daß mit Wirtschaftsdemokratie, Genossenschaftsbildung, Gewerkschaftsarbeit, Kontrolle der Banken, Kartellamt usw. die Gesellschaft umgestaltet werden könne. Außer acht blieb die Erkenntnis von Marx: die Eigentumsfrage ist die Grundfrage der Bewegung! Außer acht blieb Lenins Erkenntnis: Zur sozialistischen Lösung der Eigentumsfrage ist die Ergreifung der politischen Macht erforderlich, da die herrschenden Klassen nie bereit sind, ihre Besitzstände und ihre Herrschaft widerstandslos beschneiden zu lassen oder aufzugeben. Auf der Grundlage dieser Illusion marschierte die Gesellschaft nicht zum Sozialismus, sondern in den Faschismus.

Nun ist zwar bedauerlich, wenn erfahrene und gebildete Theoretiker nicht imstande oder bereit sind, in Marx'scher Denkweise und mit Leninscher Konsequenz Lehren aus der Geschichte zu ziehen. Aber noch bedauerlicher und das Wesen der Partei gefährdend ist es, wenn diese sozialreformistische Strategie die Führungskräfte der Partei erfaßt.

Und viertens ist unerklärlich, wie in einer strategischen Orientierung der Partei der Blick auf deren friedenspolitische Position fehlen kann. Es geht nicht darum, diese im Programm deutlich festgeschriebene Position einfach zu wiederholen. Vielmehr sind zwei Aspekte strategisch zu verarbeiten:

Zum einen hat sich die internationale Lage durch die aggressive NATO-Politik unter Führung der USA gefährlich verschärft. Der mit einer Kriegslüge vollzogene Überfall auf Irak war der Beginn der Destabilisierung des arabischen Raumes. Am gefährlichsten ist die NATO-Osterweiterung als Ursache der Ukraine-Krise und mit dem Ziel der Einkreisung Rußlands und Chinas durch NATO-Raketen.

Zum zweiten folgt daraus, daß die Sicherheit der Bundesrepublik davon abhängt, sich dieser Eskalation zu entziehen. Das erfordert das Ausscheiden der BRD aus der militärischen Infrastruktur der NATO. Dies führt zu der Schlußfolgerung von Oskar Lafontaine; "Die Linke darf in den nächsten Jahren keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß die Voraussetzung ihrer Beteiligung an einer Bundesregierung eine Außenpolitik ist, die sich der vom US-Imperialismus zu verantwortenden militärischen Eskalation entzieht." (jW, 8.1.2015). Umgekehrt erfordert dies Widerstand gegen alle Bemühungen, sich der NATO-Struktur mit all ihren Vertragsverpflichtungen zu unterwerfen - mit welchen Vorbehalten auch immer. Daher besteht die strategische Hauptaufgabe der Partei angesichts der neuen zugespitzten Gefährdungen in der Aufrechterhaltung und konsequenten Realisierung ihrer friedenspolitischen Forderungen.

Prof. Dr. Herbert Meißner


Unser Autor war Mitglied der Akademie der Wissenschaften der DDR.

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Die DDR - ein Unrechtsstaat? Aber ja doch!

Das behauptet außer Kinkel auch dieser Autor, den Krieg und sowjetische Gefangenschaft sieben Jahre seines Lebens gekostet haben. Er konnte sich dadurch aber vom Müll der in ihn hineingestopften Nazi-Ideologie befreien, vom Hitlerjungen zum Antifaschisten werden. Die DDR wurde dem Überlebenden und Heimkehrer zum Vaterland. Daß sie der bundesdeutschen Bourgeoisie zu deren maßloser Bereicherung 1990 bedingungslos geopfert wurde, war purer Wahnsinn!

Zum "Unrechtsstaat DDR" nur soviel: Aus Sicht des Bürgerlichen Gesetzbuches der BRD beging die DDR zweifellos ein ungeheuerliches Verbrechen: Konzerne, Banken und Großgrundbesitzer wurden gnadenlos enteignet, das BGB aus Kaisers Zeiten dabei mit Füßen getreten. Die nach dem Krieg im Westen weiter an den Schalthebeln gebliebene kapitalistische Ausbeuterklasse hinderte man im Osten 45 Jahre daran, Profit aus dem Land und seiner Bevölkerung zu ziehen. Welche großartigen Möglichkeiten zur Mieterhöhung gingen beispielsweise den Hauseigentümern in all dieser Zeit verloren! Aus bürgerlicher Sicht: Kriminalität in höchster Potenz!

Was hätte man nicht alles aus Betrieben und Kombinaten, dem Grund und Boden, Wäldern und Seen, die nun nicht mehr Privatpersonen gehörten, herausholen können! Das juristisch verbriefte Recht der BRD-Kapitalisten am Privateigentum und seiner maßlosen Vermehrung auf Kosten "des Rests" der Bevölkerung wurde so total mißachtet, daß es der DDR nie und nimmer verziehen werden kann. Dieser Staat war obendrein auch noch eine selbstdeklarierte Diktatur der zuvor ausgebeuteten Klasse, des Proletariats, wie es hieß! Eine Diktatur, die verhinderte, daß alles so wie bisher in der deutschen Geschichte weiterging. Keiner konnte sich - vom gesellschaftlichen Ansatz her - auf Kosten seiner Mitmenschen bereichern, und selbst kleinen Kindern wurde schon beim "Topfen" im Kindergarten die freiheitliche Entscheidung vorenthalten.

Gauck liegt völlig richtig, wenn er von Freiheit redet, die erst jetzt Allgemeingut ist. Heute kann jeder auf Geschäftsstraßen betteln oder unter der Berliner S-Bahn-Brücke Friedrichstraße als Obdachloser übernachten, obwohl sich dicht daneben komfortable Hotels befinden. Warum nimmt er sich nicht dort ein Zimmer? In der DDR wären solche Errungenschaften grenzenloser Freiheit undenkbar gewesen.

Ohne all das ihr angekreidete und niemals verziehene Unrecht wäre die DDR allerdings kein sozialistisches Land gewesen, auch kein "sozialistisches Experiment", wie manche es nennen. Es hätte weder ein Recht auf Arbeit noch ein allen zugängliches Gesundheitswesen oder einen Wohnungsbau großen Stils bei bezahlbar niedrigen Mieten gegeben.

Um von den Errungenschaften dieses Unrechtsstaates abzulenken, wird seit Jahrzehnten ohne Unterlaß die "Stasi"-Keule geschwungen. Die "politische Klasse" der BRD und deren Medien tun so, als ob 16 Millionen frühere DDR-Bürger wie ein Mann genauso beglückt wären wie sie selbst. Presse, Fernsehen und Rundfunk starten ein Ablenkungsmanöver nach dem anderen, um den Menschen die Sicht auf den realen Kapitalismus zu verstellen. Zu den besten Sendezeiten wird das Denken vieler Millionen BRD-Bürger mit "Sturm der Liebe", "Rote Rosen" und weiteren Seifenopern sowie mit Übertragungen aus sämtlichen Zoos oder von Traumschiffreisen ohne Ende vollgestopft, damit ihnen das tatsächliche Geschehen gar nicht mehr bewußt wird.

Man stellt das um die annektierte DDR vergrößerte Deutschland als beste aller nur denkbaren Demokratien, vor allem aber als weltpolitischen Machtfaktor dar. Die Bundeswehr darf nirgends fehlen. Herr Gauck ersetzt zur Rechtfertigung solcher Einsätze die einstige Forderung "Schwerter zu Pflugscharen", die vor allem gegen die an keinem Krieg beteiligte NVA der DDR gerichtet war, durch den Appell, möglichst überall mitzumischen. Es ist sogar wieder möglich, Rußland wie zu Goebbels' Zeiten als Ausbund des Abscheulichen darzustellen. Nach der Agenda der "amerikanischen Freunde" wird Russophobie jetzt als erstes Fach gelehrt. Sind die 27 Millionen zu Tode gebrachten Sowjetbürger, die auf das Schuldkonto des faschistischen Deutschland kommen, denn schon vergessen?

Hans Rehfeldt, Berlin


Unser Autor - ein intimer Kenner des Bauwesens der DDR - war jahrzehntelang Redakteur der Tageszeitung "Neues Deutschland".

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Eine Reise nach Hameln

Beim Abschied fiel der Blick meiner Tochter auf eine Schürze am Haken. "Die kenn ich ja noch aus meiner Kinderzeit", sagte sie, und ein Vorwurf schwang mit. Wir hatten über das Wegwerfen oder Aufheben alten Krempels gesprochen. "Ja, ein Relikt aus DDR-Zeiten, ich habe sie mir vom Leipziger Versandhaus schicken lassen." Ungläubiges Staunen: ein Versandhaus in Leipzig, in der DDR?

Anfang 1990 gehörte ich als Vertreterin des Brandenburger Kulturbundes zu einer Delegation, die nach Hameln fuhr. Wir hatten gerade einen Betrieb in Laatzen besichtigt, wo wir mit der Wirtschaft des Einzelbauern bekanntgemacht worden waren. Nun saßen wir, bunt gemischt, in größerer Runde am Kamin und stellten uns sowie unsere jeweiligen Tätigkeiten einander vor. Beim Rundgang auf dem gepflasterten Hof fragte ich mich, wo dort ein Huhn scharren oder eine Katze ihre Mulde graben sollte.

Eine völlig andere Art von Landwirtschaft tat sich mir auf: Der Laatzener fütterte seine Kühe vom Schreibtisch aus - per Computer. Er baute nur Getreide für sie an, andere Kulturen gab es nicht.

Doch zurück zu unserer wechselseitigen Vorstellung. Als die Reihe an mir war, berichtete ich vom Wirken der 40 Fachgruppen des Kulturbundes in Brandenburg und zählte einige von ihnen auf. "Sind die etwa alle im Kulturbund? Ist das nur ein Verein? Wir haben auch Philatelisten, Münzsammler oder Ornithologen. Aber alle sind für sich."

Vom interdisziplinären Zusammenwirken konnte ich sie vielleicht noch überzeugen. Doch die Tatsache, daß man mit einem sehr niedrigen Beitrag in mehreren Fachgruppen mitmachen durfte, stieß auf Unverständnis. Natürlich kam ich auch auf die ehrenamtliche Tätigkeit als Basis der Breitenwirkung des Kulturbundes zu sprechen und erwähnte, daß er in der Volkskammer etliche Abgeordnete habe. Auch das verblüffte.

25 Jahre später kann ich mir lebhaft vorstellen, wie unverständlich meine Darstellung im Westen geklungen haben muß. Inzwischen weiß ich nämlich, was "Vereinsmeierei" ist.

Schon vor der "Wiedervereinigung" konnte ich während einiger Jahre meine betagte Mutter in Hamburg zu deren Geburtstagen besuchen. Damals war ich bestürzt, daß die Gäste bereits am Nachmittag aufbrachen. Eine Dame hatte für alle Fälle eine kleine Alarmsirene bei sich, eine andere verwies auf ihre Spraydose. Aus Angst vor Raubüberfällen wollten sie noch vor 18 Uhr zu Hause sein.

In meinen Hamburger Gesprächen erwähnte ich auch, daß im Brandenburgischen viele Familien einen Kleingarten besäßen, dazu einen Trabant und in unserer Havelstadt oft auch ein Boot. Mir wurde heftig widersprochen. Es gab sogar jemand, der mich als Lügnerin bezeichnete. Das gäbe es nicht, kein DDR-Bürger könne sich solches leisten! Verächtlich nannte man mich eine "rote Agitatorin".

Im Zug nach Hamburg entspann sich ein Gespräch mit einer Dame. Bei ihr stieß ich - im Unterschied zu dem zuvor Geschilderten - auf lebhaftes Interesse. Kurz vor dem Aussteigen sagte sie zu mir: "Ich habe bisher noch niemand aus der DDR getroffen, der so stolz und selbstbewußt über diesen Staat gesprochen hat."

Beate Bölsche, Brandenburg

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Was hinter den 19 Thesen der PEGIDA wirklich steckt

"Patriotische Europäer" - welch ein Widersinn!

Ein nicht-fürstlicher Zug geht um in Dresden, die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (PEGIDA). Daß ich, der unweit von Dresden Aufgewachsene, das noch erleben darf: Dresden als Hauptstadt des Abendlandes! Vorgestern (vor 70 Jahren) in Schutt und Asche, gestern (vor etwa 35 Jahren) ahnungslos im Tal liegend und heute an der Spitze der Bewegung marschierend!

Das unlängst verfaßte "Positionspapier in 19 Thesen" der "Pegiden" zeugt nicht gerade von Begriffs- und Stilsicherheit. Vielleicht ist die Verwirrung und Vermengung auch gerade gewollt, damit ein jeder sich die These heraussuche, die ihm gerade in den Kram paßt. Wer die Vorneweg-Marschierer verstehen will, muß alles lesen und im Zusammenhang analysieren. Von den Mitläufern ist im Folgenden also nicht die Rede.

"Patriotische Europäer" ist schon ein arger begrifflicher Widerspruch. "Patrioten" haben bekanntlich ein Vaterland (patria) und nicht gleich eine ganze Landmasse. Sonst hießen sie ja "Kontinentioten". "Abendland" ist das Gegenwort zu "Morgenland"; es wurde in der Antike (!) geprägt und umfaßt die Gebiete Europas westlich des Bosporus (und seines Längengrades) bis zum portugiesischen Cabo da Roca am Atlantik. Das "Land, in dem die Sonne untergeht" schließt etwa die Hälfte der heute zum Kontinent Europa gerechneten Fläche aus. Das NATO-Abendland lassen wir einmal unberücksichtigt. Der 28-Staaten-Verbund "Europäische Union" wiederum besteht aus nur 43 % der Fläche Europas (in Zypern sogar noch aus einem Häppchen "Morgenland") und mindestens 28 Arten von Patrioten (weil es in der EU auch die schottischen und katalonischen Patrioten gibt, um nur die wichtigsten zu nennen). Das "Patrioten-Verständnis" wird auch dadurch komplizierter, daß in drei von 19 Thesen den Unionsbürgern ausdrücklich die außerhalb der EU verbliebenen Schweizer als Vorbild hingestellt werden, ganz zu schweigen von Kanadiern, Australiern und "schwarzen" Südafrikanern außerhalb des "Abendlandes". Da in Dresden nach meiner Kenntnis nur Bürger der Bundesrepublik hinter dem PEGIDA-Transparent hergelaufen sind, kann man die "patriotischen Europäer" wohl am exaktesten mit "Volksdeutsche" übersetzen.

Die bekennenden Gegner der "Islamisierung" formulieren in ihrer 10. These: "PEGIDA ist ... nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime!" Wieder so ein Begriffsknoten. Im allgemeinen Verständnis drückt die Endsilbe "-ierung" einen Vorgang aus, beispielsweise "Arisierung" und "Christianisierung". Wenn Muslime aufgefordert werden, sich zu integrieren, ohne das "intra" (hinein) hinzuzusetzen, dann ist das eine Aufforderung zur Selbstintegration, zur Abschottung vom Rest der Gesellschaft. Das ist wohl eher nicht gemeint. Wenn geschrieben stünde: "PEGIDA ist für die Integration der in Deutschland/der EU lebenden Muslime in die laizistische Gesellschaft", so wäre das verständliches Deutsch und eine positive politische Aussage. Aber es kommt ja ganz anders. Die 13. PEGIDA-These enthält weiteres zu Hinterfragendes: "PEGIDA ist für die Erhaltung und den Schutz unserer christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur!". Worin drückt sich denn (im 21. Jahrhundert) die Prägung einer Kultur aus, die diesen Namen verdient? Meiner Ansicht nach darin, daß sich "die Gesellschaft" nicht durch Religionsbekenntnisse definiert, Verfolgern keine Waffen liefert und keine Kriege - unter welchem Schutzverantwortungs-Vorwand auch immer - führt. Das real existierende Europa des 21. Jahrhunderts ist von der Unkultur der Desintegration, des bedenkenlosen Waffenexports und der Kriegsbeteiligung über sämtliche Grenzgebirge und -meere hinaus gekennzeichnet. Dagegen zu protestieren, hielte ich für "patriotisch" und "kulturerhaltend".

Tausend Jahre hat sich das "christliche Abendland" durch Parallelrecht und Ghettos gegen eine vorgebliche "Jüdisierung" mehr als nur geschützt. Nun aber täuscht man heuchlerisch vor, diese religiöse Minderheit habe seine Kultur geprägt. Tief eingegraben in das Gedächtnis der Völker in Morgen-, Mittags-, Abend- und Mitternachtsland hat sich die Holocaust-"Kultur" der deutschen Zentraleuropäer. In den Morgen- und Mittagsländern Asiens und Afrikas, die vor Jahrhunderten tatsächlich "islamisiert" wurden, machen die Völker seit etwa einem Jahrhundert die prägende Erfahrung, daß ihre muslimische Kultur mit antiken Wurzeln von modernen ökonomischen Kreuzrittern geringgeschätzt, auf Extreme reduziert und durch das "abendländische" Parallelrecht des Mammon ersetzt wird. Die "gewaltbetonte politische Ideologie" (10. PEGIDA-These), wonach "unsere abendländischen Werte" in Syrien "schutzverantwortet" und am Hindukusch "verteidigt" werden, ist "unpatriotisch" und delegitimierend.

Die 19. und letzte These der "Pegiden" lautet: "PEGIDA ist gegen Haßprediger, egal, welcher Religion zugehörig!" Ob sie wohl erkennen, daß zwischen den politischen Haßpredigern des "Abendlandes" und den Subjekten der 1. PEGIDA-These, den "Kriegsflüchtlingen und politisch oder religiös Verfolgten" als Ausdruck der realen Desintegration des Morgenlandes ein Zusammenhang besteht?

Dr. Hermann Wollner, Berlin

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"Harsche Verhörmethoden"

Ein Politiker, den niemand in der Welt mehr ernstzunehmen in der Lage ist, kann seine Glaubwürdigkeit vermutlich nur noch über die demonstrative Anwesenheit in einer Comedy Show wiedererlangen. Echter Politzirkus! Vielleicht sollte er von dort aus auch gleich seine nächsten Pressekonferenzen einberufen, wäre doch zumindest naheliegend und glaubhaft. Warum?

Weil ein Präsident, der in der Regel von "seinen" Entscheidungen (Anordnung von Foltermaßnahmen, von Drohnenmorden, von globaler Überwachung und weltweiter Spionage) stets selbst überrascht wird, sich darum eigentlich immer und ewig vor der vernunftbegabten Welt auf dem Gang nach Canossa befinden müßte.

Was kann ein solcher Chef der Weltmacht Nr. 1 eigentlich noch garantieren? Für was steht der Präsident der Vereinigten Staaten Barack Obama? Die CIA hat augenscheinlich mit seinem Wissen Menschen 18 Stunden lang wachgehalten und mit ihnen dabei Russisches Roulette gespielt, sie nur zur eigenen Unterhaltung unzählige Male fast ertränkt, ihnen eine Bohrmaschine mit rasselndem Laufwerk an den Kopf gehalten, sie in winzige Kisten gesperrt. ... Noch mehr Bedarf? Aber das sind doch keine Folterformen, entrüsten sich die Auftraggeber, sondern lediglich "etwas zu harsche Verhörmethoden".

Jan Bischoff, Neustrelitz

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Als man DDR-Bürger noch für Außerirdische hielt

Phantasiepapiere für "Aliens"

Wer die DDR aufgrund seines Alters nur noch in ihrer vom Niedergang geprägten Endphase erlebt hat oder gar erst nach der Zerschlagung und Einverleibung durch die BRD geboren wurde, muß manche Zeitzeugenberichte Älterer über bestimmte Geschehnisse zwangsläufig für Märchenstunden halten. Wie beleidigend die NATO-Mächte, aber auch unter der Fuchtel der USA lavierende Regierungen anderer Staaten noch Jahrzehnte nach Gründung der DDR mit deren Bürgern umgesprungen sind, muß bei Ahnungslosen den Eindruck erwecken, der Erzählende habe sich die Geschichte gerade aus den Fingern gesogen.

Das in Berlin installierte Allied Travel Board (Alliiertes Reise-Amt) stellte damals "Ersatzvisa" aus, die nicht in DDR-Pässe gestempelt werden durften.

Zu welchen Wort- und Begriffsverrenkungen es bei einem solchen Unterfangen kam, will ich anhand einer hier reproduzierten "Kostbarkeit" aus meinem persönlichen Archiv verdeutlichen. Das wertvolle Stück wurde am 18. April 1973 aus Anlaß meiner ersten längeren Japan-Reise nicht etwa von Nippons diplomatischer Vertretung am Rhein, sondern durch Tokios Botschaft an der Prager Moldau ausgestellt. "Dieses Reisedokument ist einem Alien (Englisch: Ausländer, Fremder) allein im Hinblick auf die Erleichterung seiner Reise nach Japan ausgestellt worden." Diese sprachliche Pirouette, der Quadratur des Kreises gleichend, tanzte der japanische Botschafter in der Tschechoslowakischen Republik per Stempel und Namenszug.

Die offenbar einem in der Retorte gezeugten Homunculus ausgehändigte Klappkarte habe "in keiner Weise etwas mit der Nationalität des Inhabers" zu tun, geht der Tanz weiter. Und dort, wo bei den Angaben zur Person des Reisenden nach dem Land (Country) gefragt wird, hat ein Mitarbeiter der japanischen Botschaft in Prag handschriftlich noch die Worte "oder Region" hinzugefügt.

Bemerkung: Die antikommunistische Gänsehaut der westlichen Rechtsstaatsfanatiker brachte diese auf derart groteske Weise mit den Normen des Völkerrechts und eines zivilisierten zwischenstaatlichen Umgangs in Kollision. Offenbar hielt man DDR-Bürger in jener Etappe des Kalten Krieges für nur mit Außerirdischen vergleichbare Unpersonen.

Nachbemerkung: Es versteht sich von selbst, daß ich später - als alle Realitätsferne nichts geholfen hatte und deshalb aufgegeben worden war - angesichts voller diplomatischer Beziehungen auch zwischen Berlin und Tokio mit Pässen der DDR in den fernöstlichen Inselstaat gereist bin.

Klaus Steiniger

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Thüringen als Übungsgelände zur Umwandlung der PDL in eine zweite SPD

Staatsämter als oberstes Parteiziel

Statt einmal in drei oder sechs Jahren zu entscheiden, welches Mitglied der herrschenden Klasse das Volk im Parlament ver- und zertreten soll, sollte das allgemeine Stimmrecht dem in Kommunen konstituierten Volk dienen ..." Mit diesen Worten begann Karl Marx seine Kritik des bürgerlichen Parlamentarismus. Verzeihen wir ihm solche "unrechtsstaatlichen" Irrungen, kannte er doch damals den Genossen Bodo Ramelow noch nicht! Dieser Gefolgsmann des "bürgerlichen Rechtsstaates" scheut keine Mühen, sein Patentrezept zum "Politikwechsel" als erster von der Partei Die Linke gestellter Ministerpräsident Thüringens in die Tat umzusetzen. Er tut das mit einem sozialen Wahlprogramm, das in vielen Punkten mit den Vorstellungen der SPD übereinstimmt. Bei einer "Mehrheit" von nur einem Mandat sowie mit einer an den Urnen dieses Bundeslandes arg gebeutelten SPD und dort gerade im Aufwind befindlichen Grünen will er einen regionalen Durchbruch erreichen.

SPD-Vorsitzender Gabriel wußte, wovon er sprach, als er die Beständigkeit einer solchen Koalition schon im Vorfeld bezweifelte: Ein Wink zum passenden Zeitpunkt würde genügen, aus dem "historischen Ereignis" - der Wahl eines Regierungschefs mit dem Parteibuch der PDL - ein Debakel werden zu lassen. Bis dahin könnten sich SPD und Grüne als "Macher" innerhalb des lupenreinen Zweckbündnisses auf Kosten der PDL hochpäppeln. Frühere Koalitionen solcher Art führten unter Entblößung des "realpolitischen" Flügels der Linken, wie schon in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern offenbar wurde, zu massiver Politik- und Parteienverdrossenheit unter den Wählern. Die fortgesetzte umweltschädliche Politik in Potsdam trieb den ökokapitalistischen Grünen Umweltverbände und Scharen von Demonstranten in die Arme. Am 10. Oktober 2014 kommentierte mdr-aktuell: "Der Realo-Flügel der Grünen wurde durch die SPD-Vorstandsentscheidung für Rot-Rot-Grün massiv gestärkt."

Die Mehrheit der Thüringer Wähler hofft auf ernsthafte soziale Verbesserungen und einen Zuwachs an Demokratie durch Volksabstimmungen, was der PDL dort zum bisher besten Wahlergebnis ihrer Geschichte verhalf. Nun haben Kipping, Bartsch, Gysi u. a. gravierende Zugeständnisse wie die gemeinsame Erklärung zu den Sondierungsgesprächen von Linken, SPD und Grünen für "richtig und zielführend" erklärt. Ramelow möchte gerne ein Programm umsetzen, in dem sich all diese Parteien und zugleich auch "Opfer der DDR" wiederfinden, um ein klassenneutraler Ministerpräsident "aller Thüringer" zu sein. Daß auf die Diffamierung der DDR als Unrechtsstaat - die Vorbedingung für jegliche Koalitionsvereinbarungen - ein solcher Wert gelegt wurde, müßte eigentlich jedem klarmachen, daß die Haltung zur DDR-Vergangenheit höchstes politisches Gewicht besitzt.

Darüber hinaus fand der schändlichste Teil der Vereinbarungen, die einvernehmliche "Aufarbeitung der DDR-Geschichte" unter Berücksichtigung ihrer "Alltagskultur", wenig mediale Beachtung. Mit dem Ziel der "Bildung zur Demokratie" verpflichtet sich Die Linke, sämtliche Einrichtungen, Kampagnen und Aktivitäten der professionellen DDR-Delegitimierer mitzutragen, finanziell auszuweiten und Kritiker innerhalb der eigenen Partei mundtot zu machen. Davon waren auch Abgeordnete der PDL betroffen, deren auf harter Arbeit beruhende Wahlerfolge Ramelows Vorhaben erst ermöglicht haben.

"Wenn nun 25 Jahre nach der friedlichen Revolution die drei Parteien eine Koalition eingehen, so sind sie sich ihrer Verantwortung bewußt, die aus der jüngeren deutschen Geschichte erwächst." Mit diesen Worten in der Vereinbarung, die genausogut von Joachim Gauck stammen könnten, umschreibt man das Übergehen auf antisozialistische Positionen. Richtungweisend über die Zeit der Bundestagswahlen hinaus sei dies zu verstehen, tönt es aus Kreisen der PDL-Parteiführung. Mag auch der Versuch von 14 Befürwortern von BRD-Auslandseinsätzen aus den Reihen der PDL-Bundestagsabgeordneten, unter dem Vorwand humanitärer Hilfe per UN-Mandat in Syrien einzugreifen, vorerst noch gescheitert sein, so steht auch die friedenspolitische Programmatik des Erfurter Parteitages immer mehr unter dem Beschuß opportunistischer Bernsteinianer. Gabriels Vorbedingung gilt, NATO-Expansion und Kriegspolitik endlich zum Nachweis und zur Grundlage von Koalitionsfähigkeit auch auf Bundesebene zu machen.

"Abendländische Zivilisation", die heute als Zivilgesellschaft bezeichnet wird, soll den Gegensatz zwischen den Klassen verhüllen. Friedrich Engels charakterisierte in seinem Werk "Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates" den Versuch der Verschleierung des Klassenkampfes folgendermaßen: "Was für die herrschende Klasse gut ist, soll gut sein auch für die ganze Gesellschaft, mit der die herrschende Klasse sich identifiziert." Solche Heuchelei gipfele in der Behauptung: "Die Ausbeutung ... werde betrieben ... einzig allein im Interesse der ausgebeuteten Klasse selbst, und wenn diese das nicht einsehe, sondern sogar rebellisch werde, so sei das der schnödeste Undank gegen die Wohltäter, die Ausbeuter."

Ein guter Kern des Grundgesetzes mit heute noch guten Artikeln, aber durch zahllose reaktionäre Änderungen deformiert und zugunsten der Kapitalherrschaft "rechtsstaatlich" mit Gesetzen ausgestaltet, die solcher "Zivilgesellschaft". dienen - das ermöglichte das bürgerlich-parlamentarische System, welches in seiner jetzigen Ausprägung Staatsräson ist. Solcherlei aber kritiklos zu akzeptieren und obendrein auch noch in einer künftigen Koalition mit vertreten zu wollen, statt einen Wandel zu echter Demokratie einzufordern - das könnte eine opportunistisch gesteuerte "Linke" einmal zum prinzipienlosen Mehrheitsbeschaffer machen. Diese würde dann eines Tages - wie zuvor die FDP - nicht mehr gebraucht. Setzen wir uns dafür ein, das zu verhindern, solange es noch möglich ist!

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg

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Warum wir drei Brüder die DDR lieben

Am Ende des Jahres 2011 sind wir, drei Brüder - Siegfried, geboren am 6.2.1926, Theo, geboren am 4.1.1929, und Helmut, geboren am 12.10.1930 - zusammen 250 Jahre alt geworden, also ein Vierteljahrtausend! Wir wurden in einem Dorf Galiziens geboren, das nach der Teilung Polens im 18. Jahrhundert an Österreich fiel, 1920 wieder zu Polen kam und 1939 der Ukraine angeschlossen wurde. Unsere Vorfahren sind Ende des 18. Jahrhunderts aus der Rheinpfalz mit vielen Versprechungen und einigen Privilegien durch Kaiser Joseph II. in Konopkowka/Kreis Tarnopol angesiedelt worden. In diesem Dorf lebten zwölf deutsche Familien mit Polen und Ukrainern recht und schlecht zusammen. Es gab eine deutsche protestantische Kirche. Wir hatten eine eigene Schule, und unser Vater, später auch die älteste Schwester Huldi, waren deren Lehrer. Vater amtierte auch als Vertreter des Pfarrers. Er spielte Harmonium und durfte die fertigen Predigten vorlesen. Als "Volksschule im Ausland" wurden wir vom "Bund der Deutschen" mit Schul- und Propagandamaterial der Nazis versorgt. Der "siegreiche Polenfeldzug" im September 1939 wurde von uns begrüßt. Im Anschluß holte man die Deutschen dann "heim ins Reich".

Das Vermögen unserer Eltern war durch eine Kommission auf 22.000 Silberreichsmark geschätzt worden, wofür sie in Lódz, das von den Nazis in Litzmannstadt umbenannt worden war, ein Zweifamilienhaus erwarben. Es war allerdings noch von der Wehrmacht belegt, jedoch sollten wir "nach dem Endsieg" dort einziehen können. Als brave Deutsche liebten wir den "Führer" und wollten "die ganze Welt am deutschen Wesen genesen" lassen.

Siegfried, mein älterer Bruder, meldete sich nach der Mittleren Reife mit 17 freiwillig zur Wehrmacht. Er wäre auch zur Waffen-SS gegangen, doch dafür war er drei Zentimeter zu klein. So wurde er Panzerschütze, kämpfte noch im Mai 1945 in Kurland gegen die Rote Armee, geriet in Gefangenschaft, arbeitete drei Jahre zur Wiedergutmachung im Kohlebergwerk und wurde 1949 auf die Antifa-Schule geschickt. Im Dezember jenes Jahres, dem Zeitpunkt seiner Entlassung, nahm er nach kurzer Tätigkeit bei der DSF ein Studium auf, wurde Russischlehrer und Dolmetscher.

Er lernte seine Frau Uschi kennen, mit der er nun schon seit 60 Jahren verheiratet ist. Siegfried wurde an die Militärakademie Weimar, später Dresden als Lehrer berufen, gründete eine Familie, zu der inzwischen 21 Kinder, Enkel und Urenkel gehören, wobei natürlich Uschi den entscheidenden Beitrag leistete. Bis zum bitteren Ende der DDR war Siegfried, zuletzt Oberstleutnant, beruflich tätig und ging ehrenvoll in Rente. Er, der als Kind Förster werden wollte, treibt sich jetzt in den Wäldern um Moritzburg herum.

Helmut, der jüngere Bruder, ist ein Selfmademan. Alles, was er heute besitzt und darstellt, schuf er mit Hilfe seiner schon vor fast 20 Jahren verstorbenen Hanni. Als Kind wollte er zur SS, weil er glaubte, dort zwei Essensportionen zu bekommen. Er war immer hungrig und kein Kostverächter, wodurch er groß und kräftig wurde. Am 18. Januar 1945 gehörte Helmut zum Strom der Flüchtenden, die sich in Panik vor der Roten Armee und aus Angst vor der Rache der Polen absetzten. In einem Sammellager traf er den Vater, der mit über 50 noch zum Volkssturm eingezogen worden war. Sie blieben zusammen, auch als beide zur Wehrmacht eingezogen wurden. Er war der Jüngste, Vater der Älteste der Kompanie. Sie gehörten zu den "heldenhaften Verteidigern" Berlins.

Nach dem Zusammenbruch der Front zogen sie westwärts, wobei sich Huldi, die Schwester, die sie zufällig trafen, ihnen anschloß. Sie gelangten nach Sonneberg. Etwas später stieß zufällig auch noch die Mutter dazu. Helmut verdingte sich als Knecht, die Bauersfrau gab öfter einen Korb mit Kartoffeln, ein Säckchen Mehl oder ein Kännchen Milch mit, was die Familie vor dem ärgsten Hunger bewahrte. Helmut besuchte die Landwirtschaftsschule mit dem Abschluß als Landarbeiter. Mit anderen Worten: als Knecht.

Dann wurde die DDR gegründet. Er absolvierte die landwirtschaftliche Fachschule in Eisenach, arbeitete auf einem volkseigenen Gut, wurde zum Direkt- und Fernstudium an die Hochschule in Bernburg delegiert, machte seinen Diplom-Agronom, wurde Mitglied des Kreislandwirtschaftsrates in Hildburghausen und dessen stellvertretender Leiter. Er heiratete, baute ein Haus, zeugte zwei Kinder und fühlte sich wohl. Als die LPG seines Dorfes in arge Schwierigkeiten geriet, bat man ihn, den Vorsitz zu übernehmen. Er blieb bis zum Beginn der 90er Jahre auf diesem Posten. Das Ganze ist eine Erfolgsstory, wie sie nur in der DDR möglich war.

Ich selbst war nicht unbegabt, aber faul. Nur eines wollte ich um jeden Preis: lesen. Die Schule war mir unwichtig, da ich schon mit Siegfried Lesen und Schreiben gelernt hatte. Die Schulbücher kannte ich bald auswendig und konnte den Großen vorsagen, denn alle saßen wir - sechs bis zwölf Schüler - in einem Klassenraum. Vater und Schwester Huldi gaben sich Mühe, uns etwas beizubringen.

Nach der Umsiedlung besuchte ich die Oberschule in Lódz, ohne großes Interesse, denn Kriegsspiele waren jetzt wichtiger. Am 18. Januar 1945 geriet ich als 16jähriger Volkssturm-Melder in den Flüchtlingsstrom. Auf einem offenen Tankwagen verbrachte ich die Nacht bei minus 20 Grad und kam mit erfrorenen Füßen nach Schlesien, Fast hätte ich zu den Verteidigern der "Festung Breslau" gehört, von denen kaum einer übrigblieb. Doch ein Stabsarzt steckte mich in einen Lazarettzug, der am 13. Februar in Richtung Dresden fuhr. So beobachtete ich die Zerstörung der Stadt von den Bühlauer Höhen aus.

Das Kriegsende erlebte ich in Österreich. Im Herbst 1945 schickte man die Deutschen "heim ins Reich". In einer hessischen Kleinstadt wurde ich von einem Bauernehepaar, dessen Sohn, kaum älter als ich, in Kriegsgefangenschaft war, darauf angesprochen, ob ich nicht zu ihnen kommen wollte. Dort blieb ich zwei Jahre, bis ich über den Suchdienst meine Eltern in Sonneberg fand.

Im Osten hatte ich zu essen und lernte erstmals richtig arbeiten. Der Vertrag sicherte mir einen monatlichen Lohn als Knecht. Das Schlimmste für mich war: Es gab weder Zeitungen noch Bücher, noch Radio.

Ende 1947 fuhr ich zu den Eltern und kam in eine neue Welt. Die Neulehrerausbildung wurde mir trotz bestandener Prüfung verwehrt, da ich kein Arbeiterkind war. So besuchte ich nach vier Jahren geistiger Stagnation das Gymnasium, wo ich das Abitur machte.

Hier begann auch meine politische Tätigkeit: Mitglied der FDJ, Teilnahme am 1. Deutschlandtreffen, Kandidat der SED, Bewerbung zum Studium der Gesellschaftswissenschaften in Leipzig. Bis zum Diplom 1953 war ich Hilfsassistent an der Hochschule für Musik. Es folgten 40 Jahre Lehrertätigkeit im Hochschuldienst und eine ununterbrochene gesellschaftliche Tätigkeit bis zur Rente. Meine liebe Anne fragte manchmal nicht ohne Grund: "Bist Du nun mit mir verheiratet oder mit der Hochschule?" Ich war FDJ-Sekretär, Mitglied der Parteileitung und deren Sekretär, BGL-Vorsitzender, Abteilungsleiter, Schöffe, Jugendweihebetreuer, Übungsleiter im Sport und noch einiges mehr. Es handelte sich durchweg um ehrenamtliche Aufgaben. Unseren weiteren Lebensweg zu bewerten, würden wir gerne Kindern und Enkeln überlassen, die aus alldem sicher nachvollziehen können, warum wir die DDR geliebt haben und weiterhin lieben.

Theo Löwenberger, Leipzig

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Ein Kreuzanhänger und die Crux der Haßprediger

Über Aufmüpfigkeit und echten Widerstand

Ich erinnere mich an einen Tag meiner Schulzeit: Ein intoleranter Lehrer riß mir die Kette mit einem Kreuzanhänger vom Hals. Es tat weh, aber mehr noch schmerzten der Schreck und die Verunsicherung. Ich trug das Kreuz, weil es damals unter uns Schülern Mode war. Zwar mit dem Sohn unseres Pfarrers gut befreundet, befaßte ich mich in dieser Zeit noch nicht mit Fragen der Kirche und der Religion. Mein Motiv war jugendlicher Protest.

Wer in Abrede stellt, daß es in der DDR auch Intoleranz seitens staatlicher Stellen oder einzelner Funktionäre gegeben hat, liefert nur den heutigen Gegnern der sozialistischen Idee Munition im Kampf gegen eine gerechte Bewertung der 1989/90 untergegangenen Republik der Arbeiter und Bauern. Ich selbst habe persönliche Demütigungen, sinnlose Schreiattacken aufgebrachter Direktoren oder einzelner Lehrer sowie mit Beklemmung erwartete Elternbesuche wegen von mir aufgeworfener Fragen erlebt. Sie wurden mit der Bezeichnung "Provokation" einfach abgebügelt. Ja, ich hatte auch manchmal Angst in meiner verschwundenen Heimat, wenn ich es wagte, allzu laut in eine nicht vorgegebene Richtung zu denken. Zur Verzweiflung trieb mich dabei die Erkenntnis, daß ich überhaupt kein Feind der DDR war, sondern einfach nur Probleme zur Diskussion stellen wollte, die mich gerade bewegten. Warum gab es nur ein solches Maß an Engstirnigkeit?

Heute weiß ich, daß sich dahinter die Furcht verbarg, dem Gegner im Westen nur die geringste Schwäche zu offenbaren. Man wollte sich stark und frei von allen Unvollkommenheiten zeigen und bot damit erst recht eine Angriffsfläche. Schlimm war vor allem, daß sich unser Staat durch Ereignisse dieser Art dem Volk immer mehr zu entfremden begann. Der Ausgang des Ganzen ist bekannt.

Wenn ich heute die Frage eigener Erinnerungen an die DDR aufwerfe, dann steht für mich im Vordergrund, daß ich trotz allem niemals ein Gefühl des persönlichen Hasses gegen mich gespürt habe. Ich hatte vielmehr die Empfindung, daß ich einer Macht gegenüberstand, die meine Aufmüpfigkeit nicht zu deuten wußte.

Heute lebe ich in einem Land, wo der Haß auf Andersdenkende, die am linken politischen Ufer angesiedelt sind, zur alles durchdringenden Staatsdoktrin geworden ist. Es handelt sich um ein Land, in dem Leute wie Knabe, Eppelmann oder Gauck mit der Verbreitung von Haß ihr Geld verdienen. Er verschafft ihnen gesellschaftliche Reputation. In der DDR wäre eine solche Einnahmequelle undenkbar gewesen. Wenn dort militante Systemgegner wegen auf Haß beruhenden Taten gegen die DDR von den Behörden verfolgt wurden, dann geschah das in der Regel aus dem Recht jedes Staates, sich mit politischen und juristischen Mitteln zu verteidigen. Die Existenz der BRD ist - anders als im Falle der späten DDR - derzeit nicht gefährdet. Dennoch benötigt sie eine Unzahl hochsubventionierter Haßprediger aller Ebenen, um ihre angebliche Höherwertigkeit zu erklären. Ich frage mich, was solche Leute wohl täten, wenn sie uneingeschränkte Handlungsfreiheit im Umgang mit jenen besäßen, welche sie so abgrundtief hassen. Mit Sicherheit würden sie in viel schlimmerer Form gerade das tun, was sie der DDR permanent unterstellen. Und ich sehe sie vor meinem geistigen Auge, wie sie sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und bescheinigen, "immer sauber geblieben zu sein".

Bei professionellen DDR-Ächtern fällt mir auf, daß ihre bloße Existenz ein Widerspruch in sich selbst ist. Da betreibt einer ein früheres Gefängnis als "Gedenkstätte" für angeblich darin begangenes Unrecht, überzieht aber zugleich Menschen mit Prozessen und Anfeindungen, die seinen missionarischen Haß auf Andersdenkende bloßstellen. Strebt er nicht an, sie ins Gefängnis zu bringen? Da spricht jemand pausenlos von Freiheit, beklagt aber sofort die Freiheit des Gedankens, sobald sich dieser nicht in die von ihm gewünschte Richtung lenken läßt.

Wie unaufrichtig ihre "Ideale" sind, beweist das Schweigen zu heutigem Unrecht. Wer zum Export militärischer Kräfte der BRD in Kriegszonen schweigt oder ihn sogar begrüßt, kann es mit den Schwertern, die man einst zu Pflugscharen umschmieden sollte, nicht allzu ernst gemeint haben. Ins Auge springt bei solchen Haßpredigern auch, daß sie ohne ihre Staatsreligion - den Antikommunismus und die daraus resultierende Verunglimpfung der DDR - armselige Würstchen wären. Niemand würde sie kennen, keine nennenswerte Leistung würde von ihnen künden.

Hätte es die DDR nie gegeben, dann würde es auch der Berechtigung des Hasses auf sie ermangeln. Der Wegfall hochdotierter Einnahmequellen für Tausende kleiner und großer Hexenjäger wäre die Folge. Warum aber braucht die mächtige BRD, die politisch und ökonomisch fest im Sattel sitzt, ein Ensemble solcher Gestalten, die eher ein Jammerbild von der geistigen Verfaßtheit des Landes bieten? Was sollen all diese Ritter von der traurigen Gestalt?

Aus meiner Sicht gibt es nur einen Grund: Jeder Gedanke des Erinnerns an die DDR als eine Alternative zur Allmacht der Banken und Konzerne soll durch das Wirken solcher Inquisitoren ausgelöscht werden.

Bei alldem fällt mir ein, daß uns in der DDR trotz der eingangs erwähnten Erscheinungen geistiger Enge die Fähigkeit beigebracht wurde, Dinge zu hinterfragen und gesellschaftliche Zusammenhänge zu ergründen. Heute will man vor allem jungen Menschen die kapitalistische Gegenwart als gottgewolltes Ende der Geschichte verkaufen.

Entlarvt man das Tun eines Knabe, dann flüchtet sich dieser panikartig zur Justiz oder in den Dschungel der Konzernmedien. Nichts fürchten solche Leute mehr als ein kluges, aufgeklärtes Volk, das ihr Heucheln nicht ernst nimmt und den Dingen auf den Grund geht.

Der rabiate Lehrer, der mir einst die Kette vom Hals riß, vertrat nicht das, was die DDR ihrem Wesen nach ausmachte. Die Haßprediger von heute aber sind auf dem Nährboden dieser BRD gewachsen und mit ihr identisch. Tun wir alles, um ihnen die Suppe zu versalzen!

Ulrich Guhl

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Warum das Privateigentum an Produktionsmitteln überwunden werden muß

Hüllen und Inhalte

Mit der Menschwerdung des Affen entwickelte sich das Denken. Bereits vor Hunderttausenden von Jahren wollten die Menschen ihr Leben verbessern. Sie schlugen sich Faustkeile, mit denen sie die Felle erlegter Tiere zum Schutz gegen die Witterung bearbeiten konnten. Sie fertigten sich Speere an, später Pfeil und Bogen, um sich gegen wilde Tiere verteidigen und erfolgreich jagen zu können. Diese primitiven Werkzeuge gehörten jenen, welche sie geschaffen hatten. Sie stellten erste Formen persönlichen Eigentums dar, während die Höhle als Wohnung und das Feuer gemeinsames Eigentum der Sippe waren.

Mit der Zeit bildeten sich Spezialisten heraus, die für die unterschiedlichsten Aufgaben besondere Fertigkeiten besaßen. Es erfolgte ein Austausch der Arbeitsergebnisse. Damit war die erste Form des Handels geschaffen.

Heute gehören Wohnung, Kleidung, Essen, Trinken, Mobilität, aber auch Mittel zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu jenen Gütern, welche der einzelne besitzt, sind individuelles Eigentum.

Bis zum Ende der Urgesellschaft hatte sich die Produktivität so weit entwickelt, daß ein Mensch mehr schaffen konnte, als er zum eigenen Lebensunterhalt benötigte.

Die Verwandlung der Sippen in Stämme und Völkerschaften erforderte neue Formen der Leitung. Es wurden Anführer gebraucht, welche die Entwicklung innerhalb der Gemeinschaft regelten, Konflikte lösten und im Gesamtinteresse der Gemeinschaft wirkten. Für die Auseinandersetzung mit anderen Stämmen bedurfte es militärischer Führer, die bei erfolgreichen Kämpfen Beute machen und Sklaven rekrutieren konnten. Den größten Anteil dabei erhielten natürlich die Befehlshaber. So entstanden erste Formen des Privateigentums und damit Klassengesellschaften.

Mit der Entwicklung des Geldes als allgemeingültigem Austauschmittel bildeten sich größere Gruppen von Menschen - Klassen und Schichten - heraus, die über beträchtliches Vermögen verfügen konnten. Doch erst mit der Anlage des Vermögens in Produktionsinstrumenten, Material und Rohstoffen sowie der Einstellung freier Lohnarbeiter entstand Kapital als ein gesellschaftliches Verhältnis: Auf der einen Seite befanden sich die Eigentümer der Produktionsmittel, auf der anderen Menschen, die diesen ihre Arbeitskraft verkaufen mußten.

Der Wert der neu geschaffenen Produkte übersteigt den Wert der zu ihrer Produktion genutzten Arbeitsmittel und Materialien sowie des für die Arbeit bezahlten Lohnes. Den sogenannten Mehrwert eignet sich der Kapitalist als Profit an. Da er für seinen Eigenbedarf aber nur einen Bruchteil des Profits benötigt, wird dieser zur Kapitalvermehrung eingesetzt (investiert).

Jeder Kapitalist steht mit anderen Kapitalisten im Konkurrenzkampf, was ihn dazu zwingt, mehr Profit als seine Rivalen zu erzielen. Der Kampf um maximale Profite ist das ökonomische Grundgesetz der Kapitaleigner.

In den letzten 200 Jahren wurde das Kapital in den Industrieländern zum bestimmenden Faktor der Wirtschaft. Im internationalen Maßstab operierende Großbanken und Konzerne mit der Tendenz zu Monopolen beherrschen im imperialistischen Stadium des Kapitalismus die Szene. Die Diskrepanz zwischen Besitzenden und Besitzlosen nimmt ständig zu. Unter den sieben Milliarden Erdbewohnern gibt es derzeit 123.300 Multimillionäre und Milliardäre.

Die meisten Großkapitalisten sind heute selbst keine Unternehmer mehr. Sie beauftragen die Banken mit der Anlage ihres Kapitals und erwarten hohe Profite. Die Voraussetzungen dafür wurden in den letzten 100 Jahren mit Fondsgesellschaften, Börsenspekulanten und Finanzverwaltern geschaffen, die entsprechende Vergütungen und Boni erhalten.

Die Vermögen der Kapitalistenklasse ermöglichen es dieser, gesellschaftliche Führungskräfte offen oder verdeckt zu korrumpieren, mit ihren Medien die Bevölkerung zu desinformieren und durch Verherrlichung der eigenen Sicht bei Wahlen die Unterstützung ihr gewogener Parteien zu sichern. Wer die ökonomische Macht besitzt, bestimmt auch die Politik.

Alle Gesetze der jeweiligen Parlamente werden im Sinne und im Interesse der Kapitaleigner erlassen. Dabei tritt mit ihrer wachsenden Verflechtung der konkrete, namentlich bekannte Kapitalist immer mehr in den Hintergrund.

Die Anhäufung von Vermögen führte in den Nachkriegsjahrzehnten zu Anlageproblemen. Durch die Beschränkung des Einkommens der lohnabhängig Beschäftigten und die damit verbundene Senkung der Konsumtionskraft der Verbraucher gab es immer weniger Möglichkeiten für Kapitalinvestitionen.

Die Banken versuchten, mit komplizierten Finanzoperationen über Hedgefonds und eine ausgeklügelte Kreditpolitik das ihnen zur Verfügung gestellte Kapital dennoch zu vermehren. Man verfuhr nach dem Motto, das Geld arbeiten zu lassen, aus Geld mehr Geld zu machen. Aber Geld arbeitet nicht. Nur wenn es als Kapital im Produktionsprozeß eingesetzt ist, wird durch die Arbeit der Werktätigen Mehrwert geschaffen. Die künstlichen Konstruktionen, auch als "Finanzindustrie" deklariert, mußten zu Blasen werden, die bei genügender Größe platzten.

Seit den 70er Jahren gab es im Rahmen der sogenannten Neoliberalisierung zunehmende Bestrebungen, bisher gemeinnützige und unter gesellschaftlicher Kontrolle stehende Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen, Wasser- und Stromversorger sowie Gefängnisse zu privatisieren.

Im großen Stil wurde die Privatisierung durch die kapitalistischen Regierungen im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2007/2008 realisiert, indem die Schulden der Banken durch die öffentliche Hand, also vom Steuerzahler, übernommen wurden, damit das Vermögen der Superreichen, mit welchem die Banken gezockt hatten, keine Verluste erlitt. Dafür sind jetzt ganze Länder stark verschuldet.

Dieser Strategie des Weltimperialismus kann nur dadurch Einhalt geboten werden, daß wachsende Teile der Volksmassen ihre eigenen Interessen erkennen und für sie einzutreten beginnen. Dazu aber bedarf es einer langfristigen Aufklärung im Sinne der durch Marx und Engels begründeten wissenschaftlichen Weltanschauung. Sie muß vor allem von sozialistisch-kommunistischen Parteien mit dem Ziel geführt werden, das Privateigentum an den Produktionsmitteln letztlich durch gesellschaftliches Eigentum zu ersetzen. Dafür sind sowohl revolutionäre Aktionen als auch den Werktätigen dienende evolutionäre Veränderungen, die zur Akzeptanz tiefgreifenderer Veränderungen beitragen, erforderlich.

Wolfgang Eife, Berlin


Unser Autor ist Ingenieur und Diplomökonom.

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Längeres gemeinsames Lernen - eine Grundthese linker Bildungspolitik

Gedanken eines Insiders

Zunächst sei an das seit 1956/57 bestehende Schul- und Bildungssystem der DDR erinnert.

Für alle Schüler gab es die zehnklassige Allgemeinbildende Polytechnische Oberschule (POS) mit einer entwicklungs- und lernpsychologisch begründeten Gliederung in Unter-, Mittel- und Oberstufe. Erst in der 8. Klasse, also im 14. Lebensjahr der Schüler, wurde eine Entscheidung über den weiteren Bildungsweg getroffen: entweder Besuch der Erweiterten Oberschule (EOS) ab Klasse 9 zum Erwerb der Hochschulreife oder weiterer Besuch der 9./10. Klasse der POS mit anschließender Berufsausbildung, ggf. auch Berufsausbildung mit Abitur.

Die Partei Die Linke und deren "Vorläufer" waren stets gegen die Anpassung des Schulwesens des Ostens an den Westen. Sie besaßen dabei die volle Unterstützung von Erziehungswissenschaftlern der DDR.

Allerdings gab es sehr unterschiedliche Positionen, was eine "Gemeinschaftsschule" (Gesamtschule, Schule für alle) sein, wie lange das gemeinsame Lernen der Schüler dauern und wann die Wegentscheidung zum Abitur erfolgen sollte.

Offen blieb dabei zumeist, wie und in welchen Schritten, in welchen Zeiträumen eine solche Gemeinschaftsschule wieder zu erreichen wäre.

Was war 1990/91 der katastrophalste Beschluß bei der Anpassung des DDR-Schulwesens an die Schulstruktur der BRD?

Die Unter- und Mittelstufenklassen der DDR-Oberschulen wurden schulorganisatorisch und pädagogisch inhaltlich aus der "Einheitsschule" ausgegliedert und als selbständige Schulform Grundschule (Klasse 1 bis 4 / Klasse 1 bis 6) installiert. Von diesem Moment an war bereits in Klasse 4 bzw. 6 darüber entschieden worden, welchen weiteren Bildungsweg die heranwachsenden Kinder gehen durften. Das Ergebnis bestand in sozialer Differenzierung.

Zur Überwindung und Aufhebung dieser Trennung gäbe es aus linker Sicht zwei denkbare Varianten: den jahrgangsweisen "Aufbau" der Grundschulen wieder zu durchgängigen Gemeinschaftsschulen von Klasse 1 bis Klasse 10 oder die erneute Ausdehnung der existierenden Sekundärschulen 1 in den Unterstufenbereich.

Beide Wege wären auf Grund der räumlichmateriellen Möglichkeiten und personellen Ausbauerfordernisse nicht sinnvoll und kaum möglich.

Leider gibt es in den neueren bildungspolitischen Dokumenten der BRD fast keine Aussagen über folgende Fragen:

  • Was ist heute eigentlich Hochschulreife und Studierfähigkeit - und dies bezogen auf die sehr unterschiedlichen Studienrichtungen?
  • Auf welchen Wegen könnte das Abitur für möglichst viele Heranwachsende erreicht werden?
  • Wie müßte eine "Abiturschule" (gymnasiale Oberstufe) heute ausgestaltet sein?
  • Könnten die heutigen Gymnasien überhaupt reformiert werden?

In einer Reihe bildungspolitischer Publikationen werden die Gymnasien zumeist nur sehr kritisch - sicherlich auch weitgehend zu Recht - hinterfragt und beurteilt, aber leider meist nur mit der Tendenz, sie vollständig abzuschaffen, sowie mit der Zielsetzung, dafür überall nur Gesamtschulen mit gymnasialer Oberstufe anzubieten.

Ich halte angesichts des derzeitigen gesellschaftlichen Kräfteverhältnisses eine vollständige Abschaffung der Gymnasien und den Verzicht auf eine gesonderte Abiturschule für absolut unrealistisch.

Linke Bildungspolitik muß ein Konzept erarbeiten, daß möglichst viele Jugendliche die Hochschulreife erwerben können und dies auf verschiedensten Wegen.

Dazu wären vor allem folgende Fragen zu beantworten: Wie müßte die Leistungsfähigkeit und wie könnten die Wirkungsbedingungen der zum Abitur führenden Schulstufen wesentlich verbessert werden?

Wäre eine vier- bzw. fünfjährige Abiturschule nicht auch aus entwicklungs- und lernpsychologischer Sicht pädagogisch-didaktisch besser zu gestalten?

Eine Reduzierung der Klassenjahrgänge auf vier Jahre (gegenüber bisher acht- bzw. sechsjährigen Gymnasien) würde ermöglichen, daß die Anzahl der parallelen Klassen um einiges erhöht werden könnte. Somit würden ohne zusätzlichen personellen und räumlichen Aufwand in den jetzigen Schulgebäuden wesentlich mehr Abiturschüler aufgenommen.

Selbstverständlich müßten auch weiterhin alle anderen Wege zum Abitur (nach erfolgreichem Abschluß der 10. Klasse der Gemeinschaftsschule) gefördert und ausgebaut werden.

Es gibt regional und auf kommunalpolitischer Ebene viele von den linken Fraktionen initiierte und geförderte Aktivitäten, um vielfältige Betätigungs- und Bildungsmöglichkeiten für die verschiedenen Altersgruppen - beginnend mit frühkindlicher Entwicklungsphase - anzubieten. Diese Bemühungen müßten viel mehr in den bildungspolitischen Veröffentlichungen der Partei Die Linke propagiert werden. Wir beschränken uns leider oftmals nur auf schulstrukturelle und schulpädagogische Fragen.

Die Erzieher- und Lehrertätigkeit ist einerseits eine psychisch, physisch und emotional außerordentlich anstrengende, belastende Tätigkeit. Andererseits muß sie täglich mit besonderer Kreativität geleistet werden. Es bedürfte also generell einer höheren gesamtgesellschaftlichen Wertschätzung dieser Berufsgruppen zur Beförderung des geistig-moralischen Antriebs und der Leistungsbereitschaft eines jeden Pädagogen. Demzufolge müßte analysiert werden, welche gesamtgesellschaftlichen, sozialen, arbeitsrechtlichen und tariflichen Rahmenbedingungen, aber auch unterrichts- und schulorganisatorischen Bedingungen eine wirkungsvolle pädagogische Tätigkeit in der unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Bildungs-und Erziehungsarbeit erschweren.

Prof. Dr. Horst Weiß, Strausberg

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Profilierter Pädagoge, kommunistischer Führer und Widerstandsheld

Erinnern an Dr. Theodor Neubauer

Im Jahr 1968 wurde - nach 1945 und 1952 - auf dem Gebiet der DDR die dritte Hochschulreform durchgeführt. Die Entwicklung des Volksbildungswesens war so weit vorangeschritten, daß die eher schulmäßigen Methoden beim Studieren und Forschen durch wissenschaftliche Arbeit abgelöst werden mußten. Die meisten Pädagogischen Institute der DDR besaßen z. B. kein eigenes Promotionsrecht. Die Verteidigung von Doktorarbeiten und Habilitationen war nur am Pädagogischen Institut Potsdam sowie an den Universitäten in Berlin, Dresden (TU), Greifswald, Halle, Jena, Leipzig und Rostock möglich. Welche Schwierigkeiten und Konflikte es bei uns in Mühlhausen gab, alte Gewohnheiten und Einstellungen zu überwinden, hat Heinz Kruschel in seinem 1971 vom Mitteldeutschen Verlag Halle (Saale) herausgebrachten Roman "Wind im Gesicht" dargestellt.

Wie konnte unser PI zu einer Pädagogischen Hochschule werden? Wir hatten in Mühlhausen 580 Studenten, die Lehrer ab Klasse 5 in den Fächern Biologie, Chemie, Mathematik und Polytechnik werden wollten. Sie wurden von etwa 80 Lehr-, Verwaltungs- und technischen Kräften betreut. Niemand hatte sich habilitiert. Die promovierten Lehrkräfte ließen sich an zwei Händen abzählen. Eine Hochschule soll ja eine universitas litterarum, also eine Einheit der Wissenschaften, sein. Dafür aber war unsere Einrichtung zu klein. So entschied das Ministerium für Volksbildung, daß das PI Erfurt und das PI Mühlhausen zur PH Erfurt/Mühlhausen vereinigt und diese mit eigenem Promotionsrecht ausgestattet wird. In Erfurt bildete man bis dahin Fachlehrer für Deutsch, Kunsterziehung, Mathematik, Physik, Russisch und Polytechnik aus.

1969 wurde die Pädagogische Hochschule Erfurt/Mühlhausen "Dr. Theodor Neubauer" gegründet, deren Wissenschaftlichem und Gesellschaftlichem Rat ich bis 1990 angehörte. Mit der Namensgebung ehrte die Regierung der DDR einen herausragenden antifaschistischen Thüringer Pädagogen.

Theodor Tilo Neubauer wurde am 12. Dezember 1890 als Sohn eines Gutsinspektors in Ermschwerd bei Witzenhausen an der Werra geboren. Dort besuchte er die Volksschule. 1900 übersiedelte die Familie nach Erfurt, wo Theodor von 1901 bis 1910 das humanistische Gymnasium besuchte. Ab 1910 studierte er in Brüssel, Jena und Berlin Geschichte und neuere Sprachen. 1913 promovierte er mit dem Thema "Die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Stadt Erfurt vor der Reformation". Im November desselben Jahres legte er die Prüfungen für das Lehramt an Höheren Schulen ab. 1914 meldete er sich - "patriotisch" gesinnt - freiwillig zum Kriegsdienst, wurde Leutnant, aber 1917 nach einer Verwundung durch Giftgas entlassen. Danach schloß er die pädagogische Seminarzeit ab und war ab Oktober Lehrer am Königin-Luise-Gymnasium in Erfurt.

Als Mitglied der USDAP setzte er sich für eine Volksbildung ein, die dieser Bezeichnung gerecht wurde. Im März 1920 beteiligte er sich als einziger Lehrer der Schule am Generalstreik gegen den Kapp-Putsch, woraufhin er entlassen wurde. Mit der USDAP (Linke) trat er der KPD bei. 1921 bis 1923 wirkte er als deren Abgeordneter im Landtag.

Am 23. Oktober 1923 äußerte sich Theodor Neubauer in diesem Gremium zur Bildung einer thüringischen Arbeiterregierung unter Einschluß der Kommunisten: "Damit bekundet die KPD, daß sie eingedenk ihrer proletarischen Pflichten und getreu ihrer ganzen Vergangenheit auch in diesen Kämpfen in erster Reihe stehen wird. Wir haben mancherlei Opfer bringen müssen, um das zu ermöglichen."

In jener Zeit hatte Theodor Neubauer, der als Staatsrat für Gotha Mitglied der Arbeiterregierung geworden war, gegen den drohenden und dann Anfang November erfolgten Einmarsch der Reichswehr protestiert. Weitere Schauplätze seiner politischen Tätigkeit waren Jena, Leipzig, Kassel, Düsseldorf, Essen und Berlin.

Schon im August 1933 wurde Theodor Neubauer von den Faschisten verhaftet, im Herbst 1934 zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und anschließend in den Zuchthäusern Plötzensee und Brandenburg-Görden sowie in den KZ Lichtenburg, Papenburg, Esterwegen und Buchenwald gefangengehalten. Dort gehörte er der Leitung der illegalen Lagerorganisation der KPD an.

1939 wurde Theodor Neubauer aus Buchenwald entlassen und von der Gestapo dazu verpflichtet, in einem Gothaer Autoreparaturbetrieb zu arbeiten. Von Tabarz aus organisierte er das illegale Zusammenwirken kommunistischer und sozialdemokratischer Gruppen im Thüringer Raum. Aufs engste arbeitete er mit Magnus Poster in Jena zusammen, nahm aber auch Verbindungen zu KPD-Widerstandszellen in Berlin-Brandenburg, Magdeburg-Anhalt und Sachsen auf, wo er für den Zusammenschluß aller Hitlergegner wirkte. Am 14. Juni 1944 wurde er erneut verhaftet und am 8. Januar 1945 vom "Volksgerichtshof" zum Tode verurteilt. Nur drei Monate vor der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus durch die Rote Armee und deren Verbündete aus der Antihitlerkoalition starb der rote Pädagoge am 5. Februar 1945 - vor 70 Jahren - unter dem Fallbeil im Zuchthaus Brandenburg-Görden.

Sonja Müller, die Tochter Theodor Neubauers, die 1969 an der feierlichen Namensgebung teilgenommen hatte, war ein gerngesehener Gast und Gesprächspartner an unserer Hochschule. Dort gab es ein Theodor-Neubauer-Kabinett zur Unterstützung der Ausbildung künftiger Pädagogen sowie für spezielle Forschungszwecke. Im Zeitraum von 1970 bis 1990 wurden bei uns 12.900 Diplomlehrer für jeweils zwei Fächer der Klassen 5 bis 12 im humanistischen und fortschrittlichen Sinn des Namensgebers der Hochschule für die allgemeinbildenden Polytechnischen Oberschulen (POS) ausgebildet. Das war - sieht man von der Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses und auch international beachteten Forschungsleistungen der Pädagogischen, der Naturwissenschaftlichen und der Historisch-Philologischen Fakultäten einmal ab - kein geringer Beitrag zur geistig-kulturellen Entwicklung in der DDR.

Prof. Dr. Eike Kopf, Erfurt

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Streitgegenstand: die Spirale von Gewalt und Vergeltung in Palästina

Als ich bei Lidl Argumente verkaufte

Wie so oft im Leben kommt es erstens anders und zweitens als man denkt. Zu diesem Spruch möchte ich ein konkretes Beispiel liefern. Seit 21 Jahren lebe ich in Bockhorn, einer im Friesischen gelegenen Kleinstadt mit rund 10.500 Einwohnern. Seit gefühlten tausend Jahren wird hier die Politik von der SPD gestaltet. Natürlich kennt jeder jeden. Den meisten bin ich durch meine Mitarbeit in der Partei Die Linke als "Kommunist" aufgefallen, wobei die Bezeichnung natürlich abwertend gemeint ist.

Unlängst machte ich mich auf den Weg zu Lidl. Als ich mich nach dem Einkauf der Kasse näherte, mußte ich an einem Ehepaar in schon fortgeschrittenem Alter und zwei etwa gleichaltrigen Herren vorbei. Einer davon war mein "ganz spezieller Freund". Ich hatte die Gruppe bereits passiert, als er mir nachrief: "Auge (das ist mein Spitzname), gehst Du jetzt wieder für Deine Araberfreunde demonstrieren?"

Was er damit meinte, war mir klar. Ich hatte während des israelischen Luftterrors gegen die Zivilbevölkerung von Gaza vor dem Rathaus in Varel mit einem Plakat "Frieden für die Kinder in Palästina" gestanden. Von meinem "Freund" war ich daraufhin zunächst unpolemisch angesprochen worden, bis er dazu überging, mich zu beschimpfen und zu beleidigen.

Seine provokatorischen Fragen nahm ich zum Anlaß, auch den anderen, die aus Neugier dazugekommen waren, meine Ansicht zur israelisch-palästinensischen Thematik darzulegen. Eine Debatte über Weltpolitik im Kassengang von Lidl - so etwas hatte es bei uns noch nicht gegeben! Was die Leute neben dem damals gerade verübten Attentat auf die Jerusalemer Synagoge besonders aufregte, war die Tatsache, daß es in Gaza von der Hamas und deren Anhängern stürmisch gefeiert worden war. Bevor die Filialleiterin das diskutierende Völkchen höflich ersuchte, den Weg freizumachen, wies ich noch auf das seinerzeit Wellen schlagende Massaker Baruch Goldsteins hin, um die palästinensische Sicht auf bestimmte Ereignisse zu erklären. Mein "Freund" stellte das Ereignis sofort in Abrede und bezeichnete mich als "elenden Lügner".

Ich hatte an Goldstein nicht deshalb erinnert, weil ich die Opfer beider Seiten gegeneinander aufrechnen wollte, sondern in der Absicht, die Psyche der Palästinenser besser zu verstehen. Warum empfanden sie nach fast 70jähriger zionistischer Unterdrückung Freude über das ihren Peinigern angetane Leid? Wer aber war Baruch Goldstein?

Der nicht mehr praktizierende Arzt gehörte der in Israel verbotenen Kach-Partei an. Am 25. Februar 1994 betrat er, mit einem Galil-Sturmgewehr bewaffnet, gegen 5 Uhr früh die Heilige Grabstätte des Propheten Abraham. Dort hatten sich Palästinenser gerade zum Morgengebet versammelt. Goldstein eröffnete von hinten das Feuer und tötete 29 Menschen, 150 wurden verwundet. Unter den Opfern befanden sich viele Kinder. Der Massenmörder wurde danach selbst getötet. Bei bald aufflammenden Unruhen im Westjordanland kamen weitere 19 Palästinenser und fünf israelische Siedler ums Leben.

Obwohl die meisten Israelis Goldsteins Bluttat verurteilten, setzten ihm seine Verehrer ein Denkmal mit folgender Inschrift: "Hier ruht der Heilige Dr. Baruch Kappel Goldstein. Gesegnet sei das Andenken dieses aufrichtigen und heiligen Mannes! Möge der Herr das Blut dessen rächen, der seine Seele den Juden, der jüdischen Religion und dem jüdischen Land geweiht hat. Seine Hände sind unschuldig, und sein Herz ist rein. Er wurde als Märtyrer Gottes am 14. Adar, Purin, im Jahre 5754 (1994) getötet."

Obwohl es das Denkmal inzwischen nicht mehr gibt, nimmt die Verehrung Goldsteins ihren Fortgang. 2010 fand die vorerst letzte Gedenkveranstaltung seiner Jünger in Hebron statt. Mitglieder des Siedlerrates von Kiryat Arba Benzion Gopstein und Rabbi Mordechai Sajed lobten sein Leben und "Wirken".

Inzwischen scheint eine neue Runde der Vergeltung begonnen zu haben. Nach dem 11. Gebot "Israel darf alles" werden nicht nur die Häuser der Angehörigen von Attentätern zerstört, sondern hat man auch ganze Familien verhaftet. Im faschistischen Deutschland nannte man so etwas "Sippenhaft". Netanjahu dreht ebenso an dieser Spirale der Gewalt wie radikale Extremisten der Hamas.

Worte wie "Auge um Auge läßt die Welt erblinden" oder "Mit einer geballten Faust kann man keine Hände schütteln" (Gandhi) machen deutlich, welchen Verlust die Ermordung des israelischen Staatsmannes Yitzhak Rabin für den Frieden in Nahost bedeutet. Mit ihm starb auch die Hoffnung auf einen Staat Palästina. Der ist zwar inzwischen weltweit von 130 Staaten anerkannt, wird aber durch Israel nicht toleriert. Tel Aviv versucht um jeden Preis, sein Entstehen zu verhindern. Schon jetzt fast in die Steinzeit zurückgebombt, besitzen die jungen Palästinenser nur noch eine Waffe gegen den Terror der ihnen vielfach überlegenen Atommacht, die 63 % ihres Staatshaushalts für Rüstung und Krieg ausgibt: das eigene Leben. Das Geschehen auf israelisch-palästinensischem Boden birgt eine große Tragik. Es ist zugleich aber auch eine Herausforderung, in der Solidarität mit den Verzweifelten und Entrechteten, welcher Nationalität, Rasse oder Hautfarbe auch immer, nicht nachzulassen.

Eigentlich hatte ich an jenem Tag ja nur den kurzen Einkauf bei Lidl geplant. Doch der im Kassengang aufkommende Disput erweiterte die Skala meiner Aktivitäten um Rede und Widerrede, die ich hier noch durch historisch Belegtes ergänzt habe.

Joachim Augustin, Bockhorn (Friesland)

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Spaltpilze aus Übersee

Dieses Jahr wird es viele historische Rückblicke geben. Im Vordergrund stehen dabei solche, die so oder so an die Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus - vor allem durch die Rote Armee - erinnern. Es ist aber zu befürchten, daß mehr verlogene oder verfälschte als der Wahrheit entsprechende Rückblicke präsentiert werden.

Vielleicht ahnte der Publizist Walther Victor (1895-1971) bereits, daß eines Tages die wirklichen Ziele des USA-Imperialismus in Vergessenheit geraten könnten. So erinnerte er rechtzeitig an Vorgänge in den Vereinigten Staaten, die sich schon gegen Ende des Zweiten Weltkrieges zutrugen und von den tonangebenden bürgerlichen Medien totgeschwiegen werden könnten. Dabei spielte die alte römische "Teile und herrsche!"-Methode für die US-Unterzeichner des am 2. August 1945 signierten Potsdamer Abkommens bereits unterschwellig eine Rolle, obwohl sie das zu diesem Zeitpunkt so noch nicht durchblicken ließen. In dessen "Politischen Grundsätzen" heißt es: "Während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten."

Inzwischen weiß alle Welt, daß die westlichen Alliierten schon 1946/47 damit begannen, erst eine Bi- und dann eine Tri-Zone zu schaffen. Sie führten anschließend eine separate Währungsreform durch, um die Spaltung Deutschlands in die Wege zu leiten.

Ein Szenarium dafür gab es schon Jahre zuvor. Hier sei aus einem 1943 durch Walther Victor im USA-Exil formulierten Text, den wir seinem 1965 in der DDR erschienenen Buch "Mit Herzblut und Federwisch" (Verlag der Nation) entnehmen, zitiert: "Die New Yorker Zeitschrift The American Mercury veröffentlichte in ihrer Aprilnummer einen Beitrag des Herrn Kingsbury Smith mit der Überschrift 'Unser Plan für Nachkriegsdeutschland'. In diesem Artikel wird auf die Frage geantwortet: Was sollen wir mit Deutschland nach dem Kriege machen?

Herr Kingsbury Smith hat den Stein der amerikanischen Weisen gefunden, indem er seinem Hauptgeschäft nachging: Er ist einer der großen Interviewer der USA-Presse. Was er in seinem Artikel schreibt, ist also ohne Zweifel die Meinung tonangebender Leute in Washington. 'Es ist die Absicht der amerikanischen Planungen, Maßnahmen zur Verhinderung der Not in Deutschland auf das Mindestmaß zu beschränken, welches nötig ist, um Revolution und Chaos abzuwenden. Kein Mensch denkt daran, den Weihnachtsmann gegenüber Deutschland zu spielen...

Am schwersten wird das deutsche Volk auf dem Gebiet seiner staatlichen Hoheit zu bezahlen haben. ... Die amerikanischen Absichten gehen dahin, Deutschland in drastischer Weise zu dezentralisieren bis dorthin, das Land in einzelne Staaten und Regionen aufzubrechen. ... Es darf auf keinen Fall erlaubt werden, daß die politische und industrielle deutsche Einheit bestehenbleibt.' Soweit Kingsbury Smith im Jahre 1943!

Was für eine bodenlose Heuchelei der geschichtsverfälschenden Medien, welche unablässig die "Wiedervereinigung Deutschlands" bejubeln und dabei die Verursacher der Spaltung wissentlich verschweigen! Die Westalliierten wollten mit ihrer Mißachtung der in Potsdam getroffenen völkerrechtlichen Festlegungen ein Bollwerk gegen den seit den Tagen von Marx verteufelten Kommunismus, eine politische Mauer, errichten.

In Gestalt des CDU-Politikers Konrad Adenauer, des ersten Kanzlers der BRD, fanden sie einen äußerst erfahrenen Separatisten, der schon 1923 nur allzugern das Rheinland von Deutschland abgetrennt hätte. Die Merkel-Partei sollte endlich damit beginnen, über ihre diesbezüglichen politischen "Altlasten" nachzudenken.

Werner Voigt, Kromsdorf

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Von der "Grünen Mappe" zum "Grauen Plan"

Wenn man wieder einmal aufräumt, tritt mitunter viel Vergangenes zutage. Zum Beispiel Broschüren wie jene von 1966 mit der Rede Prof. Albert Nordens auf einer seiner von manchen so gefürchteten internationalen Pressekonferenzen. Zu den Themen gehörte diesmal das Wirken eines "Forschungsbeirats für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands beim Bundesministerium für Gesamtdeutsche Fragen". Zitat Norden: "Dieser ... Forschungsbeirat plant bis in alle Einzelheiten, wie in der DDR die Herrschaft des Rüstungskapitals und der Großagrarier wiedererrichtet werden könnte, welche Betriebe und Werke der Bevölkerung der DDR gestohlen und welche ihrer demokratischen und sozialistischen Einrichtungen und Errungenschaften zunichte gemacht werden sollen." So könne man dem im Frühjahr 1961 ausgearbeiteten "Grauen Plan" entnehmen, "wie Wirtschaft und Gesellschaft Mitteldeutschlands zu formen, zu integrieren und entsprechend den Grundsätzen der Markt- und Wettbewerbswirtschaft zu ordnen" sein würden. Die Dauer der "Transformation und Integration" solle "so kurz wie möglich" bemessen werden.

Norden: "Laut Grauem Plan sollen aus den volkseigenen Betrieben der DDR 'marktwirtschaftlich aktionsfähige Wirtschaftseinheiten' geschaffen werden, da auf diese Weise die private unternehmerische Initiative besonders wirkungsvoll zur Geltung kommen kann." Und damit nicht der geringste Zweifel daran besteht, wessen Herrschaft der "Forschungsbeirat" in der DDR wiedererrichten und wessen Rechte er beseitigen wolle, heiße es wörtlich im Grauen Plan: daß "Arbeitgeberverbände gebildet werden" und andererseits "die Befugnisse des FDGB erlöschen".

Auf dem Dorf würde die "Überführung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in privatwirtschaftliche Betriebsformen" dekretiert. Grund und Boden, lebendes und totes Inventar seien in "möglichst kurzer Frist" und "bevorzugt" solchen Personen zu übergeben, "denen durch die sowjetzonale Bodenreform der Besitz entschädigungslos entzogen worden ist, oder deren Erben".

Norden resümierte: "Wie die Grüne Mappe mit den Plänen zur Ausraubung der Sowjetunion Bestandteil der militärischen Planung Hitlers und Görings war, so ist der Graue Plan integrierender Teil der militärischen Vorbereitungen der herrschenden Kreise in Bonn."

Norden charakterisierte die 13 Mitglieder des "Forschungsbeirates" so: Prof. Karl Thalheim war einer der fanatischsten Verfechter der Ostmission des deutschen Imperialismus; Prof. Werner Busch zählte in den besetzten Gebieten der UdSSR zu den Hauptverantwortlichen für den Raub von Fabriken und Maschinen, Vieh und Getreide sowie für die Verschleppung Hunderttausender Sowjetbürger; Dr. Hans Gareis war seit Februar 1934 für die Verbreitung der nazistischen Staatsidee von "Blut und Boden" des faschistischen Reichsnährstands zuständig. Nach dem Überfall auf Polen leitete er die Abteilung Ernährung und Landwirtschaft beim Generalgouverneur in Krakau, welche die einheimische Bevölkerung von Haus und Hof vertreiben ließ; Prof. Georg Blohm leitete die Gruppe II des "Landwirtschaftlichen Stabes beim Oberverwaltungschef für das besetzte Gebiet in Polen"; Dr. Hans von Boeckh, Vizepräsident des "Forschungsbeirates", war enger Mitarbeiter von Gauleiter Seyß-Inquart, Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete.

Wollen wir es bei dieser Kostprobe der BRD-Politik vor rund 40 Jahren, die es gewiß verdient hätte, gründlicher aufgearbeitet zu werden, bewenden lassen. Sie verdeutlicht immerhin, um was für eine Wende es sich 1989/90 gehandelt hat.

Erhard Römer, Berlin

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Über blauen Dunst und das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen

Zur Legende von der Souveränität der BRD

Auf der 20. Rosa-Luxemburg-Konferenz zitierte Oskar Lafontaine zwei NATO-Politiker, die bei der Formulierung der Strategie des Paktsystems eine entscheidende Rolle gespielt haben. Der erste NATO-Generalsekretär, Großbritanniens Lord Ismay, formulierte als Aufgabe: "Die NATO ist geschaffen worden, um die Amerikaner drinnen und die Russen draußen zu lassen." Zugleich ging es darum, "die Deutschen kleinzuhalten". Was ist daraus geworden?

Die zweite Äußerung entnahm Lafontaine dem 1997 erschienenen Buch Zbigniew Brzezinskis "Die einzige Weltmacht". Dort verkündet Washingtons strategischer Planer, Europa sei ein Protektorat der USA, wobei Deutschland die Rolle eines tributpflichtigen Vasallen zudiktiert wird.

In der Bundestagsdebatte vom 18. November 2013, als es um die NSA und Snowden ging, fiel der Satz "Deutschland ist erst dann souverän, wenn es Herrn Snowden anhört, schützt, ihm Asyl gewährt und seinen sicheren Aufenthalt organisiert." Folgen wir Gregor Gysis Logik: Die Regierung der BRD verweigert Snowden das Asylrecht und beweist damit, daß sie nicht souverän zu handeln vermag.

Ist die Bundesrepublik Deutschland kein souveräner Staat? Bejubelten nicht die Bonner Politiker schon 1955 beim Eintritt in die NATO und dem Abschluß des "Deutschlandvertrages" die wiedergewonnene Souveränität, mit der man die staatsrechtliche Nachfolge zu Hitlers 3. Reich zu begründen suchte? Und ist nicht im "Zweiplus-vier-Vertrag" der Siegermächte und der beiden deutschen Staaten für jedermann nachlesbar, Deutschland habe "als gleichberechtigtes und souveränes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen"? Das ist 26 Jahre her, und man muß prüfen, ob dieser Vertrag nach Treu und Glauben erfüllt wird. So verlangen es das Völkerrecht und der Artikel 25 des (provisorischen) Grundgesetzes.

Indessen: Wie viele Male hat die BRD unter Berufung auf deutsche Sicherheitsinteressen - sogar am Hindukusch - gegen ihre Friedenspflicht verstoßen? Im Koalitionsvertrag von 2013 wird nicht einmal gefordert, die US-Atomwaffen vom Boden der BRD zu entfernen. Wozu braucht dieser Staat die "nukleare Teilhabe"? Als Drohpotential gegenüber Rußland? Kriegführen ist für die BRD längst zu einer "Normalität" geworden. Inzwischen hat man vergessen, daß in den 80er Jahren auch die SPD erkannte, keines der Menschheitsprobleme sei durch Krieg zu lösen. Wie souverän ist die BRD eigentlich, wenn sie es nicht einmal wagt, einem Verbündeten die Komplizenschaft bei dessen Aggressionen zu verweigern? In jedem Lehrbuch dieses Metiers wird begründet, daß die Achtung der Souveränität ein zwingendes Gebot des Völkerrechts ist. Es besagt, daß ein Staat, der die Souveränität anderer Staaten mißachtet, selbst nicht souverän sein kann.

In jüngster Vergangenheit sind einige Arbeiten erschienen, die den dokumentarischen Beweis erbringen, daß bereits Adenauer die Souveränität der BRD preisgegeben hat. Joseph Foschepoth veröffentlichte 2012 seine Studie "Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik".

Nach seinen Recherchen war die BRD von Beginn an ein "Protektorat des Westens" und dessen "Frontstaat". Westliche Geheimdienste kooperierten mit dem BND, um den Post- und Fernmeldeverkehr in und mit der BRD zu überwachen. Der "RotFuchs" hat darüber berichtet. So spielte die Merkel-Regierung, die sich nach den Enthüllungen Snowdens überrascht und enttäuscht gab, eine Schmierenkomödie. Die Inszenierung wirkte besonders makaber, bedenkt man, mit welcher Inbrunst und geheuchelten Empörung jegliche Überwachungsmaßnahmen der DDR verteufelt wurden. Vom "Spitzelstaat" war generell die Rede.

Eine andere Recherche trägt den Titel "Staatsgeheimnis Kanzlerakte. Fälschung und Wahrheit". Sie erschien im Sommer 2012 in der Zeitschrift "Deutsche Geschichte". Diese Darstellung stützt sich u. a. auf Aussagen eines früheren Chefs des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). Seit dem 21. Mai 1949 gibt es einen geheimen Staatsvertrag, der Einschränkungen für die damals noch gar nicht gegründete BRD im vorhinein bis zum Jahre 2099 festlegen soll.

Zu diesem Thema äußerte sich auch der SPD-Politiker Egon Bahr am 8. September 2009 in der Hamburger "Zeit". Er erinnerte sich, daß Willy Brandt als neugebackener Kanzler das Geheimdokument mit unterschreiben sollte, was ihn sehr wütend gemacht habe.

O-Ton Egon Bahr: "Daß über die geschilderten Realitäten geschwiegen wurde, hat einen einfachen Grund. Es war eine Lebenslüge der alten BRD, mit dem Beitritt zur NATO zu behaupten, wir wären souverän geworden. Die Bundesrepublik und die drei Westmächte hatten 1955 dasselbe Interesse: über die fortdauernde Einschränkung der deutschen Selbstbestimmung nicht zu sprechen."

Auch nach 1990 blieben viele Vorbehaltsrechte der Alliierten bestehen. Die NATO-Mitgliedschaft, die Stationierung von NATO-Truppen in der BRD, Atomwaffen auf deutschem Boden und andere Tatsachen beweisen, daß weder der "Kanzler der Einheit" noch "sein Mädchen" für die Souveränität der BRD und das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen eingetreten sind. Von Volkssouveränität - einer Idee der Französischen Revolution - ganz zu schweigen. In der Frage der Kriegsbeteiligung wird das am allerdeutlichsten. Die Mehrheit der Deutschen ist gegen jede Teilnahme der BRD an "Auslandseinsätzen", wie Aggressionen inzwischen bezeichnet werden. Doch die Majorität des Bundestages segnet sie ab. Die zuständige Ministerin kann von Interventionen und Kriegsgetümmel gar nicht genug bekommen.

Volkssouveränität erfordert, daß das provisorische Grundgesetz endlich durch eine Verfassung ersetzt wird, an deren Zustandekommen das Volk unmittelbar beteiligt ist und in der das Prinzip der Friedenspflicht verankert wird.

Mit Hilfe von Quislingen in der letzten "Volkskammer der DDR" wurde seinerzeit der "Beitritt" nach Artikel 23 durchgesetzt, statt nach Artikel 146 GG das Volk über eine neue Verfassung entscheiden zu lassen. Die BRD ist ein selbsternannter Rechtsstaat, der die Normen des Völkerrechts bricht und das Selbstbestimmungsrecht des eigenen Volkes als wesentliches Element seiner inneren Verfaßtheit außer Kraft setzt. Die Bilanz der "Wiedervereinigung" ist erschreckend.

Prof. Dr. Horst Schneider, Dresden

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RF-Extra

Generaloberst a. D. Fritz Streletz zur Gewaltlosigkeit im Herbst 1989 

Die militärische Führung der DDR handelte besonnen

Als Zeitzeuge möchte ich mich zu drei Fragen äußern, die für eine wahrheitsgetreue Betrachtung der Geschichte der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR während der Ereignisse im Herbst 1989 von Bedeutung sein könnten.

  1. Zur Befehlsgebung durch den Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates.
  2. Zur Öffnung der Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD und zu Westberlin am 9. November 1989.
  3. Zur Zusammenarbeit der NVA mit der Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte.

Zu 1: Im Herbst 1989 mußten Aufgaben gelöst werden, die einen der Verantwortung entsprechenden politisch-moralischen Zustand der NVA und der Grenztruppen der DDR erforderten.

Trotz der Massendemonstrationen und der Sprachlosigkeit der Partei- und Staatsführung, aber auch der militärischen Führung zu den anstehenden Problemen galt es Ordnung und Sicherheit sowie die Grenzsicherung zu gewährleisten.

Zu den Befehlen Nr. 8 und 9/89, die noch von Erich Honecker und den Befehlen Nr. 11 und 12/89, die bereits von Egon Krenz als Vorsitzendem des Nationalen Vereidigungsrates (NVR) unterzeichnet wurden:

Auch im Herbst 1989 sind wir, die militärische Führung, von dem Grundsatz ausgegangen, daß politische Probleme mit politischen Mitteln und auf politischem Wege gelöst werden müssen. In diesem Sinne habe ich die vier Sicherheitsbefehle des Vorsitzenden des NVR erarbeitet.

Befehl Nr. 8/89 beinhaltete Aufgaben und Verantwortung der Bezirkseinsatzleitung Berlin im Zusammenhang mit den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR.

Aus diesem Dokument ist ersichtlich, daß der Vorsitzende der Bezirkseinsatzleitung Berlin, Schabowski, die volle Verantwortung für Ruhe, Sicherheit und Ordnung in Berlin zu tragen hatte. Diesen Befehl haben außer ihm auch der Minister für Nationale Verteidigung, der Minister für Staatssicherheit und der Minister des Innern und Chef der Deutschen Volkspolizei erhalten.

Der Befehl Nr. 9/89 hat eine Vorgeschichte: Bekanntlich fand am 9. Oktober in Leipzig eine Demonstration mit 70.000 Menschen statt. Man rechnete für den 16. Oktober mit 120.000 bis 150.000 Teilnehmern.

Auf Anordnung von Egon Krenz sind wir am 13. Oktober gemeinsam mit ihm nach Leipzig geflogen, um uns mit der Bezirkseinsatzleitung zu beraten. Die Hauptaufgaben bestanden darin, keine Provokationen, keine Gewalt und keine Anwendung von Schußwaffen zuzulassen.

Auf dem Rückflug habe ich den Befehl Nr. 9/89 des Vorsitzenden des NVR Erich Honecker vorbereitet. Ich zitiere Punkt 5: "Der aktive Einsatz polizeilicher Kräfte und Mittel erfolgt nur bei Gewaltanwendung der Demonstranten gegen eingesetzte Sicherheitskräfte bzw. bei Gewaltanwendung gegen Objekte auf Befehl des Vorsitzenden der Bezirkseinsatzleitung Leipzig. Der Einsatz der Schußwaffe im Zusammenhang mit möglichen Demonstrationen ist grundsätzlich verboten."

Bundespräsident Horst Köhler behauptete später: "Vor der Stadt standen Panzer. Die Bezirkspolizei hatte Anweisung, auf Befehl ohne Rücksicht zu schießen. Die Herzchirurgen der Karl-Marx-Universität wurden in der Behandlung von Schußwunden unterwiesen, und in der Leipziger Stadthalle wurden Blutplasma und Leichensäcke bereitgelegt."

Als seinerzeitiger Sekretär des NVR stelle ich demgegenüber fest: Kein einziger Panzer stand vor oder in Leipzig; kein Vorgesetzter hat der Bezirkspolizei einen Befehl oder eine Weisung gegeben, ohne Rücksicht auf Demonstranten zu schießen; in Leipzig wurden nirgends Blutplasma und Leichensäcke bereitgelegt. Kein Arzt der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie der Leipziger Karl-Marx-Universität wurde in die Behandlung von Schußverletzungen eingewiesen. Das bestätigte der Direktor der Klinik Professor Karl-Friedrich Lindenau.

Der Befehl Nr. 11/89 wurde von mir auf Weisung von Egon Krenz am 3. November erarbeitet. Er beinhaltete Sicherheitsvorkehrungen in der Hauptstadt Berlin im Zusammenhang mit der geplanten Großdemonstration auf dem Alexanderplatz, zu der bis zu einer Million Menschen erwartet wurden. Auch dort hieß es: "Die Anwendung der Schußwaffe im Zusammenhang mit möglichen Demonstrationen ist grundsätzlich verboten." Der Befehl Nr. 12/89 über die Bildung einer operativen Führungsgruppe des NVR zielte darauf ab, wieder Ruhe, Ordnung und Sicherheit in der DDR, vor allen Dingen in Berlin, durch abgestimmte Maßnahmen aller zuständigen Organe herzustellen.

Die vier genannten Befehle des Vorsitzenden des NVR stellten eine wichtige Voraussetzung dafür dar, daß es im Herbst 1989 in der DDR keine ukrainischen Verhältnisse mit Tausenden von Toten gegeben hat. Warum erfolgte 1989/90 kein Einsatz der Nationalen Volksarmee zur Verteidigung des Sozialismus in der DDR?

Der Verfassungsauftrag für die Nationale Volksarmee beinhaltete, die DDR gegen alle äußeren Feinde, gegen eine Aggression zu schützen. Die Bewaffnung, Ausrüstung, Ausbildung und Erziehung waren immer - vom Fahneneid ausgehend - auf die Erfüllung dieser Hauptaufgabe ausgerichtet.

Nach den Grenzsicherungsmaßnahmen zu Westberlin am 13. August 1961 gab es keine Pläne für einen möglichen inneren Einsatz der Nationalen Volksarmee der DDR und der auf ihrem Territorium stationierten Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte.

Wichtig ist auch, daß weder die Verfassung der DDR noch das Verteidigungsgesetz einen Ausnahmezustand vorsahen. Es fehlte deshalb jede rechtliche Grundlage für einen Einsatz der NVA im Innern der DDR.

Zu 2: Am 27. Juni 1989 hatte Ungarn den Abbau der Grenzsicherungsanlagen veranlaßt. Es erhielt dafür von der BRD eine Wirtschaftshilfe von 500 Millionen Mark. In der Nacht vom 9. zum 10. September erfolgte mit großer Medienpräsenz die Grenzöffnung Ungarns zu Österreich. Über 60.000 Bürger verließen über diese Grenze die DDR.

Auch über die CSSR nahm die Fluchtbewegung zu. Prag drohte, die Grenze zur DDR zu schließen. Es mußten deshalb durch die Partei- und Staatsführung der DDR Sofortmaßnahmen ergriffen werden.

Das Politbüro des ZK der SED hatte am 30.10.1989 beschlossen, dem Ministerrat der DDR zu empfehlen, ein neues Reisegesetz zu erarbeiten, den Entwurf öffentlich zur Diskussion zu stellen und es mit Wirkung vom 20.12.1989 in Kraft treten zu lassen. Bis dahin sollte auch das Valuta-Problem für Reisegeld (pro Person 300 DM) geregelt sein.

Durch die in Ungarn und der CSSR eingetretene Situation konnte diese Frist nicht eingehalten werden. Deshalb beschloß das Politbüro, der am 9. November beginnenden 10. Tagung des ZK den Vorschlag zu unterbreiten, jenen Teil des Reisegesetzes, welcher sich mit der ständigen Ausreise aus der DDR befaßte, per Durchführungsbestimmung sofort in Kraft zu setzen.

Am Morgen des 9. November kamen je zwei Oberste des MfS und des Mdl zusammen, um im Auftrag ihrer Minister und entsprechend der Vorgabe des Politbüro-Beschlusses einen Vorschlag zur Regelung des Problems der ständigen Ausreise zu erarbeiten. Der entsprechende Beschluß sollte noch am gleichen Tage vom Ministerrat gefaßt und mit Wirkung vom 10. November in Kraft gesetzt werden.

Die vier Oberste hielten sich aber nicht an den Befehl, nur einen Vorschlag zur ständigen Ausreise zu erarbeiten, sondern nahmen auch Bestimmungen für Privatreisen in den Ministerratsbeschluß mit auf.

Organe der DDR konnten und durften an der Berliner Grenze ohne Zustimmung der sowjetischen Seite (Westgruppe und Botschaft) keine eigenen Aktivitäten entwickeln.

Die 10. Tagung des ZK der SED verlief sehr turbulent und ließ Zerstrittenheit erkennen. Egon Krenz gab dort den Text des Ministerrats-Beschlusses "Zeitweilige Übergangsbestimmungen für Reisen und ständige Ausreisen aus der DDR" bekannt. Er war im Umlaufverfahren durch die Mitglieder des Ministerrates bereits bestätigt worden. Das Dokument wurde ohne größere Diskussion durch das ZK angenommen. In einer Pause übergab es Egon Krenz an Günter Schabowski, der den Beschluß auf der Pressekonferenz mitteilen sollte.

Als Schabowski die neue Reiseregelung bekanntgab, war er in völliger Unkenntnis über den Zeitpunkt, zu dem sie in Kraft treten sollte: 10. November, 4 Uhr. Auf die entsprechende Frage eines Journalisten antwortete er anscheinend spontan: "Ab sofort, unverzüglich!" Beabsichtigt war hingegen, den Beschluß des Ministerrates erst ab nächsten Morgen in Kraft treten zu lassen, um den zu erwartenden Ansturm von Antragstellern auf die Dienststellen der Deutschen Volkspolizei zu lenken.

Statt des beabsichtigten kontrollierten Reiseverkehrs ab 10. November löste Schabowskis Mitteilung eine ganz andere Wirkung aus. Ohne jegliche Information und ohne Befehl der Führung standen die Mitarbeiter der Grenzübergangsstellen (GÜST) plötzlich Ansammlungen von Menschen gegenüber, die nach Westberlin wollten.

Kurz vor Beginn der ARD-Tagesschau stellte dpa um 19.45 Uhr Schabowskis Ankündigung als bereits vollzogene Tatsache dar: "Die DDR-Grenze zur Bundesrepublik und nach West-Berlin ist offen." Höhepunkt der Fernseh-Berichterstattung waren dann die ARD-"Tagesthemen": "Reiseverkehr frei", "Tore in der Mauer weit offen", "Völlig komplikationslos nach West-Berlin". Danach gab es für Tausende, ja Zehntausende Ost- und West-Berliner sowie Bewohner des Umlandes kein Halten mehr. Erst jetzt begann der Ansturm auf die Grenzübergänge. Gegen 1 Uhr waren alle Berliner GÜST geöffnet.

Am 10. November gegen 8 Uhr trafen die sieben Mitglieder der Operativen Führungsgruppe des NVR, die entsprechend Befehl Nr. 12/89 gebildet wurde, im Vorzimmer von Egon Krenz ein, wurden in ihre Aufgaben eingewiesen und nahmen die Arbeit auf.

Gleichzeitig hatte ich an diesem Tag die Aufgabe, engen Kontakt zum Oberkommandierenden der Westgruppe, Armeegeneral Snetkow, zu halten und ihn über alle wichtigen Ereignisse oder Entscheidungen zu informieren.

Gegen 8.30 Uhr rief ich ihn an. Ich entschuldigte mich dafür, ihn nicht rechtzeitig über die geplante Öffnung der Grenzübergangsstellen in Berlin informiert zu haben. Das stieß auf Unverständnis. Ich versicherte Armeegeneral Snetkow, daß alle von uns eingegangenen Verpflichtungen gegenüber der Westgruppe erfüllt würden. Bei der militärischen Grenzsicherung zur BRD und zu Westberlin gebe es keine Abstriche.

Gegen 9 Uhr rief der sowjetische Botschafter Kotschemassow bei Egon Krenz an. Der gab den Hörer an mich weiter, da ich besser russisch spräche. Kotschemassow stellte mir die Frage: "Wer hat euch die Genehmigung zur Öffnung der Berliner Grenzübergangsstellen gegeben? Mit wem ist dieser Schritt abgestimmt worden?"

Bei einem weiteren Anruf des sowjetischen Botschafters ließ dieser wissen, Moskau sei über die Handlungsweise zur Öffnung der Berliner GÜST verstimmt. Im Interesse der Aufrechterhaltung der guten Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der DDR wäre es zweckmäßig, sofort ein Telegramm von Egon Krenz an Michail Gorbatschow zu schicken und die Gründe für unser Vorgehen in Berlin darzulegen. Egon Krenz beauftragte mich, ein solches Schreiben vorzubereiten. Zwischen den Gesprächen mit Botschafter Kotschemassow rief ich meine drei Partner, die Generalstabschefs in Moskau, Warschau und Prag an, um sie über die Lage zu informieren. Ich versicherte ihnen: "Wir werden wie bisher alle eingegangenen Bündnisverpflichtungen und Pläne der Zusammenarbeit erfüllen."

Eine solche Grenzöffnung am 9. November 1989 in Berlin war weder mit der sowjetischen Partei- und Staatsführung noch mit dem sowjetischen Generalstab abgestimmt. Sie kam also für Moskau völlig unerwartet und wurde als Alleingang der DDR betrachtet.

Auch für die drei Minister der bewaffneten Organe der DDR kam die Öffnung der GÜST in Berlin völlig überraschend. Sie waren von diesem Schritt erst am 10. November, d. h. nach einer Vorbereitungszeit von 8 bis 10 Stunden, ausgegangen. Diese hätte vollkommen ausgereicht, um eine klare und abgestimmte Befehlsgebung bis nach unten durchzusetzen.

Schabowski wußte als Vorsitzender der Bezirkseinsatzleitung, der das gesamte Grenzsicherungssystem in Berlin kannte und immer über die Lage an der Staatsgrenze allseitig informiert war, sehr genau, was seine Worte "Ab sofort, unverzüglich!" auf die elf GÜST in Berlin für Auswirkungen haben mußten.

Diese unverantwortliche Handlungsweise eines führenden Politikers der DDR, egal welche Motive ihr auch immer zugrunde lagen, hat unser Land an den Rand eines Bürgerkrieges gebracht. Nur dem politisch bewußten Verhalten und besonnenen Handeln der Angehörigen der bewaffneten Organe sowie der strengen Einhaltung des Befehls Nr. 11/89 - kein Einsatz der Schußwaffe - ist es zu verdanken, daß die Ereignisse nicht eskalierten. Ein einziger Schuß an der Grenze hätte eine katastrophale Kettenreaktion auslösen können! In meiner Sicht ergeben sich aus den Ereignissen der "Maueröffnung" folgende Schlußfolgerungen:

Die politische, staatliche und militärische Führung ist ihrer Verantwortung in dieser äußerst komplizierten Lage nicht in vollem Umfang gerecht geworden. Sie hat die Entwicklung in den brisanten Nachtstunden vom 9. zum 10. November dem Selbstlauf überlassen.

Grundlage dafür, daß trotz dieses unübersichtlichen und von niemandem erwarteten Ansturms auf die GÜST in Berlin alles friedlich verlief, war die klare Befehlsgebung durch die Vorsitzenden des NVR Erich Honecker und Egon Krenz, keine Gewalt und keinen Schußwaffeneinsatz zuzulassen. Ihre Befehle wurden von den Angehörigen der NVA, der Grenztruppen der DDR, des MfS und des Mdl unter schwierigsten Bedingungen strikt eingehalten.

Zu 3: Zu dem angeblichen Befehl, den die Westgruppe aus Moskau erhalten haben soll, während der "Wende" in den Kasernen zu bleiben und die Objekte nicht zu verlassen, sei nur so viel gesagt: Nach meiner Kenntnis hat es einen solchen Befehl nicht gegeben.

Am 13. Oktober haben Egon Krenz und ich den Befehl 9/89 des NVR über Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung in Leipzig Erich Honecker vorgelegt.

In diesem Zusammenhang wurde er darüber informiert, daß die Monate September und Oktober sowohl für die Nationale Volksarmee als auch für die Westgruppe eine Zeit intensivster Übungstätigkeit mit Gefechtsschießen und Inspektionen waren und seien.

Für die NVA wurden die entsprechenden Aktivitäten auf Grund der entstandenen politischen Lage abgesetzt. Geschlossene Truppenteile sollten die Kasernen nicht mehr verlassen. Für die Westgruppe gab es derartige Festlegungen nicht.

Erich Honecker beauftragte mich, mit dem Oberkommandierenden der Westgruppe, Armeegeneral Snetkow, Verbindung aufzunehmen und ihn zu bitten, nach Möglichkeit in den nächsten Tagen keine Truppenbewegungen in den Räumen Halle/Leipzig, Dresden und Potsdam/Berlin durchzuführen. Dieser Bitte ist Armeegeneral Snetkow nachgekommen. Der Oberkommandierende brachte mir gegenüber zum Ausdruck, daß die Gruppe immer bereit sei, ihren Waffenbrüdern der NVA die erforderliche Hilfe und Unterstützung zu gewähren.


Der hier abgedruckte Text wurde einem längeren Material des Verbandes zur Pflege der Traditionen der NVA und der Grenztruppen der DDR entnommen. Es trägt die Überschrift "Zeitzeugen der Nationalen Volksarmee und der Grenztruppen der DDR zu den Ereignissen im Herbst 1989 und im Jahr 1990".


In Absprache mit dem Autor gekürzt und redigiert durch die Redaktion des RF

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Zentralbank der Volksrepublik hält Devisenreserven von knapp vier Billionen Dollar

China - größter Gläubiger der USA

Mitte dieses Jahres erreichten die von der Zentralbank Chinas gehaltenen Devisenreserven knapp vier Billionen (also 4.000.000.000.000) Dollar. Fünf Jahre zuvor war die Summe noch halb so groß. Der Währungsschatz der Volksbank Chinas, wie die Zentralbank offiziell heißt, ist der bei weitem größte Schatz an Vermögenswerten, der von irgendeinem Staat dieser Erde gehalten wird. Die nach China größten Devisenreserven halten derzeit nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) Japan (1,25 Bill. $), Saudi-Arabien (733 Mrd. $), die Schweiz (521 Mrd. $) und Rußland (432 Mrd. $).

Die Volksbank Chinas macht selbst keine Angaben, in welcher Form und welchen Währungen die Reserven gehalten werden. Noch vor zehn Jahren bestand der weitaus überwiegende Teil der Reserven aus auf Dollar lautenden Staatsanleihen der USA. Das US-Finanzministerium seinerseits gibt an, daß die Zentralbank Chinas Ende vergangenen Jahres US-Staatsanleihen im Wert von 1,22 Bill. Dollar hielt und damit der größte Einzelgläubiger der USA war.

Wie kommt es zu diesen merkwürdigen Verhältnissen? Warum wird das noch immer bei weitem mächtigste und reichste Land der Erde - die Vereinigten Staaten - zu einem erheblichen Teil von einem immer noch relativ armen Land finanziert, das bis vor kurzer Zeit noch als Entwicklungsland bezeichnet wurde? Einem Land, das von einer dem Namen nach kommunistischen Partei geführt wird und das von den USA selbst als größte potentielle Bedrohung für ihren Status als imperialistische Hauptmacht angesehen wird? Wie kommt es, daß China überhaupt in dieser Größenordnung Kapitalexport betreibt und sich damit geradezu klassisch als imperialistische Macht qualifiziert?

In den Monopolkapitalismus katapultiert

Die ganz allgemeine Antwort auf diese Fragen besteht in der Feststellung, daß der Prozeß der globalen Vergesellschaftung der Arbeit das bevölkerungsreichste Land der Erde in einer historisch kurzen Zeit von etwa 30 Jahren erfaßt hat. Dieses Land wurde so von einer gerade erst beginnenden sozialistischen Entwicklung in einen vom Monopolkapitalismus geprägten Entwicklungsstand katapultiert, der es dank seiner Größe zum natürlichen Konkurrenten um die Vorherrschaft innerhalb des imperialistischen Weltsystems macht. Eine so gewaltige Akkumulation von Kapital hat noch nie zuvor so schnell stattgefunden. Noch nie zuvor ist eine Bourgeoisie so schnell zu solch ökonomischer Größe und Mächtigkeit angewachsen.

Damit dieser wahrhaft große Sprung möglich wurde, waren bestimmte Voraussetzungen in China selbst nötig. Es waren aber auch Voraussetzungen in der Entwicklung des Weltkapitalismus nötig. Zu letzterem gehörten der Aufbau eines überdimensionierten Finanzsektors in der Weltwirtschaft und die Fähigkeit und die Bereitschaft der USA - des wirtschaftlich mächtigsten Landes auf dem Globus - sich zu verschulden.

Die bei der Volksbank Chinas angehäuften riesigen Dollarbeträge sind Ausdruck dafür, daß die USA und China in den letzten zwei Jahrzehnten in einem engen symbiotischen Verhältnis zueinander standen. Die finanziellen Zuwendungen - nichts anderes geschieht beim Kauf einer Staatsanleihe - des Schwachen an den Starken hatten und haben nicht etwa den Charakter von Tributzahlungen. Vielmehr dienten die USA dem Herausforderer als Absatzmarkt. Dank der stetig wachsenden Nachfrage nach Konsumgütern in den USA konnte in China eine rasch wachsende Industrie entstehen. Sie wiederum war eine Voraussetzung für die schnelle wirtschaftliche Entwicklung Chinas in den letzten zwei Jahrzehnten.

US-Nachfrage fördert Chinas Exporte

Nicht nur China war im jüngsten Weltwirtschaftsaufschwung vor der Finanzkrise auf den Nachfragesog aus den USA angewiesen. Viele Länder profitierten davon, daß im reichsten Land der Erde eine scheinbar unerschöpfliche Nachfrage bestand. Bekannt oder besser berüchtigt sind die Investitionen europäischer Banken und anderer Kapitalsammelstellen in strukturierte Kreditprodukte aus den USA, die aus Hypotheken oder Kreditkartenschulden bestanden und zum Auslöser der noch tobenden Finanzkrise wurden. Bemerkenswert am Gläubigerstatus Chinas ist aber, daß er sich in den offiziellen Reserven der Notenbank niederschlägt. In anderen Ländern sind es private Vermögensverwalter und Geschäftsbanken, die Finanztitel aus den USA anhäufen. Zweitens verlief die Akkumulation an US-Finanzguthaben durch China außergewöhnlich schnell. Der Grund für beides ist das chinesische Wechselkursregime. Der Kurs der chinesischen Volkswährung Renminbi ist nicht dem Devisenmarkt überlassen - da ist China noch vom früheren Sozialismus geprägt. Alle von chinesischen Exporteuren im Ausland verdienten Geldbeträge müssen in chinesische Yuan getauscht werden. Diese vorwiegend Dollar- aber auch Euro- oder Yen-Beträge blähen somit direkt die Devisenguthaben der chinesischen Zentralbank auf. Die Exporteure erhalten dafür von der Zentralbank frisch geschaffene Yuan, was die Menge des umlaufenden Geldes in China massiv erhöht.

Das Verhalten Chinas ist unter den obwaltenden Umständen rational. China nutzte die in den USA weitgehend durch Kredit finanzierte Nachfrage, um in einem beispiellosen Kraftakt eine starke Exportindustrie aufzubauen. In der Anfangsphase geschah dies mit staatlichen Mitteln: chinesischen, aber auch ausländischen Investoren wurden sehr günstige Kredite gewährt. Nach dieser Aufbauphase stellte die Finanzierung kein Problem mehr dar, weil ausländisches Kapital ins Land drängte und die Erlöse aus den Exporten sprunghaft wuchsen. Entscheidend war jedoch, daß die chinesische Führung jederzeit die Kontrolle über den Kapitalverkehr mit dem Ausland behielt. Der Wechselkurs des Yuan-Renminbi wurde niedrig genug gehalten, um die Konkurrenzfähigkeit chinesischer Exportprodukte zu gewährleisten. Die US-Regierung und mit ihr die Regierungen der sieben größten kapitalistischen Länder (G7) forderten von China, die Kontrolle der eigenen Währung zugunsten eines vom Devisenmarkt bestimmten Kurses aufzugeben. In diesem Punkt blieb die chinesische Regierung jedoch hart. Erst seit Juli 2005 ließ sie eine mäßige Aufwertung des Renminbi zu.

Lange bevor die Finanzkrise 2007 ausbrach, wurde offensichtlich, daß die bei der Zentralbank angehäuften Dollarreserven für China keine im Sinne der Anlagestrategie eines Fonds sinnreiche Investition waren. Seit 2001 befand sich der Dollar im Abwärtstrend. Die geringen Zinsen, die auf US-Staatsanleihen gezahlt werden, konnten die Verluste des Dollars gegenüber den meisten anderen Weltwährungen (einschließlich des kontrolliert teurer werdenden Renminbi-Yuan) nicht kompensieren. Aber für China war die Anhäufung von Dollarreserven ja nur eine Nebenerscheinung. Der Zweck der Angelegenheit war Verkaufsförderung für chinesische Exporte oder anders gesagt "Marktpflege". Beobachter weisen auf die geschichtliche Parallele der frühen Bundesrepublik hin. Westdeutschland häufte bis in die frühen 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts durch die - dank einer unterbewerteten Währung - hohen Exporte viele Milliarden an Dollar- und Goldreserven an. Sie werden unverändert von der Deutschen Bundesbank gehalten. Auch sie war mehrfach gezwungen, wegen des gesunkenen Dollarkurses diese Reserven bilanziell abzuwerten.

Ziel ist die Öffnung des Kapitalmarktes

Spätestens die Finanzkrise seit 2007 hat gezeigt, daß das Akkumulationsmodell Chinas auf Dauer nicht aufrechterhalten werden kann. Die globale Verschuldung, aber insbesondere die der USA, kann nicht mehr nennenswert gesteigert werden. Der Export von Waren in die USA wächst nur noch mäßig. Die hohen Devisenreserven Chinas könnten es dem Land erleichtern, den Binnenmarkt stärker zu entwickeln und so mitten in der globalen Überproduktionskrise weiter relativ stärker zu wachsen als andere kapitalistische Länder. Das setzt allerdings kräftige Lohnsteigerungen, eine Änderung der staatlichen Umverteilung zugunsten der breiten Massen und eine Schwächung der jungen heimischen Monopolbourgeoisie voraus.

Es sieht zur Zeit aber danach aus, als würden Partei- und Staatsführung eine andere Strategie verfolgen. Sie läuft darauf hinaus, den Kapitalmarkt Chinas gegenüber dem Ausland zu öffnen, den Finanzsektor des Landes weiter auszubauen und damit - auf der Grundlage einer noch starken Realwirtschaft - die Vorherrschaft des Dollars und des US-Finanzkapitals zu brechen. Das ist keine neue Entwicklung. Schritte dorthin waren bisher eine Stärkung der heimischen Börsen und die Öffnung des Aktienmarkts für ausländische Investoren, die Teilprivatisierung der Banken, das stärkere Engagement des Staatsfonds nicht nur bei Rohstoff- und Industrie-, sondern auch bei Finanzkonzernen im Ausland.

Das wird flankiert von einer Reihe bilateraler Abkommen mit anderen Staaten, die es beiden Seiten ermöglicht, in der jeweils anderen Währung Zahlungen abzuwickeln. Mit den wichtigsten EU-Staaten - darunter der BRD - bestehen mittlerweile solche Abkommen. Der geplante Effekt tritt bereits ein. Der bisher im internationalen Zahlungsverkehr mit 43 Prozent dominierende US-Dollar wird weiter an Bedeutung verlieren. Wenn das Gewicht des Renminbi im Zahlungsverkehr von jetzt nicht einmal zwei Prozent zunimmt, steigen auch die Bestände der chinesischen Währung im Ausland. Das würde die Währung zur Weltreserve-Währung machen, vergleichbar vielleicht mit dem Euro heute, über den knapp 30 Prozent des internationalen Zahlungsverkehrs abgewickelt werden.

Die Vorteile einer solchen Entwicklung sind offensichtlich. Die Geldschöpfungsgewinne, die den Emittenten eines Zahlungsmittels zufallen, würden für den chinesischen Staat und die chinesischen Banken kräftig steigen und dem US-amerikanischen Finanzkapital verlorengehen. Entsprechend würde das chinesische Finanzkapital in die Lage versetzt, es mit der imperialistischen Konkurrenz auch auf dem internationalen Kapitalmarkt aufzunehmen.

Allerdings ist eine enge Kontrolle des Kapitalverkehrs durch die chinesische Volksbank und Regierung, wie sie bisher bestand, dann nicht mehr möglich. Eine solche Weltwährung - vergleichbar dem Euro oder gar dem Dollar - zu kontrollieren, wird überhaupt schwerer. Sie gegen den Kurs des Finanzkapitals, sei es US-amerikanisch, Euro-deutsch oder chinesisch in Stellung zu bringen, um einen sozialistischen oder auch nur sozialen Kurs in die Wege zu leiten, ist ausgeschlossen, selbst wenn die chinesische Staatsführung es irgendwann einmal wollen sollte.

Lucas Zeise, Frankfurt/Main


Aus "Theorie und Praxis" (T & P), Januar 2015. Der Autor ist Finanzjournalist und Publizist.

Ende RF-Extra

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Bemerkungen zu Politik und Strategie einer Supermacht

USA und Eurasien

von Dr. Wolfgang Bittner, Göttingen

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Über Höhen und Tiefen einer traditionsreichen Gewerkschaftszentrale

Der Weg der französischen CGT

Frankreichs einst sechs Millionen Mitglieder zählende Confederation General du Travail gilt neben der italienischen CGIL, der portugiesischen CGTP-Intersindical und der griechischen PAME als eine der bedeutendsten Gewerkschaftszentralen im linken Spektrum dieser Bewegung. Ihre politische Nähe zur damals sehr einflußreichen, zeitweilig mehr als ein Viertel der Wählerstimmen auf sich vereinigenden FKP von Maurice Thorez, Jacques Duclos und Marcel Cachin, war immer eine feste Größe. Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Zeitschrift "Étincelles" (Funken) - das theoretische Organ des Pols der Kommunistischen Wiedergeburt in Frankreich - ein gut recherchiertes Material zu ihrer Geschichte.

In der langjährigen Chronik der CGT hat es Höhen und Tiefen gegeben. Entscheidendes ereignete sich am 19. April 1915. An jenem Tag wurden in Mort-Mare (Departement Meurthe-et-Moselle) ein Corporal und zwei Soldaten erschossen, weil sie sich geweigert hatten, mit der Mannschaft eines gegenüberliegenden deutschen Schützengrabens "kurzen Prozeß zu machen". Der eigentliche Exekutionsgrund aber war die Mitgliedschaft der drei Männer in der CGT.

1889 - sechs Jahre nach dem Tod von Karl Marx - wurde die Zweite Internationale gegründet. 1895 entstand die CGT. 1906 beschloß sie auf ihrem Kongreß in Amiens eine Charta, die man als Konzeption eines revolutionären Syndikalismus betrachten konnte.

1912 zählte die einzige Gewerkschaftszentrale des Landes bereits 700.000 eingeschriebene Mitglieder bei sieben Millionen französischen Lohnempfängern. Damals befaßte sich ein Außerordentlicher Kongreß mit Fragen des Kampfes gegen den drohenden Weltkrieg. 1913 entstand ein Internationales Gewerkschaftssekretariat, dem auch ein Vertreter der CGT angehörte. In jenem Jahr veröffentlichte der Verband ein antimilitaristisches Manifest, das zu großen Hoffnungen berechtigte. Doch bei Kriegsbeginn sank die Mitgliedschaft binnen kurzer Zeit auf etwa 300.000.

In dieser Zeit war ein schwerwiegendes Ereignis eingetreten: die Ermordung des herausragenden französischen Sozialistenführers Jean Jaurés am 31. Juli 1914. Die Grande Nation erfaßte ein chauvinistischer Taumel. Ende 1914 wandte sich nur noch eine Minderheit der CGT-Führung gegen das Blutvergießen. Ihr Generalsekretär Léon Jouhaux trat sogar dem Nationalen Hilfskomitee bei. Allein ein Teil des Metallarbeiterverbandes widersetzte sich diesem Kurs. 1915 zählte die CGT noch ganze 50.000 Mitglieder.

Doch das Jahr 1917 brachte eine Wende: 696 Streiks mit fast 294.000 Teilnehmern kündeten auch in Frankreich von gewachsener Kampfbereitschaft. 1919 standen bereits 1,5 Millionen Proletarier in den Reihen der CGT. Beim Generalstreik am 1. Mai jenes Jahres zogen 500.000 Demonstranten unter Arbeiterfahnen durch Paris, während sich 1.160.000 Franzosen an Arbeitsniederlegungen beteiligten.

1921 beschloß eine Delegiertenmehrheit des Parteitags der Sozialisten in Tours die Gründung der FKP. Das hatte Rückwirkungen auf die Gewerkschaftsbewegung. Die Stärke des linken Flügels offenbarte sich beim CGT-Kongreß in Lille. Doch die Klassenkämpfer waren noch in der Minderheit. Die CGT-Spitze schloß sie kurzerhand aus. Als Reflex bildeten sie die CGTU. 1922 trat dieser Verband der von Lenin begründeten Roten Gewerkschaftsinternationale bei, die bis 1937 bestand.

Die neue Situation nach Hitlers Machtantritt zwang die Gewerkschaftsbewegung zum Zusammenschluß.

1936 hatte sich in Frankreich mit der Bildung der Volksfront und der gewerkschaftlichen Wiedervereinigung im Rahmen der CGT, die jetzt fünf Millionen Mitglieder zählte, die Lage drastisch verändert. Der spanische Bürgerkrieg konfrontierte auch die Franzosen untereinander. In Madrid war im Februar 1936 eine Volksfrontregierung an die Macht gelangt, gegen die der von Hitler und Mussolini unterstützte General Franco den Bürgerkrieg eröffnete. Der Widerstand gegen Franco stellte sich als ein Kampf gegen den Faschismus insgesamt dar. Das Büro der CGT wandte sich gegen die von den Westmächten verkündete Politik der Nichteinmischung und unternahm alles, um die Regierung des Sozialisten Leon Blum zu einem Kurswechsel zu veranlassen. Doch die Spanische Republik überlebte nicht. Am 1. April 1939 fiel Madrid. Aus Sicht der CGT trug die westliche Politik der Nichtintervention die Hauptschuld am Ende des antifaschistischen Spanien.

Einmal mehr spielten jetzt Antikommunisten auch in Frankreich eine finstere Rolle: Die Vertreter der FKP wurden aus dem CGT-Bundesbüro ausgeschlossen, mehr als 600 von Kommunisten geführte Gewerkschaftsorganisationen aufgelöst.

Unter Führung des KP-Spitzenpolitikers Benoit Frachon widersetzten sich konsequent linke Gewerkschafter dem Kurs der Klassenkollaboration. Nach dem Einmarsch der deutschen Faschisten organisierte die CGT an der Seite der FKP den Widerstand. Unvergessen ist der Mut des Pariser Metallarbeiterführers Jean-Pierre Timbaud. Vor seiner Erschießung durch die deutschen Faschisten im Steinbruch von Chateaubriand rief er mit lauter Stimme: "Es lebe die Kommunistische Partei Deutschlands!"

1943 konnte die Gewerkschaftseinheit unter dramatischen Umständen wiedergeherstellt werden. Die CGT, die eine tragende Rolle im Nationalrat der Résistance (CNR) gespielt hatte, erhielt mehrere Mandate im obersten Gremium des französischen Widerstandes. Der die Volkserhebung auslösende Streik der CGT-Eisenbahner von Vitry-sur-Seine ging als Auftaktsignal in die Geschichte ein.

Nach der Befreiung und der Wiedervereinigung ihrer Reihen zählte die der FKP nun eng verbundene CGT mehr als sechs Millionen Mitglieder. Als der Weltgewerkschaftsbund (WGB) im Oktober 1945 entstand, wurde CGT-Sekretär Louis Saillant sein erster Generalsekretär. Mit Verkündung des Marshallplans (Juni 1947) gehörten die CGT und Italiens CGIL zu jenen profilgebenden Verbänden, die sich entschieden weigerten, das prowestliche Konzept der anglo-amerikanischen Unions zu übernehmen.

Ihren Beitritt zum Internationalen Bund Freier Gewerkschaften - der gegnerischen Zentrale - vollzog die CGT, der trotz ihres 1995 erfolgten Austritts aus dem WGB immer noch eine gewisse Nähe zur inzwischen gleichfalls gewandelten FKP nachgesagt wird, erst 2006. Bei notwendigen Abstrichen gehört sie auch heute noch als stärkste französische Gewerkschaftszentrale zu jenen Arbeiterorganisationen, die den Gedanken der Klassenorientierung und der internationalen Solidarität nicht völlig aufgegeben haben.

RF, gestützt auf "Étincelles", Paris

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Kubas Lateinamerikanische Medizinschule

Kuba hat sich durch den Einsatz von Ärzten und medizinischem Personal weltweit als Verfechter fundamentaler humanitärer Anliegen profiliert. Doch der sozialistische Karibikstaat tat weit mehr, als seine eigenen Sendboten mit dem Äskulapstab in ihrer Gesundheit Bedrohten oder Leidenden anderer Kontinente Hilfe erweisen zu lassen. Es hat zugleich auch Zehntausenden mittellosen Lernbegierigen aus unterentwickelten Regionen des eigenen Doppelkontinents und anderer Staaten in der Lateinamerikanischen Medizinschule - der Escuela Latinoamericana de Medicina (ELAM) - eine solide Ausbildung ermöglicht.

Als diese am 15. November 2014 ihren 15. Jahrestag beging, konnte sie auf 24.486 Absolventen verweisen. 6075 junge Menschen aus 117 Ländern sind derzeit dort immatrikuliert. Unter den ersten Studenten des im Westen Havannas gelegenen Gebäudekomplexes, der früher die Akademie der Seestreitkräfte beherbergte, befanden sich Guatemalteken, Nikaraguaner, Salvadorianer, Honduraner und Mexikaner. Der Beschluß zur Gründung der beispielgebenden Einrichtung war unmittelbar nach den große Teile Mittelamerikas verwüstenden Zyklonen George und Mitch gefaßt worden, die etwa 10.000 Menschen das Leben gekostet und mehr als eine Million Obdachlose hinterlassen hatten. Inzwischen studieren an der ELAM künftige Mediziner aus Ozeanien, Asien, Europa, Afrika und der westlichen Hemisphäre, ja sogar junge Bürger der Vereinigten Staaten. Sämtliche ELAM-Absolventen sind dazu berechtigt, nach ihrem Studium auch noch eine für sie kostenfreie Facharztausbildung auf Kuba in Anspruch zu nehmen.

Die Aufnahmebedingungen der Schule sehen vor, daß Bewerber das Abitur nachweisen müssen, nicht älter als 25 Jahre sein dürfen und einfachen sozialen Verhältnissen entstammen sollen. Nach Beendigung des Studiums leisten die meisten frischgebackenen Ärzte zunächst Sozialdienst in ihren Herkunftsländern.

Carlos Julio Franco Diaz praktiziert heute in einer Gemeinde der kolumbianischen Provinz Caldas. "Wir haben von einem Gesundheitssystem profitieren können, dessen Ausgangspunkt die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung ist und bei dem der Akzent auf Prophylaxe gelegt wird. Die Sekundär- und Tertiär-Versorgung erfolgt in Kubas Krankenhäusern und spezialisierten Einrichtungen durch hochqualifizierte Fachkräfte", berichtete er in einem Interview.

RF, gestützt auf "Granma Internacional", Havanna

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"New York Times" verurteilt "Brain-Drain" der USA

Die renommierte "New York Times" - das Seriosität für sich in Anspruch nehmende Blatt der amerikanischen Bourgeoisie - veröffentlichte einen außergewöhnlich scharfen redaktionellen Kommentar zu dem von offizieller Seite in den USA geförderten "Brain-Drain" - der gezielten Abwerbung durch Havanna ins Ausland entsandter Ärzte. Zum sechsten Mal innerhalb weniger Wochen nahm das Redaktionskollegium des Blattes damit zu speziellen Aspekten der seit fünfeinhalb Jahrzehnten gegenüber Kuba verfolgten Politik der Vereinigten Staaten Stellung. Zuvor hatte der durch Emílio Gonzalez - einen USA-Bürger kubanischer Abkunft - geleitete "U.S. Citizen and Immigration Service" eine frische Bilanz seiner Menschenhandelstätigkeit gezogen. Die Einrichtung war im August 2006 auf Anweisung der Bush-Administration geschaffen worden, um kubanische Ärzte und andere Experten gezielt abzuwerben. Wie die "Behörde" mitteilte, hätten die USA bis Ende 2014 - also innerhalb von acht Jahren - insgesamt 5490 von Havanna ins Ausland entsandte Mediziner von einer Rückkehr in ihre Heimat abzuhalten vermocht. Allein 2014 seien 1278 kubanische Ärzte "emigriert".

(Die Tatsache erinnert fatal an die systematische Abwerbung hochqualifizierter DDR-Bürger, die es der BRD ermöglichten, die aufwendigen Ausbildungskosten "einzusparen".)

Die "New York Times" bezeichnete es als "eine absurde Politik", wenn US-Außenminister John Kerry und Washingtons UNO-Botschafterin Samantha Power des Lobes für die in Westafrika gegen Ebola kämpfenden kubanischen Ärzte voll seien, Washington aber zugleich zynische Pläne verfolge, das medizinische Potential des karibischen Inselstaates systematisch zu schwächen.

"Es paßt nicht zusammen, daß die Vereinigten Staaten den Beitrag der durch die kubanische Regierung ins Ausland entsandten Ärzte würdigen, die in globalen Krisen wie 2010 beim Erdbeben in Haiti helfend eingreifen, während sie zugleich weiterhin versuchen, Kuba zu destabilisieren, indem sie diese Fahnenflucht organisieren", heißt es im Editorial der "New York Times". Die Bush-Administration habe in der Abwerbungskampagne eine Möglichkeit erblickt, "gegen den wichtigsten diplomatischen Trumpf Kubas vorzugehen und dessen Revolution zu demütigen".

Das angesehene bürgerliche Blatt unterstrich in diesem Zusammenhang die Tatsache, daß Kuba nach wie vor die international höchste Ärztezahl im Verhältnis zu seiner Bevölkerung besitzt.

RF, gestützt auf "New York Times"

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KP Japans errang 6 Millionen Stimmen und 21 Unterhausmandate

Eine besonders ermutigende Nachricht erreichte uns erst nach Redaktionsschluß aus Nippon: Bei den Unterhauswahlen konnte die KP Japans mit einem Anteil von 11,37 % die Zahl ihrer Sitze von 8 auf 21 erhöhen. Sie errang mehr als sechs Millionen Stimmen.

Gratulation, Genossen!

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

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Namhafter norwegischer Arzt aus Gaza verbannt

Der Arzt und Menschenrechts-Aktivist Dr. Mads Gilbert wird durch die israelischen Machthaber - möglicherweise auf Lebenszeit - am Betreten Gazas gehindert. Der seit 1976 am Universitätskrankenhaus von Nord-Norwegen tätige Professor erwarb sich 2008 durch seine philanthropische Arbeit im palästinensischen Ghetto hohes internationales Ansehen. Während der von Tel Aviv als "Operation Gegossenes Blei" bezeichneten vorletzten Mordattacke auf das hermetisch abgeriegelte Gebiet waren 1400 Palästinenser - unter den 800 getöteten Zivilisten befanden sich 350 Kinder - dem Bomben- und Geschoßhagel der israelischen Armee zum Opfer gefallen.

Unmittelbar nach Beginn der "Offensive" gegen Schutzlose - am 27. Dezember 2008 - hatten sich Dr. Gilbert und sein norwegischer Arztkollege Erik Fosse nach Gaza begeben. Dank diplomatischer und finanzieller Unterstützung (im Umfang von einer Million Dollar!) konnten die beiden Mediziner ihre humanitären Pläne an Ort und Stelle teilweise verwirklichen.

Da Dr. Gilbert einer der wenigen Ausländer war, die den Palästinensern in jenen qualvollen Wochen zur Seite standen, wurde er durch Journalisten von Sendern wie BBC, CNN, ABC und Al Jazeera interviewt. Er widerlegte dabei Israels Lügen, daß seine Luftwaffe keine Zivilisten, sondern lediglich Hamas-Aktivisten bombardiere. Unter Hunderten von ihm betreuter Patienten befänden sich lediglich zwei Kämpfer der Hamas, gab Dr. Gilbert an. Er verwies darauf, daß die vorhandenen Kapazitäten keineswegs zur Versorgung aller Verletzten ausreichten. Israel lasse aber weder weitere Ärzte noch Medikamente und medizinisches Gerät in den abgeriegelten Landesteil.

2008 und 2009 behandelte der norwegische Mediziner vorwiegend Opfer des Einsatzes chemischer Kampfstoffe wie weißer Phosphor.

Auch im Juli vergangenen Jahres, als die Netanjahu-Administration Israels zweiten großen Mordfeldzug gegen die Bevölkerung Gazas unternahm, betreute Dr. Gilbert im dortigen Shifa-Hospital Schwerstverwundete. In einem offenen Brief an US-Präsident Obama schrieb er: "Wo ist Ihr Herz? Ich lade Sie ein, nur eine einzige Nacht mit uns im Shifa zu verbringen." Auch dieses Krankenhaus wurde schon bald darauf durch die israelische Luftwaffe angegriffen.

Dr. Marie Noëlle Rodriguez, Direktorin von "Ärzte ohne Grenzen", traf die Feststellung: "Die Menschen Gazas befinden sich tatsächlich in einer Falle. Sie können nirgendwohin ausweichen."

Wiederholt meldete sich Dr. Gilbert mit alarmierenden Botschaften: 38,5 % der Einwohner Gazas seien arbeitslos, 57 % der Haushalte besäßen keine gesicherte Versorgung mit Lebensmitteln und sauberem Wasser.

Zu all dem kamen die Auswirkungen der zweiten Luftterrorwelle, der in Gaza erneut mehr als 2200 Menschen, darunter 1500 Zivilisten und über 500 Kinder, zum Opfer fielen.

Der unermüdliche Mahner und Helfer Dr. Mads Gilbert darf seitdem das Ghetto Gaza nicht mehr betreten. Er ist übrigens nicht der einzige, dem man die Einreise verweigert. Auch Amnesty International und Human Rights Watch stehen auf der Liste der Ausgesperrten. Die israelische Journalistin Amira Hass sprach in der Zeitung "Haaretz" von "verschiedenen bürokratischen Vorwänden" zur Abwehr unerwünschter Beobachter des Geschehens in Gaza - einem Gebiet, das seit 1967 illegaler militärischer Okkupation unterliegt.

Übrigens begannen die USA vor mehr als 52 Jahren mit ihren Gratis-Waffenlieferungen für Israel. Seitdem sind vom Pentagon Jahr für Jahr Mordinstrumente im Wert von 3,1 Mrd. Dollar in dieses Spannungsgebiet geliefert worden.

RF, gestützt auf "Global Research", Kanada

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Israels Kommunisten trotzen dem Netanjahu-Regime

Die Juden und Araber vereinende KP Israels sieht den im März stattfindenden Knesseth-Wahlen trotz des im Lande herrschenden chauvinistischen Klimas kampfentschlossen, aber ohne illusionäre Erwartungen entgegen. Auf ihrem 27. Parteitag, der am 12. und 13. Dezember 2014 in Nazareth stattgefunden hatte, war es um Wege zur Verbreiterung des antizionistischen Widerstandes gegangen. Die Partei ringe angesichts neuer drakonischer Maßnahmen Tel Avivs diesmal um jede Stimme.

Der erste Kongreßtag hatte ganz im Zeichen des Protests gegen die Ermordung des palästinensischen Ministers Ziad Abu Ein durch das israelische Militär gestanden. Diese neue Gewalttat der zionistischen Machthaber wurde durch die Parteitagsteilnehmer auf das schärfste verurteilt. Die KPI wandte sich gegen die anhaltende Besetzung palästinensischer Territorien durch Israel und sprach sich für die Schaffung eines souveränen Staates Palästina im Sinne der UNO-Beschlüsse aus. Das höchste Gremium der Kommunisten Israels war nach der durch Tel Aviv verfügten Auflösung der Knesseth zusammengetreten.

Die Parlamentswahl finde in einer Atmosphäre zugespitzter Aggressivität der Netanjahu-Regierung statt, die durch eine Reihe antidemokratischer Maßnahmen flankiert werde, urteilte die KPI. Dazu gehörten insbesondere das "Grundgesetz des jüdischen Staates" und die Einführung einer Sperrklausel für Knesseth-Mandate. Parteien, auf deren Liste weniger als 3,25 % der Stimmen entfielen, sollten fortan keine Parlamentssitze mehr erhalten. Bei den vorangegangenen Wahlen hatten drei Prozent der Votierenden für die Liste der durch die KPI maßgeblich geprägten Haddash-Front gestimmt. Es ist offensichtlich, daß die Neuregelung ausschließlich darauf abzielt, die israelischen Kommunisten und andere nichtzionistische Kräfte am Einzug in die oberste Vertretungskörperschaft des Landes zu hindern.

Trotz dieser belastenden Umstände sind Israels jüdische und palästinensische Kommunisten fest entschlossen, ihre antiimperialistische und internationalistische Position mit aller Entschiedenheit zu verteidigen - eine Haltung, die angesichts des im Lande herrschenden präfaschistoiden Klimas und der völligen Straflosigkeit der Mörder von Gaza höchste Anerkennung verdient.

RF, gestützt auf "Avante!", Lissabon

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Was die "zivilisierte westliche Welt" kaltläßt

Boko Haram massakrierte Tausende Nigerianer

Wenn ultra-islamistische Terroristen in Paris über ein Satiremagazin herfallen und einige seiner Zeichner brutal ermorden, begeben sich die Staatschefs der kapitalistischen Welt, darunter auch solche, die selbst gehörig Dreck am Stecken haben, in Windeseile zum Ort des Geschehens. Sie stellen dort ihr vermeintliches Mitgefühl zur Schau und heucheln "Solidarität" mit den Opfern. Doch wenn in einer Reihe westafrikanischer Staaten 8000 Menschen an Ebola elend zugrundegehen, weil man zur Bekämpfung der Seuche noch kein adäquates (und profitbringendes) Heilmittel entwickelt hat, ist dieser Vorgang, solange die weißen Kontinente nicht davon betroffen sind, kaum mehr als eine Erwähnung in den Abendnachrichten wert.

Nicht anders verhielt es sich lange Zeit mit den entsetzlichen Bluttaten der ultraislamistischen Sekte Boko Haram, die im Norden Nigerias Schulmädchen kidnappt, ein Blutbad nach dem anderen anrichtet und bereits Tausende und aber Tausende in ihre Fänge Geratene massakriert hat. Schwarze Menschen! Wären die unglückseligen minderjährigen Schülerinnen, die der religiös verbrämte Killerklan in Chibok zu Hunderten gewaltsam entführt, sexuell mißbraucht, verkauft und möglicherweise sogar bei Selbstmordattentaten in den Tod geschickt hat, Europäerinnen aus einem "zivilisierten Land" wie Frankreich oder der BRD gewesen, hätte sich vermutlich auch ihretwegen die Creme der die kapitalistische Welt Regierenden eingestellt!

Boko Haram (Buch voller Sünden) ist eine Organisation jihadistischer Extremisten, die Nigerias Nordoststaat Borno fest im Griff hat und von dort aus ihre Terrorfeldzüge unternimmt. Die Streitkräfte des siebtgrößten Staates der Welt mit einer Bevölkerung von 184 Millionen sind ihr nicht gewachsen, die Befehlshaber der Armeen des imperialistischen Paktsystems aber verspüren keine Lust, sich mit den vor nichts zurückschreckenden Terroristen zu messen. Jetzt sind Truppen anderer afrikanischer Staaten dieses Risiko eingegangen.

Nigerias Reichtum ist das Erdöl. Der OPEC-Mitgliedsstaat liegt derzeit an 13. Stelle unter den Förderern des schwarzen Goldes. Seine Ölreserven werden auf 37 Mrd. Barrel (Faß) geschätzt. Vermutet werden überdies erhebliche Mengen Erdgas. Die Exportstruktur des ostafrikanischen Landes basiert auf Erzeugnissen des Bergbaus, der Landwirtschaft und des Fischfangs, was Nigerias Abhängigkeit von flukturierenden Weltmarktpreisen erkennen läßt. Derzeit ist es wie Rußland und Venezuela vom Absturz der Öl-Erlöse empfindlich betroffen. Die Weigerung Saudi-Arabiens, seine Förderung im Interesse einer Preisstabilisierung zu drosseln - es handelt sich dabei um die OPEC-Standardmethode in Preisverfallszeiten -, zeitigt für Nigerias Wirtschaft verheerende Folgen. Hinzu kommt, daß seine Raffinerien trotz des enormen Reichtums an Rohstoffen in einem so schlechten Zustand sind, daß sogar Benzin importiert werden muß.

Zur Unzufriedenheit breiter Schichten der nigerianischen Bevölkerung gesellt sich eine ins Kraut geschossene Korruption. Tiefgreifende moralische Auswirkungen hat auch das Unvermögen der Regierung des Präsidenten Goodluck Jonathan und seiner Volksdemokratischen Partei, dem sich ständig ausweitenden Terror von Boko Haram ein Ende zu setzen. Das eröffnete dem früheren Militärdiktator Muhammadu Buhari die Möglichkeit, an die Spitze einer Fünf-Parteien-Koalition zu treten, der schon vor den zunächst für Februar angesetzten, dann aber auf Ende März verschobenen Wahlen günstige Prognosen zugebilligt wurden. Der Sozialistischen Partei als einziger linker Formation Nigerias verwehrte die Nationale Wahlkommission ausdrücklich das Recht zur Kandidatenaufstellung.

Nigeria entstand 1914 als britische Kolonie. Londons Interesse war einerseits kommerziell bedingt, andererseits aber auch darauf gerichtet, Frankreichs weitere koloniale Expansion im schwarzafrikanischen Raum zu stoppen. An Ort und Stelle zeigte man sich uneinheitlich: Während moslemische Emire im Norden ihre eigenen Herrschaftsbereiche als Vasallen der britischen Krone aufrechterhalten konnten, setzten sich im Süden christliche Missionare gegen die bestehenden Religionsgemeinschaften durch.

1960 wurde Nigeria unabhängig. Seine erste Regierung bildeten konservative Kräfte aus dem Norden, die mit den Briten nach wie vor gemeinsame Sache machten. 1966 stürzte eine Gruppe jüngerer Armeeoffiziere Premierminister Abubakar Tafawa Balewa. Er und sein nördliches Gefolge wurden getötet. Die Auseinandersetzungen führten zur vorübergehenden Umwandlung Südost-Nigerias in den unabhängigen Staat Biafra - eine zeitweilige Abspaltung, die sich auf Dauer aber nicht halten ließ. Schwache Zivilregierungen und Militärdiktaturen lösten in der Folge einander ab, doch die Nord-Süd-Teilung blieb bestehen.

Der in diesem Jahr für einen "Kongreß aller Fortschrittskräfte" angetretene Präsidentschaftskandidat Buhari ist ein alter Bekannter: Er war nicht nur General, sondern auch Gouverneur jenes nordöstlichen Staates, auf dessen Territorium Boko Haram jetzt sein blutiges Imperium errichtet hat. 1983 kam er durch einen Militärputsch in Lagos an die Macht. Nach weniger als zwei Jahren wurde er durch einen anderen Staatsstreich zu Fall gebracht. 2011 unterlag Buhari bei den Präsidentschaftswahlen Goodluck Jonathan. Dessen Volksdemokratische Partei hatte bisher stets die Praxis befolgt, ihre Kandidaten alternierend mal aus dem christlichen Süden, mal aus dem moslemischen Norden zu rekrutieren.

Seine Wiederwahl 2011 unterbrach diesen Modus, was das nördliche Wahlvolk gegen ihn aufbrachte und Boko Harams Aktionsradius wesentlich erweiterte. Im Vorfeld der Wahlen wirkte sich das Scheitern des Präsidenten bei der Bekämpfung der Korruption und sein Unvermögen, dem Terror von Boko Haram Einhalt zu gebieten, zugunsten Buharis aus. Der hatte sich für die Einführung der islamistischen Sharia ausgesprochen, die allerdings nur im Norden gelten solle.

RF, gestützt auf "People's World", New York

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Die NATO verwandelte Afrikas reichsten Staat in ein Armenhaus

Was in Libyen mit Gaddafi unterging

Im Jahr 1969 übernahm Oberst Gaddafi - ein antiimperialistischer Offizier - die Staatsgeschäfte in einem der ärmsten Länder Afrikas. Als er 2011 im Auftrag der USA ermordet wurde, war Libyen der wohlhabendste und sozial am meisten fortgeschrittene Staat des schwarzen Kontinents mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen und der längsten Lebenserwartung. Dort vegetierten weniger Menschen unterhalb der Armutsschwelle als in den Niederlanden.

Nach der NATO-Intervention zerbarst der nordafrikanische Staat in Fragmente. Seine zuvor hochentwickelte Wirtschaft wurde zu einem einzigen Trümmerhaufen. Die Regierungsgewalt ging an örtliche, stammeseigene, regionale, islamistische oder einfach kriminelle Milizen über. Die Ölproduktion kam fast gänzlich zum Erliegen.

Die Entwicklung führte dazu, daß Libyen heute zwei einander nicht anerkennende Regierungen mit eigenen Premiers, Parlamenten und Armeen besitzt.

Im Westen des Landes, vor allem um die Hauptstadt Tripolis, übernahmen mit Islamisten verbundene Kommandos die politische und militärische Kontrolle. Die gewählten Vertretungskörperschaften und deren Vollzugsorgane wurden einfach auseinandergejagt. Die Staatsmacht erinnert dort, soweit überhaupt vorhanden, an Anarchie.

Im libyschen Osten mit Tobruk als Zentrum etablierte sich 1200 Kilometer von Tripolis entfernt eine nicht minder "legitime" Regierung aus Anti-Islamisten, die allerdings kaum etwas zu sagen hat.

Der Sturz Gaddafis schuf Raum für die allerschlimmsten Szenarien: Während sämtliche westlichen Botschafter das Land verließen, wurde der Süden zum Schutzhafen für Terroristen. Die nördliche Küstenregion gilt längst als ein Zentrum des Menschenhandels der Schleuserbanden. Ägypten, Algerien und Tunesien haben ihre Grenzen zu Libyen geschlossen. Morde, Vergewaltigungen und Folter vervollständigen das alltägliche Bild eines Landes, dessen Staatsmacht total zusammengebrochen ist. Washington, das auf Kontakte zu beiden gleichermaßen nicht funktionsfähigen Regierungen kaum Wert legt, unterstützt indessen eine dritte Kraft: den langjährigen CIA-Kontaktmann General Khalifa Hifter, der für sich die Rolle eines Diktators anstrebt. Er brach in den 80er Jahren mit Gaddafi und lebte eine Zeitlang unweit des CIA-Hauptquartiers Langley im USA-Bundesstaat Virginia, wo er auf ganze Serien von Verschwörungen gegen den ersten Mann Libyens vorbereitet wurde, darunter den 1996 gescheiterten Putschversuch. Schon 1991 berichtete die "New York Times", Hifter sei "einer von 600 libyschen Militärs, die unter US-Präsident Reagan durch Spezialisten der CIA für Sabotageakte und andere Formen des Guerillakampfes gegen das Gaddafi-Regime ausgebildet" worden seien.

Derzeit sind Hifters Leute bemüht, gemeinsam mit der durch die U.S. Army ausgerüsteten Al-Quaida-Gruppe Ansar-al-Sharia die Kontrolle über Bengasi, Libyens zweitgrößte Stadt, zu erringen. Die beteiligten Terroristen der Al Quaida stehen übrigens im dringenden Tatverdacht, US-Botschafter Stevens ermordet zu haben.

Hifter erhält nicht zuletzt auch deshalb logistische und Luftwaffen-Unterstützung seitens der USA, weil seine Fraktion ein weitgehend säkulares Libyen anstrebt, das sich westlichem Kapital maximal zu öffnen bereit ist. Denn aus Sicht der NATO bestand Gaddafis größtes "Verbrechen" darin, die Interessen der Bevölkerung seines Landes über die des ausländischen Kapitals gestellt zu haben. Im August 2011 ließ US-Präsident Barack Obama mehr als 30 Mrd. Dollar bei Libyens Zentralbank beschlagnahmen, die Gaddafi für die Gründung eines Afrikanischen Internationalen Währungsfonds und einer Afrikanischen Zentralbank vorgesehen hatte.

Mehr als 40 Jahre setzte sich der später ermordete libysche Staatsmann für Wirtschaftsdemokratie ein. Er nutzte den durchweg nationalisierten Ölreichtum des Landes, um ein fortschrittliches soziales Wohlfahrtsprogramm für alle Libyer zu verwirklichen. Unter Gaddafi waren Gesundheitsfürsorge und Volksbildung gebührenfrei. Das galt auch für den Bezug von Elektroenergie und die Aufnahme von Bankkrediten, für die keine Zinsen erhoben wurden.

Jetzt steht das libysche Gesundheitswesen vor dem totalen Zusammenbruch. Am meisten aber leiden unter dem 2011 erfolgten Sturz des in sozialpolitischer Hinsicht progressiven Regimes die libyschen Frauen. Sie hatten das uneingeschränkte Recht auf Bildung, gleichberechtigte Arbeit, Ehescheidung, persönliches Eigentum und eigenes Einkommen.

Als Gaddafi 1969 ans Ruder kam, besuchte nur eine Handvoll Frauen die Universitäten. Er sorgte dafür, daß sich ihr Anteil auf die Hälfte aller Studierenden erhöhte. Einer der ersten legislativen Akte, für den er Verantwortung trug, war das 1970 eingeführte Gesetz über gleichen Lohn für gleiche Arbeit.

Der UN-Menschenrechtsrat würdigte nachdrücklich die Förderung der Frauenrechte in Libyen. Heute tritt das diffuse Regime diese mit Füßen. Die neuen Stammesregeln sind durch und durch patriarchalisch.

Auch in Syrien, wo die Gleichberechtigung der Frau noch immer einen hohen Stellenwert besitzt, unternehmen die Gegner Präsident Assads alles, um das in dieser Hinsicht progressivste Land des arabischen Raums wie zuvor Libyen weiter in Stücke zu schlagen.

RF, gestützt auf "the Beacon", Melbourne und "Global Research", Kanada

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Helden und Heuchler

Während PEGIDA und HOGESA auf den Straßen der BRD ihre Ausländerfeindlichkeit und ihren Rassenhaß zur Schau stellen durften, wurde anderen Ortes die Befreiung von Auschwitz begangen. Unter den "Ehrengästen" der Gedenkveranstaltung befanden sich mit Petro Poroschenko und Joachim Gauck zwei wohl eher dem historischen Geschehen fernstehende Persönlichkeiten, während die weißpolnischen Einlader den russischen Präsidenten Wladimir Putin "vergessen" hatten. Damit fehlte der oberste Repräsentant jenes Landes, dessen Rote Armee den Überlebenden des Vernichtungslagers im Januar 1945 die Tore aufgestoßen hatte.

Die Lebensretter waren Soldaten und Offiziere der 1. Ukrainischen Front und damit Angehörige aller Völker der UdSSR, nicht aber - wie fälschlicherweise ausgestreut wurde - "Ukrainer". Die Fotos auf dieser Seite - sie stammen aus dem Archiv des DKP-Organs "unsere zeit" - dokumentieren das dramatische Geschehen jenes Tages.

RF

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Zwei Brudervölker: Russen und Belorussen
aus der Moskauer Zeitschrift "Lenin und das Vaterland"

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Auch das gehörte zum "American way of life"

Die Fotos auf dieser Seite dokumentieren einen oft unterschlagenen Aspekt des Aufstiegs der Vereinigten Staaten zum mächtigsten kapitalistischen Land der Welt. Ausbeutung von jedermann und um jeden Preis hieß die Devise.

Zu den Ursprüngen der stürmischen Wirtschaftsentwicklung in den USA gehörte auch das finstere Kapitel der Kinderarbeit. Die Aufnahmen des herausragenden amerikanischen Arbeiterfotografen Lewis W. Hine entstanden unter dem Signum des National Child Labor Committee, das zwischen 1908 und 1924 in den Vereinigten Staaten Beachtliches leistete.

Die Presseabzüge stellte uns die Kölner Galerie Arbeiterfotografie in solidarischer Weise zur Verfügung.

RF


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Minderjährige Kohlenbrecher der Ewen Breaker of Pennsylvania Coal Company in South Pittston, Januar 1911
- Kinder als Baumwollspinner bei Lancaster Mills, South Carolina, Dezember 1908
- Zehnjährige Spinnerin der Mollahan Mills Newberry, South Carolina, Dezember 1908

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Wo Denkmäler an die Gefallenen der Roten Ruhrarmee erinnern

Ein heroisches Kapitel deutscher Geschichte

Auch in diesem Jahr werden im Westen Deutschlands wieder eine Reihe von Gedenkveranstaltungen und Kranzniederlegungen zur Erinnerung an die Märzgefallenen stattfinden. Mitglieder der DKP, der Partei Die Linke, der SPD und weitere Antifaschisten halten so in Dinslaken, Pelkum (Hamm), Bochum, Wuppertal, Bottrop, Dortmund und anderen Ortes die Beschäftigung mit dem Geschehen während des Kapp-Lüttwitz-Putsches und der Märzrevolution 1920 wach.

Die damaligen Ereignisse blieben vielen im Gedächtnis. Die Toten ehrte man mit Denkmälern, mit den Hinterbliebenen übte man Solidarität. In Büchern, wissenschaftlichen Abhandlungen, Romanen und Theaterstücken wurden die Vorgänge thematisiert. Alljährlich fanden Märzfeiern der Arbeiterbewegung statt. In keiner Region gibt es heute noch eine solche Fülle von Gedenksteinen und Erinnerungszeichen an die Märzkämpfe wie in Gemeinden und Städten von NRW. Sie alle werden in dem neuen Buch des Bochumer Ruhrecho-Verlags zum Kapp-Putsch und zur Märzrevolution vorgestellt. Es beleuchtet die Hintergründe des Geschehens. Der Totenehrung, Entstehen und Umgang mit den Denkmälern der Märzgefallenen widmet sich ein großer Teil des Werkes. Erklärt werden Symbole und Gestaltungselemente wie Hammer und Sichel, Roter Stern, Palmwedel, aufgehende Sonne und Fackeln. Hierfür wurde eine enorme Zahl lokaler Quellen erschlossen, die der Autor in jahrzehntelanger Recherche zusammengetragen hat.

Zuerst geht das Buch aber auf die spontanen Reaktionen zur Abwehr des Kapp-Lüttwitz-Putsches aus der lokalen und regionalen Erforschung im rheinisch-westfälischen Industriegebiet, dem heutigen Land Nordrhein-Westfalen, ein. Behandelt werden Mechanismen sowie Organisations- und Sozialstrukturen des Kampfes jener Zeit. Der Frage, wie das bis heute bestehende Interesse an Kundgebungen, Aufmärschen und seinerzeitigen politischen Geschehnissen zu erklären ist, wird ebenso Bedeutung beigemessen wie der Suche nach Aufschlüssen darüber, warum die Proletarier im Ruhrpott das System der Ausbeutung und Unterdrückung, dem ihre Eltern und Großeltern ein Leben lang unterworfen waren, im März 1920 nicht mehr ertragen wollten.

Das vorliegende Buch ist mehr als 90 Jahre nach den geschilderten Ereignissen von unverminderter Aktualität. Die Erinnerung an die Märzkämpfer muß wachgehalten werden, zumal deren historische Rolle in der alten BRD weithin unterschlagen wurde. Demgegenüber erfuhr jeder Schüler in der DDR wesentliches über das damalige Geschehen. Die Erfahrung, wie in den ersten Jahren der Weimarer Republik ein Generalstreik die offene Diktatur des Kapitals verhindert hat, ist bis in die heutige Zeit von großer Relevanz. Verlag und Autor tragen mit dem Buch dazu bei, diesen Teil der Geschichte vor Ort neu zu entdecken und seriös zu bewerten. Sie würdigen den Einsatz sehr vieler Menschen, vor allem aus der Arbeiterbewegung, für die Verteidigung der damals wie heute von rechten Kräften bedrohten Republik. Ihr Beispiel mahnt und verpflichtet die jetzt lebenden Generationen.

RF


Günter Gleising, Mitarbeit Anke Pfromm: Kapp-Putsch und Märzrevolution 1920 (Bd. II). Ereignisse und steinerne Zeugen - Gräber und Denkmäler zwischen Rhein und Weser erzählen Geschichte. 536 Seiten, zahlreiche Dokumente und Fotos, 24 Euro, ISBN 978-3-931999-16-2, Bestellungen: info@ruhrecho.de

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Hanns Dieter Hüsch: carmina urana (1963)
Vier Gesänge gegen die Bombe / Vierter Gesang

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Compañera Christa: Für junge und junggebliebene Rotfüchse

Jahrhundert der Frauen

Vor hundert Jahren begann es - das Jahrhundert der Frauen. Das Wort FRAUENTAG hört sich so leicht an, so selbstverständlich. Aber hinter ihm stehen Kampf und Verzweiflung, Widerstand und Verzicht, Geringschätzung und Spott. Denken wir an tapfere Frauen wie Clara, Rosa, Berta, Hedwig, Dolores, Simone, Alice, Lotte und viele, viele andere. Im Vergleich zu unseren Ur-Müttern sind wir jetzt Frauen mit gewachsenem Selbstbewußtsein, weil wir uns auf erkämpfte Rechte stützen können. Darüber habe ich Gedichte geschrieben. Eines davon lautet:

JAHRHUNDERTELANG

wählten Männer sich Frauen aus.
Die warteten demütig sanft, senkten
scheu den Kopf, die Lider.
Den Blick nach innen gekehrt.

Ich habe meinen Nacken erhoben
Die Augen weit geöffnet.
Nicht ohne Staunen
sehe ich mich um.

Und wenn mir einer
so gefällt, daß mir der Atem stockt
in seiner Nähe, dann sag ich's ihm,
vor allen - oder nie.


Gesellschaftlichen Fortschritt erkennt man nur im Vergleich. Wenn man bedenkt, daß in Deutschland Frauen erst 1910 die Zulassung zu Universitäten bekamen und 1918 das Wahlrecht, dann sind wir in hundert Jahren weit gekommen.

Im Faschismus zwang der Krieg die Frauen, die Hosen anzuziehen, ob sie wollten oder nicht. Während die Männer an den Fronten waren, mußten die Frauen sie in allen Bereichen ersetzen. So war vielen von ihnen nach dem Krieg ein neues Selbstbewußtsein gewachsen, wenn auch aus Not und Verzweiflung. Im geteilten Deutschland hieß es in den bundesdeutschen Medien: das Beste an der DDR sind die Frauen. Ja, wir hatten ab 1950 gute Gesetze zur Gleichberechtigung, Bildung, Lohngleichheit und Kinderbetreuung.

Ich konnte als junge Frau Arbeit und ein Studium aufnehmen und ein eigenes Bankkonto besitzen, ohne die schriftliche Genehmigung meines Mannes. Ab 1966 gab es kostenlos die Pille, und der 9. März 1972 brachte das Gesetz zum legalen Schwangerschaftsabbruch.

Unsere Schwestern in der Bundesrepublik waren da schlechter dran. Sie bekamen erst 1976 ein eindeutiges Gesetz zur Gleichstellung für Arbeit, Studium und eigenes Konto. So waren die Siebziger goldene Jahre in der deutschen Frauenbewegung, mit moralischer und erotischer Selbstbestimmung. Das Jahr 1975 wurde sogar international zum "Jahr der Frau". Jetzt gehörte es zum guten Ton, sich allerorts mit Frauenfragen zu beschäftigen. Feminismus war international Mode geworden und verkaufte sich gut. Naturgemäß geriet danach wieder vieles in Vergessenheit, denn konservative männliche Kräfte drängten zur alten "Normalität" zurück. Und mit der "Wende" 1989, die zwar manche Freiheit brachte, verloren zu viele Frauen in der DDR ihre Arbeit, ihre Möglichkeiten zur Selbstbestimmung, zur kostenlosen Bildung und Kinderbetreuung. Doch: Was einmal war, bleibt in der Welt. Töchter und Enkeltöchter werden Verlorenes wiedergewinnen.

Vernünftige Männer wollen keine gedemütigten Frauen, sondern Gefährtinnen, welche die Verantwortung für die Familie mittragen. Und kluge Frauen wissen, daß Gleichberechtigung gegen den Mann in eine Sackgasse führt. In hundert Jahren haben sich Frauen in fast allen Berufen bewährt, nicht nur als Ärztinnen, Architektinnen, Kranfahrerinnen, Pilotinnen, Parlamentarierinnen und Politikerinnen. Ja, auch Kanzlerin und Verteidigungsministerin sind sie geworden. Wer hätte das vor 100 Jahren gedacht?

Ich habe immer gehofft, daß die Welt friedlicher wird, wenn Frauen an die Macht kommen, es keine Kriege oder Kriegsbeteiligungen mehr geben wird. Falsch gedacht! Wie schade, daß Kanzlerin und Verteidigungsministerin weiterhin deutsche Waffenexporte befürworten und auch Einmärsche bundesdeutscher Soldaten in etwa 15 Kampfgebiete weltweit. Ziehen da vielleicht mächtige Männer im Hintergrund die Fäden? Ich habe sechs Enkelsöhne, die ich nicht als tote Soldaten sehen möchte, wie es einst ihren Urgroßvätern geschah.

Fazit: Wir sind noch lange nicht am Ende unseres Kampfes. Mischen wir uns ein, Mädchen, Mütter, Töchter, Enkelinnen, jede mit ihren Möglichkeiten - im Gesellschaftlichen wie im Privaten.

Schließen möchte ich mit einem von Christian Kozik vertonten Text, den ich als Ermunterung arbeitslosen Frauen gewidmet habe.

DIE VENUS AUS DEM OSTEN

Hier sehn Sie eine Vierzigjährige!
Flotte Figur und gute Geistesgaben.
Doch bin ich arbeitslos von Kopf bis Fuß.
Und keine, keine Firma will mich haben.
Zu alt zur Arbeit? Früher war ich Beste.
So langsam schwinden meine schönen Reste.
Ich reihe mich ins Heer der Arbeitslosen ein.
Und heb die Faust und - zeige Bein.
Das wird mich noch so manche Träne kosten.
Ich bin die Venus aus dem Osten.

Ein Glück, mein Trabbi kann nicht rosten.
Ich bin die Venus aus dem Osten.
Ich sing kein Loblied auf die alten Zeiten.
Mein Land ging unter, 's war nicht zu halten.
Nun müssen wir noch mal von vorn beginnen
und uns auf Marx und Engels neu besinnen.
Mein Herz schlägt links, mit Wurzeln tief im Volke.
Ich bin ein Kind des Proletariats.
Da paß ich nicht zu Herren in Armani
und Rolex, Aktien und Visacards.
Das wird mich aber keine Träne kosten.
Ich bin die Venus aus dem Osten.
Den goldenen Freiheitspaß, den hab ich satt.
Der Mensch ist frei nur, wenn er Arbeit hat.
Die große Freiheit ist hohles Gequatsche.
Wer arbeitslos ist, sitzt tief in der Patsche.
Ich pfeife auf die edlen Freiheitsglocken
und trage weiter meine roten Socken.

Und meine Söhne werde ich verstecken,
damit sie nicht am Hindukusch verrecken.
Das wird mich meine ganzen Kräfte kosten. Ich
bleib die Venus aus dem Osten.
Mein Land ging unter, nicht meine Ideale.
Ich raff mich auf und werfe mich in Schale.
Nein, "Wohlstandsmüll" will ich nicht sein.
Ich dräng mich lieber in den Bundestag hinein.
Und sollte ich mich wieder mal verlieben,
vielleicht in einen Wessi-Mann - von "drüben".
Und schlägt sein Herz so links wie auch das meine,
da finden wir zum innigsten Vereine.
Das wird mich Freudentränen kosten.
Ich bin und bleib die Venus aus dem Osten.

Christa Kozik

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Eine Märchengestalt, die mich an Tante Frieda erinnert

Frau Holle

Werner Klemke hat sie in einem der schönsten Bücher des Jahres 1963 mit wenigen Strichen ins Bild gesetzt, pausbäckig, freundlich, das Gesicht von großer Haube umrahmt, schaut sie aus dem Fenster auf das fleißige, bettenklopfende Mädchen und den federflaumigen Flockenregen herab.

Frau Holle ist für mich mehr als eine Märchengestalt, welche die Fleißigen belohnt und die Faulen bestraft.

Für mich hat sie das Gesicht meiner Tante Frieda aus Körkwitzer Kindertagen.

Sie war liebevoll um mich besorgt, päppelte mich mit Bratkartoffeln und Speck, frischer Milch und saftigen Birnen, führte mich sanft an kleine Aufgaben heran: Heu wenden, Garben aufstellen, aus Mehl und Wasser sämige Soße anrühren, Tiere sorgsam behüten und Menschen in Not nicht übersehen.

Die "Frau Holle" der Gebrüder Grimm ist beliebt und bekannt bei uns. 2006 wurde sie als schönstes deutsches Märchen ausgezeichnet. Aber hast du gewußt, daß Frau Holle auch eine Sagengestalt ist? Sie soll auf einem Berg zu Hause gewesen sein, möglicherweise den Hörselbergen bei Eisenach, vielleicht dem Hohen Meißner bei Kassel. Dort gibt es den unendlich tiefen Frau-Holle-Teich. Er muß wohl der Eingang zu ihrer anderen Welt sein. Im Volksmund ist sie für den Schnee im Winter verantwortlich: Je mehr sie die Betten schüttelt, um so höher liegt er. Wenn sie im Frühjahr über die Felder wandert, erweckt sie die Natur, segnet die Saat und läßt die Pflanzen sprießen.

Auch Spinnen und Weben hat Frau Holle die Menschen gelehrt. Sie herrscht über die Schätze im Innern der Erde. In manchen Gegenden gilt Frau Holle gar als Baby-Bringerin.

In den Rauhnächten zwischen dem 23. Dezember und dem 5. Januar mußte früher die Arbeit ruhen. Dann kam Frau Holle auf die Erde, um nachzusehen, wer das Jahr über fleißig oder faul gewesen war. Sie prüfte die Seelen der Menschen. Als alte hilflose Frau in Gestalt der Muhme Mählen bat sie um Nahrung und Obdach. Wer half, wurde reich belohnt, wer geizig war, bestraft. Der Holunder, auch Holler, ist ihr geweiht. Schon möglich, daß sie daher ihren Namen hat. Für mich ist Frau Holle ein Vorbild, eine liebevolle Mutter.

Um das Tor mit seinen Möglichkeiten beneide ich sie, aber hindurchgehen würde ich vorsichtshalber nicht.

Ich würde Renate vorschicken, die bekäme für ihren unbestechlichen Gerechtigkeitssinn einen Goldregen, Amrei für ihre Solidarität und freundliche Fürsorge, Carla für Standhaftigkeit und herzerfrischenden Frohsinn, Martina für schöpferischen Gedankenaustausch und Steffi für heilende Zuwendung und ... Ja, noch viele andere Frauen wären hier zu nennen. Und die zweite Möglichkeit des Tores?

Ich würde es vor dem Bundestag aufstellen und seine Wirkung auf leere Versprechungen richten. Da würden sich die Reihen lichten.

Die eingesparten Diäten könnten den Goldregen des ersten Tores verstärken.

Edda Winkel

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"Wende"-Erfahrungen

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Gisela Steineckert: Hand aufs Herz

"Wie vor den Kopf geschlagen" - das ist ein altes, aber gerade besonders zutreffendes Wort. Und "überfordert" bleibt ein nicht minder genaues. Kein richtiger Winter, der da auf uns einschlug. Zerrissen zwischen der einen und der anderen Sorge, immer gut unterrichtet - dabei immer fast wehrlos - wird die eigene Haltung abgefragt und bleibt in der Luft hängen. "Die Erfahrungen des Lebens", sagt Klaus Steiniger, "gehören, wie immer sie sind, auf die Habenseite." Er hat recht, aber wenn einem gerade das Maul offensteht, kann man kaum gelassen die beste Antwort finden. Worauf?

Ich habe diese Kanzlerin nicht gewählt, aber sie hat das Recht, in meinem Namen Sätze zu sprechen, für die ich mich schäme. Sie redet über Sanktionen und tut so, als wären ihr die Pläne der USA gegen Rußland unbekannt. Sie tut so, als sei sie träge und langweilig, als könne sie diesen unglaubwürdigen deutschen Präsidenten ertragen, als sei sie zwar irgendwie, aber unaufgeregt, gegen die Erstarkung der Rechten, gegen deren Absichten und Forderungen "für Deutschland, für die eigene Rasse, für den Platz an der Sonne". Bayern träumt seinen alten Fürstentraum, in dem immer auch schlimme, nicht nur biedere Gelüste schlummern, aber "mir san mir" reicht ihnen auch.

Das ist mir kein Vaterland. Ich kann ihren Dialekt, aber ihr Denken kann ich nicht. Ich bin auch nicht "Charlie"! Als ehemalige Kulturredakteurin im "Eulenspiegel" habe ich zu viele Diskussionen um jene Grenze erlebt, hinter der ein "Knaller", eine scheinbare Kühnheit, zur schneidenden Waffe gegen lebendige Haut wird, oder eine Art zu glauben, die niemand anderem schadet.

Es scheint, als sei die Menschheit gerade in Gestalt ihrer Beauftragten dabei, alle Erfahrungen der Weltpolitik wieder einmal in den Wind zu schlagen. Als seien alle Opfer umsonst gewesen. Dafür??? Und nun zähle du auf, was du in deinem Leben unterlassen hast, um deine Lebensaufgabe zu leisten, deine Arbeit zu machen, ein Lernender zu bleiben, immer auch für andere zu sorgen, damit sie ihren eigenen Weg finden können. Du hast dich eingebracht, hast verzichtet auf Unternehmungen, für die es nun zu spät ist, oder du könntest noch, träumst aber lieber weiter davon.

Es war dein Leben, es war unser Leben, nie ein bequemes, und es gab darin kaum Wunder. Doch, es gab sie. Auf der Entbindungsstation, oder manchmal einen Vormittag lang bei der Arbeit, wenn es stimmte, zwischen ihr und dir. Oder weil da ein anderes Herz für dich wie für sonst niemanden schlug.

Als "wer" bin ich jetzt eigentlich so wütend auf der Suche nach Überblick und Rat? Es ist März; unser Monat, Mädels. Und sagt mir ruhig, daß alles viel langsamer geht, als wir es gebrauchen könnten, viel langsamer: "Zwei Schritte vor, einer zurück / von der Länge der Schritte war nicht die Rede."

Vielleicht ist es ja gut, daß es diese Verteidigungsministerin gibt. Da wird uns wieder vor Augen geführt, mit einem besonders eindringlichen Beispiel, daß Frauen nicht von Natur aus die besseren Menschen sind. Läßt du sie im Orchester der Männer mitspielen, sind sie eher die Lautesten, nicht die Lauteren. Sieh an, wie viel Deutung unterschiedlicher Art zwischen der Nutzung auf die eine oder die andere Art entsteht. Das gilt derzeit für viele Wörter unserer Sprache. Nimm das Wort "Würde" her, und versuch, dir dabei öffentliche Personen einfallen zu lassen - derzeit, und solche aus der gegenwärtigen Politik. Wird schwierig, nicht wahr?

Unsere Bewegung hin zur eigenen Zuständigkeit, zur Gleichwertigkeit ohne Gleichheit, ist nicht aufzuhalten. Das Leben scheint das noch nicht rauszurücken, das würden aber derzeit auch genauere Gesetze nicht ändern. Jede Absprache über Quoten ist eigentlich unsinnig. Eine solche Auflage bedient noch immer den Anschein, Frauen und anders Behinderte müssen irgendeine Chance geschenkt kriegen.

Ich kenne den gesellschaftlichen Raum, von dem ich rede. Ich war früher bei den Frauen in den Betrieben und konnte meine Versprechen dort hinterher oft nicht einlösen, weil ich, heimgekehrt, mit der Verbohrtheit alter Männer zu tun hatte, die auf dem Papier große Komplimente an den Exoten "Frau" machten, aber außer Schriftlichem wenig Folgen ins Leben bringen wollten.

Dennoch, wir hatten die besten Chancen in der deutschen Geschichte. Wir durften uns beim Lernen, in der Arbeit und im Alltag überfordern. Wir fühlten uns mit unseren verbrieften Rechten so sicher, daß wir es uns leisten konnten, über das Fehlende unfroh zu sein. Unsere Forderungen wurden vielleicht nicht, nicht gleich oder nur verfälscht erhört, aber unser Schicksal hing im wesentlichen von uns selber ab.

Ich denke an die Frauen, die immer Einwände hatten, immer ungeduldig nach vorn verlangten, sich zu Recht, oder auch ein bißchen verwöhnt, beschwerten.

Über Nacht, nachdem ohne die Posaunen von Jericho die Mauern eingestürzt waren, saßen wir da, von einem Leben in ein ganz anderes geworfen. Gut ausgebildete Frauen, an gesellschaftliche Teilnahme gewöhnt, selbstbewußte Fachfrauen. Klar, die wollten und hatten Kinder, sie fanden, daß der Alltag anstrengender war als die berufliche Arbeit und das Weiterlernen - aber nun waren sie zurückgeworfen auf einen Anfang. Vielleicht war es einer, vielleicht aber auch eine Strecke mit unabsehbaren Bedingungen, ein unbekanntes Feld mit vielen Disteln.

Ein altes tibetisches Wort sagt: "Das Herz muß Hände haben / die Hände ein Herz."

Ja, leg dir diesen Spruch als Zettelchen in deine Tasche. Die fürs Geld oder die fürs Spiegelchen, oder mach dir die Worte zum Anspruch.

Ich bin, nun fünfundzwanzig Jahre später, über die knirschenden, lauten, hacken- und hakenschlagenden Schritte der Weltpolitiker wie vor den Kopf gestoßen und mein Herz ist überfordert von all den berechtigten Befürchtungen. Aber ich habe auch etwas gelernt: Verlaß dich auf dich selber, aber nicht minder auf die anderen! Sie sind da, sie schaffen es auch nicht allein.

Damals haben wir Weiber uns aufgerappelt, und ich bin nur deswegen noch immer dabei, weil wir uns guttun, weil die Ideen der einen auch für die anderen brauchbar sind - und weil ich mich darauf verlassen kann, daß von uns keine in die falsche, die andere Richtung abhaut. Wenn das wäre, hätten wir etwas falsch gemacht, was mehr zählt als die Fehler im Alltag. Da können wir uns gegenseitig meistens heraushelfen.

Her mit allen klugen Köpfen, wann immer ihr gelebt habt! Steht uns bei im Bemühen um die Einsicht, daß es für Waffen heute keinen Sieg gibt.

Teresa von Ávila, streitbares Weib, trotzig gegen Luther und seine Reform der Kirche, aber das lasse ich hier beiseite. Du bist fast siebzig Jahre alt geworden, vor 500 Jahren, anno 1515, geboren, und so heutig, so lebensklug. Du hast überlebt, und die Bibliothek hat sogar ein Buch über dich, das macht Spaß und läßt lachen. Worum bittet sie ihren "Herrn"?

Er möge sie bewahren "vor der großen Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu müssen". (Das hat sie für mich geschrieben.)

Und: "Bei meiner ungeheuren Ansammlung von Weisheiten erscheint es mir schade, sie nicht weiterzugeben - aber du verstehst, o Herr, daß ich mir ein paar Freunde erhalten möchte."

In diesem Sinne, in großer Sorge, und in der Hoffnung auf die Tüchtigkeit anderer, verabschiede ich mich für heute.

P.S.: Noch einmal Teresa: "Bewahre mich vor der Aufzählung endloser Einzelheiten und verleihe mir Schwingen, zur Pointe zu kommen!"

*

Leserbriefe an RotFuchs

Gisela Steineckert in "Hand aufs Herz": "... wie jede nicht zu Ende gebrachte Arbeit, der Verlust schmerzt". Ja, wir wurden unserer Illusionen und Versuche einer ausbeutungsfreien Gesellschaft verlustig. Und der Schmerz nimmt zu, wenn wir erkennen, wie wir uns ausgeliefert haben. Jetzt erleben wir, mit welchen Mitteln und Redensarten vermeintliche Sieger aufzutrumpfen pflegen. Dazu eine Sorte Wendehälse wie Gauck und Jahn, die zu DDR-Zeiten in Kirchen und auf Schildern Pflugscharen beschworen und heute bedenkenlos Schwerter für deutsche Profitinteressen absegnen. Wem Glauben schenken in den Führungsetagen von Wirtschaft und Politik? Wen wundert die Wahl- und Medienverdrossenheit? Dem "RotFuchs" ist zu danken, daß man sich noch ernstgenommen fühlt und nicht als Bildzeitungs-Leser eingestuft wird.
Im "Regenkönig" von Saul Bellow findet sich der Satz: "... in ihm war eine große Sehnsucht nach menschlichen Stimmen und menschlicher Vernunft". In diesem Sinne: "RotFuchs" - Hand aufs Herz!

Atti Griebel, Berlin


Kann man mit 86 noch eine "RotFuchs"-Regionalgruppe retten?
2013 kriselte es bei uns in Teterow (Landkreis Rostock). Nachdem der Vorstand aus kaum nachvollziehbaren Gründen seine Arbeit niedergelegt hatte, drohte die Gruppe zu zerfallen.
Nicht mit mir, sagte sich Erwin Mitzkat, legte sich mit seinen 86 (und angeschlagener Gesundheit) gewaltig ins Zeug, scharte willige Genossen in einem Interimsvorstand um sich, der bis zur Neuwahl eine solide Vereinsarbeit leistet. Davon zeugen die stets gutbesuchten, hochinteressanten und regelmäßig stattfindenden Vortragsveranstaltungen mit kompetenten Rednern. Ein Neuanfang ohne unseren Erwin wäre schier undenkbar gewesen. Wir bedanken uns bei ihm für seine aufopferungsvolle Einsatzbereitschaft. Als wir ihn fragten, wie er mit 86 noch ein solches Pensum bewältige, meinte er nur: Der Kopf macht noch mit, und mein Klassenstandpunkt ist mir bis jetzt auch nicht abhanden gekommen.

Manfred Zickerick, Teterow


Am Ende jedes Monats freue ich mich auf die neue "RotFuchs"-Ausgabe, die ich mir regelmäßig von der Internetseite herunterlade und speichere. Der RF gibt mir neuen Halt, politische Orientierung und im übertragenen Sinne auch fast so etwas wie Verbundenheit, weil viele "RotFuchs"-Leser sicherlich ähnlich denken und empfinden. Auch mir fällt es schon - ich wurde 1967 in der alten BRD geboren - manchmal schwer, mich in diesen düsteren Zeiten zu orientieren, die innere Ruhe und Ausgeglichenheit zu bewahren und den Kopf über Wasser zu halten. Der "RotFuchs" hilft dabei durch seine gut recherchierten Beiträge und Analysen über das aktuelle Geschehen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft aus sozialistisch-kommunistischer Sicht und nicht zuletzt durch den freimütigen Meinungsaustausch auf den sehr interessanten Leserbriefseiten.

Christoph Tiedemann, Escheburg


Sehr geehrter Herr Dr. Klaus Steiniger, Ihre Zusendung des "RotFuchs" und dessen Leitartikel-Sammelband 2008-2012 habe ich dankend erhalten. Der "RotFuchs" hat uns die DDR in Erinnerung gebracht. Dafür vielen Dank!
In letzter Zeit hat unsere Presse über die Demonstrationen für und gegen PEGIDA in Dresden, Berlin und Leipzig berichtet. Das hat uns etwas Sorge bereitet. Ich bin jedoch fest davon überzeugt, daß die Vernunft siegen wird. Mögen alle Völker in Frieden und Freundschaft gut miteinander auskommen!
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und allen Kollegen Ihrer Redaktion für 2015 alles Gute und viel Erfolg.
Mit freundlichsten Grüßen aus dem winterlichen Beijing

Prof. Liang Jian Hua, VR China


Ich bin Politologe, 31 Jahre alt und arbeite an der Universität Gdánsk. Ich bin Sozialist und interessiere mich für die Geschichte der deutschen kommunistischen Bewegung, für Philosophie und antikapitalistische Politik. Als Wissenschaftler spezialisiere ich mich auf postsowjetische Staaten, ethnische Minderheiten in Rußland, politische Probleme der Arktis und des Fernen Ostens. Ich studierte in Polen und Rußland. 2010 habe ich meine Doktorarbeit verteidigt.
Ich lerne deutsch, verstehe fast alles, mache aber beim Sprechen noch Fehler. Als ich im Dezember in Berlin war, lernte ich während einer Antikriegsdemonstration Mitglieder der DKP kennen. Wir haben über vieles gesprochen. Ich besuchte auch die Redaktion der "jungen Welt" und machte mich mit einigen Redakteuren bekannt. Dort habe ich den "RotFuchs" erworben. Ich mag das Magazin sehr und würde gerne mit Ihnen zusammenarbeiten und den RF abonnieren.

Dr. Przemyslaw Sieradzan, Gdánsk


Warum müssen eigentlich Autoren aus der DDR, wenn von ihrem Sozialismus die Rede ist, immer das Wort Fehler hinzusetzen? Sicher war der "Staatssozialismus" nicht ohne Mängel. Aber warum suchen wir ständig Fehler bei uns - besitzt doch der Kapitalismus einen unvergleichlich größeren Fehler - von allem anderen abgesehen: Er ist der Friedensfeind Nr. 1 und bringt immer neue Kriege hervor!
Noch ein Wort zu mir selbst: 1930 in Bottrop geboren, habe ich in Essen bei Krupp gearbeitet. 1949 wurde ich Mitglied der KPD, nachdem ich zuvor bereits in die FDJ eingetreten war. Heute gehöre ich der DKP und der IG Bau an - schließlich habe ich 27 Jahre auf dem Bagger gesessen. Im Rahmen einer DKP-Baubrigade kam ich nach Kuba, das meine zweite Heimat wurde.

Hans Kuprat, Matanzas, Kuba


Nachdem ich bereits im August 1974 - während der Nelkenrevolution - als Urlauber in Portugal gewesen bin, lebe ich nun schon seit vielen Jahren in der Algarve. Als Kommunist gehöre ich hier der PCP an und bin einer ihrer Abgeordneten in der Munizipalversammlung. In der BRD war ich Betriebsrat der Thyssen-Edelstahlwerke - eines Betriebes mit 6000 Mann.
Beruflich betreibe ich hier seit über 12 Jahren gemeinsam mit drei Portugiesen eine Art Genossenschaft im Baugewerbe. Politisch gesehen gilt es, einen langen Atem zu haben. Wir dürfen auf keinen Fall aufgeben!

Hermann Janssen, Aljezur (Portugal)


Im Januar-"RotFuchs" hat mich die wunderbare Erinnerung an die beiden großen Helden der portugiesischen Nelkenrevolution - Álvaro Cunhal und Vasco Gonçalves - stark berührt.

Reiner Hofmann, Panketal


Der Beitrag Klaus Steinigers über General Vasco Gonçalves im Januar-RF ist beeindruckend. Mir imponiert auch der historische Optimismus von Almos Csongár, daß nach der Niederlage weitere sozialistische Versuche folgen werden. Den Artikel "Vom würdevollen Leben der Vertragsarbeiter in der DDR" möchte ich ergänzen: 1985 erschien eine reich bebilderte Broschüre in deutscher und vietnamesischer Sprache. "Wir lernten im VEB NARVA 'Rosa Luxemburg' für unser sozialistisches Vaterland Vietnam" lautete der deutsche Titel. Noch 1990 wurden die vietnamesischen und die anderen ausländischen Arbeitskräfte als erste entlassen.

Dr. Kurt Laser, Berlin


Alle Tage wieder wird die Unrechtsstaats-Keule geschwungen. und alle Tage wieder irren Teile der "Linken", dem Hasen in der Fabel gleichend, von A nach B, um letztlich doch wieder in den Stacheln zu landen. Ein unwürdiges Schauspiel! Man verkennt den abgrundtiefen Haß der Treiber. Was sie als Unrecht benennen, wird bei eigenen Gesinnungsfreunden heuchlerisch geduldet, großzügig übersehen oder nur verschämt angemerkt. Sind die selbst ihre Scheindemokratie einschränkenden Praktiken Ungarns oder der Türkei und die US-Folterorgien etwa rechtsstaatlich?
Womit aber haben wir diesen pathologischen Haß auf uns gelenkt? Wir haben ihre Profitgier eingeschränkt, ihnen die dafür benötigten Mittel entzogen und ihnen so erstmals in der deutschen Geschichte wirklich Angst eingeflößt.
Die Linke hat nur eine Möglichkeit, diese Hatz zu beenden: Sie muß den absoluten Schutz des Privateigentums an Produktionsmitteln verkünden, die Vergesellschaftung von Rohstoffen, Banken und Versicherungen verteufeln und sich vorbehaltlos zu Militäreinsätzen für geostrategische und ökonomische Ziele bekennen. Dann und nur dann würde der Druck nachlassen. Doch diesen Schonplatz belegen bereits gestutzte und gerupfte einstige Himmelsstürmer von SPD und Grünen.

Hans Joachim Bock, Warin


Das Januarheft des RF ist wieder ein Knaller - vom Leitartikel über die Beiträge Bernd Gnants und Jobst-Heinrich Müllers bis zu Konrad Hannemanns Artikel. Inzwischen hat sich auch Oskar Lafontaine auf beeindruckende Weise wieder zu Wort gemeldet.

Prof. Dr. Herbert Meißner, Oranienburg


Vor einigen Tagen erhielt ich aus der französischen Stadt Vierzon von einer Lehrerin ein Schreiben, in dem sie um Auskünfte über den in Wuppertal geborenen und am 13. Mai 2006 im Alter von 100 Jahren verstorbenen antifaschistischen Widerstandskämpfer Willi Kirschey bat.
Ich habe ihr "Buchenwald, ich kann dich nicht vergessen" geschickt. In diesem Buch ist ja auch eine Würdigung des kämpferischen Lebens von Willi Kirschey enthalten.
Weshalb schreibe ich das? Bei der Schilderung des politischen Wandels von Gregor Gysi im Leitartikel Klaus Steinigers kam mir sofort in den Sinn, daß im Lager Vierzon, wo Willi Kirschey 1939 interniert wurde, auch Gregors Vater, Klaus Gysi, eingesperrt war. Der würde sich im Grabe umdrehen, hätte er noch die Wandlungen seines Sohnes erlebt. Dessen Positionswechsel zeigt mir erneut, wie wichtig der "RotFuchs" ist.

Dr. Dirk Krüger, Wuppertal


Am 31. Januar ist, erst 59jährig, unsere Genossin Anne Kraschinski aus Lemgo verstorben. Sie war als Sozialbetreuerin tätig, in der Friedensbewegung und vielen anderen Initiativen immer mit dabei, natürlich auch in der DKP, der sie Jahrzehnte angehörte. Anne hat es verdient, daß ihrer auch in ihrem geliebten "RotFuchs" gedacht wird, der mit ihr eine emsige Leserin verlor.

Manfred Meyer, Rudolstadt


Danke für den "RotFuchs", der uns in diesen traurigen Zeiten Monat für Monat Wahrheit, Klarheit, Solidarität und kämpferischen Mut in die Wohnung bringt!

Manfred Hummitzsch, Berlin


Das eigentliche Ziel der Maidan-Revolte bestand von Beginn an darin, den russischen Bären zu provozieren. Das ist im ersten Anlauf nicht gelungen. Wie Putin beweist, läßt sich dieser Bär auch nicht an die Kette legen. Deshalb werden ideologische Methoden zur Beeinflussung der Bevölkerung angewendet, die aus der Giftküche des Goebbelsschen Reichspropagandaministeriums stammen könnten. So wurde in Estland in einer Zeitung für eine "Abmagerungskur mit Dr. Mengeles Pillen" geworben, während eine andere Firma mit Auschwitz-Fotos Gasgeräte anpries. Die kleinen baltischen Randstaaten erfüllen wie Pitbull-Terrier an der Peripherie des Reviers des russischen Bären eine für den US-Imperialismus nützliche Stellvertreterfunktion.

Dr. Günther Freudenberg, Bernburg


Entgegen früheren Zusagen, daß eine Osterweiterung nicht vorgesehen sei, expandierte die NATO immer mehr in Richtung zur russischen Staatsgrenze. Es war beschlossene Sache, Rußland einzukreisen. Gleichzeitig dehnte sich auch die EU immer weiter nach Osten aus. Man glaubte bereits, die Russische Föderation auf Dauer als Weltmacht ausgeschaltet zu haben.
Dem aber ist nicht so! Unter Putin besann sich das Riesenland auf seine Geschichte, seine nationalen Interessen, seine Leistungskraft, seinen Stolz und seine Leidensfähigkeit. Mit dem wiedererstarkten Rußland konfrontiert, läßt der Imperialismus nichts unversucht, dessen eigenständige Entwicklung in allen Bereichen zu behindern. Eine besonders negative Rolle spielen dabei die BRD und deren Kanzlerin. Hehren Worten, man dürfe die Kommunikation nicht abreißen lassen, folgt aggressive Anmaßung auf dem Fuße. Gaucks Münchner Rede vom Januar 2014 gab dazu den Auftakt.

Oberstleutnant a. D. Roland Potstawa, Königs Wusterhausen


Das Wort "Annexion" wird gegenwärtig inflationär gebraucht - insbesondere bei Stellungnahmen und Einschätzungen westlicher Politiker zu den Vorgängen auf der Krim. Wer den Mund so voll nimmt, sollte seine Worte sorgfältig wählen - sonst kann daraus ein Selbsttor werden.
Wenn die Eingliederung der Krim eine Annexion war, dann war der Beitritt der DDR zur BRD eine Super-Annexion. Wenn aber die Annexion der DDR ein "Beitritt" war, dann war die "Annexion" der Krim ein lupenreiner Beitritt! Natürlich gibt es auch noch die Variante Nr. 3: Das Versehen gleicher oder ähnlicher Ereignisse mit grundverschiedenen Bezeichnungen - in Abhängigkeit davon, ob sie in den Kram passen oder nicht. Diese Variante wird in den Massenmedien, welche den USA, der NATO und der EU gegenüber hörig sind, ohne Unterlaß strapaziert.

Hans-Peter Hoffmann, Velten


Der profaschistische ukrainische Ministerpräsident Jazenjuk bezeichnete die Befreiung der Ukraine und des deutschen Volkes durch die Rote Armee in einem ARD-Interview als "sowjetische Invasion". Daraus ist zu schlußfolgern, daß man in Kiew die Ansicht vertritt, Nazideutschland sei Opfer einer Invasion geworden und von Befreiung könne keine Rede mehr sein. Auch in den Mainstream-Medien der BRD spricht man schon lange nur noch vom "Ende des Zweiten Weltkrieges".
Die wahre Befreiung erlebte unser Teil Deutschlands ja erst 1990: Damit kamen wir in den Genuß solcher westlichen Werte wie Arbeits- und Obdachlosigkeit, Bildungschancen nur für Vermögende, ein Gesundheitssystem nach dem Prinzip "Wenn du arm bist, mußt du früher sterben" sowie Zugang zu Kultur und Sport in Abhängigkeit vom Geldbeutel. Die Mächtigen beklagen sich, daß wir für derlei Wohltaten nicht dankbar seien. Wie sollten wir auch!

Michael Brix, Potsdam


Nicht nur die Gegensätze zwischen arm und reich, sondern auch die Unterschiede zwischen gebildet und ungebildet verstärken sich im Kapitalismus. Eine unserer Enkelinnen studiert in Berlin Kulturmanagement. Sie muß pro Semester 700 € bezahlen, also 1400 € im Jahr.
Wie war das doch in der DDR? Der Staat zahlte ein Stipendium, das später nicht zu erstatten war, für die Finanzierung der Lebenshaltungskosten während des Studiums. Vor dessen Abschluß wurde mit allen Absolventen ein Gespräch über ihre künftige Tätigkeit geführt. Ergebnis: Niemand blieb ohne Arbeitsplatz oder ein weiterführendes Studium. Ich habe das selbst erlebt.

Gerda Huberty, Neundorf


"Der Buchhalter von Auschwitz muß vor Gericht", las ich in der brandenburgischen MAZ. Donnerwetter, schon 70 Jahre nach Kriegsende will das Landgericht Lüneburg einen 93jährigen SS-Mann wegen Beihilfe zum Massenmord an Juden strafrechtlich zur Verantwortung ziehen! Der Angeklagte leugnet seine strafrechtliche Schuld - offensichtlich haben ihm 70 Jahre nicht gereicht, um das Geschehen zu "verarbeiten".
Die jüngste Justizfarce wird - daran besteht kein Zweifel - wie das Hornberger Schießen ausgehen.

Werner Jahr, Potsdam


Paris, Paris und immer wieder Paris! Mitgefühl und Trauer. Ich hätte nichts dagegen, wenn es ehrlich gemeint wäre. Wo aber waren die Bundeskanzlerin und ihr Gefolge, als Israels Netanjahu mehr als 2000 Palästinenser, darunter Frauen und Kinder, brutal ermorden, Schulen, Krankenhäuser und Wohnviertel in Gaza dem Erdboden gleichmachen ließ? Wo war da der Aufschrei der "zivilisierten Welt"?

Elisabeth Monsig, Gartz


Die terroristische Tat extremer Islamisten, der Karikaturisten und andere Mitarbeiter von "Charlie Hebdo" zum Opfer fielen, wurde zu Recht weltweit verurteilt. Einen solchen Protest hätte ich mir auch gewünscht, als zahlreiche afghanische Frauen und Kinder ums Leben kamen, die einen im Flußbett bei Kundus steckengebliebenen Tanklaster umlagerten, der bombardiert wurde.
In Paris wurden die Mörder von der Polizei erschossen, während die BRD den Hauptverantwortlichen des Geschehens in Afghanistan zum General beförderte.

Günter Vehoff, Hagenow


Im Januar-RF hat mir die Wiedergabe eines Briefes von Jürgen Kuczynski an eine Gruppe junger Sozialisten ganz besonders gefallen. Er wurde verfaßt, als die internationale Reaktion schon triumphierend das "Ende der Geschichte" verkündete. Da ist das Wissen, daß sich alle bisherigen Gesellschaftsformationen einschließlich des Kapitalismus nie in einem einzigen Ansturm, sondern stets nur unter (wiederholten) heftigen Rückschlägen durchzusetzen vermochten, für uns überaus wichtig und zugleich tröstlich. Denjenigen, die bei ihren Bemühungen um gesellschaftlichen Fortschritt scheinbar gescheitert sind, hat Brecht mit seinem Gedicht "Der Schneider von Ulm" ein beeindruckendes Denkmal gesetzt. Die höhnischen Worte des Bischofs angesichts des zerschellt auf dem Pflaster liegenden Schneiders, er habe doch von vornherein gewußt, daß der Mensch niemals fliegen könne, verkündeten - wie wir heute wissen - keineswegs das Ende der Geschichte.
Der deutsch-argentinische Autor Alfredo Bauer faßte das in die Worte: "Ich denke, wenn jene, die das Wohl der Menschheit erstreben, in ihren Bemühungen scheitern, dann scheitern sie doch niemals vollständig. Nichts von dem, was sie tun, ist ganz umsonst. Die Saat kann lange Zeit verborgen bleiben, aber eines Tages wird sie aufgehen. Auch ein mißlungener Versuch läßt die Dinge nicht, wie sie einmal waren, und seien es nur Erfahrungen und Lehren, die er der Nachwelt vermittelt."

Hans-Friedrich Hölter, Hamburg


Bei der "Vorfreude auf einen neuen Sozialismus". die Jürgen Kuczynski der jungen Generation bereits ankündigte, hat er sich kaum im Gang der Geschichte geirrt, offenbar aber im Zeitmaß. Momentan fällt es schwer, in absehbarer Frist an eine "Wende zum Sozialismus" zu glauben. Derzeit fehlt es an den politischen Kräften, die dafür stark genug sind, aber auch an der Klasse, die dazu drängt. Wo gerade die einst von großen Hoffnungen begleitete Partei Die Linke die Klassen- und Eigentumsfrage von ihrer Agenda gestrichen hat, während noch keine andere Kraft in Sicht ist, welche die Massen hinreichend anzuziehen vermag, wird es wohl noch einiger Geduld bedürfen.

Roland Winkler, Aue


In dem Neubaugebiet von Königs Wusterhausen, wo ich vor meiner Übersiedlung in das Heim gewohnt habe, werden die Häuser gerade neu angestrichen. Warum wohl? Damit sie nicht mehr an die DDR erinnern, von der sie gebaut worden sind.

Gerda Grünberg, Zossen OT Schöneiche


Nach Pressemeldungen hat der frühere Bundestagspräsident Thierse zu den PEGIDA-Aufmärschen in Dresden erklärt, "die Ostdeutschen" hätten "im Umgang mit Fremden Nachholbedarf". Die "Gesellschaft" sei "in der DDR eingesperrt gewesen" und müsse "lernen, im Alltag mit Ausländern umzugehen".
So etwas bringt mein Blut zum Wallen. In der DDR und in meinem damaligen Betrieb hatten wir Menschen aus Polen, Kuba, Vietnam, Jugoslawien und anderen Ländern. Unsere ausländischen Freunde brauchten sicher keine Angst vor Beleidigungen oder Angriffen zu haben. Alle waren Kollektiven zugeordnet, fleißig, strebsam und wurden von den DDR-Kollegen geachtet und geehrt.
Zu Thierse kann ich als früherer Mitarbeiter des VEB Chemiefaserkombinat Schwarza und Leiter meines schönes Kulturhauses nur sagen: Einfach toll, der Mann!

Hans Nöthel, Berlin


Der RF hat einen wirklich guten Artikel zu den Vertragsarbeitern in der DDR veröffentlicht. Ich habe selbst viele von ihnen kennengelernt, überwiegend Vietnamesen. Jeder einzelne berichtete mir unabhängig von anderen nur Gutes: angefangen vom Empfang durch ein Begrüßungskomitee mit Dolmetscher auf dem Flughafen und dem Transfer zur Unterkunft über die weitere Betreuung, die Anleitung im Betrieb, das Vorhandensein von Ansprechpartnern, das Verhalten der Ausbilder, das Essen sowie kulturelle Ereignisse bis zum eigenen Musizieren. Davon könnte sich die BRD, was ihren Umgang mit Migranten und Flüchtlingen betrifft, mehr als eine Scheibe abschneiden.

Heinz Denne, Berlin


Die Aussagen im Leitartikel der Januar-Ausgabe akzeptiere ich bis aufs letzte I-Tüpfelchen. Ich sage Klaus Steiniger Dank für die mit eiserner Kraft fortgeführte Arbeit. Besonders auch die Beiträge von Gisela Steineckert und vielen anderen Autoren sind mir wertvoll, wie mir der "RotFuchs" überhaupt als eine der wichtigsten Publikationen erscheint. Er ist eine spezielle Art von "Weltbühne".
Nur manchmal finde ich, daß der Artikel zu geschichtlichen, außenpolitischen und kulturhistorischen Fragen zu viele sind, weil ich mir noch mehr Beiträge wünschte, welche sich mit der DDR-Realität kritisch auseinandersetzen, aber auch publizistisch-journalistische und literarische Texte. Die große Mehrheit unserer Mitbürger wird täglich und stündlich von dieser menschenfeindlichen Gesellschaft beeinflußt und beherrscht, ohne daß sie es in ihrer Konsumbesessenheit überhaupt noch merkt. Unablässig werden die Menschen verdummt und hinters Licht geführt, in allen großen und kleinen Fragen, vom Krieg bis zur klammheimlichen Brötchenpreis-Erhöhung um 20 %, vom Freiheitssalbadern bis zur Euro-Anbetung.
Nach dem Tod meiner Frau ist es still um mich geworden. ... Ich lese gute Bücher und den "RotFuchs". Zu mehr reicht die Kraft derzeit nicht.

Manfred Kubowsky, Strausberg


Nach dem Untergang der DDR waren es zwei Mitglieder meiner Partei, der NDPD, die mir den Weg zum "RotFuchs" wiesen. ... Sie eröffneten mir den Blick auf diese Zeitschrift - eine Art Nationale Front des Friedens, der Solidarität und der Toleranz. Später sah ich mich am Boden zerstört. Meine Annemarie starb nach fast 60 gemeinsamen Ehejahren. Aber sie ist in unseren Gedanken und unserem Glauben bei uns, bei meiner zweiten Frau Petra und mir. Ehrliche und hilfreiche Freunde führten mich wieder zu meinen Pflichten gegenüber dem Leben als Mensch, als Katholik. Über das, was mit uns geschah und geschieht, habe ich meine Gedanken und Erfahrungen aus der Tiefe und Solidarität des christlichen Glaubens. ... Sich im besten Sinne einmischen, das Mögliche tun, ist doch das, was Papst Franziskus anmahnt. Ich bin froh und dankbar, auch im "RotFuchs" das Wort ergreifen zu können ...

Dr. Wilfried Meißner, Chemnitz


Herzlichen Glückwunsch für die auszugsweise Veröffentlichung von Texten des Franziskus. Ich halte es für klug, den RF-Lesern dieses Material unkommentiert zur Verfügung zu stellen. Die Gedanken des Papstes waren für unsere außerparlamentarisch tätigen Freunde aus Vereinen und Initiativen - organisiert durch den Sozialen Arbeitskreis - Anlaß, den Versuch zu unternehmen, über die von Franziskus gestellten interessanten Fragen eine öffentliche Diskussion zu führen. Dabei debattierten Nichtchristen mit Christen.
Man kann die Wortmeldungen und das bisherige Auftreten dieses Papstes nicht hoch genug würdigen. Insbesondere, wenn man sich an den Antikommunismus seiner Vorgänger erinnert.
Franziskus will das Gespräch mit Freude führen. In Predigten taucht bei ihm dieser Begriff sehr oft auf. Machen wir mit, ohne dadurch zu Sendboten der römisch-katholischen Kirche zu werden.

Dr. Erhard Reddig, Berlin


Es ist mir wichtig, Ihnen mitzuteilen, wie wißbegierig ich den "RotFuchs" immer lese. Man erfährt durch ihn die Wahrheit über viele Dinge oder überhaupt etwas in bezug auf Vorgänge, welche die Medien gerne verschweigen. Natürlich berühren mich auch Schicksale, die in der Zeitschrift geschildert werden. Denn auch für mich gilt der Satz: Meine Heimat war die DDR. Da hat mich Herr Gysi mit seiner Rede im Bundestag enttäuscht.

Ursula Möbius, Dessau


Mit wachsender Bestürzung muß man derzeit das Niveau der Linkspartei betrachten. Vom Marxismus abgefallen, dem etliche inzwischen auch abgeschworen haben, ist in der PDL Linkes oft nicht mehr zu erkennen. Ihr Einknicken in Sachen "Unrechtsstaat DDR" ist nicht nur mir arg in die Magengrube gefahren. Diese Schlagworte kenne ich ja noch aus meiner Zeit in der bayerischen Hauptstadt. ...
Die Behauptung, die DDR, wo Theorie und Praxis gewiß nicht immer übereinstimmten, sei ein Unrechtsstaat gewesen, entwertet die Lebensleistungen von Millionen ihrer Bürger.

Dipl.-Ing. Hermann Ziegenbalg, Riesa-Weida


Ob es so sinnvoll ist, sich an denen abzuarbeiten, die sich aufgrund medialen Drucks genötigt sehen, das Mantra vom Unrechtsstaat DDR zu beten, weiß ich nicht. Ich bin mir auch nicht so ganz sicher, ob zwingend Verrat zu unterstellen ist. Als Jurist hätte Gysi indes wissen müssen, daß man solchen Unfug klug parieren kann.

Michael Mansion, Wallerfangen


Als bisher konsequenter Wähler der Linkspartei werde ich ab sofort mein Wahlverhalten ändern und mich der DKP zuwenden. Anlaß dazu hat mir Bodo Ramelow gegeben, welcher die Anmaßung besaß, sich letztlich auch in meinem Namen für vermeintliches SED-Unrecht zu entschuldigen und die inhaltslose Formel vom "Unrechtsstaat DDR" auf das Podest zu heben.

Siegfried Duske, Biedenkopf


Mit dem Leitartikel Klaus Steinigers in der Januar-Ausgabe stimme ich voll überein. Es trifft zu, wenn er Führern der Partei Die Linke den Bruch mit dem Marxismus als System vorwirft. Wo bleibt der kollektive Aufschrei der ehrlichen Mitglieder der Linkspartei angesichts der diffamierenden Äußerungen über die DDR.
Ich fordere die Mitglieder der PDL auf, sich gegen die Preisgabe des Marxismus zu wenden. Das Vermächtnis der DDR darf nicht in Vergessenheit geraten.

Klaus Schmidt, Zwickau


Dr. Dieter Müller hat Recht, wenn er im Januar-RF für "freimütige Debatten über Zukunftsmodelle" eintritt. Wie aber kann der Kapitalismus überwunden werden? Das Programm der PDL gibt darauf keine klare Antwort. Derzeit fehlen zwei Voraussetzungen: 1. Eine revolutionäre Situation. Sie ist dann gegeben, wenn das Volk der herrschenden Ausbeuterklasse nicht mehr folgen will und wenn diese außerstande ist, auf die alte Weise zu regieren. Ein erfolgreicher Kampf ist aber nur dann möglich, wenn die revolutionären Kräfte solche Führungspersönlichkeiten hervorbringen, die auf der Grundlage der wissenschaftlichen Erkenntnisse des historischen Materialismus die Massen zum rechten Zeitpunkt mit den richtigen Losungen in die Schlacht führen. Die Abkehr führender Funktionäre der PDL von den marxistischen Klassikern und die drastische Anbiederung an die bürgerliche "Demokratie" stellen ernste Hemmnisse dar. 2. Eine neue Gesellschaftsordnung kann sich gegenüber der kapitalistischen auf Dauer nur behaupten, wenn Lenins These von der Notwendigkeit einer höheren Produktivkraft der Arbeit gegenüber der im kapitalistischen System erreichten verwirklicht werden kann.

Dr. Günter Stubenrauch, Berlin


Ich bin ständiger "RotFuchs"-Leser, allerdings "zweiter Kategorie". Ein guter Bekannter ist der eigentliche Bezieher. Ich finde Ihre Zeitschrift goldrichtig, beweist sie doch, daß das von Marx verfaßte "Kapital" das einzige ist, welches nicht korrumpiert.
Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Zuversicht und Erfolg bei der Erfassung ausgemer(g)kelter Politik.

Werner Pfüller, Rostock


Einmal mehr muß ich meinem Herzen Luft machen. Ein Leserbrief an den RF ist da das geeignete Mittel. PEGIDA, Fremdenfeindlichkeit, Islam, Antiislam ... die Begriffe schwirren um unsere Köpfe. Hinzu kommen die "Sonntagsreden" hochdotierter Politiker. Das "Volk" spürt einmal mehr, daß es vor den jeweils eigenen Karren gespannt werden soll. Und die "Rechten" unter den Rechten nutzen die Gelegenheit, ihr faschistisches "Gedankengut" an den Mann zu bringen. Ihr Endziel heißt wie früher: "Machtergreifung". Das alte Spiel in neuen Gewändern.

Hans-Georg Vogl, Zwickau


Den "RotFuchs" lese ich seit vielen Jahren. Wir Freunde und Genossen aus vergangenen Zeiten tauschen das Blatt regelmäßig untereinander aus. Leider ist Genossen Steiniger im Leitartikel des RF 204 ein bedauerlicher Fehler unterlaufen. Ich meine das dort angeführte Zitat, das richtig hätte heißen müssen: "Was immer geschieht: Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken." Der Spruch stammt nicht von Kurt Tucholsky, dem er verschiedentlich zugesprochen wird, sondern von Erich Kästner, den ich als Dresdner seit langem sehr verehre.

Ulrich Kellermann, Dresden

Als Sündenbock bedanke ich mich für die Kritik und entschuldige mich für den Irrtum, auf den mich auch weitere Leser aufmerksam gemacht haben. K. S.


Mit Interesse habe ich im Dezember-RF den Artikel über die Kurden gelesen. Sie sind nicht, wie es dort heißt, über drei, sondern über vier Staaten verteilt: Türkei, Irak, Syrien und Iran.

Erhardt Schleidt, E-Mail

Die Redaktion dankt auch für diesen berechtigten Hinweis.


Mit Freude und Interesse habe ich die als Beilage zum RF gedruckte Rede von Egon Krenz gelesen. Sie vermittelt eine klare Analyse des Geschehens und ist der absolute Gegenpol zur unerträglichen Hetze und Verleumdung, die täglich über uns ausgeschüttet werden.
Ich bin mit 18 in das MfS eingetreten, habe bis zur Konterrevolution meine ganze Kraft für die Sicherung und Verteidigung unseres sozialistischen Vaterlandes eingesetzt und bereue nicht einen einzigen Tag meiner damaligen Tätigkeit.

Jürgen Weinhold, Reichenbach/Vogtland


Ich kann mich der im Leserbrief Raimon Bretes aus Chemnitz geäußerten Meinung nur teilweise anschließen. Sicherlich ist die Erklärung Bodo Ramelows in konservativen Medien mehr als geschmacklos, aber es gab durchaus "Genossen", die andere durch ihr intolerantes, karrieresüchtiges, kleinkariertes und fünfhundertprozentiges Getue und die Unterstellung "ideologischer Abweichungen" bei lächerlichsten Kleinigkeiten verärgern konnten.

Reinhard Melzer, Moritzburg, OT Boxdorf


Für mich war der UGO-Putsch, bei dem es 1949 um die Vereinnahmung der Berliner S-Bahn durch den Westen ging, ein weichenstellender Moment meines Lebens. Ich machte damals gerade das Abitur und wollte später unbedingt Ingenieur werden. Doch zunächst beabsichtigte ich, einen "richtigen" Beruf zu erlernen. So bewarb ich mich bei der Reichsbahndirektion Berlin um einen Ausbildungsplatz als Fernmeldemechaniker im RAW Schöneweide. Dann kam der UGO-Putsch. Das Gebäude des Reichsbahnausbesserungswerkes wurde geplündert, Möbel und Akten lagen auf der Straße, darunter auch meine Bewerbungsunterlagen.
Aber ich hatte Glück und kam in den Apparatefabriken Treptow unter. Dort - dem späteren EAW - erfuhr ich eine gründliche Ausbildung als Elektromechaniker. 1951 delegierte man mich zum Studium an die TH Dresden. Von dort ging es 1952 an die Hochschule für Energietechnik in Moskau. Ich erhielt eine Spitzenausbildung, wie sie in der DDR nicht möglich war. Später promovierte ich in der Stadt an der Moskwa.

Dr. Klaus Neumann, Berlin


Im September 1991 starteten das Max-Planck-Institut und Infas eine Studie "Lebensverläufe und historischer Wandel in der ehemaligen DDR". Dafür waren 268 Fragen ausgearbeitet worden. Sie betrafen u. a. die Eltern der Interviewten, deren Wohnverhältnisse, Schulbildung und Erwerbsgeschichte, Nebentätigkeiten, Ehe und Familie, politische Bindungen, persönliche Einkommensverhältnisse, Reisen und Zukunftsperspektiven (!). Die Teilnehmer kamen aus allen Schichten der Bevölkerung und waren - wie üblich - nach dem Zufallsprinzip ausgewählt worden.
Die Tätigkeit als Fragesteller machte mir Spaß. Ich lernte interessante Menschen kennen. Überdies brachten mir als Arbeitslosem die etwa 35 Interviews einiges ein.
Das Ergebnis der Studie sollte in Buchform erscheinen. Doch daraus wurde nichts. Inzwischen hatte sich nämlich Justizminister Kinkel für die Delegitimierung der DDR ausgesprochen. So fiel die soziologische Untersuchung ins Wasser. Sie wurde der herrschenden Ideologie geopfert.

Helmut Junge, Sondershausen


Die DDR-Pionierleiterin Petra Pau erklärte unlängst in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung", sie kenne in ihrem Wahlbezirk natürlich auch ehemalige Offiziere der NVA und der "Stasi", wie sie das Ministerium für Staatssicherheit in die Sprache der Gauck-Birthler-Jahn-Behörde übersetzte. Die Linke habe sich 1990 "dieser Leute angenommen", auch weil klar gewesen sei, daß viele gefährdet waren, sonst bei den Republikanern zu landen".
Doch bei solcher Unverfrorenheit blieb die Dame nicht stehen. So fügte sie hinzu: "Es gab mal eine sehr bewußte Entscheidung, die uns heute sehr viel Ärger macht: sich den sozialen Interessen der ehemaligen bewaffneten Kräfte zuzuwenden." Das sei ein Fehler gewesen. "Da muß man eine knallharte Trennlinie ziehen", sagte die in der BRD zur Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Aufgestiegene.
Fazit: Auch wir sollten zu solchen Mantelwendern eine "knallharte Trennlinie" ziehen.

Konstantin Brandt, Berlin

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RF-Bezugsbedingungen

Kurze Nachricht per Telefon oder E-Mail oder Briefpost an den Vertriebsleiter Armin Neumann genügt.

Er ist folgendermaßen erreichbar.
Tel.: 030/654 56 34
E-Mail: arminneumann@ewt-net.de
Adresse: Salvador-Allende-Straße 35, 12559 Berlin

Der RotFuchs wird ausschließlich aus Spenden und nach eigenem Ermessen jedes einzelnen finanziert.
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IMPRESSUM

Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift.

HERAUSGEBER: "RotFuchs"-Förderverein e. V.

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HERSTELLUNG: Druckerei Bunter Hund

INTERNET: www.rotfuchs.net

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Redaktionsschluß für die übernächste Ausgabe ist der 20. eines Monats.

AUTORENKREIS:
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Bernd Fischer
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Eberhard Herr
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Jobst-Heinrich Müller
Horst Neumann
Cornelia Noack
Erhard Richter
Prof. Dr. Horst Schneider
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Joachim Spitzner
Gisela Steineckert
Bruni Steiniger
Dr.-Ing. Peter Tichauer
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Johann Weber
Prof. Dr. Zbigniew Wiktor (Wroclaw)
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KÜNSTLERISCHE MITARBEIT:
Dieter Eckhardt, Günter Endlich,
Heinz Herresbach, Klaus Parche,
Heinrich Ruynat, Renatus Schulz,
Gertrud Zucker

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Quelle:
RotFuchs Nr. 206, 18. Jahrgang, März 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2015

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