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ROTFUCHS/146: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 192 - Januar 2014


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

16. Jahrgang, Nr. 192, Januar 2014





Inhalt

  • Gibt es eigentlich einen Neofaschismus?
  • Von Bebels Kampfansage zu Gabriels Kniefall
  • Ein großartiges Buch von Peter Mertens
  • Die einzige Frau, der man eine Million Rosen sandte - Angela Davis wird 70
  • Eine rote Oase in der Medienwüste der BRD
  • Lichtblick am Ende des Tunnels
  • Zur Dialektik des Untergangs von UdSSR und DDR - Die Würfel fielen in Moskau
  • Neue Akzente bei der Totalitarismus-Doktrin
  • Was man dem Nürnberger Tribunal vorenthielt
  • Der Bock als Gärtner
  • Bruchlandung vor dem Fehmarnbelt
  • US-Nuklearwaffen in der Eifel
  • Deutsche Bank: 3,8 Mrd. für Atomwaffen
  • Tatortbesichtigung in Zingst
  • Nazi-Mordinstrumente mit Sammlerwert
  • Aus dem Sorbenland: Mirka, die Unermüdliche
  • "RotFuchs"-Wegbereiter (8): Sonja Brendel
  • Das Protokoll des Majors Bruno Winzer
  • Einseifen angesagt
  • RF-Extra Wo Karl Liebknecht einsaß
  • RF-Extra Kurt Stand: Aus traurigem Anlaß
  • Deutsche Rundschau: Good bye, Afghanistan!
  • Kuba sagt Medienmonotonie den Kampf an
  • Tripolis versinkt im Chaos
  • jW-Autoren zu jüngsten Entwicklungen in China
  • "Festung Europa": Die Mauer-Toten von Lampedusa
  • Israel: Freiheit für Mordechai Vanunu!
  • Klartext aus Beirut
  • Unvergessener Peter Hacks
  • Philatelistische Visitenkarte der DDR (8)
  • Lebensweg einer Autorin: Poetisch, politisch, populär
  • Im Visier der Faschisten: Erich Fabian
  • Griff in die literarische Schatztruhe (15)
  • Papst Franziskus: "Diese Wirtschaft tötet"
  • Gisela Steineckert: Hand aufs Herz
  • Leserbriefe

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Ein Steinwurf der Geschichte?

In der Ära des "großen Besens", als eine die DDR niedermähende Konterrevolution von manchen noch als "unsere friedliche Revolution" empfunden oder dargestellt wurde, entstand eine künstlerisch sehr gelungene Marx-Karikatur. Um den Bahnbrecher der proletarischen Weltanschauung etwas kleiner und als Zweifler am eigenen Denken erscheinen zu lassen, legte man ihm die Worte in den Mund: "War doch nur so 'ne Idee von mir". Dabei vergaß man allerdings die Erkenntnis des alten Mohr, daß die Idee zur materiellen Gewalt wird, wenn sie die Massen ergreift.

Ungeachtet der bisher schwersten Niederlage, die der Sozialismus und die revolutionäre Arbeiterbewegung bisher in Europa erlitten haben, dürfte wohl kaum die Tatsache in Abrede zu stellen sein, daß keine andere Idee so die Köpfe ausgebeuteter und unterdrückter, sich aber auch zu Kampf und Widerstand erhebender "Massen" ergriffen und erhellt hat wie der Marxismus.

Übertragen wir Großes auf Kleineres: Als wir einst in einer Hellersdorfer Wohnung auf den Gedanken kamen, uns dem Ansturm des in materieller Hinsicht tausendfach überlegenen Gegners - eines Siegers auf Zeit, der sich als ewiger Gewinner wähnt - mit ideologischen Waffen entgegenzustellen, war das am Anfang ja auch "nur so 'ne Idee". Inzwischen ist aus dem kleinen papiernen Füchslein, dem wir nicht ohne Hintergedanken die Farbe Rot zuordneten, die auflagenstärkste marxistische Monatsschrift in deutscher Sprache geworden. Die an ihr Mitwirkenden heben keineswegs nur auf organisierte Kommunisten und Sozialisten ab, sondern pflügen und bestellen längst auch weitere Felder. Allein die Printausgabe, die einst mit 200 Exemplaren an den Start ging, erreicht heute Zehntausende Leser im In- und Ausland. Noch weitaus größer ist der Kreis jener an unserer Zeitschrift Interessierten, welche über das Internet Zugang zu ihr finden.

Der "RotFuchs" bietet inzwischen eine breite Palette anspruchsvoller und unterhaltsamer Themen. In mancher Hinsicht hat er den Atem so beliebter DDR-Publikationen wie "horizont" und "Weltbühne" in sich aufgenommen, dazu einen gehörigen Schuß theoretischer Verdichtung und aktueller Information. Wir ziehen auch Texte aus "anderer Herren Länder" zu Rate - genauer gesagt jene, welche den Herren dieser Länder einheizen. Gemeint sind Weggefährten wie die faszinierende Wochenzeitung "Solidaire" der Partei der Arbeit Belgiens (PTB), die wie kaum eine andere marxistische Formation in Europa den Nerv der Zeit zu treffen vermag. Hier finden wir eine beeindruckende Kombination von Frische und Modernität, die keineswegs die Normen der Anpassung an einen ominösen "Zeitgeist" erfüllt. Ist es da Zufall, daß die von Peter Mertens geführte PTB heute die am schnellsten wachsende kommunistische Partei Europas ist, die sich der gleichfalls standhaltenden und ihren Einfluß abermals erweiternden portugiesischen PCP besonders verbunden fühlt?

Wie man sieht, ist unsere Bewegung - und damit meinen wir abermals mehr als ein Parteibuch besitzende Kommunisten und Sozialisten - durchaus nicht am Ende ihres Lateins. Im politischen Kampf entscheiden nicht zuletzt auch Ausdauer und langer Atem über Erfolg oder Mißerfolg. Als der legendäre Reporter Egon Erwin Kisch, der einst in Prag das nur durch ihn gestaltete Blatt "Die Zeitung" herausbrachte, nach einem Jahr seine Bemühungen abbrach, war diese grandiose Investition in den Sand gesetzt.

Dabei kann auch in kurzen Zeitabschnitten, die manche als einen "Steinwurf der Geschichte" betrachten, oft mehr geschehen als in Jahrhunderten. Ja, sogar Weltveränderndes. Man denke nur an den Roten Oktober 1917.

Bisweilen frage ich mich: Was sind 12 oder 14 Jahre angesichts heutiger Schnellebigkeit? Doch dann kommt mir die bloß 14jährige Dauer des Bestehens der Weimarer Republik in den Sinn. War die kurze Periode zwischen 1919 und dem 30. Januar 1933 nicht eines der ereignisreichsten und folgenschwersten Kapitel in der Chronik der Deutschen? Oder ziehen wir die Schreckensbilanz aus der wenig mehr als zwölfjährigen Existenz des faschistischen 3. Reiches, als dessen Rechtsnachfolgerin sich bekanntlich die Bundesrepublik Deutschland empfindet, in Betracht. Im Zeitraum von 1933 bis in das Frühjahr 1945 wurde im Auftrag der Hitler finanzierenden und dirigierenden deutschen Monopolherren der 2. Weltkrieg entfesselt, ganz Europa in Brand gesteckt und ein Blutbad ohnegleichen angerichtet. Die unheilvollen 12 Jahre Faschismus reichten aus, um das schmachvollste Kapitel in der Geschichte der Nation von Müntzer und Luther, Goethe und Schiller, Heine und Hölderlin, Marx und Engels zu schreiben.

Doch was hat all das mit dem "RotFuchs" zu tun? Selbst wenn die Dimensionen ganz andere sind, gilt es auch hier die Wirkung in einer kurzen Periode zu prüfen. Der RF ist inmitten einer durch Niederlage und Konterrevolution geprägten Situation entstanden. Er hat nicht nur an Bord Gebliebenen, sondern auch vielen, denen die rauchenden Trümmer des in Europa zu Fall gebrachten Sozialismus vorübergehend den klaren Blick trübten oder den Mut raubten, wieder eine politische Heimat gegeben. Das ist nicht wenig. Entscheidend war Prinzipienfestigkeit bei gleichzeitigem Verzicht auf jegliche Prinzipienreiterei, die Vermeidung sektiererischer Enge wie opportunistischer "Breite". Dabei blieben wir auf dem Teppich und wurden nicht zu Gefangenen der schönen Illusion, man könne nach eigenem Wunsch und Willen über Nacht eine funkelnagelneue und lupenreine revolutionäre Vorhut, gar mit Masseneinfluß, aus dem Boden stampfen. Weder katzbuckeln vor anderen noch der durch Lenin gegeißelte "kommunistische Hochmut" bestimmten unser Handeln, wobei wir uns stets dessen bewußt waren, daß politische Ernsthaftigkeit nicht zuletzt am Verhalten zu eigenen Fehlern gemessen wird.

Bei all dem sollte man den historischen Optimismus bewahren: Bisweilen schlägt der Wind schneller als erwartet um. Auch wenn sich die Geschichte niemals auf dieselbe Weise wiederholt, sei an das wechselvolle Schicksal der alten KPD erinnert. Nach den erlittenen Niederlagen besaß sie 1925 nur begrenzten Einfluß - fünf Jahre später war sie die stärkste kommunistische Partei aller kapitalistischen Länder.

Übrigens: Der "RotFuchs" ist mit dieser Ausgabe 16 Jahre alt geworden.

Klaus Steiniger

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Gibt es eigentlich einen Neofaschismus?
[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Von Bebels Kampfansage zu Gabriels Kniefall

Nach monatelangem Marionettentheater um die Bildung einer Regierung der großen Koalition präsentierte man den Deutschen und der Welt einen verblüffenden Verhandlungserfolg: Der Berg kreißte und gebar ein Mäuslein. Ein weiteres Mal gingen die Sozialdemokraten mit der Hauptpartei der deutschen Bourgeoisie ins Koalitionsbett. Darüber, was eine solche Ehe mit Parteien der Kapitalisten wirklich bedeutet, haben sich herausragende Sozialdemokraten früherer Tage bereits deutlich geäußert.

Als erster wäre August Bebel zu nennen, unter dessen Führung die SPD grandiose Wahlerfolge erringen und einen steilen Aufstieg erleben konnte. Führende Politiker dieser einstmals zum internationalen Maßstab gewordenen Partei feierten Bebel 2013 als einen ihrer bedeutendsten Ahnherren. Das geschah aus Anlaß des - rund gerechnet - 150jährigen Bestehens der deutschen Sozialdemokratie, wobei man auch die Existenzdauer des ADAV von Ferdinand Lassalle kühn mit einbezog. Wäre es nicht besser gewesen, August Bebels Erfahrungen zu beherzigen, als mit diesem von der heutigen SPD durch Welten getrennten großen Arbeiterführer zu protzen?

1903 sprach August Bebel auf dem Dresdner SPD-Parteitag zu Fragen der Taktik. Seine Rede stellte eine Generalabrechnung mit den Revisionisten in den eigenen Reihen dar. Im Protokoll lesen wir: "Nun entsteht die Frage, ob wir unsre bisherige Taktik ändern sollen. Wann hat eine Partei ihre Taktik zu ändern? Denn daß eine Taktik nicht ewig ist, das versteht sich von selbst. Wilhelm Liebknecht hat einmal in seiner drastischen Art gesagt: Wenn notwendig, ändere ich binnen 24 Stunden meine Taktik 24 Mal. Die Taktik jeder Partei muß jedoch den Grundlagen entsprechen, auf denen sie aufgebaut ist, und wenn ich wirklich in 24 Stunden 24 Mal meine Taktik ändern muß, darf sie von den 24 Mal auch nicht einmal mit den Grundlagen der Partei in Widerspruch stehen (sehr richtig). Das ist das Entscheidende. ... Wir sind gewachsen, wir haben mehr Abgeordnete, und deshalb müssen wir unsere Taktik in gewissem Sinne ändern, aber nicht etwa in dem Sinne, daß wir bremsen oder zurückhalten. Nein, nachdem diese ungeheuren Wählermassen aufgrund unserer bisherigen Taktik, Kämpfe und Haltung uns durch ihre Stimmen ihr Ja ... gegeben haben, müssen wir noch energischer, rücksichtsloser und schärfer vorgehen als bisher (stürmischer Beifall). Wir werden nach wie vor in einer gewissen Isoliertheit bleiben und in der schärfsten Opposition. Das schließt natürlich nicht aus, daß wir Konzessionen annehmen, wenn wir sie bekommen können und wenn es uns der Mühe wert erscheint."

Bebel fuhr fort: "Es ist ja in unserer Partei dahin gekommen, daß es gewisse Kreise von Leuten gibt, die eine ganze Corona bürgerlicher Korybanten (Lobredner - H. S.) um sich versammelt haben. ... All jene (werden) gelobt ... von der bürgerlichen Presse, von deren Standpunkt aus ganz zu Recht ... und als die großen Staatsmänner mit dem weiteren Blick geschildert. Man will auf diese Weise, wie ich schon einmal gesagt habe, die Partei förmlich auseinanderloben. Das ist unter Formen und in einer Weise geschehen, daß ich sagen muß, es hat mich manchmal angeekelt (Beifall). ... Aber wenn mir so etwas passierte - es kann mir ja nicht passieren, und ich freue mich dessen. Solange ich atme und schreiben und sprechen kann, soll es nicht anders werden (lebhafter Beifall). Ich will der Todfeind dieser bürgerlichen Gesellschaft und dieser Staatsordnung bleiben, um sie in ihren Existenzbedingungen zu untergraben und sie, wenn ich kann, zu beseitigen (stürmischer Beifall)."

August Bebel wies nach, daß der Eintritt von Sozialdemokraten in eine bürgerliche Regierung für die Arbeiter nichts Gutes bringt. Sind die Erkenntnisse dieses großen SPD-Politikers inzwischen widerlegt, haben derzeitige Führer trotz flammender Schwüre in Sonntagsreden Bebels richtungweisende Worte nicht längst über Bord geworfen?

Lassen wir noch einen Mann zu Wort kommen, der die Sozialdemokratie nach 1945 wie kein anderer geprägt hat: Kurt Schumacher. Dieser fanatische Antikommunist war zu Zeiten der Kanzlerschaft Konrad Adenauers Sprecher der Opposition im Bundestag. Am 21. September 1949 antwortete er auf Adenauers erste Regierungserklärung mit einer Grundsatzrede zum "Wesen der Opposition".

Dort liest man: "Die vorbehaltlose Überbewertung der Regierungsfunktion und die ebenso vorbehaltlose Unterbewertung der Oppositionsfunktion stammt aus dem Obrigkeitsstaat. ... Wir haben eine in Sachen der Besitzverteidigung sehr unsentimentale Regierung, und es wird eine der Aufgaben der Opposition sein, bei der Interessenvertretung der arbeitenden Bevölkerung ebenso unsentimental zu sein. ... Die Opposition ist ein Bestandteil des Staatslebens und nicht eine zweitrangige Hilfestellung für die Regierung."

Schumacher fuhr fort: "Die Opposition ist die Begrenzung der Regierungsmacht und die Verhütung ihrer Totalherrschaft. Ihre Eindeutigkeit zwingt alle Parteien - die der Opposition wie die der Regierung -, ihr innerstes Wesen an ihren Taten zu offenbaren."

Und Schumacher gelangte zu dem Schluß: "Wir haben heute einen Staat, den wir Sozialdemokraten als einen Staat der überwiegenden sozialen Restauration ansehen. Wir haben einen Staat, von dem wir befürchten, daß seine Führung gar zu leicht in Versuchung kommt, die Volksmassen als Objekte zu behandeln."

Wie man sieht, ist der moralisch-politische Abstieg koalitionsgeiler und prinzipienloser Posten- und Tantiemen-Jäger heutiger Tage selbst im Vergleich mit den Positionen eines rechtssozialdemokratischen Kommunistenhassers wie Kurt Schumacher eklatant.

Prof. Dr. Horst Schneider

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Ein großartiges Buch des PTB-Vorsitzenden Peter Mertens

Noch können sie es wagen

Peter Mertens, Jahrgang 1969 und seit 2008 Vorsitzender der Partei der Arbeit Belgiens (PTB), hat vor zwei Jahren ein aufsehenerregendes Buch veröffentlicht. In Belgien, den Niederlanden und Frankreich wurde es sofort zum Bestseller. Nun liegt es in einer deutschsprachigen Ausgabe vor.

Der Autor verfügt über die Gabe, den Leser bei seinen unmittelbaren Erfahrungen abzuholen, ihm eine Menge sachlicher Informationen zu vermitteln und diese auf spannende Weise zu marxistischen Aussagen zu verdichten.

Er beginnt mit seinem eigenen Land, wo die Reichen faktisch keine Steuern zahlen und ausgerechnet in der Krise viel schneller noch reicher werden als je zuvor. Und das ist keineswegs nur in Belgien der Fall: "0,5 Prozent der erwachsenen Weltbevölkerung besitzen 38,5 Prozent vom gesamten Reichtum des Planeten. In anderthalb Jahren sahen die Millionäre ihr Vermögen um 29 Prozent ansteigen. Gegner der (durch die PTB vorgeschlagenen - G. D.) Millionärssteuer sagen, daß Otto Normalverbraucher die Krise bezahlen soll."

Dann geht es um "Europa im Morast". "Niedriglohnland Deutschland" wird zum Thema. "Testgelände für Lohn- und Sozialdumping" in ganz Europa waren "die Ossis". Denn: "Im Osten war alles erlaubt, und was nicht funktionierte, wurde einfach den Strukturen der Vergangenheit angelastet." Die Offensive sei von einer schrillen Medienkakophonie über faule und verwöhnte Ossis begleitet worden, "die es nicht gewohnt seien zu arbeiten". Doch das war nur der Auftakt: "Dieselben Disharmonien klingen nun zwanzig Jahre später wieder durchs Land, diesmal mit Texten gegen die faulen und korrupten Griechen."

Der "Exportweltmeister" konnte die Parole ausgeben: "Lebe auf Kosten des Nachbarn und bringe ihn an den Bettelstab, gleichgültig, ob er ein ferner oder ein naher Nachbar ist." Die bitteren Konsequenzen sind u. a. in Griechenland, Lettland, Irland und Portugal in Augenschein zu nehmen.

Der Lobby-Dachverband des Kapitals, "BusinessEurope", hat Verheerendes angerichtet. Das Arsenal zur Zementierung der Ausbeutungsverhältnisse ist weiterentwickelt worden.

Mertens räumt mit der Behauptung auf, das "Zeitalter der Ideologien" liege hinter uns. Die "Vordenker" des konterrevolutionären Feldzugs werden enttarnt. Breiten Raum nimmt die Auseinandersetzung mit systematisch geschürtem Nationalismus und Rassismus ein. Beeindruckend ist, wie der flämische Autor dieses Thema vor allem anhand der wechselvollen Geschichte seiner eigenen Heimat bearbeitet.

Die Alternative ist der entschlossene Kampf um ein sozialistisches Europa. Nur so kann das ein Kontinent werden, "auf dem öffentliche Dienste und Unternehmen im Takt der Bedürfnisse der Bevölkerung funktionieren und wo jeder Wucher, alle parasitären Lasten und sämtliche spekulativen Aktivitäten strukturell angegriffen werden können". Und Mertens betont: "Nein, ich bin nicht im geringsten gegen Europa, und auch nicht gegen Afrika oder Asien. ... Meine Farbe ist diejenige der Völker, und die ist rot!"

Marxisten stehen stets vor der Herausforderung, bei der Analyse der konkreten Lage die revolutionäre Grundposition mit nüchternem Realismus zu vereinen. Nur so gewährleisten sie, nicht dem Trugschluß zu unterliegen, mit ständigen Aufrufen zu revolutionärem Sturm sei schon alles getan. Nur so sind sie aber auch davor gefeit, in opportunistische Fallen zu tappen und der sozialreformistischen Illusion aufzusitzen, der absolut notwendige Kampf um Reformen werde ohne revolutionäre Umbrüche die Menschheit schließlich zum demokratischen Sozialismus emporheben. An herausragender Stelle steht deshalb die Losung von Dolores Ibarruri: "Lieber aufrecht sterben als kniend leben."

Wie ist die Lage? "Heute nun trifft die 'Superklasse der wenigen' katastrophale Entscheidungen. Sie enteignet dem Menschen die Arbeitskraft und Partizipation, sie enteignet der Natur ihre natürliche Befähigung zur Regeneration. Sie enteignet und enteignet, bis hinein in die Hölle. Was können wir dagegen unternehmen? ... Die Demokratie von morgen beginnt mit der Enteignung der Enteignenden."

Es gilt, sich der Tatsache zu stellen, daß es der Gegner nach der Niederlage des Sozialismus in Europa vermocht hat, tiefe Breschen in das Klassenbewußtsein der Arbeiter zu schlagen. Manchem ist es heute peinlich, "nur ein Arbeiter" zu sein. Und "Proletarier" ist im Alltag sogar zum Schimpfwort verkommen.

Was ist zu tun? "Wer wieder eine eigene Moral aufbauen soll und muß, das ist die breite Arbeiterklasse - Menschen, die alltäglich für Lohn zur Arbeit gehen, aber auch Menschen, die durch die Krisen ihren Arbeitsplatz verloren haben oder die vor Hunger und Elend in ihren Ländern fliehen, auf der Suche nach einer Chance zu leben -, eine neue eigene Moral, basierend auf den Werten wie gegenseitige Hilfe, Solidarität, Zusammenarbeit, Kollektivismus, Respekt für den Mitmenschen, Einheit von Wort und Tat, Achtung vor der Arbeit, Rationalismus, Selbstvertrauen und Selbstkontrolle, Bereitschaft zu Initiativen und Internationalismus."

Peter Mertens tritt dem Mythos entgegen, aufgehäuftes Geld "arbeite": "Denn letztendlich rührt aller Reichtum aus der Produktion. Geld kreiert kein Geld, aber Arbeit kreiert Wohlstand." Er verweist auf einen wichtigen Ansatz zur Lösung des Rätsels, warum die Reichen in der gegenwärtigen Krise so phantastisch zulegen können. Die "Geldschwemme", zeugt "fiktives Kapital".

Ein gewaltiger Teil des umlaufenden "kapitalisierten" Geldes hat mit realer Wertschöpfung nichts zu tun. Dubiose "Wertpapiere" und Aktien, die Spekulationsanlagen sind, "arbeiten" im luftleeren Raum.

Besonders deutlich wird das bei Staatsverschuldungspapieren. "Seit dreißig Jahren geht es von Seifenblase zu Seifenblase, um eine Krise wegen Überkapazitäten hinauszuschieben. Diese Zeit war ein Fest des fortwährenden Überkonsums der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung. Ein Fest, bei dem der Kuchen schon gegessen wurde, bevor er überhaupt gebacken war. ... Inzwischen sind die Festbesucher bei Staatsobligationen angekommen, der allerletzten Seifenblase im völlig verschlammten System."

Die Jongleure haben so die Krise der Realwirtschaft immer wieder "hinausschieben" können, "doch dauerhaft kann eine Gesellschaft nicht auf Pump leben". Schulden haben nun einmal die unangenehme Eigenschaft, daß sie "bedient" und schließlich getilgt werden müssen. Die Mächtigen des Kapitals arbeiten fieberhaft daran, diese gewaltige Last zu "sozialisieren", das heißt, sie auf die Schultern des "Normalbürgers" abzuwälzen.

Die Felder der vor uns liegenden Schlachten sind schon abgesteckt.

Prof. Dr. Götz Dieckmann


Peter Mertens: Wie können sie es wagen? Der Euro, die Krise und der große Raubzug. Verlag André Thiele, Mainz 2013, 416 S., 19,90 €, ISBN 978-3-95518-003-4

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Die einzige Frau, der man eine Million Rosen sandte

Angela Davis wird 70

Den Namen Angela Davis hatte ich mir bereits eingeprägt, als sie - außer ihren Mitstudenten in der Main-Metropole und den Köpfen der Frankfurter Schule - in deutschen Landen noch kaum jemand kannte. Damals las ich in der New Yorker "Daily World" den Bericht über einen Eklat an der Universität von Los Angeles. Dort hatte man eine junge Philosophie-Dozentin wegen ihrer Zugehörigkeit zur KP der USA trotz heftiger Proteste des Lehrkörpers und der Studentenschaft entlassen wollen. Obwohl der damalige kalifornische Gouverneur und spätere US-Präsident Ronald Reagan - einst Spitzel für den McCarthy-Ausschuß - auf diese Willkürmaßnahme drang, wurde sie vom daraufhin angerufenen Gericht aufgehoben.

Im Besitz solcher Informationen veröffentlichte das ND, dessen Journalist ich in besserer Zeit rund 25 Jahre gewesen bin, meinen Beitrag "Der Fall Angela Davis". Ins Auge sprang dabei das Bild einer jungen, überaus attraktiven Afroamerikanerin, die sich nicht zuletzt auch durch ihre auffallende Haartracht der Leserschaft einprägte.

Da sich Kaliforniens Machthaber der roten Dozentin nicht zu entledigen vermochten, die selbst angesichts einer enormen Haßpost-Kampagne mit massiven Morddrohungen dem Druck standhielt, beschritt man andere Wege. Den Gegnern von Angela Davis kam dabei ein Vorfall im Gerichtsgebäude von San Rafael gelegen. In diesen war ein erst 16jähriges Mitglied der Angela schützenden Eskorte verwickelt. In vorheriger Kenntnis eines Befreiungsversuchs im Gerichtssaal hatte die kalifornische Polizei einen Hinterhalt gelegt und vier Menschen - darunter Angelas Leibwächter - erschossen. Obwohl sie selbst von dem fernen Geschehen nichts wußte, bezichtigte man sie unverzüglich der Rädelsführerschaft bei einem dreifachen Kapitalverbrechen: Mord, Menschenraub und Verschwörung. Noch am selben Tag wurde Angela Davis vom FBI auf die "Liste der zehn am meisten gesuchten Verbrecher" gesetzt. Nach einer Treibjagd ohnegleichen nahm man sie in New York fest. Nun begann für die so Gebrandmarkte ein Martyrium langer quälender Haft. Angelas Häscher und Ankläger wollten sie in die Gaskammer des Hinrichtungszuchthauses San Quentin bringen.

Um das keineswegs allen Lesern bekannte Ergebnis vorwegzunehmen: In einem monatelangen Schauprozeß, der in der kalifornischen Großstadt San Jose stattfand, wurde Angela Davis am 4. Juni 1972 durch sämtliche zwölf Geschworenen - keiner von ihnen war schwarz - in allen drei Punkten der Anklage freigesprochen.

Der Zusammenbruch dieser infamen Verschwörung war der erste große Sieg internationaler Solidarität über die Klassenjustiz der Bourgeoisie, nachdem vorausgegangene Weltkampagnen wie jene für Sacco und Vanzetti, die Rosenbergs, den Griechen Nikos Belojannis und den Spanier Julian Grimau keinen Erfolg gehabt hatten.

Zu jenen, die Angela Davis unverzüglich zu Hilfe eilten, gehörte die DDR. Deren Vorhut bildeten Kinder aller Altersstufen, die der mit dem Tode Bedrohten eine bis heute archivierte volle Million selbstentworfener und gemalter Rosen in ihre Zelle schickten.

Schon unmittelbar nach Angelas Arretierung wurde ich gebeten, den Text für eine dann reich bebilderte Broschüre zu schreiben, die später auch in einer englischen Version erschien. Der Titel "Freiheit für Angela Davis!" erfuhr eine Auflage von 500.000 Exemplaren. So erreichte er buchstäblich alle Schulen, Kindergärten, Betriebe, Einrichtungen und Kasernen der DDR. Das ganze Land rang - als Teil einer weltweiten Solidaritätsbewegung - um das Leben dieser fernen und allen doch so nahen Frau.

Im Februar 1972 erhielt ich nach einer sich viele Monate hinziehenden Prozedur und etlichen "Gesprächen" in der mit CIA-Leuten vollgestopften Westberliner US-Mission ein Visum. Schon bald nach meiner Ankunft in San Jose konnte man im "Spiegel" lesen, das Erscheinen eines DDR-Korrespondenten im Gerichtssaal habe zu Beginn des Prozesses gegen Angela Davis für mehr Aufsehen gesorgt als die Geschworenenbefragung. Nachdem ich Horst Schäfer, der einen BRD-Paß besaß und dem es zuvor gelungen war, ein spektakuläres TV-Interview mit Angela in deren Gefängniszelle zu führen, abgelöst hatte, genoß ich zwei Monate lang ein besonderes Privileg: Als meist einziger Berichterstatter aus sozialistischen Ländern wurde mir Tag für Tag einer der Hunderten Reportern ausgeschlagenen Presseplätze im Gerichtssaal zugewiesen - erstaunlicherweise immer derselbe!

In der Schlußphase des Verfahrens zum raschen Verlassen der Vereinigten Staaten gezwungen, gab ich in einem Steakhouse der Stadt ein Abschiedsessen für Angela und deren engste Mitstreiter. Zu dieser Zeit befand sich die USA-Aggression gegen Vietnam auf dem Höhepunkt. So war es eine weitere Mutprobe Angelas, daß sie im vollbesetzten Lokal einen Trinkspruch auf die "Helden Vietnams" ausbrachte.

Später bin ich der Freigesprochenen noch einige Male begegnet. Natürlich habe ich sie auf Etappen ihrer triumphalen Reise durch die DDR begleitet. Als sie Jahre darauf bei uns in der Leipziger Straße Berlins zu Gast war, trug sie unseren jüngsten Sohn auf dem Arm.

2010 wurde meine bereits zu DDR-Zeiten in hohen Auflagen herausgekommene Reportage "Schauprozeß in San Jose" unter dem nicht von mir stammenden Titel "Eine Frau schreibt Geschichte" abermals verlegt. Auf meine Bitte hatte Angela das Vorwort geschrieben und zugestimmt, an einer Rundreise zur Präsentation des Buches teilzunehmen. Doch der Verlag disponierte anders und fand zusätzliche Schirmherren.

Während des ND-Pressefestes hatten dessen Veranstalter für die Vorstellung einen bestimmten Raum in der Berliner Kulturbrauerei ins Auge gefaßt. Da sich indes weit mehr Interessierte als erwartet eingestellt hatten, mußte die große Bühne freigegeben werden. Dort wurde der Davis-Prozeß vor nahezu tausend Zuhörern wieder ins Gedächtnis gerufen. Bei dieser Gelegenheit verdeutlichte ich die herausragende Rolle der DDR, die ich als größte Errungenschaft in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung bezeichnete. Angela erklärte sich mit jedem meiner Sätze einverstanden.

Am 26. Januar wird die Heldin des Anderen Amerika - inzwischen eine emeritierte Philosophie-Professorin der kalifornischen Universität Santa Cruz - 70 Jahre alt. Wer ihre unveränderte Ausstrahlung erlebt, glaubt es nicht.

Laß Dich herzlich umarmen, liebe Angela!

Klaus Steiniger

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Eine rote Oase in der Medienwüste der BRD

Allen am Zustandekommen des RF Beteiligten möchte ich danken. Die Arbeit, die in dieser Zeitung steckt, ist nicht vergebens. Ich bin jeden Monat froh, wenn die aktuelle Ausgabe kommt und dem Mainstream der Staats- und Konzernmedien Contra bietet. Nach jetzt dreijähriger Ansässigkeit in der annektierten Ostzone der BRD ist mir der "RotFuchs" nicht nur eine Quelle von Hintergrundinformationen und sehr nützlichen Beiträgen über die DDR geworden, sondern hat mich - neben den direkten Begegnungen mit Kollegen, Freunden und "ganz normalen Menschen" - maßgeblich zu eingehenderer Beschäftigung mit der Geschichte der DDR und der Entwicklung der beiden deutschen Staaten im Zeichen der Blockkonfrontation motiviert. Als in der Alt-BRD Aufgewachsener komme ich mitunter aus dem Staunen nicht heraus. Nämlich über die schier unglaubliche Verlogenheit der Propaganda gegen und die Verdrehung von Fakten über die DDR, mit der die BRD-Bürger von klein auf zugemüllt wurden und werden. Daß mit der "Erledigung" der verhaßten DDR die antikommunistische Hetze nicht beendet sein würde, war ja zu erwarten und wird mit jedem Jahr seit der Konterrevolution neu bestätigt. Hier gegen die unüberwindliche Medienmacht der Systempresse für Aufklärung auch durch Beiträge von Zeitzeugen zu sorgen, ist eines der Verdienste des RF.

Wenn ich heute Freunde und Verwandte im Westen besuche, höre ich neben Verständnislosigkeit für meine Wohnsitzwahl (Kannst Du denn hier nicht viel besser verdienen?) vor allem Sprechblasen wie "Aber es ist doch gut, daß die Demokratie über die Diktatur gesiegt hat." Und das von Leuten, die selber unter der Diktatur des Finanzkapitals und seines Rentabilitätsprinzips leiden, indem ihnen die Löhne gekürzt, Stellen gestrichen und die Lebenshaltungskosten permanent erhöht werden.

Meine Gegenfrage lautet dann oft: "Was weißt Du denn über die Möglichkeiten der Mitbestimmung in der damaligen DDR? Kennst Du deren Verfassung? Und hältst Du es für den Gipfel der Demokratie, alle vier Jahre ein Kreuzchen auf einen Zettel zu machen und damit die Herrschenden zu ermächtigen? Eine Ermächtigung, bei der die Gewählten keinerlei Kontrolle durch die sie Wählenden unterliegen; eine Ermächtigung auch, die Ausplünderung des Volkes ins nahezu Grenzenlose zu steigern, den Abbau des Sozialstaates weiter voranzutreiben und vor allem: den wirklich Mächtigen aus den Banken, Konzernen und Versicherungsimperien alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen, die noch irgendwie die schrankenlose Kapitalverwertung aufhalten könnten?"

Da bleibt dann meist die Antwort aus, oder es wird versucht, die überall zu beobachtende Dehumanisierung, Verarmung und Verrohung des Lebens im Kapitalismus als "Betriebsunfall" einer ansonsten grundguten Marktwirtschaft hinzustellen.

Kurzum: Es freut mich, daß es mit dem "RotFuchs" eine Stimme gibt, die gesellschaftliche Alternativen zum herrschenden System nicht nur als Utopie formuliert, sondern Wortmeldungen vieler Beteiligter, die bereits Erfahrungen mit einer solchen Alternative sammeln konnten, sowie notwendige Lehren fürs "nächste Mal" vermittelt. Auch wenn der erste Sozialismus-Versuch in Deutschland vorerst sein Ende gefunden hat, wird die Zeit für einen neuen Anlauf kommen. Hauptsächlich aus diesem Grunde - denke ich - legen sich die hierzulande Herrschenden so ins Zeug, alles, was mit der DDR und dem Sozialismus zusammenhängt, zu verteufeln.

Also nochmals DANKE für die Arbeit am "RotFuchs" und die Bereicherung der Wüste der Systempublikationen durch eine rote Oase.

Kay Strathus, Weimar

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Lichtblick am Ende des Tunnels

Jeden Monat freue ich mich auf den neuen "RotFuchs". Eure Artikel sind für mich eine Offenbarung. Besonders die Geschichten aus DDR-Zeiten finde ich sehr interessant. Sie bestätigen mir das, was meine Frau Viera, die aus der Slowakei stammt, immer erzählt: "Wir hatten das bessere System. Bei uns hatte jeder Arbeit, ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen." Ihre Cousins sprechen sogar von "goldenen Zeiten". Auch meine rußlanddeutschen Freunde berichten mir oft über die Sowjetunion: "Unsere Kinder wurden nach ihren Fähigkeiten und ihrem Charakter geschult und konnten dann der Tätigkeit nachgehen, die sie ausüben wollten. Die Arbeiter bekamen jedes Jahr einen Ferienplatz zugesprochen, ein Flug von Kasachstan nach Moskau kostete etwa 28 Rubel. Jede Putzfrau konnte nach Moskau oder in den Urlaub ans Schwarze Meer fliegen."

Bei einem Aufenthalt in der Slowakei zeigte mir Viera - sie ist Jahrgang 1968 - eine frühere "Kolchose". Sie schilderte mir, wie dieser Betrieb einst funktioniert hat. Das faszinierte mich. Solche Genossenschaften waren für die Versorgung einer bestimmten Region zuständig, womit frisches Fleisch, Milch, Eier und vieles mehr direkt in die Läden kam. Die Tiere wurden artgerecht gehalten und waren den Sommer über immer auf den Weiden. Wenn Gott die Kapitalisten für ihre Tierhaltung hierzulande bestrafen könnte, würden sie die Hölle erleben. Als die Mauer fiel, hatte Viera dafür nur einen Satz übrig: "Der Einmarsch der Verbrecher!"

Wir beide arbeiten seit langem ehrenamtlich im Streetwork-Bereich für den Verein KARO e.V. an der deutsch-tschechischen Grenze. Hier kämpfen wir gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Kindern. Dabei erleben wir oft die reinste Hölle! Wir fragen uns immer wieder: Wie kann das "reiche Europa" zulassen, daß jährlich 250.000 Kinder und Frauen aus Osteuropa verschleppt werden? Wie ist es möglich, daß an der Grenze zwischen der BRD und Tschechien täglich Kinder und Frauen aufs brutalste mißbraucht und mißhandelt werden? Gehört dies etwa zu jener freiheitlich-demokratischen Ordnung, die 1990 den Völkern Osteuropas versprochen wurde? Es ist eine Verhöhnung der Opfer, wenn der Bundespräsident immer und immer wieder das Wort "Freiheit" im Munde führt. Ich möchte hierzu Theodor W. Adorno zitieren, der gesagt haben soll: "Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Faschisten, sondern vor der Rückkehr der Faschisten in der Maske der Demokraten."

Carl Friedrich von Weizsäcker hat in seinem Buch "Der bedrohte Friede" bereits 1981 ein düsteres Szenario vorausgesagt: "Die Arbeitslosenzahlen werden weltweit ungeahnte Dimensionen erreichen. Die Löhne werden auf ein noch nie dagewesenes Minimum sinken. Alle Sozialsysteme werden mit dem Bankrott des Staates zusammenbrechen, Rentenzahlungen zuerst.

Auslöser ist eine globale Wirtschaftskrise von ungeheurer Dimension, die durch Spekulanten hervorgerufen wird. ... Die herrschende Elite wird gezwungen, zu ihrem eigenen Schutz Privatarmeen zu unterhalten und ... den totalen Überwachungsstaat zu schaffen. ... Die ergebenen Handlanger dieses Geldadels sind korrupte Politiker. ... Um Rohstoffbesitz und den eigenen Machterhalt werden Großmächte Kriege mit Atomwaffen und anderen Massenvernichtungsmitteln führen. Die Völker werden ... das skrupelloseste ... und menschenverachtendste System erleben - ihr Armageddon."

Die Tatsache, daß bereits viele der Befürchtungen Weizsäckers eingetreten sind, wirkt äußerst beunruhigend.

Ein Lichtblick am Ende des Tunnels seid Ihr mit Eurem "RotFuchs". Die meisten von Euch haben am Sozialismus mitgebaut. Wir Nachfolgenden können Euer gutes Projekt analysieren und weiterentwickeln, um einen Widerpart zum jetzigen menschenverachtenden System zu entwerfen.

Herzlichen Dank für alles, was Ihr geleistet habt!

Hannes Färber, Stadtrat der Partei Die Linke, Grafenwöhr

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Zur Dialektik des Untergangs von UdSSR und DDR

Die Würfel fielen in Moskau

Im RF vom Oktober 2013 schreibt Klaus Liebrenz aus Rostock: "Immer wieder suchen Leser und Autoren des ,RotFuchs' nach den Ursachen für den Untergang der DDR." Er fügt hinzu: "Wir haben doch immer unser Bestes gegeben." Ich will einmal so antworten: Ob wir "immer unser Bestes gegeben haben", die DDR aufzubauen und zu gestalten, dürfte wohl von deren früheren Bürgern recht unterschiedlich bewertet werden. Selbst ihren entschlossensten Verteidigern fällt im nachhinein immer noch etwas Besseres ein. Doch wer nach den Ursachen des Desasters von 1989/90 nur bei der DDR sucht, wird diesen wohl vergeblich nachspüren.

Die DDR ist nicht an sich selbst gescheitert - wenn scheitern hier überhaupt der richtige Begriff ist. Woran aber dann? An der Sowjetunion, einem bestimmten Kreis in der politischen Führung der KPdSU?

"Wer verriet die Sowjetunion?" lautet der Titel eines Buches von Jegor Ligatschow, den man immerhin als den "zweiten Mann" nach Gorbatschow zu betrachten hatte. Er gehörte, wie man weiß, nicht zur Riege der Verräter, war aber viele Jahre in einer Spitzenfunktion tätig. Hat er von all dem nichts wahrgenommen?

Man setzte auf "Reformen" - alle wollten sie, auch er, gibt Ligatschow in seinem Buch zu erkennen. Wurde der Reformbegriff von einigen vielleicht nur benutzt, um den Verrat sicherer vorbereiten zu können? Und wieso ließ sich die mächtige Sowjetunion unter dem Vorwand einer Reform zur Konterrevolution verführen? Sie muß doch in dieser Etappe von Schwäche befallen gewesen sein, daß man das Land so schnell auf den Begriff Reform einstimmen konnte. Die Vorstellung, man könne einer starken, sogar noch an Kraft gewinnenden UdSSR eine Reform aufschwätzen, welche nur deren Ende einläutet, ist doch wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Als man in Moskau Schwäche oder abnehmende Möglichkeiten von Stärke erkennen ließ, wurde es leichter, die Führung von Partei und Staat in Selbstzweifel zu stürzen. Man muß also die Veränderungen in der inneren und äußeren Lage der UdSSR berücksichtigen, ja sogar zum Ausgangspunkt von Überlegungen über Ursachen des Untergangs der Sowjetunion und damit auch der DDR machen, um zum Verstehen der Ereignisse zwischen 1989 und 1991 zu gelangen. Mit anderen Worten: In den 80er Jahren hatte man ohne Zweifel von einer völlig anderen Sowjetunion auszugehen als jener, die wir lange Zeit gewohnt waren. Denn ihr "Untergang" ist primär, jener der DDR sekundär. Daraus ergab sich nicht zuletzt auch die außergewöhnliche Schwäche des Reagierens der DDR-Führung auf jene "dramatischen Ereignisse", von denen Erich Honecker sprach. Der DDR blieb angesichts dieses Untergangs-Szenarios der Sowjetunion nicht mehr die Wahl einer eigenständigen Option.

Die Frage muß also lauten: Die DDR ist untergegangen, aber trifft das auch in gleicher Weise auf die Sowjetunion, zumindest ihren russischen Teil, zu? Ist Rußland wie die DDR als Staat liquidiert worden? Träfe das zu, dann wäre es heute in anderer Staaten Hand, einem anderen Kapitalismus zugeschlagen, z. B. dem der USA, vielleicht sogar in Komplizenschaft mit dem deutschen. Wenn aus Rußland so etwas nicht geworden ist, dann offenbart das die Tatsache, daß die Sowjetunion - auch wenn die UdSSR als Vielvölkerstaat durch Verrat liquidiert wurde - insgesamt nicht "zusammengebrochen" ist. Ihr gesellschaftliches System hat sich in allen früheren Sowjetrepubliken - sieht man von Belarus ab - fundamental verändert, aber die Russische Föderation ist nach wie vor ein Staat mit eigener geschichtlicher Ausstrahlung - anders als die DDR. Bei der Bewertung der dortigen Konterrevolution könnte man von einer Rückverwandlung aus einem sozialistischen in einen bürgerlichen Nationalstaat sprechen. Bei Wiederherstellung kapitalistischer Strukturen blieb das Land vom äußeren Kapitalismus relativ unabhängig.

Sämtliche anderen sozialistischen Staaten Europas gerieten wie die DDR in ein "westliches" Gesellschaftssystem, was entweder in staatlicher (DDR) oder zumindest in Form ökonomischer Abhängigkeit von den USA und der EU erfolgte. Deshalb muß man auch davon ausgehen, daß sich die Konterrevolution in Rußland von der in den anderen Ländern Ost- und Mitteleuropas unterscheidet. Es ist an der Zeit, deren Verlauf und Ergebnisse in den einzelnen Ländern differenzierter zu betrachten.

Ist die Gesellschaftsordnung der Bewertungsmaßstab, dann fiel die Sowjetunion einer Restauration bürgerlicher Macht- und Eigentumsverhältnisse zum Opfer. Also dem, was wir gemeinhin unter Konterrevolution verstehen. Ist aber der Staatsbestand das Maß, dann blieb dieser in Rußland unter neuem Namen und in anderer Form erhalten. Unter sozialökonomischem Aspekt ist Rußland zwar kapitalistisch geworden, wurde indes nicht vom internationalen Kapital vereinnahmt. Den Wandel hat hier eine von innen initiierte Konterrevolution herbeigeführt, wie sie im Kalten Krieg vom Westen anvisiert worden war. Doch es handelte sich nicht um einen "durch den Westen hineingetragenen", sondern einen von verräterischen Kräften im eigenen Land herbeigeführten Systemwechsel, eine gesellschaftliche Rückwärtsentwicklung.

Man darf nicht übersehen, daß Rußland, welches sich staatlich aus einem direkten Verhältnis zum Sinnen und Trachten der revolutionären Arbeiterbewegung gelöst hat, dennoch in gewisser Weise den Zusammenhalt mit jener anderen Bewegung sucht, die ebenfalls unter der Ägide der Sowjetunion und ihrer Systempartner entstanden ist: der nationalen und demokratischen Befreiungsbewegung, dem Aufstand der kolonialen und abhängigen Länder gegen imperialistische Mächte. Rußland versteht sich offensichtlich ihr noch zugehörig und übt Einfluß auf sie aus. Das ist auch gut so, wenn man nur an die Rolle Moskaus im Syrienkonflikt denkt.

Es geht also darum, den "Untergang des Sozialismus in der DDR" nicht allein und in erster Linie an der DDR selbst festzumachen - jenes Mitgliedsstaates von RGW und Warschauer Vertrag, dessen politische Führung im Unterschied zur Gorbatschow-Clique und manch anderen keine Preisgabe des Sozialismus betrieb. Doch auch das sei gesagt: Wie Revolutionen sind auch Konterrevolutionen nur Etappen der Geschichte - sie haben einen Anfang, einen Verlauf und ein Ende.

Hermann Jacobs, Berlin

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Akzentverschiebungen bei der "Totalitarismus"-Doktrin

Volle Pulle gegen Rot

Während des Zweiten Weltkriegs blickten die Völker mit Entsetzen auf den Faschismus, der die Menschheit seiner Barbarei zu unterwerfen drohte. Sechs Jahre lang hatten sich die Regierungen der Westmächte als unfähig und unwillig erwiesen, der wachsenden Stärke und Aggressivität des Faschismus zu begegnen. Ein Bündnis mit der Sowjetunion gegen Hitler hintertrieben sie von Beginn an, wobei sie ihre Hoffnungen auf einen militärischen Zusammenprall zwischen Faschisten und Kommunisten setzten. Innerhalb dreier Jahre - von 1939 bis 1942 - gelang es Nazideutschland, sich nahezu ganz Kontinental-Europa zu unterwerfen. Als Hitler die Sowjetunion überfallen ließ, zeigte sich bald, daß diese keineswegs jener "Koloß auf tönernen Füßen" war, als den man sie dargestellt hatte. Trotz enormer Anfangserfolge mußte die Wehrmacht bald schwere Verluste hinnehmen. Nach einem halben Jahr konnte sie vor Moskau zum Stehen gebracht werden. Die UdSSR wurde im Verlauf des Krieges zum Hoffnungsträger der Völker ganz Europas.

"In der Einigkeit des russischen Volkes gegen einen machtvollen äußeren Feind und in den grenzenlosen Opfern und der beispielhaften Selbstlosigkeit jedes einzelnen sehe ich den Beweis eines starken und umfassenden Willens, das zu verteidigen, was sie gewonnen haben. Wir schulden dem russischen Volk für die erlittenen riesigen Verluste und Leiden großen Dank", erklärte Albert Einstein 1942.

Doch die führenden Politiker des Westens behielten ihre Interessen weiter fest im Auge. Für Dankbarkeit war da kein Platz. Sie schlossen zwar ein Bündnis mit Moskau, ließen die Rote Armee aber die Hauptlast des Kampfes tragen. Auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam (1944/1945) wurde der bestimmende Einfluß der Siegermächte in den ihnen zuerkannten Besatzungszonen geregelt.

Churchill erregte sich über das gewachsene Prestige der Sowjetunion und erklärte unverblümt: "Wir haben das falsche Schwein geschlachtet." Auch Präsident Truman sorgte dafür, daß die USA schon bald nach dem gemeinsam errungenen Sieg zum Kalten Krieg gegen die UdSSR übergingen. Noch während der Potsdamer Konferenz ließ er Hiroshima und Nagasaki mit Atombomben auslöschen, obwohl Japan bereits in Kapitulationsverhandlungen einzutreten bereit zu sein schien. Es handelte sich vor allem um eine Machtdemonstration gegenüber der UdSSR. Während Stalin darauf bestand, daß alle Verbündeten die zwischen ihnen geschlossenen Verträge einhielten, führte Truman im März 1946 den Begriff des Eisernen Vorhangs ein.

Churchill stellte die politische Ordnung in den von der Roten Armee befreiten ost- und mitteleuropäischen Staaten als "kommunistische Diktatur" dar, während zur gleichen Zeit die britischen Imperialisten in Griechenland die von Kommunisten geführte Befreiungsarmee ELAS brutal zerschlugen.

Um das Ansehen der sowjetischen Befreier zu untergraben und zurückzudrängen, bedurfte es einer entsprechenden Theorie. Diese wurde 1951 durch Hannah Ahrendt geliefert. Sie dehnte den zur Kennzeichnung faschistischer Diktaturen eingeführten Begriff "totalitär" auf die volksdemokratisch-sozialistischen Staaten aus, wobei die Herrschaftsformen von Faschisten und Kommunisten gleichgesetzt wurden. Die Klasseninhalte und sozialen Bedingungen in beiden politischen Systemen sowie die Macht- und Eigentumsverhältnisse blieben dabei außer Betracht. Obwohl absolut unwissenschaftlich, wurde der Kampfbegriff Totalitarismus zur zentralen Leitlinie antikommunistischer Ideologie.

"Wer auf dieser Gleichstellung (von Kommunismus und Faschismus als totalitär) beharrt ... (ist) in Wahrheit im Herzensgrund damit bereits Faschist und wird mit Sicherheit den Faschismus nur unaufrichtig und zum Schein, mit vollem Haß aber allein den Kommunismus bekämpfen", stellte einst Thomas Mann fest.

Während seit den Tagen Adenauers behauptet wird, die Bundesrepublik bekämpfe jeden Extremismus ob von links oder rechts in gleicher Weise, wurden in Wahrheit die Nazi-Eliten fast bruchlos übernommen, die KPD erneut verboten, die Beziehungen zu faschistischen Staaten wie Spanien und Portugal drei Jahrzehnte lang fortgesetzt und durch faschistische Putsche an die Macht gelangte rechtsradikale Diktaturen wie in Griechenland, Chile und Argentinien seitens der BRD geduldet und begrüßt.

Nach wie vor wird der Kommunismus als Hauptfeind von Demokratie und Menschenrechten verunglimpft, während man zugleich die von Faschisten ausgehende Gefahr bewußt bagatellisiert.

Im August 2013 wurde bei "arte" der Film "Churchills großes Spiel" gezeigt. Haupttendenz war es, die Rolle der Sowjetunion und Stalins im Zweiten Weltkrieg zu verteufeln und "neu aufzuarbeiten".

Der Streifen beginnt mit Szenen von der Potsdamer Konferenz. Dem Kommentar zufolge "pokerten" Churchill, Truman und Stalin dort um Macht und Land. Wörtlich heißt es: "Stalin bastelte an seiner Kommunisten-Welt." Dieser wird als Cartoon-Figur gezeigt, wobei seine Pupillen ihre Farbe zu einem "teuflischen Rot" verändern. Am Ende des Films zogen dessen Macher "Bilanz": Es sei "eine schreckliche Enttäuschung" gewesen, "daß wir Stalin geholfen haben - einem Regime, das noch schrecklicher war als jenes, was wir bekämpft hatten".

Noch ein weiteres Beispiel für eine "künstlerische" Variante der Totalitarismus-Doktrin. 2010 erschien "Bloodlands" von Timothy Snyder. Der Autor verharrt zwar noch auf der "normalen" Position der Totalitarismus-Doktrin, indem er Hitler und Stalin gleichsetzt, bemüht sich aber bereits, die Verantwortung für bisher den Faschisten zugeordnete Bluttaten ebenfalls "auf gleiche Schultern" zu verteilen.

Durch den Überfall Nazideutschlands - hier als "Überraschungsangriff" dargestellt - seien der Wehrmacht drei Millionen Rotarmisten in die Hände gefallen. Die Tatsache, daß diese in den Lagern verhungerten, müsse man "als Resultat der Interaktion beider Systeme" betrachten. "Deutsche und Sowjets provozierten einander zu immer größeren Verbrechen wie in den Partisanenkämpfen um Weißrußland und Warschau", heißt es dort. Damit soll der Eindruck einer Mitschuld der Roten Armee am faschistischen Massenterror gegen die Zivilbevölkerung erweckt werden.

Inzwischen spielt die Gleichsetzung von Faschismus und Kommunismus kaum noch eine Rolle. Während die Kanonade aus antikommunistischen Rohren ständig an Intensität zunimmt, werden die braunen Kohorten immer offensichtlicher geschont.

Diesem Trend muß seitens aller Antifaschisten eine Abfuhr erteilt werden.

Fritz Dittmar, Hamburg

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Über die eigentlichen Drahtzieher der "Machtergreifung" Hitlers

Was man dem Nürnberger Tribunal vorenthielt

Im RF Nr. 190 beschreibt Klaus Steiniger richtig und mit Tiefgang die Bedeutung der Entwicklung des Völkerrechts, wie sie im Statut des Internationalen Militärtribunals (IMT) für den Nürnberger Prozeß zum Ausdruck kommt. Es war der Beginn der Ausformung von Normen, die auf Jahrzehnte den heißen Krieg aus Europa verbannten und auch die imperialistischen Staaten dazu zwangen, sich zumindest nach außen hin an bestimmte Regeln des internationalen Rechts zu halten.

Mit der Zerschlagung der UdSSR und der sozialistischen Staaten Europas erleben wir die Rückkehr zum Faustrecht, zum "Recht des Stärkeren", das nun zum Gesetz erhoben werden soll. Diese Gefahr wird bestehen, solange es Staaten gibt, die ihre Ausbeutungs- und Weltherrschaftspläne anderen aufzwingen wollen. Doch vor 1990 gab es ein wesentliches Korrektiv: die sozialistische Staatengemeinschaft. Die negativen Tendenzen waren bei der Durchführung des Pilotverfahrens des IMT - des Prozesses gegen die faschistischen Hauptkriegsverbrecher, der mit dem Urteilsspruch vom 1. Oktober 1946 endete - bereits spürbar. So wurden von den Westalliierten Planungsunterlagen der Reichswehr aus den Jahren 1925/26 wohlüberlegt und vorsätzlich nicht in das Verfahren eingeführt. Aus ihnen ergab sich die detailliert dargestellte Absicht des Aufbaus einer Revanche-Armee aus der Reichswehr, die dazu in der Lage sein sollte, das für den deutschen Imperialismus und Militarismus enttäuschende Ergebnis des Ersten Weltkrieges "zu korrigieren". Wären diese Unterlagen der Reichswehr in den Prozeß eingeführt worden, fiele es so manchem revisionistischen "Experten" heute schwerer, von "Hitlers Krieg" zu sprechen. Und die Westalliierten hätten es bei einer Verurteilung des Generalstabs der faschistischen Wehrmacht als kriegsverbrecherische Organisation bedeutend unbequemer gehabt, Nazi-Generale und Nazi-Generalstäbler für den dritten Waffengang gen Osten zu rekrutieren und ihnen die Führung der Bundeswehr zu übertragen.

Ebenfalls fehlte in Nürnberg eine eidesstattliche Erklärung des SS-Oberführers Kurt von Schröder aus dem "Freundeskreis Reichsführer SS". Sie betraf direkt die Interessen deutscher und ausländischer Wirtschaftskreise. An dem Treffen einflußreicher Hintermänner der deutschen Faschisten soll auch John Foster Dulles, der spätere Außenminister der USA, teilgenommen haben. Als "Controller" - so hieß es - habe er in Erfahrung bringen sollen, ob J.T. Morgan, die Warburg-Bank, Remington, Ford, GM und andere ihr Geld in Hitler "gut angelegt" hatten.

In Schröders Erklärung heißt es: "Diese Zusammenkunft zwischen Hitler und Papen am 4.1.1933 in meinem Haus in Köln wurde von mir arrangiert, nachdem Papen mich ungefähr am 10.12.1932 darum ersucht hatte. Bevor ich diesen Schritt unternahm, besprach ich mich mit einer Anzahl von Herren der Wirtschaft und informierte mich allgemein, wie sich die Wirtschaft zu einer Zusammenarbeit der beiden stellte. Die allgemeinen Bestrebungen der Männer der Wirtschaft gingen dahin, einen starken Führer in Deutschland an die Macht kommen zu sehen, der eine Regierung bilden würde, die lange Zeit an der Macht bleiben würde. Als die NSDAP am 6.11.1932 ihren ersten Rückschlag erlitt und somit also ihren Höhepunkt überschritten hatte, wurde eine Unterstützung durch die deutsche Wirtschaft besonders dringend. (...) Das wirtschaftliche Programm Hitlers war der Wirtschaft allgemein bekannt und wurde von ihr begrüßt."

Auch darf der Hinweis zur Vorgeschichte dieses Treffens nicht fehlen, so zum Beispiel, daß sich die "wesentlichen Männer der deutschen Wirtschaft" am 19.11.1932 mit einer Eingabe an Hindenburg wandten, in der sie die parlamentarische Herrschaftsform als "unwirksame Methode" beschrieben, deren "Beibehaltung" nun nicht mehr nötig sei, gelte es doch, "Herrn Hitler als Führer der größten Gruppe dieser nationalen Bewegung" zum Reichskanzler zu machen.

Wären diese Aussagen und Beweise in das erste Nürnberger Verfahren eingeflossen, dann hätte die Rolle des deutschen und internationalen Kapitals bei der Machtauslieferung an den Nazi-Faschismus noch stärker in den Mittelpunkt gerückt werden können. Dies um so mehr, als in den Hoßbach-Protokollen aus dem Jahr 1934 nachzulesen ist, mit welcher Zielsetzung diese Machtübertragung erfolgte: Wirtschaft und Militär müßten in vier Jahren zur "Eroberung von Lebensraum im Osten" und dessen "rücksichtsloser Germanisierung" kriegsfähig sein. Ein Vorgang, den Adenauers Minister Theodor Oberländer zur Orwellschen Vokabel "Eindeutschung" inspirierte: "Die Eindeutschung muß in jedem Falle eine restlose sein."

Sollte also das Projekt funktionieren, die drei westlichen Besatzungszonen zum Rammbock "gegen den Osten" aufzubauen, bedurfte es seitens der Westalliierten - insbesondere der USA - eines grundsätzlichen Kurswechsels. Das hatte auch der Nürnberger US-Hauptankläger Jackson erkannt. Am 13. Mai 1946 berichtete er vertraulich und geheim seinem Chef. Dieser war das ranghöchste Mitglied der Ku Klux Klan in den USA, residierte im Weißen Haus und trug den Namen Harry Truman. Er hatte als "Gewerbetreibender" im ultrarassistischen Süden der USA Pleite gemacht, bevor er "in die Politik ging".

Jackson schrieb an Truman: "Ich bin gegen weitere derartige Prozesse und kann sie der Regierung der USA nicht empfehlen. (...) Ich hege die Befürchtung, daß eine sich über lange Zeit erstreckende Attacke gegen die Privatindustrie - und zu einer solchen würde es im Laufe des Prozesses kommen - den Industriekartellen den Mut nehmen könnte, weiterhin mit unserer Regierung im Rahmen der Rüstungsmaßnahmen, die im Interesse einer zukünftigen Verteidigung getroffen werden müssen, zusammenzuarbeiten."

Der Preis für eine Zusammenarbeit dieser Art seitens der USA hieß: Schluß mit der Aufdeckung der Verbrechen des deutschen Finanzkapitals und der bürgerlichen "Eliten". Das Ergebnis konnte man dann im IG-Farben-Prozeß in Augenschein nehmen: Die angeklagten Manager kamen mit Strafen für brutalste Ausbeutung von Sklavenarbeit und Massenmord davon, die einen Eierdieb zur Weißglut gebracht hätten, wäre er doch erheblich härter bestraft worden. Eines der Ergebnisse solcher Restauration der alten Macht- und Eigentumsverhältnisse war der "Contergan-Skandal". In der Firma Grünenthal fanden sich gleich fünf schwerbelastete Naziverbrecher im weißen Kittel. In deren Aufsichtsrat saß Otto Ambros - IG-Farben-Experte für Giftgas und verantwortlich für das KZ Auschwitz III, insbesondere für die von Häftlingen dort errichteten Produktionsanlagen der IG Farben. "Entwickelt" wurde der Wirkstoff des Contergan durch Dr. Mückter - einen Nazi, der am "Hygieneinstitut" in Krakau gewirkt hatte, wo er am Weigl-Impfstoff gegen Fleckfieber forschte. KZ-Häftlinge bezahlten für die an ihnen vorgenommenen "Experimente" mit dem Leben. Mückter entzog sich einer Bestrafung durch die Flucht gen Westen.

So war es nur logisch, daß die Verbrechen des 3. Reiches von dessen selbsterklärtem Rechtsnachfolger - Adenauers BRD - unter den Teppich gekehrt wurden. Von ihm stammt der Ausspruch, es müsse endlich Schluß sein mit der "Nazi-Riecherei". So konnten alle Angeklagten des IG-Farben-Prozesses ihre Karrieren in der westdeutschen Wirtschaft unbehelligt fortsetzen.

Gunnar R. Vogel, Ober-Ramstadt

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Vom "Gulag Karl-Marx-Stadt" zur "Hauptstadt des Grauens"

Der Bock als Gärtner

Landtagsabgeordnete und Behördenangestellte präsentierten vor geraumer Zeit die "Idee", im einstigen Chemnitzer Kaßberg-Gefängnis eine "Lern- und Gedenkstätte" einzurichten und die Außenstelle der Gauck-Birthler-Jahn-Behörde dorthin zu verlegen. Sie bemühten sich darum, Steuergelder für diesen Zweck lockerzumachen. Sie nannten ihr Gaunerstück "Tor zur Freiheit".

Um was ging es?

Zu Jahresbeginn 2012 empörten sich Chemnitzer Bürger im Regionalblatt "Freie Presse" über einen Artikel der "taz". Ihr Protest steigerte sich innerhalb weniger Tage zu der Forderung, rechtliche Schritte zu prüfen. "Cui bono, Chemnitz? Vom einstigen DDR-Gulag zur Hauptstadt des Grauens" lautete die blutrünstige Schlagzeile der in Berlin erscheinenden Tageszeitung, deren Herausgeber und Redaktion darauf spezialisiert sind, halblinks zu blinken und rechts zu fahren. Bereits die Aufmachung enthielt das schaudernmachende Wort Gulag, das für "Stalinismus" steht, und das "Stasi"-Synonym Grauen, um einen optischen Schwenk zur Riesenskulptur des natürlich nur in Chemnitz bekannten Karl Marx vorzunehmen und danach das unsäglich düstere Grau des deutschen Ostens zu beleuchten. Nichts fehlte hier, was in einen ordentlichen Artikel über die abgestumpften Dumpfbacken in jenem Teil Deutschlands gehört, der früher DDR hieß. Nur deshalb, weil der Autor ein junger Oberfranke ist und nichts anderes in Schule und Studium erfahren hat als das von ihm zu Papier gebrachte, wurde er von den Chemnitzern angefeindet und zum Buhmann erklärt. Dabei steht der Mann doch kurz vor dem Bundesverdienstkreuz! Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin war wie ihre Wähler empört und legte sich mit der "taz" an.

Immerhin hatten sogar Angehörige und Nachkommen von Opfern des Faschismus an die erste Frau der Stadtverwaltung geschrieben und ihr Unverständnis darüber zum Ausdruck gebracht, daß die Kaßberg-Haftanstalt als "Tor zur Freiheit" in eine Gedenkstätte für von der BRD-Regierung freigekaufte DDR-Strafgefangene umgewandelt werden sollte. Von 1933 bis 1945 war es nämlich das "Tor zum Tode" für Tausende Hitlergegner, deren Mörder dann im Westen mit Pensionsabsicherung und ohne Strafverfolgung weiterleben konnten.

Statt einer fundierten Antwort teilte die Oberbürgermeisterin den Verfassern lakonisch mit, sie habe deren Brief an den Chemnitzer Filialleiter der Gauck-Birthler-Jahn-Behörde zur Bearbeitung weitergereicht. Damit wurde der Bock zum Gärtner gemacht, gehört doch diese Einrichtung zu einem bundesweiten Inquisitionsnetz, das "auf Verdacht" Ermittlungsverfahren gegen 100.000 "staatsnahe DDR-Bürger" wegen frei erfundener Delikte in Szene gesetzt hatte, das sich bekanntlich als Hornberger Schießen erwies.

Welchen Grund aber hatte die Frau OB, ausgerechnet dieser obskuren Institution den offenen Brief von Antifaschisten "zur weiteren Bearbeitung" zuzustellen?

Die Erklärung dafür fand man in der großbürgerlichen "Frankfurter Allgemeinen" vom 21. November 2011: "Die jetzt vom Deutschen Bundestag gebilligte Neuregelung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes bildet den letzten Höhepunkt des an Absurditäten nicht zu überbietenden Umgangs mit der Vergangenheit des DDR-Regimes. Die aktuelle Novelle stellt nunmehr alles in den Schatten, was in den vergangenen 20 Jahren an verfassungswidrigen Normen in Deutschland zur Vergangenheitsbewältigung beschlossen wurde."

Und dennoch verteidigen jene Zehntausende, welche für ihren Beitrag zur "Aufarbeitung der Stasi-Diktatur" in Lohn und Brot stehen, ihre Arbeitsplätze mit Klauen und Zähnen. Bei den Einrichtungen handelt sich um rund 250 Archive und Bibliotheken, 50 Institutionen für "politische Bildung", 65 Museen und Gedenkstätten, 20 Fachzeitschriften, unzählige Filmdokumentationen und etliche Ausstellungen. Der BStU, wie der Gauck-Birthler-Jahn-Laden abgekürzt wird, steht ein jährlicher Etat von rund 100 Millionen Euro zur Verfügung.

Offenbar haben die ständige Brunnenvergiftung und das unablässige Zündeln nichts genützt. Im CDU-Blatt "Rheinischer Merkur" schrieb die einstige Katechetin und Nachfolgerin des inzwischen auf den Stuhl eines Bundespräsidenten gehievten Rostocker Ex-Pfarrers schon vor 20 Jahren: "Der Geist eines Systems hält länger als das System selbst ... Es geht um die Frage, was unseren Enkeln einfällt, wenn sie das Wort DDR hören. Als erstes wohl: die Mauer. Was aber wird der zweite, dritte, vierte Begriff sein? Stasi? Diktatur? Oder werden sie sagen: Vollbeschäftigung, Ruhe und Ordnung? Darum wird gekämpft!"

Die DDR ist seit über 23 Jahren Geschichte. Hunderttausende wollten sie im Herbst 1989 zwar ändern, aber nicht abschaffen. Der sozialistische Staat hat in seiner angeblich grenzenlosen Gewaltanbetung damals die Waffen in den Arsenalen gelassen und keinen Schuß abgegeben. Hätte sich die BRD in einer analogen Situation ebenso verhalten?

Die Bonner Einmischung ist belegt: In den kritischen Tagen am Jahresbeginn 1990 beschallten große Tonanlagen etwa 50.000 Demonstranten in Leipzig mit dem Deutschlandlied, das die BRD von ihrer selbstgewählten Rechtsvorgängerin - Hitlers Drittem Reich - als Hymne übernommen hatte. "Einigkeit und Recht und Freiheit" dröhnte es lautstark von LKWs aus Bayern und dem Rheinland, deren Besatzungen in Nebenstraßen um das Opernhaus zugleich Flugblätter mit der veränderten Parole "Wir sind ein Volk" abluden. Vor der Tribüne flatterten plötzlich schwarz-weiß-rote Reichskriegsflaggen eines anderen Deutschland, Tausende schwarz-rot-goldene Fähnchen ohne DDR-Symbol wurden geschwenkt. Die Menge grölte "Deutschland, Deutschland über alles". Notärzte bahnten sich einen Weg zu zwei jungen Leuten, die blutend am Boden lagen. Neben ihnen sah man deren Demo-Transparent: "Deutschland in den Grenzen von 1939" - mit roter Farbe durchgestrichen. Hier hatten die Stangen der Reichskriegsflaggenträger ganze Arbeit geleistet. Heute nimmt die Zahl jener immer mehr zu, die von der DDR kein eigenes Bild mehr besitzen, während nicht wenige, die es eigentlich besser wüßten, verschämt schweigen. Ihr Widerspruch versagt aus Angst vor Arbeitsplatzverlust und unter dem Druck der Riesenwelle aus vorgestanzter Meinungsmache, die sie Tag für Tag überrollt.

So wird immer klarer, warum der eingangs erwähnte "taz"-Artikel vom Januar 2012 und das "Tor zur Freiheit" des "Lern- und Gedenkstättenvereins" auf dem Kaßberg engstens miteinander zusammenhängen. Wer das Gedächtnis der Menschen beherrscht, der beherrscht auch die Volksmeinung und damit das Volk, oder, um es mit Karl Marx zu sagen: "Die Gedanken der herrschenden Klasse sind in jeder Epoche die herrschenden Gedanken ..."

G. L., Chemnitz

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Wie Matrosen der Volksmarine einen Hamburger Piloten retteten

Bruchlandung vor dem Fehmarnbelt

September 1963. Wieder einmal ankerte die "Rostock" - unser Minenleg- und Räumschiff vom Typ Krake - vor dem Fehmarnbelt. Luft- und Seeraum-Beobachtung war angesagt.

Zwei Jahre nach Errichtung der Berliner Mauer spitzte sich der Kalte Krieg immer mehr zu. Angesichts ständiger gefährlicher Annäherungen von Schnellbooten oder Überflügen von Marinefliegern der "anderen Seite" galt es für mich als den Kommandanten, keine falschen Entscheidungen zu fällen, Ruhe zu bewahren und keinen bewaffneten Konflikt auszulösen.

Einige Meilen von uns lagen drei Minensucher der Bundesmarine. An diesem Tag hatten uns bereits mehrere Frachter passiert. Die meisten von ihnen dippten höflich zum Gruß ihre Flaggen, wie es seemännischer Brauch ist.

Gegen Mittag näherte sich aus östlicher Richtung eine Maschine "Sportflugzeug BRD!" meldete der Signalgast. Es umkreiste im Tiefflug unser Schiff. Zu meiner Verblüffung setzte es bei einer zweiten Umrundung zur Wasserung an. Da die See recht bewegt war, sah ich schon eine Katastrophe kommen, löste Manöveralarm aus und ließ vorsorglich den Anker hieven. Tatsächlich senkte sich das Flugzeug behutsam auf die Wasseroberfläche. Es spritzte mächtig, der Motor setzte aus, der Propeller verharrte, und das kleine Sportflugzeug tanzte auf den Wellen. Es lag etwa drei bis vier Kabellängen von uns entfernt. Dann öffnete sich die Kanzel, eine Person stieg eilig aus, kletterte auf die Tragfläche und begann heftig zu uns herüberzuwinken.

Was tun? Ich schaute noch einmal zu den drei BRD-Minensuchern hinüber. Dort tat sich nichts, obwohl sie ja mitbekommen haben mußten, daß hier ein Flugzeug in Seenot geraten war.

"Schlauchboot aussetzen!" befahl ich kurz entschlossen. Der Oberbootsmann und ein Matrose sprangen hinein und paddelten auf das Flugzeug zu. Schließlich gelang es dem Piloten, in das auf den Wellen tanzende Schlauchboot zu steigen. Inzwischen hatte sich unser Schiff näher in Richtung Flugzeug manövriert. Der Pilot konnte ohne größere Probleme an Bord gezogen werden. Er zitterte und seine durchnäßte Kleidung roch stark nach Benzin.

Ich übergab dem Gehilfen des Kommandanten die Schiffsführung, ging sofort in meine Kammer, nahm Unterwäsche aus dem Spind - Socken, Bordschuhe, ein blaues Uniformhemd und einen Bordanzug blau -, entfernte die Schulterstücke und begab mich zum Waschraum, wo ich die Sachen dem Piloten überreichte. Der Smutje bekam den Auftrag, heißen Kaffee und einen kleinen Imbiß in meine Kammer zu bringen. Nach kurzer Zeit betrat der frisch gewaschene und neu eingekleidete Flugzeugführer meine Kajüte. Er bedankte sich wortreich für seine Rettung und erklärte, auf dem angedachten Flug nach Bornholm sei auf der Höhe der Insel Hiddensee in der Benzinleitung seiner Maschine ein Riß entstanden, was ihn sofort auf Gegenkurs habe gehen lassen. In Höhe von Gedser seien seine Ängste immer größer geworden, da die Gefahr bestanden habe, daß sich der Treibstoff an den heißen Motorteilen entzünden könnte. Ihm wurde klar, daß eine Notlandung auf dem Wasser unumgänglich war. Mit Freude habe er dann ein vor Anker liegendes Schiff entdeckt und beschlossen, in dessen Nähe die Wasserlandung zu riskieren. Der Pilot - es handelte sich um Dr. med. Gehrke aus Hamburg - fragte, wie er denn nun nach Hause gebracht werden könnte. Ich erwiderte mit einer Frage: Ob er wisse, daß er sich auf einem DDR-Schiff befinde. Er sah mich verblüfft an. Das war ihm wohl bei aller Brisanz des Geschehens nicht aufgefallen. "Ich kann Sie nur in Warnemünde an Land setzen", sagte ich. Er überlegte kurz und ließ mich wissen: "Na, wenn es nicht anders geht, dann soll es so sein." Das Flugzeug schwamm immer noch achteraus von uns auf dem Wasser. Ich erklärte Dr. Gehrke, daß eine Anbordnahme auf Grund der Ausmaße unseres Achterdecks nicht möglich sei und das Flugzeug bei einer In-Schleppnahme mit Sicherheit durch den Seegang zerstört würde. "Hauptsache, Sie bergen die Pilotenkanzel und den Motor mit der teuren Navigationsausrüstung und das Funkgerät", erwiderte er.

Noch immer regte sich westlicherseits nichts. Kein Minensucher, kein Schnellboot, kein Jagdbomber der Bundesmarine war in Sicht. Da ließ ich die Krake mit kleiner Fahrt auf das Flugzeug zulaufen. Als wir nahe genug heran waren, brachte das Schlauchbootkommando einige Stropps und unsere Schleppleine zum Flugzeug, und der Oberbootsmann schaffte es, den Schlepphaken schließlich am Rumpf des Fliegers zu befestigen. Dann gab es, bedingt durch den Seegang, nur noch ein Brechen. Beide Tragflächen scherten ab und versanken in der Ostsee, der Rumpf holperte auf das Achterdeck. Durch die Schräglage und den Seegang hielt aber das noch im Wasser befindliche Heckteil des Flugzeuges nicht stand, brach ab und versank ebenfalls.

Nun erst ließ ich den längst fälligen Funkspruch an den OP-Dienst in Warnemünde absetzen: "Erbitte Einlaufgenehmigung! Habe Flugzeug an Bord." Ich sollte den Spruch noch einmal wiederholen, ersuchte mich der OP-Dienst. Ich tat es und fügte hinzu: "Pilot BRD-Bürger!"

"Einlaufgenehmigung erteilt, Festmachen am Tonnenhof Seehydrographischer Dienst", lautete schließlich die Antwort.

In der folgenden knappen Stunde konnte ich mich mit Dr. Gehrke in der Messe entspannt unterhalten.

Urlauber und Einheimische auf der Mole von Warnemünde staunten nicht schlecht, als unser Schiff mit den kläglichen Resten eines Flugzeugs in Seekanal einlief. Am Tonnenkai hatten sich Stabschef, Brigadechef, Politchef, Abwehroffiziere und der Flottillenarzt eingefunden. Ich verabschiedete mich von Dr. Gehrke an der Stelling mit einem Gefühl der Erleichterung. Er bedankte sich noch einmal dafür, daß wir ihm das Leben gerettet hatten, und bestimmte, daß unsere Besatzung den Propeller als Souvenir behalten dürfe. Mutig betrat er den Boden der DDR. Wie ich erfuhr, wurde die Angelegenheit von den zuständigen Behörden in aller Stille und ohne Presse korrekt abgewickelt. Dr. Gehrke konnte schon nach wenigen Auskunftsgesprächen mit dem Interzonenzug nach Hamburg ausreisen.

Der Propeller schmückte von nun an unsere Messe.

Kapitän zur See a. D. Klaus Hempel

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Bundesverteidigungsministerium wich einer "RotFuchs"-Anfrage aus

US-Nuklearwaffen in der Eifel

Sage und schreibe 23 Jahre nach der Annexion der DDR durch die BRD ist das "vereinigte" Land noch keineswegs aus dem Schatten des Kalten Krieges herausgetreten. Im rheinland-pfälzischen Luftwaffenstützpunkt Büchel sollen nach verläßlichen Informationen etwa 20 US-Atombomben lagern. Jede von ihnen verfügt über die 26fache Sprengkraft jener Bombe, welche von der U.S. Air Force am 6. August 1945 auf Hiroshima abgeworfen wurde. Dieses ungeheuerliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit kostete 222.000 Einwohner dieser japanischen Großstadt entweder sofort oder in den darauf folgenden Monaten das Leben - von den bis heute nachwirkenden Spätfolgen ganz abgesehen.

Die anhaltende US-Kernwaffenstationierung allein wäre Grund genug, den Fliegerhorst im Landkreis Cochem-Zell fest im Auge zu behalten. Doch erst vor wenigen Monaten vernahm man im Bundestagswahlkampf zu diesem äußerst brisanten Thema kein Sterbenswörtchen. Nicht einmal die sonst so lautstark als Anti-Atompartei Nr. 1 auftretenden Bündnis 90/Die Grünen ließen hierzu etwas verlauten. Auch CDU-Kanzlerin Angela Merkel, die nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima in Sachen Kernenergie fluchtartig die Fronten gewechselt hatte, ließ die heikle Angelegenheit unerwähnt. Die bundesdeutsche NATO-Treue und das Kuschen vor den USA besitzen gegenüber der Sicherheit der eigenen Bevölkerung absoluten Vorrang. So hat der durch die schwarz-gelbe Bundesregierung beschlossene Ausstieg aus der Kernkraft bis 2022 im derzeitigen politischen Vokabular - übrigens bedeutungsschwer als Energiewende verkauft - seinen bitteren Beigeschmack behalten.

Nach Ansicht ausländischer Experten sollen die dortigen US-Atomwaffen übrigens nicht hinreichend gegen Feuergefahr geschützt sein. Im Katastrophenfall könnte radioaktives Plutonium von den Sprengköpfen austreten und die Umgebung großflächig verseuchen.

Wie aus US-Militärkreisen verlautet, ist die Gefahr, die von den in der BRD stationierten Kernwaffen ausgeht, jenseits des Atlantiks durchaus bekannt. Deshalb vermeidet man auch jede Bewegung der nuklearen Sprengköpfe. Bei NATO-Manövern seien die entsprechenden Einheiten strikt angehalten, sie in ihren unterirdischen Quartieren zu belassen. Die US-Streitkräfte erwägen derzeit - wie verlautet -, die auf deutschem Boden lagernden Nuklearwaffen zu "modernisieren". Es geht um den Einbau von Steuerungssystemen, um die bisher nur als Abwurfgeschosse dienenden Todesbringer in präzisionsgesteuerte Fernwaffen zu verwandeln.

Im Pressestab des Bundesverteidigungsministeriums reagierte man auf entsprechende Anfragen der RF-Redaktion zu diesem brisanten Thema mit dem ausweichenden Verweis auf das zuständige Presse- und Informationszentrum der Luftwaffe in Köln-Wahn. Dort ließ man sich lediglich folgende Stellungnahme abringen: "Die Informationspolitik zu Nuklearstreitkräften der NATO unterliegt aus Sicherheitsgründen den Geheimhaltungsregeln des Bündnisses, an welche die Bundesregierung in Kontinuität aller ihrer Vorgänger gebunden ist. Dies gilt auch für Fragen nach Anzahl, Beschaffenheit und vermuteten (bestehenden oder ehemaligen) Lagerorten von sowie dem Umgang mit Nuklearwaffen. Demzufolge werden Aussagen und Behauptungen hierzu weder bestätigt noch dementiert oder kommentiert." Der letzte Satz läßt erkennen, daß der Stich ins Wespennest nicht gerade danebengegangen ist.

Gegenwärtig werden weltweit mehr als 20.000 Atomsprengköpfe gelagert. Wenn 127 Staaten im März 2013 während der Osloer Regierungskonferenz die vollständige Abschaffung aller Kernwaffen forderten und US-Präsident Obama im Vorjahr in seiner Berliner Rede davon sprach, daß diese Waffengattung keine Sicherheit schaffe, dann sollte man diese Spitzenpolitiker beim Wort nehmen und die Einlösung ihrer Versprechen fordern.

Rico Jalowietzki

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Deutsche Bank steckte 3,8 Mrd. Euro ins Atombombengeschäft
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Tatortbesichtigung in Zingst

Im Oktober besuchten wir meinen alten Schulfreund G. S. in Zingst, den ich nach 65 Jahren durch das Internet wiedergefunden habe. Wir waren 1945/46 Schulkameraden in Reppenhagen-Welzin. 1947 trennten sich unsere Wege, weil seine Mutter als Haupternährerin der Familie eine Neubauernsiedlung anderen Ortes übernommen hatte. Beide teilten wir das Schicksal, ohne Väter, die uns der Krieg geraubt hatte, aufzuwachsen.

Seit 2012 sind wir nun wieder zusammen, wenn auch räumlich getrennt. Wir haben dieselbe Auffassung von der Welt und waren im Dienst unseres nach 40 Jahren untergegangenen Staates tätig gewesen. Er war Betriebsleiter des Volkseigenen Gutes (VEG) Zingst. Es handelte sich um eine Färsen-Aufzuchtstation auf dem Darß mit 15.000 Tieren in mehreren Stationen. Allein der Produktionsstall hatte eine Länge von 450 Metern.

Mit meinem Freund besichtigten wir den einstigen "VEG-Hafen", wie das betriebseigene Klubgebäude genannt wurde. Heute ist es ein modernisiertes Hotel. Das einstige "Blaue Wunder" - ein Gelände mit dem Lehrlingswohnheim - wurde abgerissen. Wohin wir auch kamen, überall hatte G. S. seine Spuren hinterlassen. Er besaß damals als ein verantwortlicher Wirtschaftsleiter die Fähigkeit, aus wenig viel zu machen und unkomplizierte Lösungen im Interesse der Menschen zu finden.

Das VEG prägte in jeder Hinsicht das Zingster Antlitz. Das spürten wir beim Durchfahren des Ortes. Die Häuser - mit umfassender Hilfe des Betriebes gebaut - ermöglichen es den einstigen Mitarbeitern, ihren Lebensabend in relativer Sicherheit zu verbringen. Auch die damals geschaffene Infrastruktur ist noch intakt. Unter der Arbeiter-und-Bauern-Macht diente all das nicht als Selbstzweck oder zur Beweihräucherung des Politbüros und vergrößerte auch nicht den Reichtum einzelner, sondern floß in das Volksvermögen ein, verbesserte irgendwie das Dasein aller.

Im Zuge der Rückwärtswende wurde das VEG durch die Treuhand aufgelöst und "abgewickelt". Die Färsen verscherbelte sie an Gott und die Welt, die wertvollen Gebäude sollten abgerissen werden. Ein westdeutscher Käufer baute sämtliche Metallteile aus und verkaufte sie als Schrott, verlor dann aber die "Lust". Übrig blieb ein Ruinengelände mit vordringender Natur.

Bei unserem Rundgang durch die Riesenanlage versuchte ich mich in die Gefühls- und Gedankenwelt meines Freundes zu versetzen, als er uns die jetzt völlig zerstörten früheren Funktionsgebäude erläuterte. Jeder Teil dieses landwirtschaftlichen Produktionsensembles war unter seiner Verantwortung, in seiner Regie entstanden. Später hatten die Frauen des Betriebes liebevoll und in freiwilliger Arbeit wunderschöne Rabatten angelegt und gepflegt. War G. S. verbittert, weil er sein Lebenswerk so sinnlos zerstört sah? Sicher, doch er hatte sich nicht in sein Innerstes zurückgezogen, sondern ist der aktive, energische, freundliche und verträgliche Mensch von einst geblieben.

Warum mußte diese wertvolle Anlage durch die Treuhand "abgewickelt" werden? Behauptet wurde, sie könne nicht in einem Nationalpark weiterbestehen, der durch die "DDR"-Regierung de Maizières am 20. September 1990 geschaffen wurde. Das Argument ist wenig schlüssig, hat doch gerade das VEG Zingst Grundlegendes für die Erhaltung der Umwelt geleistet.

Hans-Jürgen Grebin, Rostock

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Nazi-Mordinstrumente mit Sammlerwert

Da mir die Angelegenheit von allgemeinem Interesse zu sein scheint, möchte ich der Redaktion einen für Veröffentlichungszwecke leicht redigierten Auszug aus einem Brief zur Verfügung stellen, den ich nach Eingang des entsprechenden "Werbeprospekts" einer Verlagsgruppe in Weil am Rhein zugesandt habe:

Einige Male schon hatte sich mein Mann für von Ihnen angebotene Sammlerstücke wie Imitationen von DDR-Fahrzeugen interessiert und diese auch von Ihnen bezogen. Deshalb zählte man ihn wohl zum Kundenkreis ihrer Unternehmensgruppe. Heute erhielten wir eine "atemberaubende Original-Dokumentation", die mir im wahrsten Sinne des Wortes den Atem verschlug! Außer einer Replik des Eisernen Kreuzes aus dem Ersten Weltkrieg bot man das Infanteriemesser 42 der in fast ganz Europa und Teilen Nordafrikas ob ihres Amoklaufs verhaßten faschistischen Wehrmacht an.

Beigefügt war eine sechsseitige Farbdokumentation zur "Geschichte" dieses Mordinstruments. Man forderte zugleich dazu auf, unbedingt die Sammelkarten "Der deutsche Soldat" zu beziehen, deren erste drei bereits in der Sendung enthalten waren. "50 Dokumentationen plus eine detailgetreue Replik des Eisernen Kreuzes sind für Sie vorgemerkt - Wert nur 26,90 Euro", hieß es da.

In welchem Film befinde ich mich eigentlich? Man muß wirklich gespannt sein, wann einem das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP in einer Luxusausführung offeriert wird!

Als Kind habe ich die Schrecken des Zweiten Weltkrieges in Berlin erleben müssen. Die Bombenangriffe bei Tag und Nacht sowie den Endkampf in den Straßen der Hauptstadt werde ich nie vergessen. Ununterbrochen heulten die Raketengeschosse der sowjetischen Katjuschas über uns hinweg, ehe sich das faschistische Gesindel endlich ergab. Niemals wieder sollte von deutschem Boden ein Krieg ausgehen - das war der Wunsch der meisten Menschen, die all das erlebt hatten, von den Festlegungen der Alliierten ganz abgesehen.

Die jetzt von Ihnen angebotenen "Dokumentationen" sind eine Verhöhnung all jener, welche in diesem schrecklichsten aller Kriege ihr Leben lassen mußten.

Die große Mehrheit der Deutschen fühlte sich in Hitlers Drittem Reich den "Herrenmenschen" zugehörig und begeisterte sich anfangs für die "Erfolge" der faschistischen Wehrmacht, über die in Sondermeldungen unablässig berichtet wurde. Die Verbrechen, die in den überfallenen Ländern nicht nur von der SS, sondern auch von der Wehrmacht begangen wurden, sprengten alle Dimensionen. Und da erdreisten sich Unbelehrbare, solche Machwerke herauszubringen.

Die Dokumentation Gewehr36 - Standardwaffe der Infanterie - beschreibt den "Auslandseinsatz" von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan, die sich angeblich zum Schutz der einheimischen Bevölkerung dort befinden sollen. Mit dem Infantriemesser 42, dessen Kauf Sie empfehlen, sind Hunderttausende Soldaten und Zivilisten fast aller Länder Europas, besonders aber der Sowjetunion, ermordet oder verstümmelt worden.

Bitte verschonen Sie uns künftig mit Angeboten dieser Art!

Brigitte Wackernagel, Berlin

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Mirka, die Unermüdliche
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"RotFuchs"-Wegbereiter (8): Sonja Brendel

Will man die Verdienste unserer bereits im 85. Lebensjahr stehenden und noch immer wie eine Junge herumwirbelnden Sonja Brendel schildern, dann weiß man buchstäblich nicht: wo beginnen und wo aufhören? Ihrer Funktion nach ist sie "lediglich" stellvertretende Vertriebsleiterin des RF, was Monat für Monat einen enormen Packen Arbeit bedeutet. Ja, Packen ist hier das richtige Wort, da es sich vor allem um das von einem großen Kollektiv freiwilliger Helfer zu bewältigende Eintüten und Auf-den-Weg-Bringen vieler tausend "Füchse" handelt. Und auch zwischendurch ist allerhand zu tun.

Doch in solcher Tätigkeit erschöpft sich Sonjas Wirken keineswegs. Zwar wurde ihr die aufwendige kulinarische Versorgung bei wichtigen Anlässen inzwischen abgenommen, doch viele betrachten sie nach wie vor als "Mutter der Kompanie". Die gebürtige Dresdnerin - der Vater war Schlosser und Heizungsmonteur, bevor er VP-Offizier wurde, die Mutter Handschuhnäherin - zog schon frühzeitig in den Kampf. Bereits 1945 begann die gerade 16jährige ihr Arbeitsleben als Assistentin im Volkspolizeipräsidium ihrer Heimatstadt. In den darauffolgenden Jahren mußte die Mutter von vier Kindern - Heiner, der Älteste, ist seit geraumer Zeit für den Auslandsversand des RF verantwortlich - Beruf und Wohnort etliche Male unterbrechen oder wechseln. Das hing mit der Tätigkeit ihres Mannes zusammen, der zunächst in der Volkspolizei. dann in der Nationalen Volksarmee verantwortliche Aufgaben zu erfüllen hatte.

Sonja war in mehreren SED-Kreisleitungen tätig, widmete sich dann aber vor allem der Kaderarbeit - in der Berliner Hochschule für Ökonomie, in einer Abteilung des ZK der SED und beim Institut für Marxismus-Leninismus. Sie absolvierte einen Jahreslehrgang der Berliner Bezirksparteischule.

Sonja, die Selbstbewußtsein wie Bescheidenheit auszeichnen, hat in unserem Kollektiv viele, die ihr eng verbunden sind. Sie wurde von der DDR wiederholt mit hohen Auszeichnungen - so dem Titel "Verdienter Aktivist" und dem Vaterländischen Verdienstorden - bedacht. Nach der Konterrevolution gab sie weder ihr politisches Engagement noch ihre Weltanschauung auf. In der Partei Die Linke gehört sie zu jenen - aus biologischen wie aus anderen Gründen - weniger Werdenden, die bei Marx, Engels und Lenin geblieben sind.

Auch wenn Sonja ein RF-Urgestein ist, zählt sie noch lange nicht zum alten Eisen.

RF

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Als der ranghöchste Bundeswehr-Deserteur die DDR um Asyl bat

Das Protokoll des Majors Bruno Winzer

Manchmal kann uns ein altes Buch viel über Gegenwärtiges erzählen. Es kann uns zeigen, wie eine Gesellschaft oder deren Einrichtungen von Beginn an beschaffen waren. Das betrifft auch die Bundeswehr. Viele Menschen fragen sich, ob sie erst nach 1990 zu einer imperialistischen Interventionsarmee wurde oder ob sie das schon immer gewesen ist. Zu den zahllosen Mythen und Lebenslügen der alten BRD gehört die Mär vom "Bürger in Uniform", von einer demokratischen Armee, die einzig und allein dem Schutz der Bundesdeutschen vor feindlichen Angriffen dient.

Im Antiquariat stieß ich auf ein Buch, das mir auf Fragen zur Natur dieser Armee, die heute völkerrechtswidrige Interventionsfeldzüge unternimmt und offensichtlich auch in Kriegsverbrechen verstrickt ist, Auskunft gab. Sein Autor ist der ehemalige Bundeswehrmajor Bruno Winzer. Der Titel: "Soldat in drei Armeen".

Bruno Winzer wurde 1912 in Berlin geboren. Seine Eltern waren kaisertreue Konservative. 1931 trat er in die Reichswehr - seine "erste Armee" - ein. Schon zuvor sang er im Deutschnationalen Jugendbund Soldatenlieder und verfluchte die "Schande von Versailles". In der Reichswehr herrschte noch der alte schwarz-weiß-rote Geist. Es folgten Drill und Schikane, aber Winzers Begeisterung ließ sich nicht erschüttern. Seine Jugendliebe Ruth teilte diesen Enthusiasmus nicht. Beinahe wäre Winzer zur SA gegangen. Er lehnte deren Angebot nur ab, weil ihm der militärische Habitus dieser NS-Sturmtruppe zu "unprofessionell" erschien. 1935 wurde aus der Reichswehr die Nazi-Wehrmacht - Winzers "zweite Armee". Er leistete seinen Eid nun auf Hitler, wie er es zuvor auf die Weimarer Republik getan hatte.

Als die deutschen Faschisten am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg entfesselten, glaubte Winzer an die Goebbelsschen Propagandalügen. Da hatte Ruth, die Hitler verachtete, Deutschland bereits verlassen. Bruno aber zog die schwarze Uniform der Panzertruppen an, erlebte zuerst den Überfall auf Polen, dann auf Frankreich. Am 22. Juni 1941 begann das "Unternehmen Barbarossa" - der Angriff auf die Sowjetunion. "Unser Mann" war beim Vormarsch dabei. In seinem Buch beschreibt er das Niederbrennen der Dörfer, das Leid der Zivilbevölkerung, aber auch seinen damaligen Willen, den "Bolschewisten" deutsche Überlegenheit zu beweisen. Diese scheint sich bis vor Leningrad und dem Dnjepr-Bogen zu bestätigen. Dann aber erlebt Bruno Winzer die ersten Niederlagen der Faschisten, ihren Rückzug und die Sinnlosigkeit des Krieges. Die Soldatenromantik ist längst in Schlamm, Leid und Blut untergegangen. Jetzt wollte er nur noch durchkommen. Der Überlebenskampf trieb ihn in kopfloser Flucht zurück in das, was vom "Großdeutschen Reich" noch übriggeblieben war.

Das Ende des Hitlerfaschismus erlebte Winzer in Dänemark, wo er sich kurze Zeit in britischer Gefangenschaft befand. Er war ernüchtert. Die Verbrechen ließen sich nicht mehr leugnen. Doch wie viele seiner Generation glaubte er an die Alleinschuld derer, die Selbstmord begangen hatten oder in Nürnberg vor dem Tribunal standen. Er fühlte sich von ihnen mißbraucht. Eigene Schuld kam ihm nicht in den Sinn.

Nach einem kurzen Zwischenspiel als Geschäftsmann traf Bruno Winzer alte Kameraden wieder, die ihn zu Veranstaltungen der CDU einluden. Hier wurde er auf das Amt Blank - den Vorläufer des späteren BRD-Verteidigungsministeriums - aufmerksam gemacht. Doch es dauerte noch bis 1957, daß er wieder eine Uniform anzog. Seine dritte Armee war die Bundeswehr. Er hielt sie für demokratisch und sah in ihr ein notwendiges Instrument zum Schutz vor östlichen Eroberungsgelüsten. Er glaubte an etwas "Neues", obwohl das alte Offizierskorps diese Armee führte. Bruno Winzer wurde mit seinem früheren Hauptmanns-Dienstgrad bei der Luftwaffe eingestellt. Dort war er als Presseoffizier für die wöchentlichen Auskünfte an Journalisten zuständig. Er tat das keineswegs unkritisch. Der Schock des Krieges saß noch tief. Die Wiederbewaffnung war umstritten, und damals vernahm man in den Medien noch manche ihr widersprechende Stimmen.

Für den Bundeswehroffizier Bruno Winzer wurde es immer schwieriger, Dinge zu rechtfertigen, die aus seiner Sicht nicht gutzuheißen waren. Er nahm an Tagungen der Luftwaffengruppe Süd in Karlsruhe teil, auf denen NATO-Pläne zur Sprache kamen, ABC-Waffen gegen Staaten des Warschauer Vertrages einzusetzen. Auf einer dieser Beratungen wurde der atomare Erstschlag erörtert.

In den Diensträumen der Bundeswehr war immer öfter die Rede davon, es das nächste Mal besser machen zu wollen. Dort hingen Deutschlandkarten aus, in denen die Grenzen von 1937 gezeigt wurden, Bilder von Panzergrenadieren der Wehrmacht beim Sturmangriff. Die Sprache war kalt und menschenverachtend. Sie unterschied sich immer weniger von jener der Faschisten. Zynisch wurden Verluste eingeplant, die "Heimholung verlorener Ostgebiete" anvisiert, alte Wehrmachtspläne neu geschmiedet.

Mehr und mehr spürte Winzer, daß er abermals mißbraucht wurde. Er hatte wiederum Jahre und Kraft in etwas Falsches investiert. Heimlich hörte er nun den DDR-Rundfunk, las Bücher "aus dem Osten". Seine Frau stammte aus "gutem Hause" und war streng konservativ. Er konnte ihr nicht verraten, was in ihm vorging. Im März 1960 wurden er und andere Offiziere zur Entgegennahme "neuer Richtlinien" nach Karlsruhe geladen. Es ging darum, den gerade gegründeten Verband der Bundeswehrreservisten zur Heimatschutztruppe auszubauen, die in "Notstandssituationen" gegen Gewerkschaften und "andere schädliche Kräfte" aktiv werden sollte. Einige mutige Offiziere sprachen von einer neuen "Schwarzen Reichswehr".

Kritik an Strauß, dem Bundesverteidigungsminister, wurde laut. Winzer, inzwischen Major, hielt alles auf Tonbändern fest. Als Strauß Wochen später deren Herausgabe forderte und verlangte, die Kritiker zu überführen und mundtot zu machen, wußte Winzer, was er nun zu tun hatte. Im Mai 1960 begab er sich in die DDR. Seine Frau folgte ihm widerwillig und kehrte später in den Westen zurück.

Zwei Monate danach stellte man den ehemaligen Bundeswehr-Stabsoffizier Bruno Winzer auf einer internationalen Pressekonferenz in Berlin den staunenden Journalisten vor. Er hatte die Tonbänder und anderes brisantes Material mitgebracht, erläuterte die Bonner Kriegspläne anhand einer Karte.

War die Bundeswehr also jemals eine - wie behauptet - reine Verteidigungsarmee? Wohl kaum!

Sie wurde von Beginn an als ein Instrument des Krieges von alten Geheimdienstlern und Nazis aufgebaut und mit diesen durchsetzt. In Jugoslawien und Afghanistan vollzog sich später das, was der ranghöchste Deserteur der Bonner Armee den Teilnehmern der Pressekonferenz vor 53 Jahren bereits vor Augen geführt hatte.

Bruno Winzer wurde DDR-Bürger und arbeitete als Journalist. Mit der Fernsehserie "Vermißte sagen aus" hatte er zu tun. Über sein weiteres Leben gibt es unterschiedliche Auskünfte. In einem von Gehässigkeit strotzenden "Spiegel"-Artikel, der im Januar 1968 erschien, war die Rede davon, er habe die DDR 1967 wieder verlassen. Doch wie auch immer der weitere Weg dieses Mannes gewesen sein mag, die Wahrheit seiner Enthüllungen zum Charakter der Bundeswehr hat Bestand.

Ulrich Guhl

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Geschichte als "Freizeit- und Unterhaltungs-Business"

Einseifen angesagt

In der wissenschaftlichen, staatlichen oder gewerblichen Deutung und Darstellung unserer Geschichte wie deren Aufnahme durch Bildungs- und Kultureinrichtungen sowie im Privatleben lassen sich seit 1990 drei Haupttendenzen erkennen.

Erstens: Kern der Staatsräson sind der Kapitalismus als segensstiftende "letzte Weisheit", eine Verkürzung des Faschismus auf den Holocaust, eingebettet in die wissenschaftsfeindliche Totalitarismus-Doktrin, die Antikommunismus mit Haß auf jegliche gesellschaftsverändernden Ideen verbindet. Kriege des Imperialismus und rabiater Sozialabbau werden verharmlost oder gerechtfertigt. Diese Bereiche fördert der Staat BRD finanziell und baut sie ständig aus.

Zweitens: Zum Erhalt überkommener reaktionärer Ansichten werden faschistische Straßennamen, Denkmäler und Einrichtungen gezielt konserviert. Dabei bedient man sich einer raffinierten Verschleierungs- und Verharmlosungstaktik. "Das Verbindende und Versöhnende in Vielfalt und Wandlung des Zeitgeistes ermöglichen es jedem Bürger, seinen eigenen Interessen, Ansichten und Gefühlen in gelebter Demokratie nachzugehen." So geschwollen formulierte es ein auf Nebulöses fixierter Auftragsforscher, der sich für den Erhalt und die Pflege nach Hindenburg und anderen Häuptern von Militarismus und Faschismus benannten Objekten engagiert. Natürlich fehlt es nicht an staatlich gesponserten Bestsellern zu solcher und ähnlicher Thematik. Bedauerlicherweise fällt das auch in Geschichtswerkstätten und bei einigen Historikern aus den Reihen der PDL auf fruchtbaren Boden.

Drittens: Neueste Entwicklungen einer vielfältigen Medientechnik haben rasante Auswirkungen auf privatwirtschaftliche Nutzungsvarianten von Geschichte. Privatisierungen und Sparzwänge im Bildungsund Kultursektor machen die Devise "Culture must pay" (Kultur muß sich auszahlen) immer mehr zur Richtschnur in den Bereichen Bildung, Forschung und Lehre. Alles muß profitorientiert, zumindest aber kostendeckend sein. Im gnadenlosen Konkurrenzkampf um die Gewinnung von Kunden, Besuchern und Lesern sind alle Mittel recht.

Der Oberbegriff für Geschichtsvermarktung in Literatur, Film, Internet, Tourismus, Freizeit und bei Festivitäten stammt aus den USA und heißt "Historical Entertainment" (kurz: HistoTainment), was auf Deutsch Geschichtsunterhaltung heißt. Romane, Computerspiele, Filme wie "Weißensee", Guido Knopps "History", touristisches Marketing, Souvenirs aller Art, Jubiläumsfestivitäten, "Mittelaltermärkte", die Nachstellung von Schlachten bis hin zur Einbeziehung der Kundschaft sorgen für ein rapides Wachstum dieser Branche. Hobbyvereine und öffentliche Einrichtungen kooperieren dabei. Diese Form des Umgangs mit der Vergangenheit wirkt "äußerst stimulierend": Mangelndes Geschichtsinteresse wird mit "pädagogischen Anreizen" durchbrochen. Die erwünscht arglose "bunte" und individualisierte Version verankert massenwirksam vermeintliches Geschichtsverständnis.

Beim "Völkerschlacht-Jubiläum" in Leipzig stellte das stadtgeschichtliche Museum mit einem "spektakulären" Konzept sowohl "Lady Di"- und "Gorbi"-Bilder als Beispiele "standhaften Heldentums" vor, während Edward Snowdens Konterfei als das eines Verräters verunglimpft wurde.

Am Hauptspektakel des "Jubiläumsaktes" nahmen 6000 Akteure aus 27 Ländern vor 35.000 Schaulustigen teil. Das "Natureum" - Waldmuseum Göhrde - engagierte zur Erinnerung an die letzte Wilhelminische Parforce-Jagd den Verein "Der Kaiser kommt" samt Soldatenspalier und fröhlichen Kindern, die einen als Majestät drapierten freundlichen Opa liebgewonnen hatten. Das Bundeswehr-Panzermuseum in Munster unweit des einstigen Vernichtungslagers Bergen-Belsen verzeichnete anläßlich seines 30jährigen Bestehens am 1. September - dem Antikriegstag (!) - Besucherrekorde und will multimedial nachrüsten.

Befragungen von Konsumenten solchen "HistoTainments" zeigen die gefährliche Anziehungskraft dieser Art Massenbeeinflussung. Im Film erzielt man eine ähnlich emotionale Identifizierung mit Veronika Ferres als "Mädchen vom Checkpoint Charlie". So mancher Zuschauer, der Guido Knopps Hetze gegen Thälmann in sich aufnahm, behauptete hinterher, er habe doch "selbst gesehen, was das für einer gewesen" sei.

Käufliche Historiker geben ihren "Bestsellern" den Anschein von Seriosität, und auf dem "Mittelaltermarkt" lernen Kinder, daß Hamburger einst mit Bio-Brot zubereitet wurden. In der selbsterlebten Nachstellung wird die "Völkerschlacht" zum wunderbaren Familienausflug, der den Kleinen so viel Freude bereitet und Großen den Eindruck vermittelt hat, Zeitzeuge des Geschehens gewesen zu sein.

Kritik am "alten Kaiser Wilhelm" mit Pickelhaube wirkt auf Zuschauer und Akteure vollends unverständlich, da es sich dabei doch lediglich um "harmlosen Klamauk" gehandelt habe. So verbreitet sich massenpsychologisch durch Konsum und Teilhabe an "Events", bei denen man hautnah zugegen war, die erwünschte kritikferne Harmonie in bezug auf die grausame Vergangenheit.

Wenn man Bilder von einer Stadtjubiläumsparade im Baltikum zeigt, bei der Kübelwagen voller Statisten in SS-Uniformen bejubelt werden, dann heißt es, das sei doch nur ein "Bemühen um Authentizität". Waffennarren berufen sich auf ihre Fachkenntnisse. Relativierer der Verbrechen eines Wernher von Braun in Peenemünde loben den "großen Raketenforscher".

All das hat nichts mit verantwortungsvoller musealer und schulpädagogischer Motivation oder echter Forschung in der experimentellen Archäologie zu tun. Ebensowenig mit der "Entstaubung von Vitrinen-Museen" wegen Besuchermangels. Auch die neuen Medien könnten in KZ-Gedenkstätten und sozialgeschichtlichen Darstellungen zur Ergründung und Offenlegung kapitalistischen Elends eingesetzt werden. Natürlich nicht unter den ideologischen Prämissen einer profitorientierten Ausschlachtung der Vergangenheit.

Bevor jemand seine Kinder zu solchen Spektakeln mitnimmt, sollte er sie so gründlich wie möglich über die wahren Ursachen, Hintergründe und Zusammenhänge der jeweiligen Interpretation aufklären, um eine kritische und selbständige Rezeption des Erlebten zu ermöglichen.

Jobst-Heinrich Müller, Lüneburg

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RF Extra

Wo Karl Liebknecht einsaß
[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
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Nach langjähriger Haft in den USA meldet sich Kurt Stand zurück

Aus traurigem Anlaß

Bertolt Brechts Appell "An die Schwankenden" bezieht sich auf Leute, die sich - nachdem die Nazis ihre Positionen gefestigt hatten - darüber im ungewissen waren, wohin sie sich nun wenden sollten. Anders ausgedrückt: die gewissermaßen in sich hineinschauten, um Stärke zu bewahren und in Übereinstimmung mit ihren Prinzipien zu handeln.

Am 6. Oktober fand in New York eine Gedenkfeier für Margrit Pittman statt. 1919 in Frankfurt am Main geboren, erwies sich die Journalistin als Anwältin für Sozialismus und internationale Solidarität. Schon am 4. Februar 2013 war sie gestorben.

Am 10. Oktober ging auch der Jurist und Kommunist Dr. Hans Kaiser im 85. Lebensjahr von uns. Das Andenken beider zu ehren, heißt für mich, zwei Menschen zu würdigen, die - im Unterschied zu vielen anderen - nicht geschwankt haben, wie widrig die Umstände auch gewesen sein mögen. Es handelt sich um zwei Freunde, die beflügelnd auf jene wirkten, welche auch heute den Kampf für Gerechtigkeit fortsetzen.

Margrit Pittman gehörte einer Generation an, die - obwohl durch den Faschismus als Opfer auserkoren - sich weigerte, dementsprechend zu leben. Man zwang sie, ihre schulische Ausbildung abzubrechen, nachdem Hitler befohlen hatte, daß Juden fortan weder öffentliche Schulen noch Universitäten besuchen dürften. Viele ihrer Familienangehörigen verschwanden in den Konzentrationslagern. Margrit selbst überlebte dank der Hilfe eines Lehrers und anderer nichtjüdischer Freunde, die ihr - ungeachtet der Risiken - Solidarität erwiesen.

Sie überstand diese Zeit nicht nur, sondern nahm auch den Kampf auf. Noch als Teenager wurde sie in Deutschland Mitglied des Internationalen Sozialistischen Kampfbundes - einer im Untergrund wirkenden antifaschistischen Organisation. Nach der Emigration in die Vereinigten Staaten setzte sie ihre Aktivitäten fort. Wie auch andere antifaschistische Flüchtlinge zog sich Margrit nicht resignierend und verbittert zurück, sondern fand die Antwort auf ihre Verfolgung im Widerstand. Ihre Erfahrungen mit der Gewalt der Nazis verwandelten sich so in lebenslangen Einsatz für den Frieden. Das durch Antisemitismus Erlittene erzeugte in ihr eine das ganze Leben anhaltende Gegnerschaft zu allen Formen von Rassismus.

Ihre Konfrontation mit der Unterdrückung durch die Nazis bewirkte bei Margrit ein bis zuletzt anhaltendes Engagement für Demokratie und Sozialismus.

Schon kurze Zeit nach ihrer Ankunft in New York wurde Margrit Pittman 1938 Jugendredakteurin des legendären "German-American" - einer publizistischen Stimme, derer sich die politischen Gegner Hitlers bedienten. Mehr als das: Die Zeitung erwies sich auch als ein Vehikel, um Deutschlands fortschrittliches und demokratisches Kulturerbe gegen jene in Bewegung zu setzen, welche dieses Stück Vergangenheit unterdrücken wollten. Zugleich schuf das Blatt ins Exil gezwungenen Schriftstellern, deren Bücher in Berlin durch die Nazis verbrannt worden waren, eine Plattform.

Margrit wurde auch in Sachen des Camp Midvale aktiv - eines linken Zentrums von Deutsch-Amerikanern in New Jersey, das zum Schutzhafen für radikale Auffassungen in der Arbeiterbewegung wurde, indem es Künstlern wie Paul Robeson und Pete Seeger einen Auftritt ermöglichte. Margrit schloß sich der Kommunistischen Partei der USA an, weil sie zu der Erkenntnis gelangt war, daß diese politische Formation die konsequenteste und entschiedenste Kraft im Kampf gegen Faschismus und für soziale Gerechtigkeit in Deutschland wie in den Vereinigten Staaten verkörperte.

In den 50er Jahren standen die Opposition zum McCarthyismus in den USA und der Widerstand gegen den erneuten Aufstieg des Militarismus in Westdeutschland im Mittelpunkt ihrer journalistischen und politischen Aktivitäten. In ihren Artikeln setzte sich Margrit besonders für die Solidarität mit der Deutschen Demokratischen Republik ein. Dort erblickte sie eine Gesellschaft, welche die Hoffnungen jener erfüllte, die gegen die Nazis gekämpft hatten. Sie betrachtete die DDR als ein Land, das gegen enorme Widerstände daran arbeitete, eine auf Kollektivgeist beruhende neue Gesellschaft aufzubauen.

Die Verbindung zwischen Margrits Internationalismus und ihren journalistischen Fähigkeiten führte dazu, daß sie Übersee-Korrespondentin der kommunistischen Zeitung "Daily Worker" sowie ihrer Nachfolger "Daily World" und "People's World" wurde - zunächst in der Sowjetunion und dann in der DDR. Dort schrieb sie zugleich Beiträge für die "Weltbühne".

Während ihres Auslandsaufenthalts verfaßten Margrit und ihr Mann John, der als Vertreter der KP der USA bei der in Prag erscheinenden Zeitschrift "Probleme des Friedens und des Sozialismus" arbeitete, 1962 die Streitschrift "Sinn und Unsinn über Berlin". In ihr wurde die Anti-DDR-Kampagne im Zusammenhang mit dem vorausgegangenen Bau der Berliner Mauer entlarvt. Es war ein Statement über die Notwendigkeit unvernebelt klaren Denkens und Handelns zur Abwendung eines Dritten Weltkrieges.

Margrits späteres Buch "Begegnungen in Sachen Demokratie - eine US-Journalistin blickt auf die DDR" vermittelte ein umfassenderes Bild vom Typ einer Gesellschaft, in der sich Menschen schöpferisch entfalten können.

Margrit setzte ihre diesbezügliche Arbeit nach der Rückkehr in die Vereinigten Staaten fort, wo sie eine maßgebliche Rolle bei der Herausgabe von Publikationen der KP der USA übernahm. Sie wurde Mitglied des "US-Komitees für Freundschaft mit der DDR" - einer Organisation, welche die Fehlinformationen und den Mangel an redlicher Berichterstattung über die DDR bekämpfte. Das Komitee förderte Reisen und Abstecher dorthin, vermittelte Gespräche, führte Meetings durch und zeigte Filme, um die Diskussion über ein in den USA wenig bekanntes oder verstandenes Land anzuregen.

Margrit stand damit gewissermaßen in der Tradition ihrer einstigen Tätigkeit beim "German-American" und ihres mehrjährigen Aufenthalts in Berlin. Sie handelte auch dann in diesem Geist, als die DDR bereits zu bestehen aufgehört hatte und in den kommunistischen Reihen eine Spaltung erfolgt war. Das drückte sich in ihrem Widerstand gegen den Irak-Krieg ebenso aus wie in ihrer Wohngebietsarbeit und der Unterstützung fortschrittlicher Gesundheitsprojekte. Nach der Trennung Hunderter Parteimitglieder von der KP der USA schloß sie sich wie Angela Davis, Charlene Mitchell und Dr. Herbert Apteker den damals entstehenden "Committees of Correspondence for Democracy and Socialism" an.

Ich kannte Margrit während des größten Teils meines Lebens. Sie war mit meinen Eltern befreundet und gehörte denselben Organisationen wie sie an. Während der Jahre meiner Inhaftierung schrieb sie mir und unterstützte auch unser Verteidigungskomitee. Wichtiger als das aber ist die Tatsache, daß sie in dieser Zeit noch enger an meine Eltern heranrückte und ihnen half, als sich andere abwandten. Damit stellte sie zwei Dinge unter Beweis: den Glauben an Gerechtigkeit und den Wert persönlicher Freundschaft.

Hans Kaisers Leben war nicht weniger durch menschliche Wärme und gesellschaftlichen Einsatz geprägt. Obwohl ich niemals die Chance hatte, ihm persönlich zu begegnen, entstand zwischen uns eine starke Freundschaft, die sich im Verlauf der Korrespondenz entwickelte, die er mit mir nach meiner Verhaftung aufgenommen hatte.

Einmal schrieb mir Hans, daß zu seinem Erwachen als Zehnjähriger die Beobachtung von Überfällen auf jüdische Geschäfte während der sogenannten Kristallnacht gehört habe.

Obwohl seine Familie nicht gerade zu linken Auffassungen tendierte, war sie wie er selbst schockiert. Aus solchen Erfahrungen entwickelte sich seine Gegnerschaft zur Ideologie der Nazis, sein Verständnis für die Notwendigkeit fundamentalen Wandels. Hans gehörte zu jenen, welche in den Jahren der Hitlerdiktatur aufwuchsen und entschlossen waren, danach ein neues und besseres Deutschland zu schaffen. Diese Möglichkeit eröffnete sich mit der Gründung der DDR. Es war gerade diese Entschlossenheit, die Hans dazu veranlaßte, der SED beizutreten und sich für den Beruf eines Juristen zu entscheiden.

Unsere Briefe berührten oftmals gerade seine Arbeit auf diesem Gebiet. Hans verwies dabei auf den Kontrast zwischen der Behandlung von Menschen, die in den USA nach Anklage und Urteil die Gefängnisse füllten, dort keinerlei Möglichkeiten hatten, einen Beruf zu erlernen und sich während der Haftzeit auf eine anschließende Neugestaltung ihres Lebens vorzubereiten, also nach der Entlassung chancenlos waren, und den in der DDR beschrittenen Wegen. Deren Praxis war darauf orientiert, straffällig gewordenen Menschen bei ihrer Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu helfen, ihnen ein würdiges Leben nach der Freilassung zu ermöglichen. Hans zeigte sich an meinen Beobachtungen und Erfahrungen, die ich im Gefängnis "vor Ort" sammelte, sehr interessiert. Er schrieb ehrlich und selbstkritisch auch über Vergangenes, kehrte dabei aber stets zum fundamentalen Unterschied beider Systeme zurück: einer kapitalistischen Welt, die Menschen lediglich als Objekte behandelte, und dem sozialistischen System, das sich darum bemühte, sie zu befähigen, Subjekte ihres eigenen Lebens zu sein. Es war gerade dieses Begreifen, das Hans dahin führte, ein so leidenschaftlicher Anwalt für Frieden und Solidarität zu sein. Für diese Werte wirkte er durch seine Teilnahme am Aufbau des Sozialismus, wobei er auch nach dessen Niederlage in Europa den Kampf nicht aufgab.

Hans schrieb Artikel über das DDR-Gerichtswesen und -Rechtssystem, auch für den "RotFuchs" - eine jener Publikationen, mit welchen er mich vertraut machte. Er führte mich überdies in die "junge Welt" ein. Oft lenkte er meine Aufmerksamkeit auf einzelne Artikel, die er für besonders wichtig hielt. Sie bildeten dann die Grundlage eines Gedankenaustausches zwischen uns. Hans vereinbarte mit den Redakteuren der jW, daß ich dort eine Kolumne zur Lage der Arbeiter in den USA schreiben konnte, die von ihm übersetzt wurde. Er wollte mehr über die Geschichte des Klassenkampfes und die Bewegung für Frieden und Gerechtigkeit in den Vereinigten Staaten erfahren. Niemals brach er die Suche nach Informationen und das Lernen ab. Im Laufe der Jahre schickte er mir viele Bücher, wobei er mich stets um meine Meinung bat, während er sich selbst dazu äußerte. Diese im Verlauf unserer Korrespondenz geführten Debatten vertieften mein Wissen und Begreifen.

Jetzt bin ich wieder zu Hause, blicke auf mein Regal und sehe die Buchrücken jener Titel, die ich von Hans erhielt, als ich noch im Gefängnis war. Darunter befinden sich Veröffentlichungen von Sahra Wagenknecht und Manfred Sohn, die unterschiedliche Sichten auf den künftigen Weg vermitteln. Zu den Autoren, deren Werke ich auf diese Weise lesen konnte, zählen Werner Eberlein, Herbert Graf, Ralph Hartmann, Heinz Keßler und Fritz Streletz, Egon Krenz, Joachim Mitdank, Werner Mittenzwei, Hannes Sieberer und Herbert Kierstein, Jörg Rösler, Wolfgang Wippermann und viele andere.

Mit einigen Autoren stimmte Hans nicht überein, anderen - besonders Graf und Krenz - bescheinigte er, die Wahrheit über Vergangenes zum Ausdruck gebracht zu haben. In jedem Falle aber las er diese Bücher mit Sorgfalt und einem offenen Sinn. Gerade diese Offenheit bildete auch die Grundlage für unseren Meinungsaustausch und das wechselseitige Entdecken.

Unsere in schriftlicher Form erfolgten Diskussionen waren kein Selbstzweck, sondern eine Anleitung zum Handeln. Hans war immer hellwach, verfolgte aufmerksam die inneren Widersprüche und Konflikte in der Partei Die Linke, die er äußerst kritisch sah, zugleich aber unterstützte. In ähnlicher Weise beobachtete er Entwicklungen in der DKP, wobei er seine Einblicke ebenso mit mir teilte wie gewisse Herausforderungen, denen er sich gegenübersah. Und sogar zu einem Zeitpunkt, als sich sein Gesundheitszustand bereits deutlich verschlechtert hatte, blieb Hans aktiv. Sein Arbeitsschwerpunkt lag in der GRH - einer Organisation, welche die Rechtmäßigkeit des Handelns jener ehrt, von denen die DDR aufgebaut und verteidigt wurde. Die GRH widersetzt sich der Verleumdungskampagne, welche die Tatsachen entstellt und den Wert des Errungenen diffamiert. Im Rahmen seiner Teilnahme an der Solidaritätsarbeit der GRH schrieb mir Hans übrigens seinen ersten Brief. Durch unsere Korrespondenz verschafften wir uns dann tiefere Einblicke in das Leben des jeweils anderen.

Wie Margrit Pittman verband auch Hans Kaiser seinen Glauben an Gerechtigkeit mit der Anerkennung des Wertes persönlicher Freundschaft. Beide widmeten ihr Leben dem niemals endenden Einsatz für eine neue und bessere Welt. Dabei befanden sie sich in voller Übereinstimmung mit Brechts Prinzip, das er in der "Heiligen Johanna der Schlachthöfe" so formuliert hat: "Denn nichts werde gezählt als gut und sehe es aus wie immer, als was wirklich hilft, und nichts gelte als ehrenhaft mehr, als was diese Welt endgültig ändert: Sie braucht es."

An die hundert Leute nahmen an der Gedenkveranstaltung für Margrit Pittman teil. Sie und Hans hatten nah und fern viele Freunde, die sich ihrer stets erinnern werden. Das gilt auch für die Botschaft, die sie beseelte: Wir können die Welt ändern, solange der Gedanke der Solidarität unser Leben und Tun bestimmt.

Kurt Stand, Beverly, USA-Bundesstaat Maryland

Übersetzung: K. S.

Unser Autor wurde in den USA zu 17 Jahren Gefängnis verurteilt, die er bis auf einen kleinen Rest verbüßen mußte. Er wurde bezichtigt, sich zur Zusammenarbeit mit der Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR bereit erklärt zu haben.

Ende RF-Extra

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Good bye, Afghanistan!
[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Kuba sagt der Medien-Monotonie den Kampf an

Schluß mit Verstaubtem!

In Kuba sind die Chefredakteurs-Posten der wichtigsten Tageszeitungen neu besetzt worden. Die Leitung des PCC-Zentralorgans "Granma" übernahm Pelayo Terry Cuervo, der bis dahin an der Redaktionsspitze von "Juventud Rebelde" gestanden hatte. An seine Stelle trat dort die bisherige Vizechefin Marina Nenendez Quintero. Die Neubesetzungen erfolgten auf direkte Initiative des Politbüros der PCC, was das Gewicht dieses Schrittes unterstreicht.

Bereits auf der Tagung des Parlaments im Juni 2012 waren unerläßliche Korrekturen in der Pressearbeit thematisiert worden. Kubas Vizepräsident Miguel Díaz-Canel hatte dort betont, man müsse mit Erscheinungen wie falscher Einstimmigkeit und Vorenthaltung von Informationen unverzüglich Schluß machen.

Ähnliches ließ auch Raúl Castro verlauten, der den Triumphialismus und die überbordende Apologetik der staatlichen Medien kritisierte. Im Februar 2012 hatte seine Rede vor den Parteitagsdelegierten den Anstoß zur aktuellen Debatte gegeben. "Dabei ist zu fördern, daß Meinungsverschiedenheiten in den Massenmedien mit Natürlichkeit und Respekt ausgetragen werden." ... Presse und Sender müßten sich "verantwortungsvoll und mit strikter Wahrheitsliebe einbringen, nicht im bürgerlichen Stil, voller Sensationsgier und Lügen, sondern mit geprüfter Objektivität und ohne unnütze Geheimniskrämerei" hatte Kubas Staatspräsident und oberster Parteiführer damals gefordert. Dazu sei es notwendig, "eine größere Professionalität unter den Mitarbeitern der Presse zu fördern", wobei man sich der Unterstützung des Journalistenverbandes UPEC gewiß sei.

Die PCC hat in den letzten Jahren immer deutlichere Worte gefunden, um die Mängel und Unzulänglichkeiten ihrer eigenen Medien beim Namen zu nennen. Begriffe wie "falsche Siegesgewißheit" und "alte Mentalität" gehörten dabei zum häufig verwendeten Vokabular.

Doch was steckt dahinter?

Die kubanische Medienlandschaft ist weitaus vielfältiger, als es mancher im Ausland erwarten würde. Das Land verfügt über Dutzende regionale Rundfunkstationen, fünf nationale TV-Kanäle, zwei überregionale Tageszeitungen sowie zahlreiche Lokalblätter und Zeitschriften. Während das Fernsehen in den letzten Jahren modernisiert wurde und bald sogar auf Digitalbetrieb umsteigt, befinden sich die Printmedien seit der "Sonderperiode" nach dem Wegfall der Verbündeten Kubas aus dem RGW in einer bedauerlichen Verfassung. Die Zeitungen wurden ihrer Aufgabe immer weniger gerecht, die Bevölkerung quantitativ und qualitativ mit Informationen zu versorgen. Dazu fehlen ihnen neben ideellen auch materielle Voraussetzungen.

Durch die einschneidende Rationierung von Papier konnte die Auflage der meisten Blätter in den 90er Jahren nicht gehalten werden. Bei der "Granma" liegt sie derzeit bei etwa 500.000 Exemplaren, bei "Juventud Rebelde" um die 250.000, am Freitag dann bei 500.000. Diese beiden Zeitungen und das wöchentlich erscheinende Gewerkschaftsorgan "Trabajadores" müssen ein Land mit mehr als 11 Millionen vollständig alphabetisierten Einwohnern versorgen. Dies führt dazu, daß sie bereits in den frühen Morgenstunden ausverkauft sind. Tageszeitungen haben in Kuba normalerweise acht kleine Seiten. Das fransige Papier ist von äußerst schlechter Qualität, ebenso die verwendete Druckerschwärze. Farben gelangen wenig zum Einsatz.

Die Löhne der Journalisten sind äußerst niedrig. Ein Abteilungsleiter bei "Juventud Rebelde" verdient im Monat umgerechnet 23 Dollar. Wegen des Preises von nur 20 Centavos bringt der tägliche Verkauf wenig und überrascht das Ausmaß staatlicher Subventionierung kaum.

Die meisten Zeitungen, vor allem "Granma", konzentrieren sich auf offizielle Berichterstattung von Parteitagen, Kongressen, Großveranstaltungen und Staatsbesuchen. Daneben gibt es Lokales, am Wochenende einen Artikel aus der Wissenschaft, zwei Seiten internationale Nachrichten, einen Kultur- und einen Sportteil sowie eine "Erfolgsstory" aus einem Betrieb. Seit einigen Jahren werden in der Wochenendausgabe auf mindestens zwei Seiten Leserbriefe abgedruckt. Offizielle Meldungen erscheinen in der Regel unkommentiert.

Das Problem besteht neben der Auswahl der Inhalte auch im beschönigenden Ton ihrer Aufbereitung. Insgesamt wurde die kubanische Medienlandschaft durch die Sonderperiode in einen Dornröschenschlaf versetzt. Viele Journalisten hinken dem politischen Diskurs eher zwei Schritte hinterher, statt ihn voranzutreiben. Die Folgen sind Entpolitisierung und mangelnde Identifikation mit den eigenen Medien, da diese die tägliche Lebenssituation vieler Kubaner nicht widerspiegeln. Eine Orientierung auf ausländische Quellen ist da unvermeidlich.

Die genannten Mißstände wurden im Juli auf dem 9. Kongreß der kubanischen Journalistenunion UPEC freimütig diskutiert. Miguel Díaz-Canel nahm als Mitglied der PCC-Führung dort kein Blatt vor den Mund. Er äußerte seine Kritik unverblümter denn je und ermutigte den Kongreß zu ehrlicher Selbstbetrachtung. Neben dem Beschluß, ein neues Pressegesetz auszuarbeiten, wurden vor allem grundsätzliche Fragen des kubanischen Journalismus diskutiert: mangelndes Internet, Unterfinanzierung und eine veraltete schönfärberische Denkweise vieler Redakteure und Reporter. Es ging den Delegierten nicht nur um punktuelle Verbesserungen, sondern auch um die Erarbeitung eines neuen Medienverständnisses. "Wir haben oft Argumente durch Propaganda ersetzt", erklärte Raúl Garces, der neugewählte UPEC-Vizepräsident. Die auf dem Kongreß gehaltenen Grundsatzreden wurden live im nationalen Fernsehen übertragen und lösten in Kuba ein breites Echo aus.

Díaz-Canel stellte in seiner anderthalbstündigen Rede fest: "Wir müssen die Mentalität, die Konzepte ändern. Wir haben bisher Argumente benutzt, die für eine bestimmte Zeit keineswegs falsch waren, aber heute müssen wir sie anders wieder aufgreifen, in anderer Weise interpretieren, weil wir in einer anderen Zeit leben."

Die prinzipielle Erneuerung der kubanischen Medienlandschaft ist jedenfalls als Aufgabe für die kommenden Jahre von offizieller Seite angenommen worden. Den Worten Díaz-Canels, der als künftiger Nachfolger Raúl Castros gilt, muß nun die Tat folgen. "Ein besserer Journalismus" - wie es jemand in Havanna ausdrückte -ist möglich. Auch hier gilt Kubas Devise: Venceremos! - Wir werden siegen!

Marcel Kunzmann, z. Z. Student in Jena

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Wie Libyen durch die NATO von seinen Errungenschaften befreit wurde

Tripolis versinkt im Chaos

Es ist erst reichlich zwei Jahre her, daß Großbritanniens Verteidigungsminister Philip Hammond an die Geschäftsleute des Vereinigten Königsreichs appellierte, "schleunigst ihre Koffer zu packen" und sofort nach Libyen aufzubrechen, um dort "am Wiederaufbau des Landes" und der finanziellen Abschöpfung des nun zu erwartenden Öl-Booms teilzuhaben.

Doch daraus wurde nichts. Inzwischen ist die Ölförderung und - raffinierung in Libyen fast zum Erliegen gekommen. Die Regierung des von rivalisierenden und marodierenden Milizen mit Banditencharakter terrorisierten und weitgehend beherrschten nordafrikanischen Staates hat die Kontrolle über die Förderung des schwarzen Goldes de facto weitestgehend verloren. Tausende und aber Tausende meuternder "Sicherheitskräfte" führen in den libyschen Ölhäfen an der Mittelmeerküste das Kommando, schalten und walten dort nach ihrem Ermessen. Das in erheblich reduzierter Menge geförderte Rohöl landet so fast ausnahmslos in Kanälen des schwarzen Marktes.

Libyens Ministerpräsident Ali Zeidan drohte daraufhin, er werde jeden Tanker aus der Luft oder von See aus bombardieren lassen, der auch nur den Versuch unternehme, von den Hafenwächtern illegal erworbenes Öl an Bord zu nehmen. Bei diesen "Sicherheitsleuten" handelt es sich fast ausnahmslos um seinerzeit von den NATO-Interventen rekrutierte und gegen Gaddafi in Marsch gesetzte "Rebellen", die wegen ihnen zwar durch Tripolis zugesagter, dann aber nicht gezahlter Bezüge in den Ausstand getreten waren.

Seitdem sich die Aufmerksamkeit von Libyen ab- und Ägypten sowie den gegen Syriens "Assad-Regime" vorgeschickten "Rebellen" zugewandt hat, befindet sich das Land in der schwersten politischen und ökonomischen Krise seiner jüngeren Geschichte.

Die in Tripolis installierte proimperialistische Marionettenregierung besitzt in den meisten Landesteilen keinerlei Autorität oder Mittel zur Durchsetzung von ihr großspurig proklamierter Vorhaben. Durch deren Debakel hat das 2010 von den USA, Großbritannien und Frankreich vorgespiegelte Ziel der NATO-Intervention, ein starkes und freies Libyen schaffen zu wollen, in den Augen vieler Bürger jegliche Glaubwürdigkeit verloren.

Nach jüngsten Angaben sank die tägliche Fördermenge des wegen seiner hohen Qualität auf dem Weltmarkt besonders gefragten libyschen Rohöls von 1,4 Millionen auf 160.000 Barrel (Fässer).

Während die Regierung außerstande ist, auch nur ein Minimum an Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten, nehmen bereits seit langem unternommene Bestrebungen zur Abtrennung oder Verselbständigung einzelner Landesteile dramatisch zu. Während die Libyer dem Terror und der Gnade unzähliger "Milizen" ausgesetzt sind, werden zugleich Proteste gegen deren Wüten blutig niedergeschlagen. Bei einer Demonstration vor den Kasernen der "Brigade Libyens Schild" in der östlichen Hauptstadt Bengasi wurden 31 Menschen erschossen und zahlreiche weitere verletzt.

Während die NATO-Intervention als "humanitäre Aktion zur Verhinderung eines Blutbades unter den sich in Bengasi konzentrierenden Abweichlern durch Gaddafis Panzer" ausgegeben wurde, nahmen Libyens imperialistische "Befreier" und "Schirmherren" von diesem Massaker keinerlei Notiz. Auch Reporter westlicher Medien, die während der angeblichen Operation zur Erlösung des libyschen Volkes vom Gaddafi-Terror sämtliche Hotelbetten in Tripolis und Bengasi frequentiert und sich am damaligen Geschehen lebhaft interessiert gezeigt hatten, läßt der drohende Kollaps der derzeitigen Regierung Libyens völlig kalt.

Einflußreiche Kräfte der östlichen Region Cyrenaica, wo sich die ergiebigsten Erdöllagerstätten des arabischen Landes befinden, forcieren seit geraumer Zeit ihre Lostrennungsbestrebungen unter dem Vorwand, Tripolis stecke den Löwenanteil der Öleinnahmen in den Westen des Landes.

Nach der Ermordung des Botschafters der Vereinigten Staaten in den Räumen des US-Konsulats von Bengasi haben die meisten Ausländer die Stadt fluchtartig verlassen. Die Panik verschärfte sich dann noch mehr, nachdem auch der zur Untersuchung des Anschlags auf den Diplomaten dorthin entsandte Militärstaatsanwalt durch eine Autobombe getötet worden war.

Fast täglich wird Tripolis seitdem von mit Sprengstoffeinsatz verbundenen Gewaltakten erschüttert. Weder der Angriff ethnischer Berber, die 2011 als Sturmspitze der vom Westen gegen Gaddafi mobilisierten Banden gefeiert wurden, auf das zeitweilig von ihnen sogar besetzte Parlamentsgebäude in der Hauptstadt noch die brutale Niederschlagung des Hungerstreiks von 500 Gefängnisinsassen in Tripolis vermochten für größere Schlagzeilen in den westlichen Medien zu sorgen.

Die zahnlose Marionettenregierung appellierte unterdessen an das nicht minder ohnmächtige "Oberste Sicherheitskomitee", es solle endlich für Ordnung sorgen und die einstigen Anti-Gaddafi-Milizen dem Innenministerium unterstellen. Der für dieses Ressort verantwortliche Minister trat übrigens zum gleichen Zeitpunkt aus Frustration über seine völlige Machtlosigkeit zurück und bezichtigte den Premier, beim Aufbau regulärer Armee- und Polizeieinheiten total versagt zu haben. Er warf der weitgehend von der Moslembruderschaft beherrschten Regierung Schwäche im Umgang mit einzelnen libyschen Stämmen vor. Zwei von diesen lieferten sich nur wenige Kilometer vom Sitz des Regierungschefs einen blutigen Bandenkrieg.

Auch Diplomaten einer Reihe anderer Staaten wurden wiederholt unter Feuer genommen. Nach einem Überfall auf den Leiter der EU-Vertretung in Tripolis zerstörte eine Autobombe den Wagen des französischen Botschafters.

Wie inzwischen zu erfahren war, haben mehrere EU-Staaten, die zugleich der NATO angehören, unterdessen eine von ihnen zum "Schutz der Ölhäfen" und zu ähnlichen dubiosen Zwecken rekrutierte Gendarmerie-Truppe ausgebildet. Die verharmlosend als "Grenzwächter" bezeichnete Formation ist dem Verteidigungsministerium unterstellt worden und soll der "Eigenständigkeit von Milizen" Zügel anlegen.

RF, gestützt aus "The Guardian", Sydney

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Zu jüngsten Entwicklungen in der VR China
Wohin führt die Reise?

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Die Mauer-Toten von Lampedusa

Die einzige Reaktion der den Kurs der Europäischen Union - des Europas der Monopole - Bestimmenden auf das Ertrinkenlassen von mehr als 350 aus Nordafrika aufgebrochenen Hungerflüchtlingen vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa war die Entscheidung, die unsichtbare Mauer um den "reichen Kontinent" noch undurchlässiger zu machen. Frontex - das die europäischen See- und Luftgrenzen abriegelnde Instrument zur gnadenlosen Abweisung Verzweifelter anderer Hautfarbe oder Herkunft - soll fortan noch rigoroser jedes Durchkommen unerwünschter Asylsuchender verhindern. Eurosur - der Gesamtapparat zur Überwachung der europäischen Grenzen - werde zu diesem Zweck deutlich aufgestockte Mittel für Frontex bereitstellen, ließ EU-Innenkommissarin Malmström schon unmittelbar nach der Tragödie von Lampedusa verlauten. Immerhin habe die "Agentur" nicht weniger als 42.000 Kilometer Küsten, 9000 Kilometer Landgrenzen und 300 internationale Flughäfen im Auge zu behalten.

Das Budget des 2004 geschaffenen Apparats der "Mauerwächter" wurde seitdem ständig erhöht. Betrug es 2005 noch moderate 6,2 Mill. Euro, so wurden für 2013 bereits 85 Millionen veranschlagt. Wie aus Frontex-Kreisen verlautete, gingen 2011 nicht weniger als 56 % der bereitgestellten Gelder in die See- und Luftüberwachung des Mittelmeerraumes. Dabei handelt es sich ausschließlich um die Finanzierung von Maßnahmen militärischen Charakters. Für solche "operativen Zwecke" stehen der "Agentur" derzeit 21 Flugzeuge, 27 Hubschrauber und 116 Schiffe samt Nachtsichtgeräten und - man horche auf! - Herzschlag-Detektoren zur Verfügung. Frontex hat "Europa" in einen ständigen Kriegszustand gegen Arme und Hungernde versetzt. Dabei soll ihr Apparat ausschließlich das Abriegeln der Grenzen gewährleisten, jedoch keinerlei Aktionen zur Rettung in Seenot Geratener oder Schiffbrüchiger in ihr Programm einbeziehen.

Als sich am 3. Oktober die Tragödie von Lampedusa abzeichnete, wäre eine Bergung aller "Passagiere" noch möglich gewesen. Doch neun Patrouillenboote der italienischen Guardia Costiera, etliche Einheiten der Guardia di Finanza - des Zolls - sowie in der Region operierende Kriegsschiffe und Militärflugzeuge reagierten in keiner Weise auf das sich abzeichnende Drama.

Viele der Flüchtlinge kamen aus Libyen, wo seit 2011 Zehntausende "Gastarbeiter" ihre Jobs in der dortigen Ölindustrie verloren haben. Ein großer Teil von ihnen wandte sich in seiner Not der "Festung Europa" zu. Doch ihr Hilfeschrei verhallte ungehört. Im vergangenen Jahr sind wiederum mehr als 1500 dieser Unglücklichen ertrunken. In 20 Jahren waren es - folgt man seriösen Schätzungen - nahezu 25.000. Es handelt sich dabei um Mauer-Tote - Opfer eisiger Kälte und gnadenlosen Kalküls.

Auch das ist ein Kapitel des Klassenkampfes.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

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Freiheit für Mordechai Vanunu!

Vor mehr als 27 Jahren entschloß sich Mordechai Vanunu, der damals als Techniker in Israels Dimona-Kernforschungszentrum arbeitete, zu einer bravourösen Tat, die ihm die Bewunderung der demokratischen Weltöffentlichkeit und den potenzierten Haß der in Tel Aviv den Ton Angebenden eintrug. Er tat, was niemand vor ihm gewagt hatte: 1986 enthüllte er die Dimensionen des bereits damals recht umfangreichen Kernwaffenarsenals der zionistischen Machthaber. Er ließ wissen, daß Israel zu jenem Zeitpunkt über Hunderte atomare Sprengköpfe verfügte, was Rang Nr. 6 im Anhäufen solcher Mordinstrumente bedeutete. Obwohl inzwischen etliche aus einer BRD-Werft an die Unruhestifter im Nahen Osten gelieferte U-Boote mit nuklearen Sprengköpfen bestückt worden sind, spielt man in Tel Aviv noch immer das "Kaninchen im Rübenfeld" und stellt den Besitz von Kernwaffen weiterhin in Abrede.

Damals wurde Mordechai Vanunu vom Auslandsgeheimdienst Mossad in Italien gekidnappt, nach Israel zurückgebracht und dort zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt. Diese Strafe hat der mutige Enthüller - heute bezeichnet man jene, welche zur Bloßlegung imperialistischer Kriegspläne und Untaten bereit sind, als Whistleblower - restlos abgesessen, darunter elf Jahre in totaler Isolationshaft bei ständiger Kameraobservation.

Nach seiner Entlassung im April 2004 gab Vanunu eine Pressekonferenz, auf der er die physischen und psychischen Foltermethoden seiner Häscher im Detail schilderte. Seitdem lebt der Unerschrockene in einem Raum der anglikanischen Kathedrale St. Georges in Ost-Jerusalem. Auch nach der Strafverbüßung ist er alles andere als ein freier Mann. Er darf keine Journalisten empfangen, nicht Freunde treffen oder ein Mobiltelefon benutzen. Seine Bewegungsfreiheit ist auf die Stadt Jerusalem beschränkt, jegliche Auslandsreisen sind ihm untersagt.

Im Jahr 2010 mußte Vanunu wegen Verletzung ihm erteilter Weisungen - er hatte sich länger als erlaubt mit seiner norwegischen Freundin getroffen und war zur Christmesse nach Bethlehem gefahren - sogar noch einmal für drei Monate ins Gefängnis.

"Israel ist nicht mein Land" begründete Vanunu seinen wiederholt von den Behörden zurückgewiesenen Ausreisewunsch.

Inzwischen fordern Organisationen und Einzelpersonen vieler Länder Freiheit für Mordechai Vanunu. Zu den prominenten Unterstützern dieses Verlangens gehören der seinerzeitige Enthüller der Pentagon Papers Daniel Ellsberg, der US-Publizist Noam Chomsky, die japanische Künstlerin Yoko Ono und der frühere südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu.

RF, gestützt auf "The Guardian", Sydney

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Realistische Lagebeurteilung durch Libanons Kommunisten

Klartext aus Beirut

In letzter Zeit hat sich die Situation in und um Libanon einmal mehr dramatisch verschärft. Die USA und das durch sie finanziell, militärisch und diplomatisch beschirmte, von rechtsgerichteten Zionisten regierte Israel nehmen die Unterstützung der legitimen Regierung Syriens durch die libanesischen Hisbollah-Milizen zum Vorwand für eine neue Attacke auf die Souveränität dieses wichtigen Nahost-Staates. Wiederum ereigneten sich schwere Bombenanschläge in Beirut und anderen Städten, die unter der leidgeprüften libanesischen Bevölkerung abermals viele Opfer forderten. Angesichts dieser sich weiter verschärfenden Konfrontation ist es für die RF-Leser noch wichtiger als sonst, die authentische Meinung der libanesischen Antiimperialisten zu erfahren.

Marie Debs, stellvertretende Generalsekretärin der Libanesischen Kommunistischen Partei (LKP), nahm unlängst in einem Interview, das sie der Pariser Monatsschrift "Initiative Communiste" gewährte, zu der Notwendigkeit umfassenden nationalen Widerstandes gegen auch ihr Land tangierende US-Projekte Stellung. Sie verwies dabei auf die Bedeutung der vor mehr als 31 Jahren entstandenen, unterschiedliche linke und demokratische Kräfte vereinenden Front des Patriotischen Libanesischen Widerstandes. Diese habe sich dem gemeinsamen Plan von Imperialisten und Zionisten, die gesamte arabische Region dauerhaft in die Hand zu bekommen und mit den Palästinensern kurzen Prozeß zu machen, erfolgreich widersetzt. Die Front trete für eine Beendigung des arabisch-israelischen Konflikts ein.

In dieser breitgefächerten Allianz habe die LKP von Beginn an eine maßgebliche Rolle gespielt, da sie sich trotz unterschiedlicher Positionen bis heute einen gewissen Zugang zu beiden Seiten in dem politisch, ethnisch und religiös gespaltenen Land bewahrt habe.

Bestimmte Führer des sich als progressiv darstellenden derzeitigen libanesischen Regimes seien nur deshalb auf ihre Posten gelangt, weil sie sich mit der Aura einer Wahrnehmung von Interessen der Palästinenser zu umgeben verstünden. Dabei dächten sie nicht im entferntesten daran, daß ein von diesen zu begründender Staat auch eines entsprechenden militärischen Schutzes bedürfe.

Die LKP stelle in Rechnung, daß die 1982 erfolgte israelische Aggression gegen Libanon die Partei und deren Verbündete in die Lage versetzt habe, eine landesweit operierende, die verschiedensten Kräfte einbeziehende patriotische Bewegung ins Leben zu rufen.

Der seinerzeitige US-Außenminister Alexander Haig habe den Plan einer generellen und bedingungslosen Kapitulation der Araber gegenüber Israel und einer Kooperation aller Staaten der Region mit Washington verfolgt. Dieser sei indes durchkreuzt worden, stellte Marie Debs fest.

Nur vier Monate später sei dann durch den saudischen Thronfolger und späteren König Fahd ein weiteres Projekt unterbreitet worden. Obwohl es darin Andeutungen bezüglich eines Palästinenserstaates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt gegeben habe, sei von der Notwendigkeit einer Akzeptanz der UNO-Entschließungen durch Israel keine Rede gewesen. Im saudischen Plan war das Recht der Palästinenser auf Rückkehr ausdrücklich formuliert worden. Fahds Vorschlag unterschied sich im Ganzen aber nicht wesentlich von einer Reihe durch die USA unternommener Initiativen.

In dem Interview betonte Marie Debs: "Bislang konnte der Imperialismus all diese Pläne dank der Rolle des libanesischen und gesamtarabischen Widerstandes nicht durchsetzen. So verlegte er sich einmal mehr auf die Arabische Liga und den sogenannten Golf-Rat, um seinem Projekt eines "Neuen Mittleren Ostens" Auftrieb zu verschaffen. Dabei geht es nach Washingtons Vorstellungen um Grenzveränderungen in der gesamten Region auf der Grundlage religiöser, konfessioneller und ethnischer Gemeinsamkeiten. Der Mittlere Osten soll in einen arabischen Mahgreb mit einer Vielzahl von Ministaaten verwandelt werden, die im Kriegsfalle allesamt nicht ohne ausländische Hilfe weiterbestehen könnten. Um zu überleben, müßten sie ihre Reichtümer ohne Zögern großen Konzernen "anvertrauen".

In diesem Rahmen habe der Irak-Krieg stattgefunden, dem 2006 die israelische Aggression gegen Libanon gefolgt sei, bemerkte Marie Debs. Das sei der Kontext, in dem Washington seine Vorbereitungen für einen Überfall auf Syrien getroffen habe. Bei alldem sei nur ein einziges Ziel verfolgt worden: jegliche Hindernisse aus dem Wege zu räumen, denen sich Israel bei seinem Bestreben gegenübersieht, den Rang Nr.1 in der Regionalstrategie der USA einzunehmen. Ohne Zweifel gehe es Washington auch um neuentdeckte Lagerstätten von Öl und Erdgas im gesamten östlichen Mittelmeerraum. In diesem Zusammenhang sei alles zu betrachten, was sich derzeit in Libanon abspiele.

Marie Debs äußerte sich überdies zur einseitigen Zerstörung von Chemiewaffenarsenalen in Syrien. So sehr man die besonnene Diplomatie Moskaus in der syrischen Frage anerkennen müsse, so wenig habe die einseitige Teilentwaffnung von Damaskus zu mehr Sicherheit in der Region beigetragen, da sowohl die USA als auch Israel ihre Chemiewaffenbestände in keiner Weise reduziert hätten. So sehe sie in der Zerstörung der syrischen Kampfmittel eher einen Präsident Al Assad aufgezwungenen Gratis-Sieg Israels.

RF, gestützt auf "Initiative Communiste", Paris

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Nachbetrachtungen zu einer Tagung der Peter-Hacks-Gesellschaft

Dank an einen Mutmacher

Aussagefähiger hätte die Peter-Hacks-Gesellschaft ihre bereits sechste wissenschaftliche Tagung am 2. November nicht überschreiben können: "Peter Hacks und die Klassik". Als ich Anfang Oktober die Einladung des Vorsitzenden der Gesellschaft, Dr. Matthias Oehme, erhielt, war mir klar, daß es auch wieder Zeit für den "RotFuchs" wird, sich des großartigen Schriftstellers und Mitstreiters Peter Hacks zu erinnern. War er es doch, der in einem Brief an den Chefredakteur des damals noch jungen RF, Klaus Steiniger, die rhetorische Frage stellte: "Wessen sollten wir uns rühmen, wenn nicht der DDR." Diese ins Schwarze treffenden, inzwischen weithin bekannten Hacks-Worte wurden auf der Mitgliederversammlung des RF-Fördervereins im Oktober 2013 des öfteren ins Gedächtnis gerufen.

Sie erinnerten mich an das Jahr 1965. Damals stand ich kurz vor dem Abitur, hatte also etwas Spielraum und nutzte diesen als Mitglied des Theaterjugendklubs der Volksbühne, um nahezu jede Probe zum "Moritz Tassow" von Peter Hacks mitzuerleben. In Szene gesetzt wurde das Stück von dem bereits legendären Regisseur Benno Besson. An seiner Seite befand sich der junge Regieassistent Christoph Schroth, der später mit außergewöhnlichen Inszenierungen in Schwerin und Cottbus für Aufsehen sorgte.

Fritz Cremer hatte ein eindrucksvolles Bühnenbild geschaffen. Leiter unseres Klubs war der Sohn von Kurt Julius Goldstein, der ebenfalls Kurt hieß und selbst auch Schauspieler an diesem Theater wurde. Was damals alles möglich war, bewies uns die künstlerische Hilfe der Schauspieler Katja Paryla und Reinhard Michalke. Vom Intendanten wurde uns der Dramaturg Detlef Espey zur Seite gestellt ...

Als Einstimmung auf die November-Tagung bot man allen Interessierten bereits zuvor die Lesung des Hacks-Dramas "Der Frieden" nach Aristophanes mit Schauspielschülern der HFS "Ernst Busch" im Theater der Peter-Hacks-Gesellschaft, dem "Habbema". Viele machten von der Einladung Gebrauch. Beeindruckend war, daß die angehenden Schauspieler unter Leitung von Kerstin Hensel nicht nur akzentuiert lasen, sondern daß man auch das Gefühl bestätigt sah, alle hätten Zugang zu dem, was Peter Hacks ausdrücken wollte. André Asriel hat diese einprägsamen Zeilen des Stückes vertont: "Die Oliven gedeihn/Der Krieg ist vorbei/Es tönt die Schalmei/Der Frieden zog ein/Wir würzen den Wein/Mit Zimt und Salbei/Die Oliven gedeihn/Der Krieg ist vorbei."

Die Vorträge tags darauf im Magnus-Haus Berlin - genannt seien nur Prof. Dr. Heinz Hamm "Das Kunstkonzept einer sozialistischen Klassik in den Gesprächsprotokollen der von Peter Hacks geleiteten Akademiearbeitsgruppen"; Felix Bartels "Zu viel verstehen - Gattungswissen und Gattungskönnen bei Peter Hacks"; die Schillerreflexe bei Peter Hacks" von Prof. Dr. Bernd Leistner, der manchen schon aus bemerkenswerten Nachworten zu Werken des Dichters in DDR-Tagen bekannt war - klangen recht akademisch. Dennoch waren sie so verständlich und auf das Werk des Namensgebers der Gesellschaft bezogen, daß nicht nur Philologen etwas damit anfangen konnten. - Wer allerdings eine halbe Stunde zu spät kam, versäumte am zweiten Tag etwas, das für ein Gesamtverständnis der Tagung unabdingbar war: die Eröffnungsrede Matthias Oehmes: "In den ästhetischen und politischen Kämpfen des ausgehenden 20. Jahrhunderts stand Hacks auf der Seite der Kunst, der Schönheit, der Liebe, des Genusses und des Sozialismus. Seine Werke, viel gespielt und gut editiert, sind ein großer literarischer Schatz, bei dessen Hebung und Bewahrung die Peter-Hacks-Gesellschaft mit ihren zahlreichen Aktivitäten einen Beitrag leisten möchte." Wie man es auch wende, alle Aspekte des Hacksschen Schaffens berührten die Frage, wie er es mit dem DDR-Sozialismus gehalten habe. "Er war unstrittig konsequenter Parteigänger und schärfster, weil tiefgründigster Kritiker in einem."

Matthias Oehme stellte weiter fest: "Daß Hacks zu anstrengend, zu anspruchsvoll und artifiziell sei, wenden die einen gegen ihn ein. Die anderen bringen vor, daß er nur läppischlustig, epigonal, graziös, gefällig schreibe, allenfalls unterhaltsam also." Beide Seiten seien sich "unter Absehen von der Unvereinbarkeit ihrer Ansichten einig, daß Hacks aus diesem wie aus jenem Grund nicht mehr aufgeführt und gelesen werde. Daran stimmt ganz offenkundig nicht einmal letzteres, denn er wird ja gelesen und gespielt."

Worauf wir "RotFüchse" stolz sind, ist die innere Verwandtschaft zu Peter Hacks und den Werken eines bedeutenden Literaten der DDR, der uns in den schwersten Jahren während und nach der Konterrevolution durch seine geistige und politische Nähe Kraft wie Ermutigung vermittelt hat.

Konstantin Brandt

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Briefmarken offenbaren den Charakter eines Staates

Philatelistische Visitenkarte der DDR (8)

Irgend jemand warf unlängst in einer Diskussion die Frage auf: Tragen Briefmarken eigentlich Klassencharakter? Sie besitzen diesen ebensowenig wie Eisenbahnen, Busse oder Flugzeuge. Aber natürlich kommt es darauf an, wer den meisten Nutzen aus solchen jedermann zugänglichen Transportmitteln oder - auf Briefmarken bezogen - aus den für Geld erhältlichen Stückchen bedruckten und gummierten Papiers zu ziehen vermag. Bei Postwertzeichen kommt noch etwas hinzu, was sie von Beginn an aus jeglicher Indifferenz heraushebt und von beliebigen Vehikeln deutlich unterscheidet: Während die Briefmarke selbst gewissermaßen neutral ist, kann man das von den jeweils gewählten Motiven, die eine durchaus an Klasseninteressen orientierte Absicht verfolgen, nicht sagen. Diese und mit ihnen verbundene Vokabeln drücken immer eine bestimmte Absicht zur Beeinflussung des Benutzers wie auch zur Selbstdarstellung des sie editierenden Staates aus. So wäre es unvorstellbar gewesen, daß die BRD plötzlich eine Serie mit den Porträts herausragender Kommunisten oder anderer profilierter Kämpfer gegen den Kapitalismus herausgebracht hätte, während andererseits eine Sondermarken-Reihe der DDR mit den Konterfeis von Adenauer und Globke, Krupp und Flick ebenso fern jeder Realität gewesen wäre.

Obwohl in ihrer technischen Funktion und in ihrem Gebrauchswert klassenneutral, sind Briefmarken andererseits in ihrer inhaltlichen Aussage unverzichtbare Instrumente in der politischen Auseinandersetzung wie im Klassenkampf zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten, Bourgeoisie und Proletariat, Kapitalismus und Sozialismus.

Dieses Bild wird noch plastischer, wenn man sich die soziale Orientierung, den Klassenbezug der Editionen beider deutscher Staaten bis 1989 ansieht. An ihm läßt sich unschwer auf jene Kräfte schließen, die in der DDR wie der BRD die politische Herrschaft ausübten. Keineswegs zur Selbstbeweihräucherung, sondern als Ausdruck der Realität bezeichnete sich der sozialistische deutsche Staat als Arbeiter-und-Bauern-Macht. Diese beiden Klassen spielten bis zum Ende der staatlichen Existenz der DDR die dominierende Rolle in der Gesellschaft. So war es durchaus kein Zufall, daß zahlreiche DDR-Postwertzeichen das offenbarten. Nicht etwa in Gestalt einer abstrakten Verkündung, sondern durch die Darstellung konkreter Bereiche des Wirkens Arbeitender in Stadt und Land, in verschiedenen Produktionssphären und Wirtschaftszweigen.

Heute wollen wir unsere Leser mit Editionen zu zwei industriellen Schwerpunkten vertraut machen. Es handelt sich um kleine Serien der Post der DDR zum Thema "750 Jahre Mannsfelder Kupferschieferbergbau" (1950) und zum "Tag des Chemiearbeiters" (1960).

Anders als in der BRD, wo die Hundts und Henkels schon immer den Ton angaben und den Gewerkschaften - besonders seit dem Wegfall der DDR als dem unsichtbaren dritten Tarifpartner am Verhandlungstisch - die Flügel gestutzt wurden, verfügte der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) über weitreichende Rechte und Vollmachten. Er besaß nicht nur unzählige Ferienheime, sondern war sogar in der Volkskammer - dem DDR-Parlament - durch eine eigene Fraktion vertreten. Diese Machtfülle drückte sich nicht zuletzt auch in etlichen Briefmarkenserien aus. Wir vervollständigen daher unsere diesmalige Präsentation durch zwei von bekannten DDR-Künstlern gestaltete Editionen zum 10. und zum 11. FDGB-Kongreß - landesweit beachteten Veranstaltungen, die 1982 und 1987 stattfanden.

Rainer Albert, Zwickau

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Gisela Steineckert erzählt, wie ihr Lebenswerk gedeihen konnte

Poetisch, politisch, populär

Sie hat unzählige Lieder und Gedichte geschrieben, die nachklingen und das Lebensgefühl in der DDR widerspiegeln -Lieder vom Ankommen und Zuhausesein, von Liebe und Streit. "Das ist der einfache Friede, den schätze nicht gering", lautet einer ihrer bekanntesten Texte, interpretiert u.a. von Kurt Nolze und von Gisela May. Das Politische in seiner untrennbaren Verknüpfung mit dem persönlichen Leben jedes einzelnen Menschen war der erfolgreichen Autorin Gisela Steineckert stets bewußt - und das nicht erst seitdem sie um 1970 den Oktoberklub mitbegründete, Genossin wurde und 1984 Präsidentin des Komitees für Unterhaltungskunst. Jetzt schaut sie als über 80jährige auf den zurückgelegten Weg und blickt auf das, worauf es ihr ankommt. "Das Leben hat was" titelte Gisela Steineckerts Gesprächspartnerin Irmtraud Gutschke das von ihr herausgegebene Buch.

"Als ich fortging" ist einer ihrer großen poetischen Würfe, von Älteren wie Jüngeren in Ost und West geliebt und in Rundfunk- und Fernsehsendungen immer wieder gewünscht - besonders in der ursprünglichen Interpretation von Dirk Michaelis und der Gruppe Karussell. Tausende Klicks und "Likes" von Fans bei youtube; inzwischen haben auch Größen des internationalen Musikgeschäfts wie Tokio Hotel, Rosenstolz und José Carreras das eindringlich zarte Lied im Repertoire.

Gisela Steineckert spürt den intimsten Regungen der Menschen nach und kennt sie gut, hat sie sich doch dem Leben als verletzlich-empfindender Mensch, als Frau und Mutter tapfer ausgesetzt. Darüber spricht sie und erzählt, wie ihre Worte zu Liedern über Liebe, Sehnsucht, Nähe und Ängste stets leicht, doch tief aus ihrem Erlebten, Gewußten und Gefühlten kommen.

So dürfen die Leser von "Das Leben hat was" die Weise des dichterischen Schaffens von Gisela Steineckert kennenlernen. Sie, die in der DDR werktätige Frau, bewußte Staatsbürgerin, SED-Mitglied und Kulturfunktionärin war, hat auch weit über das Privat-Individuelle hinaus viel zu sagen - und sie tut es. Die Steineckert ist eine vom Jahrgang 1931 - also jener Deutschen, die im Hitlerfaschismus alt genug zum Hinsehen und Nachdenken, aber zu jung zum Schuldmittragen waren. Die in Bombennächten, Flüchtlingsnöten und Nachkriegselend litten, aber Überlebenswillen bewiesen, ihr Recht auf Zukunft geltend machten und ab 1949 in der DDR ihre besten Talente - Schaffensdrang, Fleiß und Tatkraft - entfalteten.

Gisela entfloh der Bedrückung ihrer demoralisierten, zerrütteten Herkunftsfamilie, löste auch ihre früh geschlossene erste Ehe. Ihren Lebensunterhalt und den für ihre Tochter verdiente sie zunächst als Arzthelferin, dann als Verlagsangestellte. Gedichte der Meister deutscher Sprache, später mehr und mehr auch eigene Verse, boten ihr im harten Arbeitsalltag Sehnsuchtsziel, Ruhepunkt und manchmal einen Zufluchtsort. Beheimatet in einem armen zerbombten Land, das dennoch seine Bürger mit dem Recht auf Arbeit vor Existenznot und sozialer Demütigung schützte, wagte sie es, "den Spuren der Lieder (zu) folgen". Seit 1957 schreibt sie als freiberufliche Autorin Reportagen, Drehbuch- und Hörspieltexte und feiert ihre großen Erfolge als Lyrikerin.

Sieben Abschnitte hat das Buch, in dem die Steineckert innere Beweg- und tiefe Hintergründe ihres Schaffens darlegt. Einem jeden ist ein Gedicht vorangestellt. Breiten Raum füllen ihre klugen, kritischen und engagierten Stellungnahmen zum Thema Frau-Sein. Vor der Gefahr sich in der Mehrfach-Rolle als Berufstätige, Ehepartnerin, Mutter und gesellschaftlich verantwortliche Funktionsträgerin zu überfordern, habe auch die DDR mit grundsätzlich frauenförderlichen Bedingungen ihre anspruchsvollen Bürgerinnen nicht bewahren können. Jetzt erkennt Gisela um so mehr die Notwendigkeit, sich für die Rechte der Frauen einzusetzen: 1990 wurde sie Vorsitzende des Demokratischen Frauenbundes.

Die Steineckert äußert sich - auf entsprechende Fragen Gutschkes - zu manchen durchaus befremdlichen Erscheinungen in der DDR, über Skrupel- und Gefühllose, Kunstferne und musisch Unwissende höheren Ortes, denen sie neben echten Förderern und hilfsbereiten Unterstützern auch begegnet ist. Sie spricht zugleich über Hemmnisse und Fehlentwicklungen, Mängel und Engpässe bei der Befriedigung materieller oder geistiger Bedürfnisse. Sie tut das mit dem Recht und der Befugnis derer, die engagiert und verantwortlich mitgestaltet haben. Die DDR habe ihre Talente leider immer wieder verloren ... was deswegen so tragisch gewesen sei, "weil mit dem, der abhaute, für die DDR auch sein Werk verloren war ..., denn man hätte dafür sofort in Valuta bezahlen müssen".

Auch an andere, zum Teil nahe Begegnungen mit Zeitgenossen aus der kulturellen Szene und politischen Öffentlichkeit der DDR erinnert sich Gisela Steineckert mit rückhaltloser Ehrlichkeit. Dabei geht sie mit diesen entweder freundlich nachsichtig oder auch respektlos um. In manche Rückblicke mischt sich auch Zorn, berechtigt aus der Sicht einer Poetin, die feine seelische Schwingungen spürt und verdichtet, deshalb einzelnen angetanes Unrecht schmerzvoller mitempfindet und entschiedener verurteilt als die meisten anderen Menschen.

Des öfteren scheint in Gutschkes Gespräch mit Gisela Steineckert die klare Unterscheidung zu verschwimmen: Welche der Schwächen und Mißstände waren vermeidbar - also schuldhaft bedingt -, und welche wirtschaftlichen oder konfrontativen Zwängen zuzuschreiben, denen die DDR ausgesetzt war und schließlich unterlag. Anders ausgedrückt: Welche Fehler sind menschlicher Unzulänglichkeit anzulasten, also charakterlichen Schwächen oder selbstsüchtigen Motiven wie der karrierebedachten Neigung, sich der gerade herrschenden Macht anzudienen?

In ihrem "Nachher"-Wort belegt Gisela Steineckert, daß ihre Art rückblickender DDR-Betrachtung sehr wohl an marxistischer Klassensicht, politischer Ökonomie und dialektisch-historischem Materialismus geschult ist. Sie sagt es sehr persönlich: "... den Krieg nicht erlebt (zu haben), das macht andere Vergangenheiten, verhindert auch Zufriedenheiten ... Wir hatten doch immer ein Dach über dem Kopf, satt zu essen, und wir waren friedlich, jedenfalls nach außen. Ach ja, aber das reicht nicht. Der nächsten Generation schon gar nicht."

Marianne Walz

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Erinnern an einen mutigen Sozialdemokraten und Schriftsteller der DDR

Im Visier der Faschisten: Erich Fabian

Die RF-Serie Dieter Fechners "Einst erfolgreiche DDR-Autoren dem Vergessen entreißen" ermutigt mich, über einen Mann zu berichten, dessen Leben wie Wirken sicher nur noch speziell Interessierte kennen. Von Dr. Erich Fabian erschien 1948 die Erzählung "Der Doppelgänger". 1952 veröffentlichte er den Essay "Von Puschkin bis Gorki". 1963 und 1966 kamen seine Nachdichtungen "Liebeslieder der Antike" und "Ovid. Die Liebeskunst" in den Buchhandel. 1968 und 1969 wurden seine autobiographischen Romane "Der Weg aus der Mitte" und "Die rauhen Jahre" verlegt. Als eine Liebeserklärung an die Heimatstadt ist sein warmherziges Porträt Rostocks zu verstehen. Ich muß zugeben, keines dieser Bücher gelesen zu haben, und ich weiß auch nicht, ob man sie heute noch auftreiben könnte. Die Titel entdeckte ich bei Recherchen zur Geschichte der Wismarer Großen Stadtschule im "Biographischen Handbuch der SBZ/DDR", das 1996 in München herauskam.

In erster Linie interessierte ich mich nicht einmal für den Schriftsteller, sondern vor allem für den Kollegen, war doch Erich Fabian wie ich während vieler Jahre Lehrer an eben jener gerade erwähnten Bildungsstätte, die seit 1947 dann Geschwister-Scholl-Schule hieß.

Im 1933 veröffentlichten Jahresbericht des Direktors der Großen Stadtschule hieß es, "die Stelle von Herrn Studienrat Dr. Fabian, der gemäß des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums am 31. Oktober 1933 aus dem Schuldienst entlassen wurde, aber bereits seit Beginn des Schuljahres beurlaubt war", sei "nicht wieder besetzt worden". Eine solche Mitteilung fiel aus dem Rahmen, war es doch üblich, das Wirken eines unserer Lehrer bei dessen Ausscheiden zu würdigen. Im Mitteilungsblatt der Altschülerschaft der Anstalt vom Oktober 1933 las man noch Lapidareres: "Studienrat Dr. Fabian ist nach seiner Pensionierung nach Rostock übergesiedelt."

Auch nachdem das Gymnasium im Zuge der Liquidierung sämtlicher Einrichtungen des sozialistischen Bildungssystems 1990/91 im alten Geist und bei nachhaltiger Mitwirkung der "Altschülerschaft", die bis dahin in Westdeutschland ihr Unwesen getrieben hatte, wiederhergestellt worden war, hieß es in der nun neu herausgegebenen "Geschichte der Großen Stadtschule" über 1933 nur: "In der Zusammensetzung des Lehrerkollegiums änderte sich nach dem 'Umbruch' sehr wenig. Studienrat Dr. F. wurde aus dem Schuldienst mit Pension entlassen, da er eine Jüdin zur Frau hatte und auch sonst den neuen Machthabern unliebsam war."

Erich Fabian war im August 1914 als Kriegsfreiwilliger an die Front gegangen und 1916 an der Somme in französische Gefangenschaft geraten. Nach seiner Rückkehr ging er für einen Anwärter auf eine Beamtenstelle recht ungewöhnliche Wege. Anders als andere jüngere Lehrer an der Schule kam er nicht hochdekoriert und gewissermaßen "im Felde unbesiegt" aus dem großen Völkergemetzel in die Heimat zurück. Er wurde Mitglied der Friedensgesellschaft, gehörte nicht "standesgemäß" dem Philologen-Verband an, sondern organisierte sich im "Bund entschiedener Schulreformer", der 1919 gegründet worden war. Ihm gehörten überwiegend oppositionelle Lehrer höherer Bildungsanstalten an.

1929 trat er in die SPD ein. In den Mitteilungsblättern schrieb 1985 ein "Altschüler" über seinen ehemaligen Lehrer: "... er hat wohl an unserer Schule eine krasse Außenseiterrolle gespielt, war er doch Sozialdemokrat und wie allgemein an den Gymnasien damals waren Sozialdemokraten bei den Schülern und, wie ich mich zu erinnern glaube, auch bei den Lehrern wenig geschätzt. Schon wenn es von jemandem hieß, er sei 'Demokrat', empfanden wir das als einen Schatten auf dem Bild eines Gymnasiallehrers." "Damals" - das war in der Weimarer Republik, einem Staat, in dem Sozialdemokraten und bürgerliche Demokraten große Teile der Wählerschaft vertraten und besonders in Ländern häufig als Parteien regierten.

"Dr. Fabian" - schrieb sein ehemaliger Schüler weiter - "machte aus seiner politischen Überzeugung kein Hehl, sprach wohl auch im Unterricht darüber, was wir als sehr unpassend empfanden." Offenbar paßte er absolut nicht in das überwiegend national-konservative Kollegium.

Am 30. Oktober 1930 wurde im Protokoll der Lehrerkonferenz vermerkt: "Antrag Seemann: Es solle den Mitgliedern der Verbindung 'Germania' nahegelegt werden, von Herrn Nordmann wegen eines an frühere Schüler gerichteten Briefes, der Anwürfe gegen Herrn Fabian enthält, abzurücken." Aus den Archivunterlagen geht nicht hervor, ob diese "Anwürfe" Dr. Fabians politische Überzeugung oder seine Ehe mit seiner jüdischen Frau betrafen.

1933 wurde der Studienrat dann nach § 4 des GWBB entlassen. Dieser Paragraph bestimmte, daß Beamte zu entlassen seien, "die nach ihrer bisherigen politischen Betätigung nicht die Gewähr dafür" böten, "daß sie jederzeit rückhaltlos für den nationalen Staat" einträten. Zum Schuldienst "unterm Hakenkreuz" ließ ihn auch sein bereits erwähntes Engagement im "Bund entschiedener Schulreformer" völlig ungeeignet erscheinen. Zu dessen Mitgliedern gehörten namhafte Pädagogen wie Paul Oestreich, der kommunistische Landtagsabgeordnete Ernst Schneller und der Leiter einer sehr bekannten Berliner Versuchsschule Fritz Karsen, um nur einige zu erwähnen. Die in diesem Bund wirkenden Lehrer, Erzieher und Schulpolitiker waren in aller Regel konsequente Antifaschisten und wurden deshalb rigoros verfolgt.

Nach seiner Entlassung aus dem Schuldienst schlug sich Erich Fabian als Privatdozent durch. 1945 gehörte er zu den Mitbegründern des Kulturbundes und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. In Wismar leitete er zunächst ein Realgymnasium und später die Volkshochschule. Zuletzt war er Fachlehrer an einer Oberschule.

Als Autor von Romanen und Essays sowie weiterer Veröffentlichungen gehörte er dem Bezirksvorstand des DDR-Schriftstellerverbandes und dem Bezirkstag Rostock an.

Dr. Harald Jörß, Magdeburg

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Griff in die literarische Schatztruhe (15)

Einst erfolgreiche DDR-Autoren dem Vergessen entreißen

Martin Selber, der eigentlich Martin Merbt hieß, war ein vielseitiger Schriftsteller aus der Magdeburger Börde.

Deren Historie und Landschaft spiegeln sich in vielen seiner über 50 Bücher wider. Der Name dieses begabten Literaten wurde seit den frühen 50er Jahren nicht nur in seiner Heimatregion, dem damaligen Bezirk Magdeburg, in der DDR und in der BRD zahlreichen Lesern bekannt, sondern drang auch nach Norwegen, Holland, Dänemark, Bulgarien, Ungarn, Polen und in andere Länder.

Alles begann, da er zugleich ein begeisterter Amateurfunker war, mit seinem Jugendbuch "Spulen, Draht und Morsetaste" (1953). Von den Sach-, Kinder-, Jugend- und Abenteuerbüchern sowie historischen und Gegenwartsromanen Selbers ragen einige Titel seines Lebenswerkes besonders heraus: die im Erzgebirge handelnde "Knechtschronik" (1956), die Franklin-Expedition im Jahre 1845 "Und das Eis blieb stumm" (1955), die historischen Romane "König Lustick und sein Bauer" (1976), "Die Geschichte der Clarissa S." (1980) über den Aufstieg und Niedergang einer Familie in der Börde und "Die Moorjäger" (1989). Besonders erfolgreiche Gegenwartsromane waren "Heimkehr in fremde Betten" (1986) und "Sprung über den Gartenzaun" (1989). Von seinen Kinder- und Jugendbüchern seien genannt: "Die Grashütte" (1968), "Faustrecht" (1973), "Hanna und Elisabeth" (1981) und "Ich bin ein kleiner König" (1986). Zu verweisen ist auch auf seine Erzählungen im Platt der Börde, wie "Mien Dorpspaijel" (1981). Die Gesamtauflage seiner Bücher betrug mehr als drei Millionen Exemplare.

Martin Merbt wurde am 27. Februar 1924 in Dresden geboren und wuchs im Berliner Randgebiet auf. Nach seiner Rückkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft kam er 1946 nach Domersleben in der Magdeburger Börde. Sein dortiges Wirken war sehr vielseitig. 1946 rief er das Börde-Ensemble ins Leben. Seinem alten Hobby folgend bildete er fast 200 junge Funker aus. Später begründete er die Domerslebener Karnevalstradition.

Seit 1953 war Martin Selber freischaffender Schriftsteller, von 1971 bis 1987 Vorsitzender des DDR-Schriftstellerverbandes im Bezirk Magdeburg. 1989 ging er in Rente. 2001 ernannte die Gemeinde Domersleben ihren einstigen Chronisten, Ideenvater der Heimatstube, Förderer des Carnevals Clubs und vielseitigen Literaten zum Ehrenbürger.

Der Schriftsteller verstarb nach langer Krankheit am 3. März 2006 in Oschersleben. 2007 zeigte man im Magdeburger Literaturhaus die Ausstellung "Martin Selber 'Ich hab so gern gelacht'". Zu den Exponaten gehörten seine Bücher, Manuskripte, Fotos, Schallplatten, Urkunden und Briefe sowie handschriftliche Bemerkungen von Dieter Noll, Franz Fühmann, F.C. Weiskopf und Anna Seghers. Die Magdeburger Schau wurde anläßlich seines ersten Todestages auch im Kulturhaus von Domersleben gezeigt. 2010 erhielt die dortige Gartenstraße, in der Martin Selber fast sechs Jahrzehnte gewohnt hatte, seinen Namen.

Dieter Fechner

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Papst Franziskus: "Diese Wirtschaft tötet"
[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

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Hand aufs Herz

Draußen in den Dunkelheiten
wächst ein böser Gott
der läßt den Kerl auf der Nutte reiten
und fährt dein Auto zu Schrott

der füllt dem Schluckhals zum xten Mal
das verhängnisvolle Glas
legt auf Mädchenmünder den Würgeschal
pustet die Flamme vom Gas

draußen in den Dunkelheiten
fahren Züge ein
ich seh Leute schnell auf Sitze gleiten
"kommen Sie bloß mit rein"

und ach, das ist ein wahrer Witz
du brauchst deine Beine kaum
von der Haustür bis zum Fahrersitz
ist ein relativ sichrer Raum

draußen in den Dunkelheiten
wächst ein fremder Gott
den gabs nicht in anders schweren Zeiten
du kommst ihm nicht bei mit Spott

Willst du ihm sein Recht bestreiten
kriegst du was zu hörn
Freiheit brauchts nach allen Seiten
du willst wohl die Mauer beschwörn

O Gott! wie mußt du dich schämen
daß dein Knecht seine Chance verpaßt
er sollte die Bibel beim Worte nehmen
es mangelt nicht an neuer Last


Damals wußte ich noch nicht, wie weit fort von Bibel und Kanzel Pfarrersfüße traben können. Und da ich Respektspersonen unter ihnen kannte und verehrte, fehlte mir der Mut zu frecher Verallgemeinerung. Ich schwankte zwischen tiefem Erschrecken über die neuen Schrecknisse und Lust zum Widerstehen.

Die zitierten Verse schrieb ich 1992. Sie erschienen in einem Buch, das mein Verleger Chowanetz noch ermöglichte, ehe auch ihm alle Unbill widerfuhr. Er hatte Karl May wiedererweckt, das sprach für ihn, aber zu den Gründern seines Verlages gehörten zwei Genossen, in der Nazizeit verfolgte Antifaschisten, später in der DDR "führend". Solche Grundsteine mußten zerschlagen werden. Anderes kam in der umfassenden Unordnung nach oben und verhielt sich kriminell. Einige Mitschüler der Enkelin schwänzten die Schule, um in Westberlin zu klauen, vor allem Jeansjacken, Plakate und Zigaretten, aber auch Schnaps und Kassetten. Sie zeigten die Beute her. Einige dieser vorher unauffälligen Schüler kriegten sich nie wieder ein. Sie wollten eine Freiheit, die es nicht gibt, und sie verstanden darunter ein Leben ohne Mühen, ohne Ausbildung und ohne Bindungen. Sie suchten nach dem grandiosen Trick, der Reichtum und Abenteuer wie im Fernsehen verschafft. Es schien ja möglich. Da kam einer aus dem Westen und haute dank der "Treuhand" mit unserem Riesenrad aus dem Treptower Kulturpark ab. Ein anderer verscherbelte den gesamten "Rundfunk der DDR" samt kostbarem Boden für ein Trinkgeld, das ihm reichte, um zu verschwinden. Die Anlage samt modernster Technik hatte vorher niemandem, und also allen, gehört.

Es kamen adlige "Nachfahren", die bei Widerstand jeden Prozeß gewannen und entweder mit den Kostbarkeiten aus den Museen abrauschten, den alten Herrensitz zu neuen Ehren brachten, oder mal eben, wie die reiche Fürstin aus Bayern, in der Nähe von Ohrdruf einen ganzen unersetzbaren Wald absägten, um das Holz zu verkaufen.

All das kaum Aufzählbare haben kundige und gewissenhafte Autoren inzwischen dokumentiert. Das hat auch mir geholfen, Zweifel zu klären und sich alten Wissens neu zu bedienen. Oder Lücken zu schließen, damit nötiges Aufbegehren sich nicht in Gefühlen erschöpft. "Erwirb es, um es zu besitzen", die Betonung hat Goethe dabei auf das erste Wort gesetzt.

Heute würde ich kein Buch mehr so nennen wie Anfang der Neunziger. Jeder Krieg richtet sich gegen alles Lebendige. Mann oder Frau, wir wollen keinen mehr beweinen und verweigern uns einer Trauer, wie sie Käthe Kollwitz alle Zeit ihres schmerzreichen Überlebens um ihren "Freiwilligen" Peter erdulden mußte, als Schuldige an der verhängnisvollen Unterschrift für den jugendlichen Sohn. Im scheinbaren Frieden habe ich Familien verzweifeln sehen. Ich suchte eine Aufgabe, einen Platz, der laute Worte und eine klare Haltung ermöglichte. Wir kamen uns in der Mitte entgegen, die Frauen und ich. Sie suchten eine Person, mit der sie neu anfangen konnten. Ich wollte sie eigentlich nur besuchen. Als Trägerin ihres Literaturpreises war ich ihnen das schuldig. Acht Wochen nach meinem Besuch wurde ich für acht Jahre die gewählte Vorsitzende des Demokratischen Frauenbundes. Noch immer bin ich dessen Ehrenvorsitzende.

Der einzige, der mir nach der Meldung in der Zeitung zu diesem Amt gratulierte, war Peter Hacks. Er sagte am Telefon: "Ich verstehe, warum du das machst. Es ist richtig." Andere Wohlmeinende mögen gedacht haben: Soll sie doch mal kürzer treten oder Ruhe geben. Ruhe war nicht angesagt. Nur wußten wir am Anfang nicht, was uns bevorstand. Zum Beispiel Forderungen, die niemand erfüllen konnte. Die Lady von der "Treuhand", in der Gesinnung eine Schwester der Thatcher, wollte Geld. Sechs Millionen aus "unserem Vermögen". Der DFD wurde aber Ende des Jahres immer auf Null gestellt und bekam im Januar jeweils Geld für das Nötige. Woher nun sechs Millionen nehmen und an die Treuhand zahlen? Jeder von uns bezahlte noch das Porto selber. Nach jahrelanger "Beweisführung" ging es vor Gericht. Ich werde nie das Gesicht des Richters vergessen, als die Frauen aus den "neuen" Ländern die Treppen hoch in den Saal kamen, sich auf die Fensterbänke setzten, oder auf die Erde, weil hier "ihre" Sache verhandelt wurde. Er hat gegen die rasch auftauchenden Saalräumer das Bleiben der Frauen verfügt. In der Mitte des Prozesses dachte ich, der Richter werde gleich den Talar raffen und dem Vertreter der Treuhand eine Ohrfeige geben. Er tat es verbal. Aber am Ende blieb die Forderung nach 2 Millionen D-Mark für die Treuhand. Wir haben diese Summe abgearbeitet.

Dafür waren viele Ideen nötig, und als wir es geschafft hatten, waren wir nicht etwa stolz. Unrecht bleibt bitter, bleibt Unrecht. Nie zu entgelten, wie viele Ehemänner und solidarische Mitkämpfer uns bei jeder Unternehmung geholfen haben. Ich habe klugen Männern ebensoviel zu danken wie solidarischen Frauen. Emanzipation braucht es für Mann und Frau, damit wir unserer Verantwortung für das, was wir immer noch Heimat nennen, gerecht werden können. Leicht ist das nicht. Noch können die Unterdrückten durch die Almosen aus unseren Steuergeldern die Unterdrückung ertragen. Noch stehen viele lieber eine Nacht lang an, um das neueste Handy drei Tage früher zu kriegen, statt sich einzureihen, wo es um Veränderung auch ihrer Lebensumstände geht. Und viel aufgebrachte Mühe läuft ja auch ins Leere. Wir Frauen haben 200.000 Unterschriften für die Zulassung einer verbesserten "Pille" im Reichstag persönlich übergeben. Und nie wieder etwas davon gehört.

Ich weiß heute, daß ich damals - 1992 - nur einen Zipfel des Bühnenbildes gelüpft habe. Ich wußte es vorübergehend nicht besser. Nicht einmal, daß ich unbedingt mehr hätte wissen müssen.

Aber ich bin als Wahlfrau für Sachsen dabeigewesen, als die SPD es im dritten Wahlgang immer noch nicht schaffte, ihren Präsidenten der Herzen an uns vorbei ins Amt zu bringen. Das war ein wunderbarer Moment in meinem Leben. Für das ich noch eine Menge lernen muß. Na und? Wenn ich etwas nur schwer oder gar nicht verstehe, kann ich ja immer noch Klaus Steiniger fragen. Der weiß, warum das Wasser naß ist, oder ob es nicht doch vielleicht Tränen waren, die man trocknen kann. Es lebe ..., aber das sagen wir uns, wenn wir uns sehen.

Gisela Steineckert

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Leserbriefe an RotFuchs

Ich möchte nicht mehr 20 sein,
da tobte noch der Krieg.
Doch wenn ich jetzt erst 70 sei,
das wäre mir schon lieb.
Hat Autofahren Spaß gemacht
und auch das Demonstrieren
gegen Krieg und Armut überall
gemeinsam protestieren.
Wenn ich auch nur schlecht laufen kann
und nicht mehr Auto fahren ...
mit meinem Kopf bin ich dabei
so wie seit vielen Jahren.

Eure rote Oma

Elisabeth Monsig, Friedrichsthal

Am 1. Januar wird die Verfasserin dieser Zeilen 90 Jahre alt. Einst aus der BRD in die DDR gekommen, engagierte sich die gestandene Kommunistin leidenschaftlich bei deren Aufbau und blieb auch in den Unbilden der Konterrevolution tapfer an Bord. Der "RotFuchs" wünscht der wackeren Verseschmiedin auch weiter von Herzen Mut und Kraft!


Nazihetze in Hellersdorf - viele Orte wären zu nennen, in denen sich ähnlich Schreckliches ereignet. So auch in Greiz und Schneeberg, das bis 1992 die Heimatstadt meiner Familie war. Rat- und hilflos geben sich die Stadtoberen in der idyllischen kleinen Bergstadt, die bisher mehr für Weihnachtslichtl und traditionelle Aufzüge bekannt war. Es bedrückt und beschämt uns um so mehr, als sich der braune Sumpf nun in der vertrauten Nähe ausbreitet. Es wühlt noch mehr auf, die Haßtiraden, Verleumdungen und Kriminalisierungen Asylsuchender bis in den Kreis Bekannter und Verwandter wahrnehmen zu müssen. Es schmerzt, wenn von "besorgten Bürgern" die Rede ist, die doch nur Antworten suchten und Aufklärung verlangten. Will man denn wirklich Aufklärung, die bei den Ursachen der Flüchtlingsströme zu beginnen hätte? Die Verantwortlichen vermochten nicht einmal in eiligst anberaumten Einwohnerversammlungen die Bürger zu fragen, warum sie denn zu den Nazikundgebungen gehen und deren Parolen mit Beifall bedenken, ja, zusammen mit der braunen Brut im Fackelschein zu Tausenden durch die Stadt ziehen. Dem Innenminister fällt nur ein, Asylanträge schnell zu bearbeiten und die Flüchtlinge vor Hunger und Krieg so schnell wie möglich abzuschieben.
"Sag mir, wo du stehst", fragten zu DDR-Zeiten junge Menschen mit dem Lied des Oktoberklubs. In Schneeberg erfährt man, wer wo steht, und manchmal tut es weh.

Roland Winkler, Aue


Im Artikel Klaus Steinigers "Der Galgen von Nürnberg" konnte ich viel Neues über den Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher erfahren. Besonders wichtig erscheint mir die Feststellung, daß sich nach den in Nürnberg und Tokio ergangenen Urteilen wegen Verbrechen gegen den Frieden niemand mehr auf Unkenntnis der Rechtslage zu berufen vermag. Das galt für die US-Präsidenten Johnson, Nixon und George W. Bush, gilt aber auch potentiell für Obama.
Im November-RF trifft auch der Satz zu: Ehrensache ist, daß unsere Zeitschrift niemanden im Regen stehen läßt, der außerstande ist, sich unter die Spender einzureihen. Ich weiß das, weil ich seit vielen Jahren den RF lesen kann, obwohl ich als Rentner mit sehr kleinen Bezügen nach einem Leben harter Arbeit als Rechtsanwalt nicht viel beizusteuern vermag.
No pasarán!

Francesc Arnau i Arias, Barcelona/Katalonien-Spanien


Seit zwei Jahren bin ich Abonnent des RF und von jeder neuen Ausgabe begeistert. Es ist eine Zeitschrift, welche die Dinge beim Namen nennt, Klassen noch als solche bezeichnet und den Klassenkampf weiterhin führt. Besonders habe ich mich über den Artikel der drei Professoren in der Novemberausgabe gefreut, in dem berichtet wird, daß das "Kommunistische Manifest" und das "Kapital" in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen wurden. Das trägt sicher dazu bei, kommenden Generationen in aller Welt einen zuverlässigen Kompaß auch weiterhin in die Hand zu geben.
Ich stehe im 82. Lebensjahr und besitze sehr viel marxistische Literatur, darunter die 40bändige Lenin-Ausgabe. Ob sich jemand dafür interessiert? Durch die Weitergabe des RF fand ich einen Kreis von Lesern, die jetzt selbst abonnieren möchten. Daher bitte ich um Zusendung der Zeitschrift an folgende fünf Personen ...

Fritz Langer, Angermünde


Der RF-Beitrag zum Sport und zu Täve Schur hat mir aus dem Herzen gesprochen. Wir besuchten Täve im Radsportmuseum "Course de la Paix" in Kleinmühlingen, das allgemein als Friedensfahrtmuseum bekannt ist. Er begrüßte uns herzlich. Erst unlängst war er unser Gast im Deutsch-Russischen Kultur- und Bildungsverein e. V. Görlitz und trug sich als ehemaliger Etappensieger der Friedensfahrt in das Goldene Buch der Stadt ein.
So, wie Täve sich im Vorwort zur dritten Auflage seiner Autobiographie darstellt, haben wir ihn selbst erlebt. Dort schreibt er: "Ich bin in der DDR aufgewachsen und habe ihr die Treue bewahrt, auch wenn es heute 'in' zu sein scheint, sich erst einmal für alles Mögliche zu entschuldigen, bevor man es wagt, Positives über die DDR zu sagen." Jedes Wochenende fahre er mindestens 60 Kilometer mit dem Rad, äußerte der 82jährige. Das halte ihn jung. Geistig, so meine ich, liefert der "RotFuchs" ja seinem Leser in Heirothsberge hinreichend Stoff. Das ließ er uns wissen.

Prof. Dr. Dieter Rost, Kirschau


Die DDR war ein notwendiges Kettenglied in der Entwicklung der Menschheit - die Konsequenz von 1789 und 1917. Ich mache den Deutschen, zu denen ich mich, ein gebürtiger Ungar, wohl zählen darf, allerdings den Vorwurf, daß sie als Nachfahren von Marx und Engels nicht dazu in der Lage waren, das Heft des Sozialismus rechtzeitig in die Hand zu nehmen und dem Kapitalismus die Stirn zu bieten. Der "Osten" wäre nicht zusammengebrochen, Armut und Elend hätten sich nicht ausgebreitet. Der "Westen" hat die Welt in Brand gesteckt und die Menschheit in eine tiefe Krise gestürzt. Der "RotFuchs" - mit Klaus an der Spitze - versucht immerhin, ein Leuchtturm in der Brandung zu sein.

Almos Csongár, Berlin


Der RF-Leitartikel zum "Galgen von Nürnberg" regte mich sehr zum Nachdenken an. Eigentlich müßte man ihn in Brüssel verteilen, vielleicht auch erst einmal bei der Linken.
Der Beitrag "Weises aus Paris" spricht mir aus dem Herzen. Ich habe ihn nicht nur einmal gelesen. Und schließlich: Prof. Schneiders Aussagen in "Sachliches über Stalin" haben meine volle Zustimmung. Es ist richtig, immer Ort, Zeit und Bedingungen des Geschehens zu beachten. Man sollte sich auch die Frage stellen: Wußte Stalin alles, was in dem Riesenland geschah, und wer waren die personifizierbaren Mitwisser/-täter bis hin zu Chruschtschow?

Helge Tietze, Bautzen


Endlich! Die Frauen können durchatmen, und die Männer haben das Nachsehen: Ab 2016 laufen in den Vorstandsetagen der börsennotierten Unternehmen mindestens 30 % Röcke rum. Klasse! Darauf haben die Frauen am Imbißstand oder bei der Gebäudereinigungsfirma schon ewig gewartet. Dafür haben sie jahrzehntelang gekämpft. SPD - das hast Du wirklich toll gemacht! Ihr seid Helden!
Der Schreiber dieser Zeilen hat beileibe nichts gegen die Gleichberechtigung der Frau. Aber deren Verballhornung wirft ihn aus dem Sessel. Für wie blöd halten die eigentlich die Frauen?! Und die Männer nicht minder!
Folglich gibt es ab 2016 für Frauen gleichen Lohn für gleiche Arbeit - prima! Also wird das Rentenrecht ab 2016 neu geschrieben, werden Mütter- und Erziehungszeiten auf künftige Ansprüche der Frauen adäquat zu geleisteter Männerarbeit angerechnet. Also bestehen ab 2016 gleiche Bildungs- und Entwicklungschancen für Frauen in Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik.
Geschätzte Himmelsstürmer der SPD! Was für eine intellektuelle Leistung, aus dem Wust existentieller Probleme ausgerechnet die Frauenquote in den Vorstandsetagen der Profithaie entdeckt zu haben. Das nennt man, die Sache auf den Punkt zu bringen, Mißstände und Ungerechtigkeiten kühn aufzugreifen und einer kompromißlosen Lösung zuzuführen. Angesichts von soviel Substanz und Tatkraft zur Veränderung der Gesellschaft kann man Gabriel &Co. nur sagen: Ihr habt Euch die große Koalition redlich verdient.

Manfred Calvelage, Berlin


Herr Mäder aus Neubrandenburg machte mich 2006 auf den "RotFuchs" aufmerksam. Es gibt seitdem keine ungelesene Seite, und zu Monatsbeginn wird jedes Mal der neue RF mit Freude erwartet. Der Umzug von Waren (Müritz) nach Wismar bescherte mir einen Vorteil: Jetzt kann ich an den monatlichen Veranstaltungen der hiesigen Regionalgruppe teilnehmen. Es ist ein gutes Gefühl, unter Gleichgesinnten zu sein. Allen Damen und Herren des Autorenkreises wünsche ich von Herzen Glück.

Edith Schütze, Wismar


Weit mehr als früher mußte in letzter Zeit von den Medien nicht nur der BRD äußerst kritisch über den BND berichtet werden. Das hat deren Verantwortliche indes nicht daran gehindert, in arroganter Manier vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß aufzutreten.
Am 13. Oktober wurde - wie üblich nach Mitternacht - bis gegen 1 Uhr im TV-Kanal "Tagesschau 24" die Sendung "Nazis im BND" ausgestrahlt. Für Hetze gegen die DDR stehen natürlich weitaus günstigere Sendezeiten zur Verfügung.
Die Historiker, welche das Material zum Begleittext der Sendung lieferten, haben eine hervorragende Arbeit geleistet. NS-General Reinhard Gehlen wurde nach 1945 mit seinem Stab und dessen Offizieren in den USA für die Wahrnehmung "westlicher" Interessen eingewiesen. Seine im faschistischen Raubkrieg gegen die UdSSR gesammelten Erfahrungen waren auch für die neuen Auftraggeber von hohem Wert.
SS-Offiziere und Nazi-Kriegsverbrecher arbeiteten dann im Rahmen der Organisation Gehlen - der Vorläuferin des BND - für Adenauer und Globke. In den 60er Jahren mußten rund 70 BND-Mitarbeiter solcher Herkunft ihren Hut nehmen. Deren Verdienste wurden mit hohen Abfindungen und sicheren Planstellen anderswo belohnt.

Hans Seifert, Suhl


Wie die RF-Leser inzwischen zur Genüge wissen, ist auch die durchtriebene Bundeskanzlerin vom amerikanischen Geheimdienst abgehört worden. Statt aber Entrüstung zu heucheln, sollte Angela Merkel Charakter zeigen und die ihr von dem US-Präsidenten mit den - im doppelten Sinne - großen Ohren verliehene Freiheitsmedaille an diesen zurückschicken.

Günther Röska, Leipzig


"Heute endet das 3. Plenum des Zentralkomitees" ... "China wird reformiert" las ich in der "jungen Welt". Außerdem werde mit Änderungen des Steuersystems, einer weitgehenden Umstrukturierung der großen staatlichen Unternehmen und Entscheidungen zur Reform der Landwirtschaft gerechnet.
Ein wichtiges Thema fehlte in der Berichterstattung der "jungen Welt" über das 3. Plenum der KP Chinas: Der Anteil der Wanderarbeiter in China ist von 6 Millionen (1980) auf über 260 Millionen (2013) angestiegen. Das hat zu einer großen Zahl zurückgelassener Kinder geführt. Derzeit gibt es in China ungefähr 60 Millionen Kinder, um die sich ältere Familienmitglieder, Verwandte und Bekannte kümmern müssen. Viele Wanderarbeiter und deren Angehörige machten sich Sorgen um die Auswirkungen einer solchen Trennung auf die Entwicklung des Nachwuchses, las ich am 7. November im Bericht einer Pekinger Publikation. Noch eine Anmerkung: Es macht keinen Sinn, die rapide Entwicklung des nationalen Kapitalismus und den massiven Einfluß ausländischen Kapitals weiterhin als "Sozialismus chinesischer Prägung" schönzufärben. Formulierungen dieser Art sind kein Beitrag zur Aufklärung, handelt es sich doch eher um eine Art Bourgeois-Sozialismus.

Reinhold Schramm, Berlin


Das ZDF brachte im Oktober eine zweiteilige Sendung unter dem Titel "Unser Krieg". Gemeint war Afghanistan. Mein Krieg ist es nicht und gewiß auch nicht der von Millionen anderen BRD-Bürgern. Wer fand Gefallen daran, daß deutsche Panzerhaubitzen um Kundus einen "Sicherheitsraum" mit einem Radius von 40 km bildeten? Welche Einfälle militärischer Strategen waren dafür maßgebend, daß man mit solchen Schwergewichten gegen Widerständige vorging, also mit Kanonen auf Spatzen schoß? Solche Glanzleistungen militärischer Borniertheit haben nicht einmal die Vorbilder heutiger Strategen bei der "Partisanenbekämpfung" im Zweiten Weltkrieg vollbracht.
Welches Heldentum gehörte dazu, zwei festgefahrene Tankwagen mit Bomben belegen zu lassen, obwohl die Piloten warnende Hinweise auf zahlreiche dort versammelte Zivilisten gaben? Welcher unglaublichen Kaltschnäuzigkeit bedarf es, den "Helden" dieses Geschehens obendrein noch zum General zu befördern, statt ihn wegen Kriegsverbrechen unverzüglich vor Gericht zu stellen.
Es kann also davon ausgegangen werden, daß dieser Krieg - wie übrigens alle derartigen Aggressionen in der Geschichte der Menschheit - nicht "unser Krieg" war und ist.

Dr. Günther Freudenberg, Bernburg


Mit Freude habe ich heute endlich wieder den großen weißen Umschlag in meinem Briefkasten gefunden. Schade nur, daß der geliebte "RotFuchs" meist schon am ersten Abend durchgelesen ist.
Doch wo Licht ist, da ist auch Schatten. Da es mich mit Sorge erfüllt, will ich heute über meine Befürchtungen schreiben. Seit etwa zwei Jahren verfolge ich den RF, lese ihn mit Genuß und besuche, wenn es die Zeit erlaubt, auch die Veranstaltungen der Regionalgruppe. Aber genau da liegt ein Problem, das sich hoffentlich lösen läßt. Denn ich habe immer wieder erlebt, daß ich mit meinen mittlerweile auch schon 38 Jahren der jüngste Teilnehmer bin. Woran liegt das? Erreichen wir die Jungen - den Nachwuchs - nicht mit unseren Themen? Gibt es Berührungsängste? Es fällt mir schwer, die Gründe auszumachen.
Da gibt es manche Hindernisse. So beginnen alle Veranstaltungen zu Zeiten, in denen ein Werktätiger nicht teilnehmen kann. Doch ich befürchte, daß dies nicht die einzigen Hinderungsgründe für junge Menschen sein dürften. Deshalb fange ich bei mir an: Was kann ich für unsere Zukunft tun? Aktiv werden! Deshalb bitte ich alle jungen, jüngeren und sich jung fühlenden "RotFuchs"-Fans in Halle, im Saalekreis, in Sachsen-Anhalt: Wenn Ihr ähnlich denkt, schreibt mir. Meine E-Mail-Adresse lautet: fuerdensozialismus@web.de Gemeinsam sind wir stark. Wir sehen uns beim "RotFuchs"!

Dirk Hamm, Salzatal


Unser RF-Leser Uwe Durak, Vorsitzender des Greifswalder Vereins der Bücherfreunde, erinnerte sich angesichts der bevorstehenden 18. Weltfestspiele der Jugend und Studenten in der ekuadorianischen Hauptstadt Quito an die Begeisterung, die jedes vorangegangene Treffen auslöste. So auch an das X. Festival, das 1973 in der DDR-Hauptstadt stattfand. Deshalb recherchierte er gründlich die Geschichte dieser Begegnungen. Er bot unserer Lesergruppe einen Vortrag mit Lichtbildern, Videos und Liedern dazu an. Die Veranstaltung - Bestandteil unserer monatlichen Diskussionsreihe - zog viele Gäste in ihren Bann, darunter auch junge Leute vom Internationalen Kultur- und Wohnprojekt Greifswald. Bildhaft entstand vor uns die Chronik des WBDJ und seines bahnbrechenden Wirkens für internationale Solidarität. Von Prag über Budapest und die beiden unvergeßlichen Begegnungen 1951 und 1973 in Berlin bis 1989 in Pjöngjang, wo die bange Frage gestellt wurde: Ist jetzt Schluß? Die Antwort wurde 1997 in Havanna gegeben, danach in Algier, Caracas und dem südafrikanischen Tshwane-Pretoria. Nun also folgt Quito.
Die Veranstaltung mit Uwe Durak erinnerte an diese großartige Tradition. Die Emotionen der älteren Teilnehmer bewirkten, daß der Funke zu den Jungen übersprang. Sie fühlten sich eins mit ihnen und versprachen, die Flamme weiterzutragen.

Dr. Udo Schulz, Greifswald


Wieder ist etwas von jener Kunst aufgetaucht, die einst der faschistischen Kulturbarbarei Nazideutschlands zum Opfer fiel und teilweise schon seit langem in Verließen deutscher Behörden schlummert. Wie man sieht, auch in Privathand. Es kam, was kommen mußte: Wem gehört in einem System, das nur von Geld und Eigentum handelt, eigentlich heute jene damals als "entartet" bezeichnete zusammengeraubte Kunst? Die Entdeckung eines nicht unbedeutenden Teils davon wäre ein Glücksfall der Kunstgeschichte, wenn die Werke zunächst einmal hätten öffentlich ausgestellt werden können. Doch alles versinkt in einer obszönen Eigentumsfrage, als stünde überhaupt zur Debatte, wem wieder aufgetauchtes Diebesgut außer den rechtmäßigen Eigentümern oder deren Erben gehören dürfte. Statt dessen klagt jeder gegen jeden und verschiebt damit ein gesellschaftliches Problem zur weit überforderten Justiz.
Wie sich die Rechtsnachfolger des Dritten Reiches entscheiden werden, steht noch in den Sternen, aber schon jetzt scheint es so, als wären sie innen immer noch so braun wie die Nazis einst außen waren.

Jochen Singer, Leipzig


Wie an jedem Monatsbeginn klicke ich im Internet-Browser bei meinem Favoriten "RotFuchs"-Förderverein e.V. an, um nachzusehen, was sein "Sprachrohr" Neues aus aller Welt zu berichten hat. Und wie jedes Mal zuvor bin ich immer wieder gefesselt von den Beiträgen aus dem In- und Ausland. Ich lese jeden Artikel aufmerksam, weil keiner davon das Urteil verdient: unbedeutend, nebensächlich, unwichtig oder gar deplaziert. Nicht immer bin ich mit den Autoren in bezug auf dieses oder jenes Detail einer Meinung. Warum auch? Jeder hat doch zu den verschiedensten Vorgängen seine eigenen Erfahrungen und seinen Standpunkt. So sieht er die Geschichte zwangsläufig subjektiv. Wichtig ist deshalb, daß irgendwer aus dem Subjektiven herausfindet und auf das Objektive, das Grundsätzliche verweist. Ihr tut es, indem ihr das viele "Links" unter einem sauberen, kräftigen, nicht verwaschenen Rot zusammenführt. Das macht Euren "RotFuchs" immer wieder lesens- und lobenswert.
Im November-RF entdeckte ich mit großer Freude einen Leserbrief Gerda Uhligs aus Leipzig über das letzte Treffen in Mala Upa. Seit mehr als zehn Jahren begleite ich Teilnehmer aus Leipzig, Berlin und Coswig-Wittenberg als Reiseleiter dorthin. Ich danke den "RotFüchsen", daß sie für diesen kurzen Bericht Gerda Uhligs Platz gefunden haben, zumal ich weiß, daß die Zeitschrift mit Beiträgen, Leserbriefen und Gedichten förmlich überschüttet wird. In solidarischer Verbundenheit grüßt Euch

Manfred Wild, Berlin


Den "RotFuchs" lese ich mit großem Interesse, da er mir die einzige Zeitschrift zu sein scheint, die authentisch über die DDR berichtet. Und in diesem Sinne habe ich eine Frage an Euch: Kann es sein, daß man in der DDR Ärger bekam, wenn man Rockmusik hörte? Wenn ja, wie sahen die Repressalien aus? Kann es sein, daß die DDR in diesem Punkt kleinkariert und spießig war?
Über eine konkrete Antwort von Euch würde ich mich sehr freuen. Wenn ihr sie nicht in den "RotFuchs" schreiben wollt, schickt mir doch bitte ein paar Sätze an meine private E-Mail-Adresse: c.stutzke@gmx.de

Corona Stutzke, Jena


Am 3. November scheiterte in Berlin ein Volksentscheid, mit dem ein kommunales Unternehmen zur Versorgung der Stadt mit Strom, vorzugsweise aus erneuerbaren Energiequellen "nach Bürgerart" gegründet werden sollte. Knapp 600.000 Stimmberechtigte (24,1 %) hatten dem Gesetzesvorschlag des "Berliner Energietisches" zugestimmt - leider zu wenig, um das gesetzte Quorum (25 %) zu erreichen. Zehn Tage vor dem Abstimmungstermin war die Berliner Regierungskoalition aus SPD und CDU im Abgeordnetenhaus dem Vorschlag des "Energietisches" zuvorgekommen. Sie brachte einen Änderungsantrag zum Berliner Betriebe-Gesetz vom 24. Juli 2006 gegen die Stimmen der Grünen, der Linkspartei und der Piraten durch. Mit ihm wurde die Gründung eines kommunalen "Energiedienstleisters" beschlossen.
Was haben Sozial- und Christdemokraten mit 23 Stimmen Mehrheit durchgebracht? "Die Anstalten des Landes sollen ihre hochgradige Eigenständigkeit und Marktfähigkeit behalten", heißt es da. "Das Unternehmen solle einen angemessenen Gewinn erzielen und über Tarifdämpfung und -gestaltung "seine soziale Verantwortung im Rahmen einer wirtschaftlichen Betriebsführung wahrnehmen". Was hier juristisch umschrieben wird, lautet in bürgerverständlichem Deutsch, daß die "Berliner Energie-GmbH &Co. KG" eine gesellschaftsrechtlich sehr "eigenständige" Tochter der Berliner Wasserbetriebe (BWW) sein und von einem anonymen Komplementär privatrechtlich geführt wird. Sie darf Beteiligungen annehmen und einen "angemessenen Gewinn" erzielen.
2011 hatten 754.000 Bürger Berlins (nur 30,6 % aller Stimmberechtigten) der SPD und der CDU ihre Stimme gegeben. 2013 werden sie nun mit einem angeblich verbesserten Gesetz für die landeseigenen Betriebe, Stadtwerke und Anstalten belohnt, welches mit ein bißchen "Transparenz-Garnierung" glasklaren Neoliberalismus praktiziert.

Dr. Herbert Wollner, Berlin


Zum Artikel "Weises aus Paris" im November-RF muß ich sagen, daß ich schon lange nicht mehr einen so interessanten Beitrag in irgendeinem Medium gelesen oder gehört habe.
Ich gratuliere der "RotFuchs"-Redaktion, daß es ihr gelungen ist, diese drei renommierten marxistischen Wissenschaftler für einen solchen Artikel zu gewinnen. Bei dem Professoren-Trio möchte ich mich auf diesem Wege recht herzlich für die erkenntnisreichen, aufklärenden und animierenden Überlegungen bedanken.

Gerhard Miskat, Chemnitz


Soeben habe ich den November-RF gelesen und festgestellt, daß in dem wie immer sehr guten Leitartikel der Zeitpunkt der Erstausgabe der zwei Bände über den Nürnberger Prozeß in das Jahr 1967 verlegt wurde. Ich habe sofort nachgesehen und bei Rütten &Loening gelesen: 1957, 5. Auflage mit einem Vorwort von Prof. Steiniger, 1962.
Zum folgenden Artikel von Günter Bartsch über das Ja der SPD zu den Kriegskrediten 1914 fiel mir etwas ein, was ich einst im Potsdamer Zentralarchiv fand: Freiherr v. Mumm von Schwarzenstein, langgedienter Diplomat seiner Majestät. notierte am 3. 12. 1914 für das Auswärtige Amt: "Ein Bekannter, der gestern bei der Abstimmung an den Sozialdemokraten vorüberging, als Liebknecht sitzenblieb, hörte, wie aus diesem Anlasse eine Anzahl Mitglieder der sozialdemokratischen Partei Äußerungen etwa des Inhalts taten: 'Famos, da werden wir den Kerl ja los.'"

Klaus Kannapin, Neuenhagen


Im November-RF ist Euch ein kleiner Fehler unterlaufen. Ihr dokumentiert auf Seite 19 eine Erklärung der TKP-1920, illustriert sie aber mit einem Foto, das - an ihren Fahnen erkennbar - Mitglieder der TKP zeigt, ohne darauf hinzuweisen, daß es sich dabei um zwei verschiedene Parteien handelt. Die TKP-1920 bezieht sich direkt auf Mitglieder der illegalen Kommunistischen Partei, deren Verbot in der Türkei bis heute nicht aufgehoben worden ist. Die TKP entstand aus der früheren Partei der Sozialistischen Macht (SIP) und wollte durch ihre Umbenennung die legale Existenz einer sich offen als kommunistisch zeigenden Partei in der Türkei durchsetzen. Beide Parteien nehmen unterschiedliche Positionen - so in der Kurdenfrage oder zur Nutzung der türkischen Nationalfahne - ein. Es ist wohl nicht zweckmäßig, sich von hier aus in diese Diskussionen einzumischen. Das Herangehen der Berliner DKP, bei deren Sommerfest im Vorjahr sowohl die TKP als auch die TKP-1920 mit Infoständen vertreten waren, ist sicherlich der richtige Weg. Wir sollten die bestehenden Differenzen auch in unseren Medien respektieren.

André Scheer, Berlin


Die Bundestagswahl 2013 liegt um Monate hinter uns. Schon jetzt steht fest: Ändern wird sich nichts. Das Kapital behält nach wie vor die Macht. Die Wähler haben mehrheitlich für die CDU und die SPD gestimmt, also die politischen Vertreter der eigentlichen Machthaber. Ob CDU/FDP oder CDU/SPD am Ruder sind - worin besteht der Unterschied?
Die Partei Die Linke muß als drittstärkste Kraft, um als wirkliche Alternative glaubwürdig zu sein, auch die Systemfrage stellen. Lediglich Kapitalismuskritik und ein bloßes Nein zu Kriegseinsätzen der Bundeswehr bringen uns nicht weiter.

Joachim Becker, Eilenburg


Zu Prof. Schneiders Beitrag "Sachliches über Stalin" habe ich einige Bemerkungen: Es ist gut, daß in diesem Artikel versucht wird, die Diskussion zu versachlichen. Der RF-Förderverein hat vor einiger Zeit den politischen Kampfbegriff Stalinismus zurückgewiesen. Das ändert aber nichts daran, daß dieser, der mit Wissenschaftlichkeit nicht das geringste zu tun hat, weiterhin und sogar inflationär gebraucht wird. Für mich bezeichnet Stalinismus unter Stalin begangene Verbrechen, einschließlich ihrer Auswirkungen auf andere sozialistische Länder. Hier bloß von Unrecht zu sprechen, halte ich für eine zu schwache Formulierung. Heute wird häufig - offensichtlich auch von einigen Linken - das Wort Stalinismus mit Sozialismus gleichgesetzt. Wenn die Losung der PDS-Gründungsparteitags "Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System" so verstanden werden soll, befinden sich nicht alle Parteimitglieder damit im Einklang.
Stalin hatte - wenn überhaupt - nur einen geringen Anteil am Zustandekommen des Rapallo-Vertrages. Die Politik der friedlichen Koexistenz, für die dieser ein Symbol war, ist in erster Linie Lenins Verdienst.

Dr. Kurt Laser, Berlin


Leider wird heute, zum Teil auch im RF, der wahre Grund für die enormen Verluste der Roten Armee im ersten Halbjahr nach dem faschistischen Überfall gar nicht beachtet: Die nahezu vollständige Vernichtung oder Inhaftierung des sowjetischen Kommandeurskorps nach der sogenannten Affäre Tuchatschewski. Hinzu kam noch, daß bis 1942 Hochschulabsolventen nicht militärisch ausgebildet waren. Sehr viele von ihnen meldeten sich aber bei Kriegsbeginn freiwillig zur Armee, wurden als Soldaten eingesetzt und sind in der Mehrheit gefallen.

Dr.-Ing. Peter Tichauer, Berlin


Danke, lieber Prof. Dr. Horst Schneider, für den Beitrag "Sachliches über Stalin". Für mich, einen 1943 Geborenen, war Stalin der "Lenin unserer Tage", "marxistischer Erzieher" und "wahrer Führer für alle friedliebenden Völker". In meinem Pionierausweis von 1953 befindet sich sein Bild. Man sollte bedenken: Stalin wurde im zaristischen Rußland dreimal in die Verbannung geschickt; sein Sohn ist durch die deutschen Faschisten umgebracht worden; unter Stalins Oberbefehl siegte die Rote Armee. Und: Er hätte wohl keinem konterrevolutionären Hochverrat zum Sieg verholfen.

Günter Schmidt, Chemnitz


Selbstverständlich ist es erforderlich, auf würdige Weise an die deutschen Antifaschisten zu erinnern, die als Emigranten oder Facharbeiter in der Sowjetunion lebten und Opfer der Verfolgung durch die Sicherheitsorgane wurden, gehören doch diese Entartungen ebenfalls in die Chronik der kommunistischen Bewegung.
Der unsägliche Gedenkstein auf dem Sozialistenfriedhof in Berlin-Friedrichsfelde für "Die Opfer des Stalinismus" bedarf indes dringend einer Erklärung, um unwissenden Menschen, vor allem Jugendlichen, zu verdeutlichen, wer damit gemeint sein könnte.
An das Karl-Liebknecht-Haus gehört doch wohl vor allem eine Gedenktafel für die von den Hitlerfaschisten verfolgten und ermordeten deutschen Kommunisten. Nun stelle man sich zwei Gedenktafeln nebeneinander vor: eine für die Opfer des Hitlerfaschismus und eine andere für die in der UdSSR zu Tode Gekommenen. Damit würde die Partei Die Linke die Gleichsetzung Stalins mit Hitler, wie sie bürgerliche Historiker und Politiker fordern und betreiben, kritiklos übernehmen. Ich appelliere an den Parteivorstand, seine Entscheidung vom 18. Oktober über die Gedenktafel für die "Stalin-Opfer" am KL-Haus zu überprüfen.

Werner Hunger, Berlin


Lieber Steffen Czubowicz! Deinem Interesse für die in Dieter Fechners Kolumne vorgestellten DDR-Bücher könnte ich mit Exemplaren aus meiner Sammlung dienen. Ich habe viele davon und keineswegs nur solche für Oma und Opa, sondern auch für die Enkel - also Kinder- und Jugendliteratur. Überhaupt könnten wir uns über die kurze Distanz Ludwigshafen-Gernsheim ja mal treffen oder miteinander telefonieren. Meine Nummer lautet: 06258/932012.
Grüße aus Südhessen rheinaufwärts über den Umweg der Berliner "RotFuchs"-Redaktion.

Marianne Walz, Gernsheim


Für die guten Wünsche des RF zu meinem 65. Geburtstag möchte ich mich von ganzem Herzen bedanken. Sie waren ein sehr schönes und wertvolles Geschenk. Von seinen Genossen in einer Zeit voller Wirrnisse und Widersprüche als standhafter Mitstreiter gesehen zu werden, ist für mich eine Auszeichnung - wohl die höchste, die ich je bekommen habe.

Helmut Timm, Groß Nemerow


Es wird höchste Zeit, daß ich - ein Parteiloser - Ihnen durch beiliegende Arbeiten meine Verbundenheit mit Ihrer Zeitschrift, dem Marxismus und der Sache überhaupt zum Ausdruck bringe.

Harry Herre, Dresden

Wir bedanken uns herzlich für die auf Seite 7 reproduzierte Grafik und weitere Arbeiten unseres parteilosen Genossen Herre.


Der Leserbrief von Thomas Movtchaniouk aus Düsseldorf (RF 190) zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) gefällt mir schon deshalb, weil endlich mal ein Betroffener seine Meinung zum theoretischen Palaver von bereits drei Autoren sagt.
Hat schon mal jemand gefragt, was ich als Betroffene (auf Hartz IV Angewiesene) unter einem BGE verstehe? Das Wort bedingungslos ist für mich entscheidend. Niemand - auch kein Arbeitsamt - könnte mir dann vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen hätte oder mir Strafe androhen, wenn ich den Anordnungen der Behörde nicht Folge leiste. Heutiger Willkür und Arroganz wäre die Grundlage entzogen.
Das klingt alles zu schön, um wahr zu werden. Deshalb wird es auch nie ein BGE, wie ich es verstehe, geben: Es ist zu sozial, um nicht sogar zu sagen - zu sozialistisch. Das Privateigentum an den wichtigsten Produktionsmitteln und Banken muß beseitigt werden. Dann bedürfte es auch keiner BGE-Diskussion, und die Menschen könnten wirklich ihrer Lust auf Arbeit folgen.

Dr. Marianne Otto, Berlin


Zu Zeiten der PDS spürte man noch eine starke Tendenz im Bestreben, wirklich etwas zur Lösung von Problemen der Bevölkerung zu tun. Nach dem Zusammenschluß von PDS und WASG änderte sich das zusehends, nicht zuletzt aus dem Bestreben heraus, vor allem politisches Gewicht zu erreichen und im Parlament "zu glänzen". Eine solche politische Kraft könnte durchaus positiv sein, wäre da nicht jener Zwiespalt, daß Leute in der Führung sehr um ihre Karrieren besorgt sind und unwillkommene Kritik unter den Tisch kehren. Das betrifft auch eigene Genossen, falls diese nicht in ihr vorgefertigtes Schema passen. Als ich beispielsweise ein Interview Stefan Liebichs im Deutschlandradio per E-Mail kritisierte, erhielt ich keine Antwort.
Doch eine Partei lebt von der Meinung aller. Konzepte, die den Menschen nicht auf verständliche Weise nahegebracht werden, nützen nur jenen, welche in ihrem politischen Werdegang davon profitieren. Einigen geht es offenbar um eine Koalition um jeden Preis.

E. Volkmar Baehrsch, Hohenstein-Ernstthal


Wer denkt nicht gerne an seine Studienzeit zurück! Die DDR war ein kleines Land. Die Zahl jener, welche sich weiterbilden und studieren wollten, war - auch dank des ausreichenden Stipendiums, das nicht zurückgezahlt werden mußte - groß. Lenins Aufforderung "Lernen, lernen und nochmals lernen!" folgten viele gern. Großzügige Unterstützung wurde vor allem auch den Fernstudenten gewährt. An einem Tag in der Woche besuchten sie die Studieneinrichtung, einmal im Jahr einen mehrtägigen Seminarkurs - alles bei weitergehender Lohn- oder Gehaltszahlung. Diese Chance nutzten viele, die durch die Kriegsjahre und die schlimme Nachkriegszeit oder aus sozialen Gründen bisher nicht an ein Studium hatten denken können. So ging es auch mir.
In der DDR wurde bekanntlich das Wort "Sport" großgeschrieben. In unserer Studentengruppe an der Leipziger Universität ging es darum, ob man alle zum Pausensport bewegen könne. Ich sollte es versuchen. So ging ich in der Pause zum Professor nach vorn und bat ihn um Unterstützung. Vor Beginn seines nächsten Vorlesungsabschnitts forderte er die Studenten auf, sich von den Plätzen zu erheben und in die Gänge zu treten. Es folgte meine Ansage: "Rechten Arm in die Höhe strecken, den linken Arm hoch, das rechte Bein vor und zurück, dann das linke, Arme in die Hüfte, den Oberkörper vor und zurück." ... Alle bewegten sich, auch der Professor.
Ob die Pausengymnastik an der Leipziger Universität dann tatsächlich zur Regel wurde, ist mir nicht bekannt. Auf jeden Fall hat sie niemandem geschadet und war tausendmal besser, als beim ersten Klingelzeichen die Zigarette in die Hand zu nehmen.

Gerda Huberty, Plauen-Neundorf

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(Redaktionsadresse)

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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2014