Schattenblick →INFOPOOL →MEDIEN → ALTERNATIV-PRESSE

ROTFUCHS/101: Tribüne für Kommunisten und Sozialisten Nr. 147 - April 2010


ROTFUCHS

Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland

13. Jahrgang, Nr. 147, April 2010



Inhalt
Ludwigsburg fischte im trüben
Lenin - Fanal, nicht Ikone
Schemen eines Dorfes
Totschläger in Scharfenstein
Von Rüddenklau bis "Rohrzange"
Metastasen der Lüge
Zerrbilder
Die "Defizite" der DDR
Be-Liebich
Pflugscharen zu Schwertern?
Amoklauf gegen Spartakisten
Ein unheroischer Heldentod
Die Saga der "Roten Bergsteiger"
Altrömische Dekadenz im Stil Westerwelles
Durchsichtige Glorifizierung
"Neue-Jacken-Angela" führt BRD-Schönfärbergilde an
Urteil eines DDR-Volksbildungskenners: BRD-Schule im freien Fall
RF-Extra Bundestagspräsident Lammert sorgte für Eklat
RF-Extra Prof. Dr. sc. Erich Dreyer: Wie ich "abgewickelt" wurde
Wie ist das mit dem subjektiven Faktor?
Wölfe im Schafspelz
Afghanistan: Guttenberg gießt Öl ins Feuer
Haiti: Geheuchelte Hilfe
Belgien: Angst vor Millionärssteuer
Griechenland in der EU-Würgeschlinge
Brief aus der Pariser Region: Kommunisten in Frankreich
Chile: Ein Milliardär in der Moneda
Karajans "Europa-Hymne" und der Kalte Krieg
Paukenschlag in Den Haag
Ex-Botschafter als Legendenjäger
Schreib das auf, Scherzer!
Unrühmliche "Ruhmeshalle"
Suhrkamps Filmkaleidoskop
Archie als Fotograf
Leserbriefe
Grafik des Monats

Raute

Der verlorene Krieg

Theodor Fontane war nicht nur ein märkischer Dichter, dessen Werke Weltliteratur wurden. Er galt auch als Kenner internationalen Geschehens seiner Zeit. In der Ballade "Das Trauerspiel von Afghanistan" schildert er den Untergang eines Expeditionskorps der britischen Kolonialarmee, das zur Niederwerfung Aufbegehrender in das bis 1919 von London aus verwaltete Land entsandt worden war. Fontane läßt einen einzelnen Reiter, der sich ins Hauptquartier der Briten durchgeschlagen hat, von der Vernichtung eines ganzen Heeres berichten. "Mit 13.000 der Zug begann, einer kam heim aus Afghanistan", heißt es in der Authentisches wiedergebenden Ballade.

Wird man nicht unwillkürlich an diesen Vers erinnert, wenn man von der auf "Ausrottung der Taliban mit Stumpf und Stiel" zielenden jüngsten Offensive der US-Okkupanten und ihrer afghanischen Quislinge in der Provinz Helmand erfährt?

Friedensnobelpreisträger Barack Obama hat den Mantel eines "Hoffnungsträgers" abgeworfen und sich als Kriegsforcierer zu erkennen gegeben. Er wird sich wie sein Vorgänger George W. Bush, den er zum Sonderbeauftragten für die als "Hilfsaktion" verkaufte neue Kolonialisierung Haitis durch die USA ernannt hat, in Afghanistan die Finger verbrennen.

Mit dem durch einen Bundeswehroberst veranlaßten "Luftschlag von Kundus", der am 4. September 2009 afghanische Dorfbewohner massakrierte, die zum Abpumpen von Öl aus zwei steckengebliebenen Tanklastern herbeigeeilt waren, hat die BRD schwere Schuld auf sich geladen. 1946 wäre eine solche Bluttat nicht in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß hinter verschlossenen Türen, sondern vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal zur Sprache gekommen. - Ein Ruhmesblatt: Die Mehrheit der Abgeordneten der Linkspartei, die sich hier an Karl Liebknechts Antikriegshaltung orientierte, hat die NATO-Intervention in Afghanistan kompromißlos verurteilt. Ihre eindeutige Position kontrastiert scharf mit der Verstrickung aller anderen Bundestagsparteien in die dort begangenen Verbrechen.

Man bedenke, welchen verhängnisvollen Weg die BRD, die unter Kohl noch keine direkte Teilnahme an Aggressionen gewagt hatte, seit dem von ihr mitexekutierten Angriff auf Jugoslawien im Jahre 1999 gegangen ist: Heute gilt es bereits als "Normalität", daß Berlin fast überall mitmischt, wo es nach Blut und Pulver riecht. Der kriegführende deutsche Imperialismus ist - im wörtlichen Sinne - wieder mordsgefährlich. Im Verbund der NATO, an der Seite der USA, aber auch auf eigene Faust bedroht er Frieden und Freiheit der Völker. In Afghanistan handelt es sich um ein Faß ohne Boden. Wer dort Krieg führt, steht auf verlorenem Posten. Das hat die Geschichte bewiesen. Die Völker am Hindukusch sind nicht niederzuwerfen. Perser, Briten und Russen haben das am eigenen Leibe gespürt.

Dennoch geht der aussichtslose NATO-Krieg weiter. Warum? Afghanistan - zwischen Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Kirgistan und Pakistan gelegen, wobei ein Zipfel an China grenzt - ist ein 655.000 Quadratkilometer großes Land von höchster strategischer Bedeutung. Auch das US-Projekt einer Öl-Pipeline vom Norden des Landes bis zur Küste steht dabei zur Debatte.

Übrigens kam Moskau, das 1978 einen Freundschafts- und Beistandspakt mit Kabul abschloß und Ende 1979 einem Hilfsersuchen der damals von Kommunisten geführten afghanischen Regierung entsprach, mit der Entsendung seiner Truppen nur dem Einmarsch der USA zuvor. Die CIA hatte bereits mit dem Aufbau von Mujaheddin-Verbänden unter ihrem Kommando begonnen. Diese wurden nun in aller Eile mit Stinger-Raketen und anderer moderner Kriegstechnik ausgerüstet, um sie landesweit gegen die Sowjetarmee und die afghanischen Streitkräfte einzusetzen. Die Entscheidung Breschnews, der Bitte Kabuls zu folgen, war nicht ohne Zwiespältigkeiten und Risiken. Nach zehn Jahren sieglosen Kampfes erfolgte der Abzug sowjetischer Truppen. Bald danach wütete der weiße Terror. 1992 wurde der linksgerichtete Präsident Najibulla gestürzt und später bestialisch umgebracht. Afghanistan fiel unter die imperialistischen Räuber. Im September 2001, nach dem dubiosen Anschlag auf das New Yorker Welthandelszentrum, griffen die USA das durch Krieg und Bürgerkrieg zerrüttete Land an.

Wie ihre Vorgänger stießen sie auf geharnischten Widerstand, an dessen Spitze sich die aus den Mujaheddin hervorgegangenen Taliban-Milizen stellten. Ideologisch im Mittelalter angesiedelt, erweisen sich ihre Kämpfer heute objektiv als afghanische Patrioten, die den Eindringlingen schwere Schläge versetzen. Obwohl diese ihren verlorenen Krieg noch verschärfen, werden sie wie bisher auf Granit beißen.

Wir deutschen Kommunisten und Sozialisten stehen unerschütterlich an der Seite aller Afghanen, die den Aggressoren und ihren einheimischen Vasallen Paroli bieten. Hände weg von Afghanistan!

Klaus Steiniger

Raute

Wie die BRD-Justiz Naziverbrecher der gerechten Strafe entzog

Ludwigsburg fischte im trüben

Es ist längst an der Zeit, die aufeinanderfolgenden Regierungen der alten BRD, die sich stets als Hüter des Rechtsstaates aufspielten, zu fragen: Wie wurde eigentlich das Recht der Bundesrepublik gegenüber jenen Tätern angewandt, welche unter dem Faschismus Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben?

Es ist kein Geheimnis, daß sich zahlreiche Kriegsverbrecher 1945 auf das Gebiet der westlichen Besatzungszonen Deutschlands zurückzogen. Die Adenauer-Regierung mußte sich darauf einstellen. Sie tat es, indem sie den Tätern weitgehend Schutz gewährte. Nach 1946 wurde die systematische Abwertung des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher durch ein ganzes Heer von Ideologen mit überwiegend brauner Vergangenheit betrieben.

Der Erfolg dieser Kampagne verstärkte bei den Machtausübenden die Auffassung, man könne die Verfolgung der faschistischen Untaten allmählich ganz einschlafen lassen. Dabei spielten solche "Argumente" wie die These, Nürnberg sei ein Tribunal der Siegermächte gewesen und habe den Grundsatz "Keine Strafe ohne Gesetz" (Nulla poena sine lege) verletzt, eine erhebliche Rolle. Es gehe darum, "reinen Tisch zu machen", hieß es.

So zögerte die Rechtsprechung in den damaligen Westzonen vor allem in bezug auf die Anwendung des Kontrollratsgesetzes Nr. 10, das nach 1949 völlig unbeachtet blieb, weil "die deutschen Gesetze allemal milder" seien. Dadurch wurde ermöglicht, jegliche Berührungspunkte zum Völkerstrafrecht zu vermeiden. Man stützte sich statt dessen auf die traditionellen bürgerlichen Strafrechtskonzepte, die zur Bekämpfung konventioneller Taten geschaffen worden waren.

Mit der Gründung der BRD beginnt eine neue Etappe in der Praxis der Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Mit der Abschaffung der Todesstrafe wurde die physische Existenz der Täter gesichert. Zugleich setzte die massenhafte Amnestierung der von den westlichen Alliierten verurteilten Kriegsverbrecher ein.

Die Prozeßpraxis wurde durch Maßnahmen wie die Einführung des Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit und des sogenannten Überleitungsvertrages abgesichert. Infolgedessen ging die Anzahl verhängter Urteile in der Zeit von 1949 bis 1958 drastisch zurück. Forschungen ergaben, daß 1949 noch 1520 Personen wegen entsprechender Delikte vor Gericht standen, 1958 waren es nur noch 25. Das sukzessive Einschlafenlassen gerichtlicher Strafverfolgung stellt eine Begünstigung der faschistischen Täter durch die offizielle Spruchpraxis dar. Diese folgte der Regierungspolitik.

Nach 1958 stieg die Zahl der Prozesse wieder an. Der internationale Druck hatte zugenommen. Angesichts der Nichtanwendung des Völkerstrafrechts auf diese Delikte urteilten die Gerichte grundsätzlich nach innerstaatlichem Recht. Also nach § 211 (Mord) und § 212 (Totschlag). Totschlag war inzwischen verjährt. Das führte in zahlreichen Fällen dazu, daß Mordanklagen umgewandelt wurden. Die überführten Mörder verließen das Gericht wegen "Verjährung" als freie Bürger.

In diesem Licht ist auch die Schaffung der Ludwigsburger Zentralstelle im Dezember 1958 zu sehen. Deren Aufgabe bestand darin, das gesamte Material zu Kriegsverbrechen deutscher Bürger zu sammeln, zu sichten und den Staatsanwaltschaften zuzuleiten. Eine Verfolgung von Kriegsverbrechen der Wehrmacht war Ludwigsburg entzogen. Dennoch übermittelte die Zentralstelle Material für 1000 diesbezügliche Ermittlungsverfahren, die in keinem einzigen Fall zur Anklageerhebung führten. Bis 1964 initiierte Ludwigsburg 86 Verfahren gegen Mitarbeiter zentraler faschistischer Dienststellen. Nur zwei von ihnen führten zu einer Verurteilung. 1967 beschäftigte die Zentralstelle 121 Mitarbeiter, davon 49 Staatsanwälte. 2009 zählte man noch 19 Bedienstete, davon 6 Staatsanwälte. Die Behörde verfügt über geringe Mittel und kaum über moderne Technik. Ihre ursprüngliche Aufgabe hat sich fast erledigt. Übriggeblieben sind Berge für die Öffentlichkeit schwer zugänglicher Dokumente. In den Ludwigsburger Regalen befinden sich 1200 laufende Meter Akten. Insgesamt hat die Zentralstelle den Staatsanwaltschaften 7600 Vorermittlungsverfahren übergeben. Nur etwa zehn Prozent zogen eine Anklage nach sich, davon wiederum endeten nur etwa fünf Prozent mit einer Verurteilung. Als Bilanz einer über 50jährigen Tätigkeit verbleiben ganze 38 Fälle.

Analysiert man die Spruchpraxis zwischen 1958 und 1969, dann hatten sich 543 Personen vor Gericht zu verantworten. 114 Verurteilte waren an Mord- und Totschlagshandlungen beteiligt, bei denen 660 851 Menschen ihr Leben verloren. Die Verurteilung erfolgte wegen Mittäterschaft oder Beihilfe zu Mord und Totschlag. Insgesamt sprachen die Gerichte 558 Jahre Freiheitsentzug aus. Bei der Hälfte dieser Verfahren wurden erhebliche Abweichungen des Urteils vom Strafantrag sichtbar. 48mal beantragte die Staatsanwaltschaft lebenslänglich wegen Mordes, die Gerichte erkannten dagegen auf sehr niedrige Freiheitsstrafen. In sechs derartigen Fällen entschied sich die Justiz sogar für Freispruch. Vor Gericht standen ausschließlich untere Chargen der SS- und KZ-Mörder. Kein einziger Prozeß führte Schreibtischtäter einer gerechten Strafe zu.

35 Angeklagte waren bis zu ihrer Verurteilung im BRD-Polizeidienst, vor allem bei der Kripo. Die Untersuchung der Lebensläufe von in diesen Prozessen tätigen 60 Richtern und Staatsanwälten ergab, daß bei 19, als fast einem Drittel, die Zugehörigkeit zu SS, SA, NSDAP und anderen faschistischen Gliederungen nachweisbar war. Daran ist zu denken, wenn heute der DDR unterstellt wird, sie habe Hunderte Nazi- und Kriegsverbrecher gedeckt und für operative Zwecke eingesetzt.

Professor Rüter von der Universität Amsterdam ist dieser Behauptung nachgegangen. Seine Recherchen bei 40 Behörden hatten das Ergebnis, daß dort kein einziger verurteilungsfähiger NS-Verbrecher zu finden war.

Eine Methode zur Rechtfertigung von Kriegsverbrechen besteht in der Konstruktion einer "ausweglosen Befehlssituation" oder des "Befehlsnotstandes" und des "Handelns auf Befehl". Aber ein Verbrechen wird nicht dadurch rechtmäßig, daß es befohlen wurde. Dennoch wurde diese Auffassung in vielen Urteilen der BRD-Justiz vertreten. Das Problem ist von brennender Aktualität, wie die "rechtliche Wertung" des Massakers von Kundus zeigt.

Mit dem Ulmer Einsatzgruppen-Urteil schufen sich die Gerichte der BRD ein Modell zur Begünstigung von NS-Verbrechern. Die Angeklagten wurden zwar ausnahmslos verurteilt, aber keinen von ihnen bezeichnete man als Täter. Obwohl es nicht an Beweisen für eigene Täterschaft fehlte, behandelte man sie als Gehilfen. Die eigentlichen Täter seien Hitler, Göring, Himmler u. a., denen die Angeklagten lediglich Beihilfe geleistet hätten, hieß es im Richterspruch. So konnten alle Verbrecher zu Gehilfen heruntergestuft werden. Die Folge: Strafmilderung und herabgesetzte Verjährungsfristen.

Verfahrensverschleppung, Nichtanerkennung vorliegenden Beweismaterials, fortgesetzte Haftverschonung, lautlose Amnestie, Diskriminierung von Zeugen, Einstellung von Verfahren mit fadenscheiniger Begründung waren die prozessualen Instrumentarien, derer sich bundesdeutsche Gerichte bedienten. Es stünde dem "Rechtsstaat" BRD gut zu Gesicht, endlich die eigene Geschichte objektiv aufzuarbeiten. Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.

Dr. Martin Dressel, Berlin

Raute

Er rührte an den Schlaf der Welt ...

Lenin - Fanal, nicht Ikone

Als Wladimir Iljitsch Uljanow am 22. April 1870 in Simbirsk in einer gebildeten, nicht unvermögenden Familie geboren wurde, schien das zaristische Rußland wie eh und je ein unerschütterlicher Pfeiler der kontinentalen Reaktion zu sein. Dem, der sich später Lenin nannte, hätte man eine Beamtenkarriere, bestenfalls eine Hinwendung zu den Volkstümlern vorhersagen können. Aber es sollte ganz anders kommen: Am 8. Mai 1887 wurde sein älterer Bruder Alexander wegen Vorbereitung eines Anschlags auf den Zaren hingerichtet. Da war Lenin schon Marxist. Der hochbegabte junge Mann hatte begeistert verschlungen, was im damaligen Rußland an fortschrittlicher Literatur zu erhalten war. Trotz der Bewunderung, die er der Entschlossenheit Alexanders zollte, stand für ihn bereits fest: Der individuelle Terror hochherziger intellektueller Revolutionäre ist ein Irrweg. Auch im noch immer halbfeudalen Rußland mit seiner zahlenmäßig überwältigenden Bauernschaft kann die Freiheit nur durch das Volk selbst, durch Massenkampf, errungen werden. Dabei muß die noch schwache Arbeiterklasse des Landes eine entscheidende Rolle spielen. Es galt also, die Entwicklung des Kapitalismus in Rußland genauestens zu analysieren. Zugleich kam es darauf an, sich mit den Theorien über einen Sonderweg Rußlands auseinanderzusetzen und vor allem das Fundament der Bewußtheit und Organisiertheit der Arbeiter, für ihre revolutionäre Partei, zu legen. Alle diese Aufgaben hat Lenin entschlossen in Angriff genommen und so das Geschick nicht nur Rußlands, sondern der Menschheit im ausgehenden 19. und im folgenden Jahrhundert maßgeblich geprägt.

Die erste geschichtliche Prüfung der Richtigkeit seiner Schlußfolgerungen war die russische Revolution von 1905. Sie bewies, daß die Welt in einen qualitativ neuen Abschnitt der Entwicklung des Kapitalismus eintrat. Selbst in bürgerlich-demokratischen Revolutionen mußte nun nicht mehr der Kapitalistenklasse die Führung zufallen. Diese Revolution erlitt eine Niederlage, und wie in unseren Tagen griffen vielerorts Pessimismus, theoretische Konfusion und sektenhafte Zersplitterung um sich. Lenin verstand es wie kein Zweiter, die Konsequenzen rechts- und linksopportunistischer Verirrungen aufzudecken. Als ein Meister dialektischen Denkens fand er schlüssige Antworten auf sämtliche entscheidenden neuen Fragen der soeben eingeleiteten Epoche des Imperialismus, der imperialistischen Kriege und des Vorabends der proletarischen Revolution. Ohne Lenin und die Bolschewiki hätte der Zusammenbruch der II. Internationale sicher den Untergang der revolutionären Arbeiterbewegung im Ersten Weltkrieg besiegelt.

Aber es folgten der Februar 1917, der Sturz des Zarismus und schließlich die Weltenwende des Roten Oktober. An der Spitze der Sowjetregierung führte Lenin das Land zum Sieg über die innere Konterrevolution und ausländische Interventen. Er wurde zum Begründer der Sowjetunion, die sich unter schwierigsten Bedingungen kapitalistischer Einkreisung behauptete und als sozialistische Großmacht die Hauptlast bei der Befreiung der Völker vom Joch der faschistischen Barbarei trug.

Der Sozialismus überschritt die Grenzen eines Landes und war jahrzehntelang fähig, dem Imperialismus Paroli zu bieten, Frieden zu erkämpfen und den Weg der kolonial unterdrückten Völker zu nationaler Selbständigkeit zu bereiten. So ist auch der Untergang der imperialistischen Kolonialreiche mit Lenins Namen unlöslich verbunden. Er war es, der mit seiner Imperialismustheorie die theoretische Begründung für das Zusammenfließen der klassenmäßig differenzierten großen antiimperialistischen Ströme geliefert hatte. Die mit Lenins Namen verbundene unvergleichliche geschichtliche Gestaltungskraft reicht weit über sein Ableben im Jahre 1924 hinaus.

Lenins Leben und Schaffen verkörpert die Richtigkeit der marxistischen Auffassung von den Volksmassen als den Schöpfern der Geschichte und zugleich von der überragenden Rolle, die in den geschichtlichen Prozessen große Persönlichkeiten spielen. Fehlen sie, sind die Folgen verheerend.

Bei der Würdigung der Leistung Lenins sollten wir seiner Frau Nadeshda Krupskaja folgen. Als sie wenige Jahre nach seinem Tod den begründeten Eindruck hatte, man sei dabei, Lenin in eine Ikone zu verwandeln, hob sie mit Nachdruck hervor: Lenin war Marxist, und eben darin lag seine Stärke. Genau so ist es. Doch wie ist diese Feststellung zu verstehen? Sie kennzeichnet Lenin als überragenden Theoretiker und politischen Führer der Arbeiterklasse. Entscheidend dabei ist, daß er unsere Theorie niemals wie ein Buchstabengelehrter auffaßte. "Der Marxismus", schrieb er, "ist eine außerordentlich tiefe und vielseitige Lehre. Kein Wunder also, daß Bruchstücke von Marx-Zitaten - besonders, wenn sie an unpassender Stelle angeführt werden - stets unter den 'Argumenten' derer anzutreffen sind, die mit dem Marxismus brechen." (LW, 26/200)

Lenin war ein entschiedener Gegner des Dogmatismus und der Aufweichung prinzipieller Positionen zugleich. Nur so vermochte er es, den Marxismus in allen seinen Bestandteilen unter einschneidend veränderten Bedingungen sowohl in seinen übergreifenden wie in den konkret-historischen Bezügen weiterzuentwickeln. Er war nicht nur ein genialer Theoretiker, sondern ebenso ein weitblickender Stratege und ein Meister politischer Taktik. Das befähigte ihn auch in zugespitzten Situationen durch seiner Überzeugungskraft und Autorität in den Führungsgremien der Partei, einige Male sogar im Widerspruch zu anfänglichen Mehrheiten, das durchzusetzen, was im Interesse der Arbeiterklasse unumgänglich war. Ein Beispiel hierfür sind die Auseinandersetzungen um den Abschluß des Brester Friedens.

Zu rühmen sind deshalb nicht nur Lenins Intelligenz, sondern ebenso sein Mut, die Überzeugungskraft, persönliche Bescheidenheit und sein außergewöhnliches Gespür für die Eigenart der jeweiligen Situation. So hat er geschildert, wie er im Sommer 1917, im Vorfeld der Oktoberrevolution, ein wichtiges Signal erhielt. Als er vor der Reaktion bei einer Petrograder Arbeiterfamilie versteckt war, roch der Familienvater beim Mittagessen am Brot und stellte fest: "Das Brot ist besser geworden. Sie haben Angst vor uns!"

Konterrevolutionäre können Lenin-Denkmäler schleifen. Die Namen der Schandtäter verwehen in kurzer Frist. Lenin war stets mit uns. So wird uns sein Rat auch in allen künftigen Kämpfen um die Befreiung von kapitalistischer Ausbeutung und Unterdrückung begleiten.

Prof. Dr. Götz Dieckmann

Raute

Wie die "neue Ordnung" das einst blühende Trünzig entstellte

Schemen eines Dorfes

Im kleinen Dörfchen Trünzig ist nichts mehr so, wie es einmal war. Damit geht es ihm nicht anders als vielen Gemeinden im Osten des Landes.

Nun kann man der Meinung sein, bei der Größe dieser Ortschaft dürfe man nicht allzuviel erwarten. Aber es wohnen hier über 1000 Menschen, und einst gab es in Trünzig eine intakte Infrastruktur mit allem, was dazugehört. Meine Oma Else, eine Bäuerin, ist stets mit dem Fahrrad ins Dorf zum Einkaufen gefahren und hat dort alles Nötige bekommen. Heute lebe ich in dieser ländlichen Idylle, habe aufgrund meiner Einstellung auch nur ein Fahrrad, aber um einzukaufen, muß ich mindestens fünf Kilometer zurücklegen.

Zu den zwei kleinen Lebensmittelgeschäften kam Anfang der 80er Jahre eine neue Kaufhalle, um die Einwohner mit dem Wichtigsten zu versorgen - von Lebensmitteln bis zu Kleidung, Schreibwaren oder Haushaltsbedarf. Heute gibt es in Trünzig keinen Laden mehr. Viele ältere Menschen ohne Auto sind entweder auf fremde Hilfe angewiesen oder müssen in die Nachbarorte fahren. Das schränkt die Lebensqualität ein.

In der einstigen Polytechnischen Oberschule "Adolf Hennecke" habe ich meine halbe Kindheit verbracht. Die Freizeitmöglichkeiten, gefördert durch die Lehrerschaft, waren zwar begrenzt, aber es gab sie. Mitte der 80er Jahre entstand sogar noch ein großer Anbau. Gut erinnere ich mich an das Vorbereitungsjahr auf den Eintritt in die FDJ, bei dem wir Pioniere interessante Gäste begrüßen konnten, an unseren engagierten FDJ-Sekretär, aber auch an die Schul-Disco. Heute ist die frühere POS für den Lehrbetrieb geschlossen. Dafür findet man im einstigen Chemieraum die Sparkasse, im Geographieraum das Gemeindezimmer, und im Bio-Raum gab es einen "Quelle-Laden", der bereits Geschichte ist. So wird aus Bildung ein Geschäft. Den Kindergarten am Wald gibt es noch. Sogar der Ortspfarrer wurde wegrationalisiert, das Pfarrhaus vermietet.

Seine umfangreiche Bibliothek hatte mir als jungem Mädchen viel geboten. Sogar einen Schmied gab es einmal und die beliebte "Heißmangel". Die Ärztin hat ihre Praxis im letzten Jahr geschlossen. Selbstverständlich besaßen wir eine Post im heute leerstehenden Gemeindehaus. Das war zu einer Zeit, als es noch allenthalben Postämter gab, mit dicken Briefmarkenmappen. Das unsere ist schon lange weg. Spärliche Briefmarken gibt es nun in den Nachbardörfern. Spärlich deshalb, weil man keine große Auswahl mehr an schönen Motiven hat und sich die Marken, wie so viele andere Dinge auch, schicken lassen muß.

Schon mein Urgroßvater hatte im alten "Gasthof Waldorf" jede Woche seine Skatfreunde getroffen. Über der Gaststube befand sich der große Saal für Veranstaltungen der Gemeinde und der Schule, für Tanz und Ausstellungen. An das "Fest der jungen Talente" erinnere ich mich noch lebhaft, auch an die zahlreichen Filmvorführungen. Der Saal war immer gefüllt. Heute herrscht im "Gasthof Waldorf" gähnende Leere. Und es gibt auch keinen Bürgermeister mehr, denn Trünzig ist "eingemeindet". Dadurch werden Belange des Ortes weniger wahrgenommen.

Von den wesentlichen Dingen, die ein Dorf ausmachen, ist nichts mehr geblieben. Lediglich durch die Nähe zum angrenzenden Erholungsgebiet "Werdauer Wald" und seine ruhige Lage ist Trünzig nach wie vor beliebt. Einige Reiterhöfe entstanden. Die Busanbindung wurde stark reduziert. Früher fuhr jede Stunde bis nachts ein Bus, auch am Wochenende. Heute trifft der letzte Bus um 18 Uhr ein. Und das nur von Montag bis Freitag. Für den Berufsverkehr ist die Linie wenig geeignet. Auch die Bahn wurde stillgelegt, aber ein Verein kämpft um Wiederaufnahme des Betriebs im privaten Rahmen.

Von "blühenden Landschaften" kann demnach keine Rede sein. Wenn man diese Metapher wörtlich nimmt, dann hat die nur auf hohen Ertrag gegründete Landwirtschaft auch noch die letzten Feldblumen "weggespritzt". Blühende Landschaften hat es indes schon einmal gegeben. Das war in der Zeit der DDR.

Da soll nun einer behaupten, dieser Wandel habe nichts mit dem Kapitalismus zu tun. Im Sozialismus war unser Dorf jedenfalls mit allem Notwendigen versorgt. Heute fehlt es nicht nur an tausenderlei Dingen, auch die Kommunikation der Einwohner untereinander hat schwer gelitten. Die Leute sehen sich nicht mehr so oft wie früher, manche Zugezogene kennt man überhaupt nicht. Neue Ideen für eine bessere Zukunft können so nicht umgesetzt werden, ohne Kneipe schon gar nicht.

In unserer Kreisstadt Werdau sieht es kaum besser aus. Wie überall sind viele Geschäfte inzwischen weggebrochen. Fast jedes Mal, wenn ich nach Werdau komme, ist irgendein mir vertrauter Laden verschwunden. Dafür wird irgendwelcher Ramsch angeboten. In einigen Geschäften ist das Licht im wörtlichen Sinne aus, und ich traue mich kaum über die Schwelle. Als ich des doch versuche, werde ich lautstark aufgefordert, nicht hereinzukommen. Einige andere Ladenbesitzer schalteten das Licht erst an, als ich eintrat. Diese neue Art der Armut verblüffte mich sehr. Am schlimmsten aber sind die Gesichter der Menschen, in denen zu lesen nicht schwerfällt. Sie sind leer, ausgebrannt und ohne Hoffnung. Dabei beziehen doch die meisten der Älteren ihre sichere Rente. Im Gegensatz zu mir als jungem Menschen haben sie nur wenig Existenzangst. Fast scheint es mir, man habe sie ihrer Seele beraubt.

Sandra Ludwig, Trünzig

Raute

Weshalb der größte Kühlschrank-Finalproduzent Europas plattgemacht wurde

Totschläger in Scharfenstein

Der Betriebsrat der dkk Scharfenstein GmbH rief die verbliebene Belegschaft der Werke Scharfenstein, Niederschmiedeberg und Grießbach überstürzt für den 18. Juni 1991 zu einer Belegschaftsversammlung auf den Hof des Hauptwerkes. Am Vortag hatte die Treuhandanstalt das Ende der traditionsreichen Kühlschrank- und Verdichterproduktion verkündet. Die 2000 Anwesenden beschlossen einstimmig, um den Erhalt ihres vormaligen VEB dkk Scharfenstein zu kämpfen und eine Betriebsbesetzung zu organisieren. Sie konnten sich nicht vorstellen, daß man den größten Finalproduzenten Europas auf dem Gebiet der Fertigung von Haushaltskühlgeräten einfach so von der Bildfläche verschwinden lassen wollte. Hatten doch schon ihre Vorfahren hier gearbeitet. Sie alle waren stolz auf Tradition und eigene Leistungen.

Sechs Tage später. Der mit heftig debattierenden Menschen überfüllte Hof des Werkes Scharfenstein war noch in hellen Sonnenschein getaucht. Am nächsten Tag würde es regnen, und man würde die, die da standen, am Ende auch im Regen stehen lassen. Die IG Metall aus der BRD hatte den Betriebsratsvorsitzenden Manfred Meyer ermuntert, alles zu tun, um die dkk Scharfenstein GmbH, in der in mehreren Betriebsteilen immerhin über 5000 Werktätige gearbeitet hatten, vor dem Untergang zu retten. Übrigens verdienten noch einmal so viele Menschen Lohn und Brot in den zahlreichen Zulieferfirmen des Werkes.

Wir hatten 1989 mehr als eine Million Kühlund Gefrierschränke produziert. Sie waren uns wie immer buchstäblich aus den Händen gerissen worden. Wir konnten gar nicht genug "weiße Ware" herstellen, oft mußten Sonderschichten gefahren werden. Die Forderungen kamen von den Handelsorganen des Inlands, aus der Sowjetunion, den sozialistischen Staaten, aus Frankreich und auch vom BRD-Versandhaus "Quelle", wo unsere Qualitätserzeugnisse den Namen "Privileg" trugen und sehr billig verkauft wurden. Außerdem fertigten wir 1989 immerhin 2,3 Millionen Verdichter und Verdichtersätze. Noch im April 1990 versprach man uns großmäulig ein Joint-venture mit der Bosch-Siemens Hausgeräte GmbH. Man redete von bis zu 49 Prozent Beteiligung am gemeinsamen deutsch-deutschen Geschäft. Und nun standen wir hier, weil Arbeitslosigkeit drohte - ein in der DDR vollkommen fremdes Phänomen. Der Betrieb, so wurde behauptet, sei pleite und in der "sozialen Marktwirtschaft" ohnehin nicht lebensfähig. Deshalb müsse er plattgemacht werden. Die Treuhand könne für diesen Schrotthaufen nicht auch noch Geld ausgeben. Meyer meinte: "Die haben keine müde Mark für uns übrig."

Eingeleitet worden war diese Entwicklung zum Niedergang des Großbetriebes bereits Anfang 1990, als plötzlich am Haupteingang zur Verwaltung schwarze VW- und Mercedes-Limousinen aus der BRD standen. Jeden Tag kamen sie, selbstsicher, wie Sieger eben kommen. Sie saßen beim Betriebsdirektor, ließen sich von den Abteilungen Absatz und Beschaffung, Rechnungswesen und Konstruktion alles vorlegen. Sie wollten die Leistungen des Betriebes in Wissenschaft und Technik, die Partner in den Zulieferbetrieben und die Abnehmer unserer Erzeugnisse im In- und Ausland genau kennenlernen.

Der Betrieb hat mit seinem Ingenieurkader viele Spitzenleistungen vollbracht - in der Weiterentwicklung der Kühl- und Gefrierschränke, neuen Fertigungstechnologien, Maschinen und Anlagen, die im eigenen leistungsfähigen Werkzeugbau hergestellt worden waren. Die Hoffnung der Werktätigen, den Betrieb zu erhalten, gründete sich nun auf den ersten FCKW-freien Kühlschrank der Welt. Er war von unseren Spezialisten entwickelt und gebaut worden. Als das Gerät in der "Wendezeit" auf den Markt kam, gab es großes Mediengezeter. Man las: "Das ist kein Kühlschrank, sondern eine mit Butangas gefüllte Bombe, die in jeder Küche explodieren und Menschen tödlich verletzen kann. Kaufen Sie dieses Scharfensteiner Gerät auf keinen Fall." Ein paar Monate später hatte die Konkurrenz alle Patente an sich gerissen und mit einem Mal war dies der allerbeste Kühlschrank der Welt. Allerdings nicht mehr von dkk Scharfenstein. Erfunden hatten das nun die Siemens-Ingenieure. Unser Betrieb unterstand der Treuhand-Anstalt. Ein Aufsichtsrat überwachte sämtliche Vorgänge, denn es sollte alles nach Recht und Gesetz abgewickelt werden, nach BRD-Recht, versteht sich.

Die Betriebsbesetzung dauerte bereits einige Tage. Wir waren in Schichten eingeteilt, so daß die Werke Scharfenstein und Grießbach rund um die Uhr von den Kolleginnen und Kollegen belagert wurden. Tagsüber kamen die meisten, und da gab es auch vielfältige Aktivitäten seitens der Redner und Besucher. Es erschienen Delegationen anderer Betriebe. Mit Hilfe der Währungsunion hatte man uns gezielt alle Märkte weggebrochen. Jetzt konnte keiner der Kunden mehr unsere Erzeugnisse bezahlen, und die Konkurrenz übernahm einfach die Abnehmer der dkk-Produkte. Wenn das kein Klassenkampf war!

Die Vertreter der neuen Macht erzeugten in uns falsche Hoffnungen auf eine eventuelle Weiterbeschäftigung zumindest eines Teils der Belegschaften. So wurde jeder zum Konkurrenten des anderen gemacht. Es wurde viel schwadroniert: von Bildungs- und Auffanggesellschaften, von Beschäftigungsprojekten, von Abfindungen. Auch gab es internationale Konzerne, die Interesse an dkk zeigten. Aus der Türkei, aus Korea, aus Fernost. Das aber war nicht gewollt. Niedergang mußte es sein! Um den Krieg gegen das Volk für alle Zeiten zu gewinnen und als Mahnung für jeden, der sich erdreisten sollte, es noch einmal zu wagen.

Niemand fragte nach den Schicksalen der stets einsatzbereiten, fleißigen und hochqualifizierten Arbeiterinnen und Arbeiter, der Wissenschaftler, der klugen Konstrukteure und Angestellten der Verwaltung, niemand nach der Zukunft ihrer Kinder und Enkel. "Kollateralschäden" des Krieges gegen jene, die vierzig Jahre dem Kapital die Verwertungsbedingungen entzogen hatten und die nun das Industriesterben im Osten hinnehmen mußten. Wehrlos ausgeliefert einer Gesellschaft, die sie nicht verstehen konnten, weil sie ein Leben lang in Solidarität und Miteinander gelebt hatten, weil sie Arbeitsplatz- und Zukunftssicherheit kannten und nie nur "Arbeitnehmer" gewesen waren.

Längst wissen wir, daß die Betriebsbesetzungen die restlose Vernichtung unserer Industriebetriebe nicht verhindern, ja kaum hinauszögern konnten. Nach und nach wurde alles abgeräumt, und nun sprengt man die letzten leeren Fabrikhüllen, damit in noch einmal zwanzig Jahren keiner mehr ahnt: Dieses Erzgebirge war einstmals eine blühende Industrieregion.

Erhard Otte, Ehrenfriedersdorf

Raute

Wie einer in Knabes "Gedenkstätte" das Blaue vom Himmel herunterschwindeln darf

Von Rüddenklau bis "Rohrzange"

Ich habe im Zusammenhang mit Knabes "Gedenkstätte" in Berlin-Hohenschönhausen wiederholt den Namen Wolfgang Rüddenklau gehört. Durch einen Mitarbeiter dieser Einrichtung erfuhr ich unlängst, daß es sich bei ihm um jene Person handelt, die mir aus Potsdam bekannt ist. Meine Erinnerungen an Wolfgang Rüddenklau, der jetzt "Führungen" in der famosen "Gedenkstätte" veranstaltet, beziehen sich auf Ereignisse und persönliche Wahrnehmungen, die bereits mehr als 20 Jahre zurückliegen. Damals war ich Angehöriger der Kriminalpolizei und bei der Potsdamer Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei (BDVP) tätig.

Eine unserer Aufgaben bestand in der Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Dazu gehörten auch Maßnahmen, die notwendig wurden, um den ruhigen Ablauf großer Sportveranstaltungen zu garantieren. Denn Krawalle in Stadien der BRD, die damals immer größere und gefährlichere Ausmaße annahmen, schwappten auch auf DDR-Sportstätten über.

Um unsere Verantwortung bei Fußballspielen wahrzunehmen, suchten wir den Dialog mit Jugendlichen, weil sich unter ihnen einige befanden, die ihre dem Westfernsehen entlehnten "Erfahrungen" auch in DDR-Stadien erproben wollten. Viele junge Leute suchten von sich aus Kontakt zu uns, weil auch sie solche Exzesse ablehnten und die Veranstaltungen ungestört genießen wollten.

In solchen Zusammenhängen kam ich 1986/87 mit einem Jugendlichen ins Gespräch, der mir über Wolfgang Rüddenklau folgendes erzählte: Er sei durch einen anderen Jungen in eine Wohnung der Potsdamer Gutenbergstraße mitgenommen worden, in der sich Personen im Alter zwischen 13 und 18 Jahren trafen. Mieter sei ein Herr Wolfgang Rüddenklau. Bei diesen Zusammenkünften habe man Instrumente gespielt und Lieder gesungen, deren Texte durch Feindseligkeit gegenüber der DDR geprägt gewesen seien. Rüddenklau habe das Ganze entsprechend kommentiert.

Für uns ergab sich daraus die Notwendigkeit, in Erfahrung zu bringen, ob diese Zusammenkünfte auch dazu dienen könnten, Jugendliche zu Krawallen bei Fußballspielen und anderen Sportveranstaltungen zu inspirieren, oder ob der Verdacht weiterer strafrechtlich relevanter Handlungen begründet sei. Ich fragte den noch Minderjährigen, ob er bereit wäre, im Falle des vorliegenden Einverständnisses seiner Eltern mir nach den nächsten Zusammenkünften einiges zu den dort geführten Gesprächen und dem Verhalten anwesender Personen mitzuteilen. Der Jugendliche lehnte das mit dem Hinweis ab, er gedenke an weiteren Treffen mit Rüddenklau nicht teilzunehmen, da er es satt habe, sich ständig Lügen über das Schulwesen und andere Lebensbereiche der DDR anzuhören. Um aber den Wahrheitsgehalt seiner Schilderungen zu bekräftigen, bot er an, mir Rüddenklaus Wohnung zu zeigen. Er öffnete Haus- und Wohnungstür, wobei ich nicht mehr in Erinnerung habe, ob er selbst einen Schlüssel besaß oder die Eingänge nicht verschlossen waren. Ich blickte durch die offene Tür in die unten rechts befindliche Wohnung, ohne diese zu betreten, da ich dazu keine rechtliche Grundlage besaß. Von dem Jugendlichen wurde das Licht eingeschaltet. An der Decke hing eine einzelne Glühbirne, um den Ofen herum erblickte ich einen Berg Asche und weiteren Unrat. An den Fenstern befanden sich stark verschmutzte Wolldecken. Auf dem Fußboden sah ich mehrere Autoreifen, die offenbar als Sitzgelegenheiten dienten. Das Milieu wirkte verkommen.

Eine Überprüfung ergab, daß Wolfgang Rüddenklau hier gemeldet war. Bevor ich weitere Schritte einleiten konnte, um herauszufinden, ob bei den dortigen Zusammenkünften strafbare Handlungen begangen wurden, war Rüddenklau bereits verschwunden. Es hieß, er halte sich in Berlin auf. Ehe ich die zuständigen Mitarbeiter im Berliner VP-Präsidium über meine Feststellungen in Kenntnis setzen konnte, entnahm ich einer Zeitungsmeldung, Rüddenklau sei im Zusammenhang mit den Ereignissen in der Berliner Zionskirche festgenommen worden. Diese Nachricht sprach sich unter Jugendlichen schnell herum. Einer sagte mir: "Der Spinner läuft doch nicht ganz rund. Den müssen die deshalb doch bald wieder laufen lassen."

Diese Episode habe ich nicht vergessen. Nach 1989 verbreiteten Zeitungsredakteure auf Anhieb durchschaubare Lügen aus dem Munde Rüddenklaus. So erklärte der zum Beispiel: "Die Stasi benötigte keinen Staatsanwalt, um einen Haftbefehl zu erlassen (ND, 19./20. Februar 2005). Ein Haftbefehl erging in der DDR bekanntlich niemals von einem Staatsanwalt, sondern immer auf dessen Antrag von einem Richter (was eigentlich ein Journalist, der sich zu Rechtsproblemen äußert, wissen müßte). Die Behauptung, Mitarbeiter des MfS hätten ohne richterlichen Haftbefehl Menschen festsetzen können, gehört ins Reich antikommunistischer Erfindungen.

Wenn nicht schon ein richterlicher Haftbefehl vorlag, mußte jeder vorläufig Festgenommene innerhalb von 24 Stunden dem zuständigen Richter vorgeführt werden, der dann auf staatsanwaltlichen Antrag seine Entscheidung traf. Das ist auch heute in der BRD die übliche juristische Praxis.

In diesem Zusammenhang fällt mir "Rohrzange" ein. So wurde in Kriminalistenkreisen ein Serieneinbrecher bezeichnet, der uns zunächst namentlich unbekannt war. Mittels einer Rohrzange brach er die Wohnungstüren auf und entwendete in den Räumen befindliche Wertgegenstände. Später verlegte er sein verbrecherisches Treiben von Berlin in den Bezirk Magdeburg. Dort wurde er durch die K gestellt und seiner gerechten Bestrafung zugeführt.

In der sogenannten Wendezeit fragte mich ein Mitarbeiter meiner Arbeitsgruppe, ob ich am Abend zuvor "unsere Rohrzange" im Fernsehen bemerkt hätte. Er berichtete mir, daß "Rohrzange" jetzt in Rathenow eine "Stasi-Opfergruppe" gegründet habe. Im Verlauf der Sendung erklärte dieser Kriminelle, die "Stasi" habe ihn nur deshalb inhaftiert, weil er seiner Freundin eine aus dem Westen stammende Musikanlage "geschenkt" habe. Sie war zuvor aus einer Rentnerwohnung von ihm gestohlen worden. Das MfS der DDR hatte mit der Angelegenheit nichts zu tun.

Lügenstories dieser Art - von Rüddenklau bis "Rohrzange" - könnte man am laufenden Band erzählen. Erinnert sei nur an den angeblichen "Stasi-Killer", den die Medien präsentierten, bevor er sich in Luft auflöste.

Die Tatsache, daß ein windiges Element wie Rüddenklau inzwischen bei Knabe Ahnungslosen oder Irregeführten faustdicke Lügen auftischen darf, zeigt, wohin wir geraten sind.

Siegfried Kaluziak, Feusdorf


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Im richtigen Milieu: Merkel und Knabe in Hohenschönhausen (Mai 2009)

Raute

Wie die Birthler-Behörde jetzt auch weltweit Giftweizen sät

Metastasen der Lüge

"Und es mag am deutschen Wesen einmal noch die Welt genesen." Diese Worte aus dem Gedicht "Deutschlands Beruf" des Lyrikers Emanuel Geibel (1815-1884) wurden in der deutschen Geschichte immer wieder mißbraucht. Kaiser Wilhelm II. nutzte sie als Losung für seine chauvinistische Kriegspolitik, die Nazis für Rassenpolitik und Welteroberungspläne. Im übertragenen Sinne stehen sie auch für die Aktivitäten der Birthler-Behörde. Eine solche Institution war in der ursprünglichen Fassung des "Einigungsvertrages" nicht vorgesehen. Die Akten des MfS sollten eigentlich im Bundesarchiv aufbewahrt werden. Die vehementen Proteste der "Widerständler" aller Couleur und deren Verbündeter in den politischen Parteien der BRD führten dann zur Entstehung der völlig überflüssigen "Stasi-Unterlagen-Behörde" (BStU). Dieses Millionengrab (jährlich ca. 100 Millionen Euro) ist aber weder in der Lage noch gewillt, objektiv mit den Materialien des MfS der DDR umzugehen. Im Gegenteil: Man nutzt das vorhandene "Herrschaftswissen", um wie in Brandenburg gezielt Einfluß auf die Politik zu nehmen. Die scheinbar beeindruckenden Zahlen der Antragsteller auf Akteneinsicht und der Besucher sogenannter Gedenkstätten sind irreführend. So gibt es viele Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes bis hin zu Kindergärtnerinnen, die schon zweioder gar dreimal überprüft wurden. Die Besucherzahlen kommen zustande, indem z. B. Gäste des Bundestages per Bus zur Besichtigung der fragwürdigen Einrichtungen gekarrt werden. Hierbei bildet die PDL keine Ausnahme. Einzelne MdBs aus ihren Reihen haben auch die "Gedenkstätten" in ihr Besucherprogramm aufgenommen. Es wird krampfhaft versucht, die Daseinsberechtigung der Behörde für einen möglichst unbegrenzten Zeitraum zu beweisen. Dazu ist jedes Mittel recht. Doch eine tatsächliche und unvoreingenommene Aufarbeitung der Geschichte erscheint mit und durch die Birthler-Behörde nicht möglich, schon gar nicht isoliert von der Chronik des Wirkens westlicher Geheimdienste beziehungsweise der bundesdeutschen Entwicklung. Eine solche Darstellung wäre ein Akt der Geschichtsfälschung.

Selbst der Willy-Brandt-Kreis der SPD hat 2005 u. a. erklärt: "Wenn heute in Westdeutschland und im Ausland das Bild der DDR als das eines reinen Unrechtsstaates vorherrscht, in dem alle Bürger entweder bei der Stasi gearbeitet haben oder von ihr beobachtet wurden, bei jeder mißliebigen Äußerung im Gefängnis landeten und nur unter Lebensgefahr das Land verlassen konnten, so hat die Behörde ihren Auftrag erfüllt." In den letzten Jahren wird die politische Zweckbestimmung des "Hauses Birthler" internationalisiert.

Die bundesdeutschen Erfahrungen in der Delegitimierung der sozialistischen Vergangenheit sollen Schule machen. Direkt oder mit Hilfe nahezu aller parteinahen Stiftungen, mit Ausnahme der Rosa-Luxemburg-Stiftung, durch das Goethe-Institut, die Robert-Bosch-Stiftung u. a. werden Kontakte zu analogen Behörden in den ehemals sozialistischen Ländern Osteuropas aufgebaut und gepflegt. Dort geht es angeblich um Vergangenheitsbewältigung und Erinnerungskultur. Für seine Aktivitäten ist der BstU ein "wissenschaftliches Beratergremium" beigeordnet, welches aus neun Personen besteht. Davon stammen sieben aus den alten Bundesländern, besitzen also exquisites "Insiderwissen DDR".

Die osteuropäischen Partnereinrichtungen sind in der Regel wesentlich später als die Birthler-Behörde gebildet worden, haben weniger Personal, weniger Geld und auch partiell Einschränkungen im Umgang mit den Akten. Hierzu einige Beispiele:

In Polen nennt sich die Behörde "Institut des Nationalen Gedenkens" - IPN. Es ist ähnlich wie die BstU strukturiert, mit Außenstellen und in wachsender Kooperation mit Birthler.

In Ungarn wurde das "Historische Archiv des Staatssicherheitsdienstes" - ABTL - gebildet. Hier sind nicht alle Akten freigegeben.

In Bulgarien gibt es die "Kommission zur Aufarbeitung der geheimpolizeilichen Akten der ehemaligen VR Bulgarien" - COMDOS. Auch hier macht man bei der Aufdeckung einer inoffiziellen Arbeit hinsichtlich der Konsequenzen Ausnahmen.

In Tschechien heißt die Einrichtung "Institut zum Studium des totalitaristischen Regimes und Archiv der Geheimpolizei" - USTR.

Ähnliche Organe gibt es in Rumänien, der Slowakei und Slowenien.

Darüber hinaus besteht eine Reihe weltweiter Kontakte. So zu Irak, zur Mongolei und nach Südamerika. Aus Mazedonien war der Staatspräsident zur Konsultation bei Birthler. Mit Albanien ist man über die Friedrich-Ebert-Stiftung im Gespräch. In den baltischen Staaten bemüht sich das Goethe-Institut als Vermittler. Beim Meinungsaustausch mit Museumsdirektoren aus dieser Region wurde seitens der BstU konstatiert, "daß die Länder, die sich am wenigsten mit der Geschichte ihrer Diktaturen oder der Unterdrückung des Volkes auseinandersetzen, für die zukünftige europäische Identitätsfindung schlecht aufgestellt sind".

In der Ukraine führt die Konrad-Adenauer-Stiftung sogenannte Kiewer Gespräche im Sinne der Birthler-Behörde. Aus Japan waren Journalisten über das Goethe-Institut eingeladen, und in Südkorea bestehen Verbindungen zum Wiedervereinigungsministerium. Die Birthler-Behörde kann sich also nicht über fehlendes Interesse beklagen. Im Gegenteil: Neben der "Forschung" und der Einrichtung von Archiven renommiert sie auch mit der Projektgruppe "Virtuelle und manuelle Rekonstruktion" (Berlin und Zirndorf in Bayern). Hier handelt es sich um den Versuch, Papierschnitzeln durch Zusammensetzen Staatsgeheimnisse zu entlocken. Diese sinnlose Tätigkeit verschlingt Millionen Euro.

Auch um das "deutsche Wesen" in die Welt zu tragen, wurde am 12. Dezember 2008 auf Initiative der Birthler-Truppe ein "Europäisches Netzwerk der für die Geheimpolizei zuständigen Behörden" gegründet. Derzeit arbeiten hier Vertreter aus Bulgarien, Rumänien Ungarn, Tschechien, Polen und der Slowakei mit.

Immer wieder taucht der Begriff Lustration auf. Man versteht darunter die Entfernung von "politisch belasteten" Mitarbeitern aus dem öffentlichen Dienst bzw. die Überprüfung von Staatsdienern. Hier besitzt Birthler reiche Erfahrungen.

Fazit: Im Grunde genommen leistet die BstU in anderen Staaten Beihilfe zur Störung des Rechtsfriedens, mischt sie sich in deren innere Angelegenheiten ein, wenngleich mit Duldung der Betroffenen.

Was wäre erforderlich? Die ersatzlose Auflösung der BStU sowie die Überführung aller Unterlagen in das Bundesarchiv, die Schaffung von organisatorischen und inhaltlichen Voraussetzungen zur objektiven Aufarbeitung dieser speziellen Seite der jüngsten deutschen Geschichte. Daraus folgte zwangsläufig die Anerkennung der ehemaligen Mitarbeiter des MfS als Zeitzeugen. Der bisherige Mißbrauch der Unterlagen sollte untersucht und rechtlich beurteilt werden.

Oberst a. D. Karl Rehbaum, Bernau

Raute

Über angebliche "Opfer des SED-Regimes" und Opfer der Konterrevolution

Zerrbilder

Der Vorwurf gegen ehemalige Mitarbeiter des MfS oder andere Bürger der DDR, schuldig geworden zu sein, weil sie einem "Unrechtsstaat" gedient hätten, ist juristisch unhaltbar und politisch unmoralisch. Was immer auch unter dem antikommunistischen Kampfbegriff "Unrechtsstaat" verstanden werden soll, auf die DDR trifft er nicht zu. Sie entstand im Ergebnis der von den westlichen Alliierten der Antihitlerkoalition unterstützten Politik Konrad Adenauers zur Spaltung Deutschlands. Durch Volksabstimmung - einer geheimen Wahl entsprechend - wurde in der DDR 1968 eine sozialistische Verfassung in Kraft gesetzt, die noch heute den Vergleich mit dem ohne jegliche Volksbeteiligung auf den Weg gebrachten Grundgesetz der BRD nicht scheuen muß. Leider entsprach die Verfassungswirklichkeit der DDR nicht immer diesem hohen Anspruch.

Nach der Gesetzgebung der DDR, an deren Zustandekommen alle fünf in der DDR zugelassenen Parteien und - im Unterschied zur BRD - auch gesellschaftliche Organisationen beteiligt waren, galt das MfS als ein staatliches Schutzorgan, dem durch die Volkskammer spezielle Aufgaben zur Abwehr äußerer und innerer Feinde zugewiesen wurden. Seine Tätigkeit kontrollierten die SED-Führung und die Regierung der DDR. Es war kein "Staat im Staate", wie behauptet wird.

Das operative Handeln jedes einzelnen Mitarbeiters des MfS war strikt geregelt. Gesetzesverletzungen durch Angehörige des Ministeriums wurden strafrechtlich streng geahndet. Allein die Tatsache, daß innerhalb des Untersuchungsorgans, der Hauptabteilung IX, die Abteilung 5 - unter Anleitung und Kontrolle der Staatsanwaltschaft - mit der Untersuchung von Straftaten hauptamtlicher und inoffizieller Mitarbeiter des MfS beauftragt war, belegt das. Eine Auswertung der von dieser Abteilung bearbeiteten Ermittlungsverfahren würde aufschlußreich sein.

"Schuld ist wie Unschuld nicht kollektiv, sondern persönlich", erklärte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner vielbeachteten Rede zum "40. Jahrestag des Kriegsendes" (es hieß ausdrücklich nicht der Befreiung) vom 8. Mai 1985. Hier ging es um die Schuld der Deutschen an den Verbrechen des Faschismus.

In ähnlicher Weise äußerte sich Alt-Bundespräsident Roman Herzog am 19. Januar 1996 vor dem Deutschen Bundestag aus Anlaß des "Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus": "Dieses Gedenken ist nicht als ein in die Zukunft wirkendes Schuldbekenntnis gemeint. Schuld ist immer höchstpersönlich, ebenso wie Vergebung. Sie vererbt sich nicht."

Gibt es innerhalb der staatlich organisierten und finanzierten Netzwerke zur "Aufarbeitung der SED-Diktatur" eine Behörde, eine Organisation oder einen Verein, die nach dieser Maxime handeln oder gehandelt haben? Das ist eindeutig zu verneinen. Statt dessen werden einstige Bürger der DDR, die sich für eine sachliche und differenzierte Aufarbeitung der Geschichte ihres Staates einsetzen, pauschal diffamiert und als Täter kriminalisiert. Man spricht ihnen die Fähigkeit ab, sachliche und kompetente Zeitzeugen zu sein.

Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang die - natürlich hauptsächlich durch das MfS "zu verantwortenden" - angeblichen "Opfer des SED-Regimes". Von Hunderttausenden ist hier gewöhnlich die Rede. Gemessen am Personalbestand, müßte also jeder einzelne Mitarbeiter des MfS mehrere "Opfer" auf dem Gewissen haben. Dies nachzuweisen sollte angesichts vorliegender Akten doch keine Schwierigkeiten bereiten. Dabei müßte es auch möglich sein, die persönliche Schuld der betroffenen Mitarbeiter des MfS transparent zu machen und individuell darzustellen.

Nun gibt es aber eine - unfreiwillige - "Opferstatistik" der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion (Drucksache 16/11466; Antwort 16/11555) aus dem Jahre 2009, die - so sollte man annehmen dürfen - ein realistischeres Bild vermittelt. Anträge insgesamt: 60.198 (einbezogen sind hier auch Anträge aus den alten Bundesländern ohne Angabe der Gründe). Davon bewilligt: 39.797; abgelehnt: 2185; auf andere Weise erledigt (was immer das heißen mag): 8747; noch anhängig: 9469. Hochgerechnet blieben also weniger als 50.000 Anträge übrig, was etwa einem Fünftel der seit Jahren unterstellten 250.000 "Opfer" entspräche! Zwangsläufig fragt man sich: Warum erfolgt in dieser Statistik keine Gliederung nach den staatlich definierten "Opferkategorien"?

Bekanntlich gibt es drei Gesetze zu deren Rehabilitierung: Das Gesetz für strafrechtlich Verfolgte (StrRehaG), dessen "Opfer" automatisch dem MfS zugeordnet werden; das Gesetz zur verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung (VwRehaG), von welchem behördliche Entscheidungen - von der Einweisung in ein Kinderheim bis zu territorialen Aufenthaltsverboten - erfaßt werden; das Gesetz zur beruflichen Rehabilitierung (BerRehaG), auf welches sich alle stützen können, die annehmen, sie seien in ihrer professionellen Entwicklung in der DDR behindert worden. Die beiden letztgenannten Gesetze sind zur Kriminalisierung des MfS wenig geeignet, weshalb eine statistische Differenzierung vermutlich ausgeblendet wird.

Würde man nun noch die rechtsgültig verurteilten Straftäter, denen aus rein politischen Gründen ein "Opferstatus" zuerkannt wird, ausgliedern, so reduzierten sich die tatsächlichen Opfer des MfS auf einen Promillewert!

Dazu gibt es unter der Mehrheit der ehemaligen Mitarbeiter des MfS eine klare Position: Auf jeden von ihnen, der sich vor 1990 einer Gesetzesverletzung schuldig gemacht hat, müssen die gesetzlichen Bestimmungen der DDR auch heute angewandt werden.

Wie aber ist mit in den Freitod Getriebenen und anderen Opfern der "Wende" und des "Beitritts" zu verfahren, über die in der BRD begreiflicherweise keine Statistik geführt wird? Es gibt nur wenige, die für sie die Stimme erheben. In keinem Programm einer politischen Partei oder Material der Bundesregierung finden sie Erwähnung. Dabei dürfte ihre Zahl die der sogenannten Mauertoten um ein Vielfaches übertreffen.

Gibt es in der heutigen Gesellschaft Raum, dieser Opfer der Konterrevolution zu gedenken und über deren Gründe, aus dem Leben zu scheiden, sowie über notwendige gesellschaftliche Konsequenzen zu reden?

Herbert Kierstein, Bestensee

Raute

Warum sie kein einziger Staat wegen fehlender Menschenrechte vor der UNO anklagte

Die "Defizite" der DDR

Mindest- oder Niedriglöhne, hauptstädtisches S-Bahn-Chaos, Arbeitslose und Kurzarbeiter, Zwangsumzüge von Erwerbslosen, Menschen ohne Obdach in winterlichen U-Bahnhöfen, Betriebspleiten ohne Ende, Neonazismus, Soldaten in fremden Ländern, Wohnungs- und Arbeitsmärkte, Kinderarmut, Amokläufer in Schulen, Tafeln und Suppenküchen, Studentenstreiks, Hartz IV, Leiharbeit, Rente mit 67, Zuzahlung bei Krankenbehandlung, Überschuldung allenthalben - auf derart Exquisites mußte die Mangelwirtschaft der DDR leider verzichten. Nun erschweren ihr gerade diese "Defizite" enorm die Aufarbeitung des Unrechts. Wie viele Opfer könnte man doch vorführen, wie viele Ausstellungen veranstalten, wie viele Fernsehknüller präsentieren, wie viele Gedenkstätten eröffnen, wie viele Horrorstories schreiben, wie viele Schreckensfotos zeigen und wie viele Rührromanzen drehen, hätte es solche Menschenrechte auch in der DDR gegeben.

Als Rettung aus dem Dilemma kam die DDR-Staatssicherheit wie gerufen. Allein das Wort hört sich gruselig an und läßt Geheimnisvolles ahnen. Nun hatte aber das MfS der DDR - im Gegensatz zu anderen Geheimdiensten - tatsächlich den Auftrag, für die Sicherheit des Staates zu sorgen. Wenn die Geschichte nicht lügt, gab es dafür auch hinreichend Gründe. Doch selbst nach 20 Jahren finden sich immer wieder Leute, die sich als Opfer des MfS darstellen. Die wenigsten waren es wirklich. Die meisten dieser "Opfer" sind ebenso imaginär wie der beharrlich unterstellte "Schießbefehl", der den DDR-Grenztruppen bekanntlich niemals erteilt worden ist.

Warum hat eigentlich keiner der 135 Staaten, mit denen sie diplomatische Beziehungen unterhielt, die DDR in der Zeit ihres Bestehens jemals wegen ihrer Staatssicherheit oder anderer finsterer Taten vor der UNO angeklagt? Auch die BRD, die doch etliche Strafgefangene von der DDR freikaufte und demzufolge aus erster Hand informiert gewesen sein müßte, hielt sich tunlichst bedeckt. Andererseits verfügten ja die Dienste imperialistischer Staaten neben jenen 5000 westlichen Agenten, die im Laufe der Jahre zwischen Thüringen und der Ostsee gefaßt wurden, zweifellos über weit mehr aus der und über die DDR berichtende Informanten.

Seit 20 Jahren gibt es kein MfS mehr, und dennoch bläst man nach wie vor zur Jagd auf dessen einstmals Informelle Mitarbeiter. Um einen solchen Bürger öffentlich fertigmachen zu können, genügt der Nachweis einer Unterschriftsleistung. Artikel 3 des Grundgesetzes, nach dem "niemand wegen ... seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt ... werden" darf, und Artikel 103, demzufolge eine Handlung nur dann bestraft werden kann, "wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde", interessieren die Herolde des Rechtsstaates ebensowenig wie der Fakt, daß es gar nicht um Mord, Totschlag, Bestechung oder andere schwere Verbrechen geht. Menschen, die vor Jahrzehnten ihre Unterschrift in voller Übereinstimmung mit den Gesetzen des Staates leisteten, in dem sie lebten, werden in Wort und Bild öffentlich angeklagt, politisch herabgesetzt und persönlich entehrt. Man spricht ihnen sogar das Recht zur Ausübung von Wahlfunktionen ab. "Die Würde des Menschen ist unantastbar", heißt es im Grundgesetz. Wird diese Würde nur selektiv gewährt und ebenso selektiv mit Füßen getreten?

Der FDP-Mann Klaus Kinkel, der mehrere Kabinettsposten in der BRD bekleidete, wußte wohl um die Verdienste der DDR, als er am 23. September 1991 auf dem Deutschen Richtertag in Köln die vielschichtige Formulierung wählte: "Ich baue auf die deutsche Justiz. Es muß gelingen, das SED-System zu delegitimieren, das bis zum bitteren Ende seine Rechtfertigung aus antifaschistischer Gesinnung, angeblich höheren Werten und behaupteter absoluter Humanität hergeleitet hat, während es unter dem Deckmantel des Marxismus-Leninismus einen Staat aufbaute, der in weiten Bereichen genauso unmenschlich und schrecklich war wie das faschistische Deutschland ..."

Da fragt es sich, warum ein solcher Text eigentlich nicht im Einigungsvertrag gestanden hat. Ist dieses Bild der DDR bei den darüber geführten Verhandlungen beider deutscher Staaten von BRD-Seite niemals zur Diskussion gestellt worden?

Am 15. Januar begingen Krawallmacher von einst den "Sturm auf die Stasi-Zentrale" vor 20 Jahren mit einem "Bürgerfest". Hier sei der seinerzeitige Innenminister Peter-Michael Diestel (CDU) in den Zeitzeugenstand gerufen. Am 15. Juni 2001 schrieb er im ND: "Etwas belustigt hat mich beispielsweise die Darstellung, aufgebrachte Bürger hätten am 15. Januar 1990 spontan die frühere MfS-Zentrale gestürmt. Da können sogenannte Bürgerrechtler solange sie wollen von einem verständlichen Volkszorn reden, der sich Bahn gebrochen habe. Tatsächlich handelte es sich um eine langfristig geplante Aktion zahlreicher ausländischer Geheimdienste. Dies erfuhr ich aus erster Hand. MfS-Aufklärer hatten den geplanten Coup bereits drei bis vier Wochen vor dem 15. Januar ausgekundschaftet und entsprechende Vorsorge getroffen."

Nach 20 Jahren brutaler kapitalistischer Realität, gepaart mit hemmungslosem Antikommunismus, bekenne ich: Ich bin dem Schicksal dafür dankbar, daß ich in der DDR leben konnte!

Erhard Römer, Berlin

Raute

Warum ein Ausgeblaßter von der "jungen Welt" Farblosigkeit einfordert

Be-Liebich

Im Januar-"RotFuchs" trifft der rote Stachel von Klaus Steiniger so recht ins schwarz-gelbe "Wespenkabinett". Inzwischen ist den Wespen allerdings aufgefallen, daß schwarz-gelb keine gute Farbkombination ist: Gelb signalisiert sogar Neid und Eifersucht. In Zukunft wünschen die Koalitionäre daher als christlich-liberal betitelt zu werden. An derlei Umbenennungen haben wir uns inzwischen gewöhnt. So heißt ja das Arbeitsamt jetzt vornehm "Arbeitsagentur".

Hier soll von Inhalten gesprochen werden. Das gelingt Dr. Ernst Heinz - ebenfalls im Januar-RF - mit seinem Beitrag "Lederer will Marx ans Leder" vortrefflich. Allerdings kann ich seine Erfahrungen für Brandenburg so nicht nachvollziehen. Als sich vor den Landtagswahlen unsere führenden Genossen an die "Basis" begaben, waren sie zurückhaltend, "erläuterten" die Notwendigkeit einer drohenden Koalition, nahmen teils heftige Kritik "zur Kenntnis", ohne daß man den Eindruck hatte, diese sei auch in der Alleestraße - dem hiesigen Sitz der Partei Die Linke - tatsächlich angekommen. Bei Dr. Klaus Lederer scheint das anders zu sein: Er gibt sich militant, ja aggressiv, fast schon zynisch abkanzelnd, geniert sich nicht durchblicken zu lassen, daß er einer anderen "Kiste" entstammt. Aus Potsdamer Sicht ist schwer einzuschätzen, wie weit dieser Prozeß in Berlin bereits gediehen ist. Den Ausfällen Lederers jedenfalls wurde höchstens in der "jungen Welt" begegnet, parteioffiziell jedoch niemals Paroli geboten.

Es ist nicht ganz alltäglich, daß jemand aus der Führungsriege - wenn auch der zweiten Reihe - der Linkspartei auf Fragen Peter Wolters von der "jungen Welt" antwortet. Wenn man diese Zeitung nicht - wie der interviewte Stefan Liebich - "abbestellt" hat, ist man in den Genuß des Beitrags "Anpassung getrimmt" von Albrecht Müller gekommen, der die recht beliebigen Ausführungen Stefan Liebichs vorausschauend kommentierte.

Nach Meinung von St. L. sollte sich die "junge Welt" allein auf "Fakten" beschränken, nach denen sich der Leser dann "selbst eine Meinung bilden kann". Das heißt die Engelsschen "Waffen der Kritik" werden kampflos gestreckt, "Meinungsbildung" wird nicht mehr als dialektischer Prozeß, als gesellschaftliche Auseinandersetzung, sondern als Akt "persönlicher Freiheit" interpretiert. Eine derart harsche Empfehlung geht nicht etwa an den "Spiegel" oder die "Süddeutsche", sondern an die jW. Die sollte gefälligst auf Kommentare und Hintergrundinformationen verzichten. In der gesellschaftlichen Entwicklung befindet sich der "Fakt" im Spannungsfeld vieler Konflikte und Widersprüche. St. L. aber folgt einer statischen' hausbackenen Logik, die die Möglichkeiten menschlicher Erkenntnis nicht ausschöpft und Zusammenhänge zerstückelt.

Es gleicht einer Herabsetzung, wenn die jW nach den Vorstellungen von Liebich aufhören sollte, mit einem eigenen Standpunkt aufzuwarten. Der Leser erwartet Rat, er möchte sich in "seiner" Zeitung bestätigt fühlen. Wenn St. L. den Leser abwertend vor dem "Agitationsorgan" jW bewahren möchte, liefert er ihn hilflos der "totalen Manipulation" (Albrecht Müller) der Medienmogule aus. Die Naivität Liebichs läßt staunen, da doch die Medien unumstritten als "vierte Macht" gelten, die über Aufstieg und Fall der Großen, Sieg und Niederlage bei Wahlen entscheidet. Ausgerechnet ein linkes Blatt soll da - laut St. L. - das Feld räumen, "sich mit den Fakten befassen". Die "Meinungsbildung" wird damit in die Gesindestube verwiesen.

Für Liebich spielt die aktive Einbindung der linken Presse in den "Meinungsbildungsprozeß" keine Rolle mehr. Eine revolutionäre Zeitung sei nicht nur kollektiver Propagandist und Agitator, sondern auch kollektiver Organisator, hatten wir früher richtig gelernt. Während die bürgerlichen Medien ihre gut inszenierten Kampagnen durchziehen, steht der Kampf um die Köpfe für unseren Kritikus nicht mehr zur Debatte. Die "junge Welt" hatte sich Anfang der 70er Jahre (da gab es Stefan Liebich wohl noch nicht) einer weltweiten Kampagne zur Befreiung von Angela Davis angeschlossen - erfolgreich. Jetzt setzt sie sich für die Befreiung der Cuban Five und Mumia Abu-Jamals ein. Das wäre aus Liebichs Sicht nicht nötig. Es würde ja genügen, wenn das linke Blatt ab und an den "Fakt" bestätigt.

Nehmen wir die Intervention in Afghanistan. Da wird vor dem Leser jongliert, ob dort ein "Krieg" oder nur "kriegsähnliche Handlungen" stattfänden, ob der "Einsatz" "angemessen" oder "unangemessen" sei, ob man mehr "Truppen entsenden" solle, um "nachher um so mehr Soldaten abziehen zu können", oder ob man "tiefer in die Tasche der Steuerzahler greift", um die Taliban schlichtweg einzukaufen. Die Desinformationskanäle der Bourgeoisie geben sich "objektiv", ja "unparteiisch", einzig und allein mit dem Ziel, die bereits beschlossene "Entsendung weiterer Kontingente" zu flankieren. Und da soll eine letzte mutige Tageszeitung der Linken als "Agitationsorgan" sterilisiert werden, nicht mehr zu Protesten, zu Unterschriftensammlungen, zum Plakatemalen, zu Demonstrationen aufrufen!

In Ostberlin wurde unter Umgehung "plebiszitärer Elemente", dem gepriesenen "Respekt" vor den Opfern, den Überlebenden und den noch Lebenden - ich erlaube mir da ein Wörtchen mitzureden - ausgerechnet in Friedrichsfelde der "Stein des Anstoßes" installiert. Erst einmal hingesetzt, und wenn er steht, können sich die jW-Leser und andere Demokraten - bitte schön - ihre "Meinung über diesen Fakt" an den Gräbern von Wilhelm Liebknecht, Hermann Duncker, Karl und Rosa und der vielen anderen "bilden". Eine nachträgliche Bevormundung der Bestatteten und der Gedenkenden! Stefan Liebichs Mitstreiter Klaus Lederer "untermauerte" diese Entweihung generös, indem er unterstellte, daß die "Zwangskollektivierung" in der Sowjetunion vor 80 Jahren durchaus auf den Gräbern deutscher Sozialisten in Berlin ausgetragen werden könne.

Somit erwartet Stefan Liebich einen Patienten, der mit fertiger Diagnose und den nötigen Medikamenten beim behandelnden Arzt erscheint, keine Therapie, keine Beratung mehr benötigt. Er geht davon aus, daß der heutige Leser "fit" ist, sich in den äußerst komplizierten, verlogenen, oft mutwillig verschleierten und labyrinthartigen Entwicklungen der Gesellschaft irgendwie "selbst" zurechtzufinden. Dabei bieten Zeitungen wie ND und jW vielfach als Beilage "Ratgeber" an, Konsultationen mit qualifizierten Rechtsanwälten sind gern gelesene Seiten. Ausgerechnet in Politik, in Weltpolitik gar sollte sich dieses Bedürfnis nach Rat nicht bewähren?

Walter Ruge

Raute

Wo bleibt heute eigentlich der flammende Protest von den Kanzeln?

Pflugscharen zu Schwertern?

Der Artikel von Prof. Dr. Horst Schneider "Kleriker der Konterrevolution", welcher im Februar-Heft des RF erschien, hat mich lange über meine eigenen Erfahrungen als ehemals engagiertes Mitglied der Evangelischen Kirche nachdenken lassen. Er gab mir den Mut, meine Gedanken zu Papier zu bringen.

Ich weiß, daß es auch in linken Kreisen eine gewisse Scheu gibt, kritisch über die Kirchen zu berichten, weil man die Gefühle gläubiger Menschen nicht verletzen möchte. Das und diese Gefühle respektiere ich. Doch gerade der Respekt vor den Inhalten des christlichen Glaubens, den ich persönlich nicht mehr vertrete, muß es doch möglich machen, ja, verlangt es vielleicht sogar, die Rolle der Kirchen in dieser Gesellschaft kritisch zu beleuchten. Ich kann und will mich hier allerdings nur auf die Evangelische Kirche als die Glaubensgemeinschaft, der ich angehörte, beschränken.

Seit der sehr zaghaften Kritik der ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden Käßmann denke ich noch öfter als früher an mein kirchliches Engagement zu Zeiten der DDR nach. Ich erinnere mich an die damals in den Kirchen, bei der "Jungen Gemeinde" und anderen Ortes vorgebrachte Kritik an unbestreitbaren Fehlentwicklungen in der DDR, der lähmenden Sprachlosigkeit in der Gesellschaft und der mangelnden Gesprächsbereitschaft der politischen Führung mit kritischen Geistern. Zweifellos lag in meiner Heimat, der ich mich auch schon damals trotz allem tief verbunden fühlte, einiges im argen. Die Kirche, so schien es mir, war der einzige Ort, der offene Gespräche zuließ. Ein freierer Geist als in der Schule oder im Lehrlingswohnheim herrschte dort. Ich gebe zu, daß auch ich Hoffnungen auf Gorbatschow setzte, daß ich ein Aufbrechen der Erstarrung erwartete und daß ich wie viele Jugendliche sehr ungeduldig auf ein Signal hin zu einer besseren DDR setzte, was immer das sein sollte. Ich war jung und wollte den Aufbruch.

Ich erinnere mich deshalb so oft daran, weil mir das Verhalten der Kirche heute in einem unglaublichen Mißverhältnis zu ihrem kritischen Aufbegehren in der DDR zu stehen scheint. Etwas stimmt hier absolut nicht. Vergleiche ich das Sündenregister dieser verblichenen DDR mit dem der jetzigen BRD, dann sind alle Defizite des Arbeiter-und-Bauern-Staates wirklich Lappalien. Die BRD führt Kriege. Die DDR stand für Frieden. Wo bleiben also die Friedensgebete? Müßten nicht die Proteste gerade der kirchlichen Würdenträger lauter und eindeutiger denn je erklingen? Müßte nicht die Kirche, das 5. Gebot und die Bergpredigt vor Augen, die Antikriegsproteste anführen? Wo bleibt der Ruf nach der Würdigung der Menschenrechte?

Eine schreiende soziale Ungerechtigkeit vergiftet dieses Land. Immer schamloserer Reichtum verhöhnt die Armen und plündert jene, welche den Reichtum schaffen. Müßten nicht die Kirchen, die in der sozial ausgewogenen DDR Gerechtigkeit einklagten, jetzt noch viel eindeutiger Klage erheben?

Der Überwachungsstaat BRD ist im Gegensatz zum vermeintlichen Überwachungsstaat DDR Realität. Das Gut der Freiheit, in der DDR immer wieder angemahnt, wird heute tatsächlich durch einen Orwellschen Alptraum mit Füßen getreten. Wo bleibt der flammende Protest von den Kanzeln?

Ich erinnere mich an die Kerzen, die auf den Stufen der Kirchen damals, als wir eine bessere DDR forderten, brannten. Ich frage mich heute, ob die Kerzen angesichts des Unrechts in der BRD nicht bis zu den Kirchturmspitzen reichen müßten.

Doch die Realität ist eine andere. Kein staatliches Großereignis findet statt, ohne daß kirchliche Würdenträger auf den VIP-Plätzen sitzen und auf Banketten mit den Kriegsherren anstoßen. Wie kann das sein?

Mehr und mehr regt sich in mir der Verdacht, daß hinter der kirchlichen Oppositionsrolle in der DDR etwas ganz anderes steckte als die Sorge um das Wohlergehen der Bürger. Natürlich gab es wirklich auch von kirchlicher Seite aufrichtigen Einsatz für echte Verbesserungen. Und dennoch kann ich angesichts der Schieflage des Bildes, welches die Kirche heute auf dem Gebiet des Kampfes für Gerechtigkeit im Vergleich zu damals abgibt, nicht die Augen davor verschließen, daß da etwas nicht stimmen kann. Sicher hört man vereinzelte mahnende Worte gegen die derzeitigen Mißstände. Gemessen aber an der Schwere des jetzt herrschenden Unrechts im Vergleich zu den Fehlentwicklungen damals wirken sie auf mich lächerlich. Sie erscheinen mir eher wie Pflichtrituale, die man ab und zu der Glaubwürdigkeit halber praktizieren zu müssen meint. Jahrhundertelang stand die Kirche immer auf der Seite der Mächtigen und nur sehr selten auf seiten der Machtlosen. In der DDR war sie von dieser Macht ausgeschlossen. Da fällt Umgewöhnen schwer. Es tut weh, kann ich mir denken, wenn man es seit Kaiser Konstantin gewohnt war, am reich gedeckten Gabentisch zu sitzen. Jetzt, in der BRD; ist die Welt für die klerikalen Steigbügelhalter der Macht wieder in Ordnung. Proteste scheinen da unnötig zu sein, wo sich die Mächtigen selbst auf christliche Werte berufen. Diese Anmaßung aus dem Wertesystem von Christen heraus kritisch zu hinterfragen, wirkt da nur unnötig und störend.

Kann es also sein, daß hinter dem kirchlichen Protest in der DDR neben, ich wiederhole es, aufrichtigem Bemühen um Verbesserungen als Motiv auch ein gerüttelt Maß Antikommunismus steckte? Ich bin heute davon überzeugt. Und wenn ich mir Personen wie Eppelmann, Birthler, Gauck oder Merkel anschaue, dann habe ich das Gefühl, daß meine Ideale, mein Einsatz und meine Träume mißbraucht wurden, um solche Gestalten ans Ruder zu bringen. Das läßt mich zugegebenermaßen wütend und traurig sein.

Vor einem Jahr bin ich aus der Kirche ausgetreten, nachdem sie mir schon lange fremd geworden war und auch mein Glaube einem tiefen Agnostizismus Platz machen mußte. Vielleicht, so denke ich inzwischen, hat es die Kirche, der ich anzugehören glaubte, ja auch nie gegeben.

Ulrich Guhl, Berlin

Raute

Wie Arthur Freiherr von Salmuth in Blut badete

Amoklauf gegen Spartakisten

Noch immer präsentiert das Deutsche Historische Museum Berlin das Dokument einer adligen Dame, die im Internet als Kronzeugin der politischen Ereignisse vom März 1919 vorgestellt wird: Else Freifrau von Salmuth (*1872, †1930). Ihr vaterländisches blaues Blut kochte schon über, als sich der Kaiser im Herbst 1918 aus dem Staube zu machen anschickte. In einem Aufruf an "Deutsche Mütter, deutsche Frauen!" flehte sie: "Empört es Euch gar nicht, daß die Feinde sich sogar erkühnen, unser Hohenzollernhaus stürmen zu wollen, dem wir Jahrhunderte hindurch in Treue dienten?

Deshalb hetzte und peitschte der Feind mit raffinierter Schlauheit, durch teuflische Lügen und Vorspiegelungen die Volksseele auf, verblendete dem deutschen Volk die Sinne und besiegt uns furchtbarer als durch blanke und ehrliche Waffen." Verständlich, daß ihr preußisches Denken als "Kronzeugin" der Lichtenberger Ereignisse einige Monate später keinen Deut an Haß gegen die einfachen Leute vermissen ließ.

"Das Gesindel auf den Straßen wurde immer schlimmer, man sah so recht, daß es Spartakusleute waren. Anständige Gesichter waren nicht viele zu sehen."

Obgleich die Blaublütige nie vergaß, ihren ausgeprägt christlichen Glauben hervorzuheben, schwamm sie standesgemäß im Fahrwasser der finstersten Reaktion. Diese bezichtigte natürlich die Spartakisten: "Ihre Schuld ist es, das Großstadtgesindel bewaffnet und ihm die Gelegenheit zu verbrecherischem Handeln verschafft zu haben, bewaffneter Pöbel, halbwüchsige Burschen und Straßendirnen."

Der im Internet vom Deutschen Historischen Museum 90 Jahre später gänzlich kommentarlos eingestellte "Erlebnisbericht" der seinerzeitigen Ehefrau des Polizeipräsidenten Arthur Freiherr von Salmuth beweist die höchstnotpeinliche Nonchalance, mit der heute Geschichte "vermarktet" wird. Allerorten - Hauptsache gegen die Linken!

Als der Preuße Arthur Freiherr von Salmuth von den Nazis am 10. April 1933 seinen Reisepaß Nr. 132R/309/33 in Empfang nahm, bescheinigte man ihm in der Rubrik Beruf: "Polizeipräsident a. D." Unter besonderen Kennzeichen: "Narbe auf der linken Wange." Die brachte man ihm auf dem Heidelberger Paukboden In der Hirschgasse als Mitglied der "Schlagenden Verbindung Corps Vandalia" bei.

1900 bestallte Wilhelm II. den Getreuen zum Landrat in Liegnitz. Bill Drews als preußischer Innenminister berief ihn am 29.9.1917 zum Polizeipräsidenten von Berlin mit Dienstsitz in der Lichtenberger Alfredstraße. Aus der Ehe mit der einstigen Ersten Frau im Landkreis Liegnitz, Else Freifrau von Salmuth, gingen drei Kinder hervor; Hans-Joachim (*1891), Eva (*1893) und Curt (*1895). Beide Söhne zogen als Freiwillige in den Krieg. Der Älteste schrieb: "Das, was alle Welt befürchtete, das junge Kriegerherz ersehnte und schließlich das Schicksal gewollt, ist eingetreten. Wir leben im Kriege, die ganze Welt steht in Flammen. Wer hätte das gedacht, daß es so schnell zum europäischen Kampfe, der wohl gar der größte und blutigste in der Weltgeschichte werden wird, kommen würde? Man kann nur ernst in die Zukunft blicken und immer wieder beten - um Sieg und Gottes Hilfe." Und Curt, der Jüngere: "August 1914 Belgien. Jetzt brennen schon 9 Häuser. Wenn ich doch nur mit meiner Abteilung in das Dorf gelassen würde, ich würde da schon unter dieser Schweinebande aufräumen. Ich würde gar nicht erst schießen, sondern alles mit dem Bajonett niederstoßen lassen, und ich würde sie in die brennenden Häuser reintreiben, diese Hunde. Jedes Haus, das ich brennen sehe, erfreut mich im tiefsten Herzen. Das ist der Krieg."

Im Ergebnis der Kämpfe, die am 8. März gegen 17 Uhr 15 um das Gebäude Alfredstraße 3-5 begannen, berichtete am Sonntagmorgen der sozialdemokratische "Vorwärts": "Sechzig Polizeibeamte und einige Dutzend Regierungssoldaten sind wie Tiere abgeschlachtet worden."

Detaillierter noch wurden die Presseveröffentlichungen dann am Montag: "Nach mehrtägiger Belagerung ... nach heftigem zweistündigen Kampf ... stellten die Kommunisten sofort 5 Beamte, soweit bis jetzt bekannt geworden, Kriminalbeamte, an die Wand und erschossen sie." Dann aber folgte dieser Veröffentlichung eine gewisse Korrektur: "Die Spartakisten führen zur Zeit ihre Absicht, sich in Lichtenberg zu verschärftem Widerstand zu setzen, aus. Das Polizeipräsidium wurde von ihnen gestürmt und sämtliche Bewohner mit Ausnahme des Sohnes des Polizeipräsidenten auf viehische Weise niedergemacht." Und manche Zeitungen, wie das deutschnationale Blatt "Germania" berichteten, diese Story von "einem zweifellos zuverlässigen" Zeugen erfahren zu haben.

Daraufhin erließ Reichswehrminister Gustav Noske (SPD) als Oberkommandierender in den Marken noch am Samstag die Anordnung: "Die Grausamkeit und Bestialität der gegen uns kämpfenden Spartakisten zwingen mich zu folgendem Befehl: Jede Person, die mit Waffen in der Hand gegen Regierungstruppen kämpfend angetroffen wird, ist sofort zu erschießen." Der Soldateska fielen in Berlin über 1200 Menschen zum Opfer, u. a. der 14 Jahre alte Bäckerlehrling Paul Sorre durch einen Lungenschuß, auch der Arbeiterführer Leo Jogiches, ermordet durch Wachtmeister Tamschik in Moabit, beide am 10. März 1919.

Die "Heldentaten" des Polizeipräsidenten von Salmuth wurden in den "Kriegsnachrichten des Corps Vandalia", 2. Heft, 6. Ausgabe vom 25. März 1919, kolportiert.

"... ließ ich mir am Donnerstag, dem 6. März, morgens aus dem Militär-Depot drei leichte Maschinengewehre, ca. 10.000 Patronen und einige 40 Handgranaten kommen. ... Mein Sohn instruierte nun noch in aller Eile die Schutzmannschaft in der Handhabung der Maschinengewehre."

Die beiden Söhne Arthur Freiherr von Salmuths, der am 26.1.1926 durch den preußischen Innenminister Severing (SPD) aus dem Polizeidienst entlassen worden war, machten in Nazideutschland Karriere. Ihre Schwester Eva hingegen wurde von den Faschisten vergast. "Heil- und Pflegeanstalt Bernburg, den 7. August 1941. Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, daß Ihre Schwester, ... geb. von Salmuth, am heutigen Tage unerwartet infolge einer Lungenentzündung mit darauffolgender Kreislaufschwäche verstorben ist. - Heil Hitler - gez. Moll." Über Jahre hinweg nahmen die Brüder in Kauf, daß sich Eva in Heilanstalten aufhalten mußte, in denen die Nazis Euthanasie-Verbrechen begingen.

Hans Horn

Raute

Die schreibende Arbeiterin Elisabeth Zacharias über ihren Vater

Ein unheroischer Heldentod

Groß Ottersleben im Landkeis Wanzleben und unmittelbar vor den Toren Magdeburgs gelegen, war bis 1952 mit rund 12.000 Einwohnern das größte Dorf auf deutschem Boden.

Mindestens zweimal stößt man hier auf den Namen Adolf Jentzen. Eine Straße trägt ihn, ein Grab im Ehrenhain des Friedhofs auch. Über seine Tochter Elisabeth wurde er mir zum Begriff. Der Dreher im Konzernbetrieb Maschinenfabrik R. Wolf in Magdeburg-Buckau war Widerstandskämpfer und ein Opfer des faschistischen Terrors.

"Adolf Jentzen - ein Arbeiterschicksal in der Nazizeit". So überschrieb die Tochter ihren Bericht über die letzten Lebensmonate ihres Vaters. Jentzen, geboren am 5. November 1899 in Ottersleben, starb am 6. Mai 1943. Als Schreibende trat Elisabeth politisch in seine Fußstapfen, stellte sie sich in Vaters Tradition. In der Eisenbahn zwischen Wernigerode und Magdeburg - wir kommen wieder einmal von einer Tagung schreibender Arbeiter - erzählt sie von ihrem Vorbild. Wir kennen Elisabeth schon lange. Doch das, was sie uns hier berichtet, wissen wir noch nicht. Nie hat sie es an die große Glocke gehängt.

Antifaschistische Widerstandskämpfer sind für uns Nachgeborene wahre Helden. Doch wie ganz und gar unheldisch ging es mit so vielen von ihnen zu Ende. Die wenigsten fielen im offenen Kampf, im Kugelhagel oder vor den Erschießungskommandos mit hochgereckter Faust.

Ganz unheroisch starb auch Adolf Jentzen. Er, der kein Genosse war, wurde nicht auf das Schafott geschleppt. Sieben seiner Gefährten verdammte man ins Zuchthaus. Den Prozeß erlebte Adolf nicht mehr. Die sieben sahen ihre Befreier auch nicht. Sie alle wurden angeblich Opfer einer sie dahinraffenden Epidemie.

Und ihr Kampf, für den sie in die Folterhöllen der Gestapo gingen, in enge Zellen und den Tod? Was hatte er bedeutet, was bewirkt? Angeklagt waren alle des Hochverrats. Warum? Sie hatten einer Widerstandsgruppe angehört, alliierte Sender empfangen, Kriegsgefangenen und Verschleppten Brot gegeben. Wichtiger noch: Sie hatten Gespräche geführt, Nachrichten übermittelt, Hoffnungen geweckt und bestärkt und dabei solche selbst gewonnen. Sie hatten langsamer gearbeitet, hier einen Defekt, dort eine Havarie verursacht oder vorgetäuscht. Ein Husarenritt vielleicht einmal wie dieser, wellenschlagend unter Feinden und Freunden: Da gab es die große Karte der Sowjetunion, des östlichen Kriegsschauplatzes. Von siegestrunkenen Hitlerleuten waren die Frontlinien lange Zeit Tag für Tag mit Fähnchen markiert worden. Doch plötzlich sah man diese Zeichen auf neue Weise angeordnet und an anderen Orten: Da drängten sich nun rote Fähnchen rings um Berlin, während Nazifahnen auf einem Haufen im fernen Sibirien standen.

An allem hatte Adolf Jentzen seinen Anteil, und er sollte die Quittung dafür bekommen. Im November 1942 nahm die Arbeit der Gruppe einen merklichen Aufschwung. Stalingrad stand bevor. Im Februar 1943 - der Ausgang der Entscheidungsschlacht an der Wolga hatte die Faschisten in maßlose Panik gestürzt - steigerte sich der Terror. Spitzel lieferten der Gestapo eine Liste mit 43 Namen von Antifaschisten. Es kam zu 20 Verhaftungen. Adolf Jentzen befand sich unter den Betroffenen.

Eines Tages ging seine Mutter ins "Braune Haus". Gestapo-Sekretär Ramme zeigte ihr ein Foto: "So sieht er aus, nun haben Sie ihn gesehen." Dann schickte er sie weg. Sie wiederholte ihren Versuch. Ramme wies sie brüsk ab. "Besuchserlaubnis? Sprecherlaubnis?" Was sie sich einbildete! "Schreiben Sie ihm!" sagte der Gestapomann. Die Mutter tat es nicht. Kein geschriebenes Wort sollte in die Hand des Feindes gelangen!

Der Dreher Jentzen befand sich inzwischen mit zwei Gefährten in einer winzigen nassen Zelle. Eine Pritsche darin. Einer mindestens mußte sich im Wechsel auf den Fußboden legen. Hier holte sich Jentzen den Tod. Erkältung, dann Gelenkrheuma. Als es bereits hoffnungslos um ihn stand, wurde er ins Sudenburger Krankenhaus abgeschoben. Die Angehörigen blieben ohne Nachricht. Der Zufall wollte es, daß die Frau davon erfuhr. Am 6. Mai 1943 besuchte sie ihren Mann am Krankenlager. Der war am ganzen Körper bandagiert und redete schon Momente irre. Noch am gleichen Tag starb er. Seine letzten Worte waren immer nur: "Nichts sagen! Nichts sagen!"

Am 15. Mai wurde Elisabeths Vater in Groß Ottersleben begraben. Viele Leute waren zum Friedhof gekommen. Die Gestapo fehlte nicht.

In ihrem Artikel schrieb die Tochter: "Am 6. Mai, heute vor 25 Jahren, starb mein Vater nach unmenschlicher Haft im Gestapokeller. Er war in seinem Fach ein vorbildlicher Arbeiter. Aktiv war der in einer Arbeiterfamilie Geborene schon in jungen Jahren - im Deutschen Metallarbeiterverband und im Arbeiterturnverein. Vater war parteilos. Aber er gehörte zur Widerstandsgruppe von Kommunisten, Sozialdemokraten und Nichtorganisierten im Werk. Oft erzählte er von Alexander Ugolow, einem sowjetischen Nachrichtenoffizier, den er mit Frühstücksbroten versorgte. Am 18. März mußte auch mein Vater zur Vernehmung. Er kam nicht zurück. Ich habe ihn lebend nicht wiedergesehen."

Die Gestapo hatte inzwischen 40 Arbeiter verhaftet. Gegen alle erhob der Generalstaatsanwalt beim Kammergericht Berlin Anklage wegen Hochverrats. Am 28. Januar 1944 fand die Hauptverhandlung statt. 14 Antifaschisten wurden zu insgesamt 30 ½ Jahren Zuchthaus verurteilt. Alexander Ugolow bewährte sich in diesem Prozeß als standhafter Zeuge. Man brachte ihn in das KZ Sachsenhausen zurück, wo er schon einmal gewesen war. 1952 erhielt die Dreherei in dem alten Betrieb, in dem Elisabeths Vater so lange gearbeitet hatte und aus dem er auf so tragische Weise ausgeschieden war, den Ehrennamen "Adolf Jentzen".

Seine Tochter wohnte lange Zeit in jener Straße von Groß Ottersleben, die des Vaters Namen trägt. Manchmal sprach sie vor Schulklassen, vor Pioniergruppen über ihn und seine Gefährten, berichtete auch von ihrer Kindheit unter Faschismus und Krieg. Fast immer schloß sie mit unser aller Verpflichtung: "Nie wieder!"

Karl Schlimme

Der Beitrag des schreibenden Arbeiters aus der Börde entstand 1989.

Raute

Die Saga der "Roten Bergsteiger"

Wie will jemand, der die Vergangenheit nicht kennt, eigentlich die Zukunft gestalten? Das Wissen vieler, vor allem junger Menschen ist - verglichen mit der DDR-Zeit - heute erschreckend gering. Nur so kommen Wahlergebnisse wie bei uns in der Sächsischen Schweiz zustande, die an die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts erinnern.

Da ist es um so höher zu bewerten, daß Joachim Schindler, ein passionierter und heute noch aktiver Bergsteiger, auf Initiative des Pirnaer Vereins "Alternatives Kultur- und Bildungszentrum" (AkuBiz) die Broschüre "Rote Bergsteiger. Unterwegs auf ihren Spuren im Elbsandsteingebirge" herausgegeben hat.

Schindler setzt sich darin mit dem Begriff Rote Bergsteiger, wie er in der DDR aufkam, auseinander - damals allerdings stark reduziert auf die Widerstandsgruppen der KPD.

In dieser Schrift wird die ganze Bandbreite der antifaschistischen Arbeit im sächsischen und böhmischen Grenzgebiet dem Vergessen entrissen. Äußerst wichtig ist dabei die Vielfalt und Tiefgründigkeit, mit der das Schicksal von Personen und Gruppen beleuchtet wird.

In aller Schärfe weist der Autor auf Einseitigkeiten und Lügen hin, die heute über den antifaschistischen und insbesondere den kommunistischen Widerstand verbreitet werden. Als ein makabres Beispiel solcher Geschichtsverfälschung benennt er die Stele am Ort der Nazigreuel in der Burgstadt Hohnstein.

In vielen Episoden wird das mutige Handeln von Bergsteigern und Heimatfreunden bis ins Detail beschrieben. Auszugsweise werden auf zwei Seiten Opfer, die der Kampf forderte, namentlich aufgeführt. Unter den Toten befand sich Walter Zirnstein aus dem Hohnsteiner Ortsteil Ulbersdorf. Die ihm zu Ehren an einer Schule angebrachte Gedenktafel ist von Leuten, die sich berufen fühlten, nach 1990 die Geschichte neu zu schreiben, längst geschleift worden.

Als Beispiel der in der Broschüre dargestellten Widerstandsarbeit sei der Transport von "Braunbüchern" über den Reichstagsbrandprozeß im Osterzgebirge durch Genossen Wilhelm Diekmann, der am 28. Februar 1934 in einer Zelle des Polizeipräsidiums Dresden erhängt oder zu Tode geprügelt wurde, erwähnt. Hans Donath und Erich Langer berichten darüber: "Ich kannte meinen teuren Genossen Diekmann nur zu gut, um nicht zu wissen, daß in all seinem mutigen Handeln noch ein Rest Abenteurertum aus der bei ihm so tief sitzenden Bergromantik vom 'Freiheitsidol' mitschwang. Den nächsten Treff mit ihm vereinbarten wir für Ende Februar zur Übergabe seiner Materialien vom KZ Hohnstein an der gleichen Stelle in Fley (CSR). Mit dem Genossen Lattner war bei der Beratung in Bodenbach vereinbart worden (ohne Tag und Zeit), daß die nächste Übergabe von Literatur, den erwarteten Braunbüchern, am Schwarzen Teich bei Rehefeld erfolgen sollte. Wir hatten 200 Stück in sehr kleiner Schrift gedruckt, auf dünnem Papier.

Am späten Nachmittag hatten wir die Atus-Hütte erreicht. Nach dem Dunkelwerden verließen wir sie. Die Skier wurden angeschnallt, der Rucksack aufgehuckt. Noch eine ganze Strecke lag vor uns. Endlich, es war sehr viel Schnee gefallen, hatten wir den Weg, der unmittelbar längs der Grenze zwischen Deutschland und der CSR verläuft, erreicht. Wir gingen das letzte Stück an, näherten uns der Grenze. Die Bretter wurden abgeschnallt. Wir trafen genau auf den Bach, den Abfluß des Schwarzen Teiches. Jetzt ging es durch Hochwald bergan. Der Schnee lag hoch. Darunter eine Harschdecke, bei jedem Schritt brachen wir mit einem für uns unangenehmen Laut durch. Eine kleine Schutzhütte über dem Abfluß des Teiches war der vereinbarte Treffpunkt. Der Mond schien recht hell. Wir gingen immer nur einige Schritte.

Nun befanden wir uns auf deutschem Boden. Vielleicht noch 20 Meter. Unsere Pistolen waren zur Hand. Genosse Schilling übernahm die Sicherung. Hier wurde der Wald wieder dichter. Wir konnten kaum etwas sehen. Die Hütte befand sich im Dunkeln. Wir standen uns gegenüber. 'Na, wer sind wir denn?', sagte einer, etwas stark vermummt. 'Das ist doch der Genosse Diekmann!' Ich drückte ihm die Hand, dem Genossen Lattner und einem Dritten. Kaum drei Minuten dauerte es. Jede Minute länger hätte die Gefahr erhöht.

Die Braunbücher wurden in die Rucksäcke von Diekmann und Lattner umgepackt. Noch ein paar kurze Worte. Grüße an die Genossen in der Heimat. Dann trennten sich unsere Wege."

Soweit ein Auszug aus der Broschüre "Rote Bergsteiger".

Werner Döring, Hohnstein

Raute

Spätrömische Dekadenz im Stil Westerwelles

Da sitzt einer endlich einmal an den Fleischtöpfen der Macht, und schon beginnt er, darüber nachzudenken, wie er die Effektivität der Ausbeutung noch steigern könnte. Und dann glaubt er zu erkennen, daß die faulen und arbeitsunwilligen Hartz-IV-Empfänger am Untergang der bürgerlichen Demokratie schuld seien. Ohne Skrupel beschimpft er diese von der Gesellschaft und dem Arbeitsprozeß Ausgegrenzten als "dekadente Nichtstuer", die auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung ein ausschweifendes Leben führten.

Selbst ein saturierter Bourgeois, der noch nie seinen Unterhalt mit eigener Hände Arbeit bestreiten mußte, sticht er damit in ein Wespennest. Ein Mann, der unablässig Klassenharmonie predigt, schürt selbst den sozialen Unfrieden. "Spätrömische Dekadenz" nennt der Philosoph einen Zustand, in dem die Gesellschaft sich selbst zu ruinieren beginnt und nichts dagegen tut. Man lebt in den Tag hinein, erfreut sich an Spielen und läßt seinen Trieben freien Lauf. Nur, daß im Römischen Reich die Mächtigen und Vermögenden, nicht aber einfache Bürger oder gar Sklaven dekadent waren. Ein Vergleich zu heute bietet sich an.

Wenn Guido Westerwelle also die Vergangenheit bemüht, so hätte er sich lieber zuvor mit der Geschichte des antiken Reiches beschäftigen sollen. Denn kein Hartz-IV-Empfänger empfindet seinen Überlebenskampf in dieser Gesellschaft als rausch- und orgienhaft.

Was Westerwelle antreibt, ist ein gesteigertes, offenbar schmerzhaft empfundenes Unvermögen, seine Partei der "Besserverdienenden" und "Leistungsträger" vor dem möglichen Absturz bei den NRW-Landtagswahlen zu bewahren. Daher bedient diese Handpuppe des Kapitals die niederen Instinkte der Gesellschaft und hetzt gegen jene, welchen Herr Guido und seine famose FDP lieber Arbeitsplätze schaffen sollten, statt sie in den Schmutz zu ziehen.

In einem muß man Westerwelle allerdings recht geben: Der Spätkapitalismus ähnelt schon heute der römischen Gesellschaftsordnung. Während die einen in Saus und Braus leben, ihre Millionen ins Ausland "transferieren", um Steuern zu sparen, müssen die anderen Tag für Tag um ihre nackte Existenz kämpfen. Die Rutschbahn in den Abgrund der Geschichte ist eröffnet.

Der FDP-Häuptling ist keineswegs ein Visionär, der gesellschaftliche Prozesse überblicken und voraussehen kann - daran hindert ihn sein enges bürgerliches Denkschema -, sondern ein abenteuerlicher sozialer Brandstifter, den die Stimmberechtigten der BRD schnellstens wieder abwählen sollten!

P.S. Guido Westerwelle "verdiente" in den vier Jahren vor der letzten Bundestagswahl laut "Süddeutscher Zeitung" allein durch Vorträge eine halbe Million Euro.

Hans-Peter Ackermann,
Oberviechtach (Bayern)

Raute

In Plauen soll der Einmarsch der Amis mit einer Propagandashow nachgestellt werden

Durchsichtige Glorifizierung

"Das ist einfach widerwärtig ...", faßte eine Plauener Bürgerin ihre Meinung gegenüber der Lokalzeitung zu jenem grotesken Spektakel zusammen, dessen Regisseure den Einmarsch der U.S. Army am 16. April 1945 mit Original-Kampftechnik nachstellen wollen. Veranstalter sind eine bisher kaum bekannte "Event-Agentur" und ein hiesiger Geschichtsverein. Beide werden offensichtlich von den schwarzgelben Stadtoberen unterstützt. Ein dreitägiger "Liberty Convoy" soll den Auftakt zu etlichen ähnlichen "Festlichkeiten" im 65. Jahr der militärischen Zerschlagung Hitlerdeutschlands bilden. Offizielle Vertreter der Vereinigten Staaten und deren Kriegsveteranen haben ihre Teilnahme bereits zugesagt.

Nun wird von den Organisatoren über das Internet wahrheitswidrig verbreitet, "die Begeisterung für das Projekt" sei "auch außerhalb des Vogtlands geradezu überwältigend". Tatsächlich ist das krasse Gegenteil der Fall.

In Plauen regt sich spürbarer Widerstand gegen das Vorhaben, dessen Ziel unschwer zu durchschauen ist: Im Sinne solcher notorischen Geschichtsfälscher wie des ZDF-Mannes Guido Knopp soll der Eindruck suggeriert werden, die westlichen Alliierten hätten die Hauptlast des Kampfes gegen die faschistischen Armeen getragen und wären als makellose Befreier auch in das Vogtland eingezogen.

Doch vor allem noch lebende Zeitzeugen durchkreuzen solche durchsichtigen Absichten und melden sich protestierend in der örtlichen Presse zu Wort. Die heute 87jährige Irmgard Reinecke, die den Einmarsch der Amerikaner in Plauen erlebte, schrieb, vorn auf den Panzern hätten "deutsche Soldaten in Uniform als lebende Schutzschilde" gesessen. "So etwas darf man nicht glorifizieren." Unvergessen ist hier jedoch vor allem das, was vor und nach dem Einrücken der Truppen des Generals Patton geschah: Am 10. April 1945 - also nur sechs Tage vor der Besetzung der Stadt - war das bereits weitgehend zerstörte Plauen durch einen militärisch unbegründbaren Luftangriff völlig in Schutt und Asche gelegt worden. Dort gab es keine kriegswichtigen Ziele mehr, nachdem die früher in der Stadt angesiedelte Panzerproduktion bereits seit den schweren Bombardements im März 1945 völlig zum Erliegen gekommen war. Plauens Verkehrsanlagen waren ohnehin weitgehend zerstört. Der erneute Luftschlag verfolgte zweifellos die Absicht, möglichst viele Einwohner zu töten. Der britische Luftmarschall Arthur Harris hatte dieses Ansinnen ganz offen bekanntgegeben. Unmittelbar vor Kriegsende verloren so noch 889 Einwohner der Vogtlandmetropole ihr Leben, darunter nachweislich nur ein einziger Wehrmachtsangehöriger. Völlig nachvollziehbar wird deshalb in einem Presseartikel betont, die Bombardements seien vor allem befohlen worden, weil Plauen nach von den Alliierten getroffenen Vereinbarungen zur sowjetischen Besatzungszone gehören sollte.

Was das Vorgehen der US-Militärbehörden nach Einnahme der Stadt betrifft, so kann man darüber den Zeitzeugen-Notizen von Kurt Kohn wichtige Informationen entnehmen. Der Kommunist, der Anfang 1945 aus dem KZ Mauthausen nach Plauen zurückkehrte, setzte sich aufopferungsvoll für den Wiederaufbau seiner Heimatstadt ein. Er mußte indes erleben, daß der US-Stadtkommandant den Antifaschisten jede demokratische Mitwirkung verweigerte. Als Polizeichef wurde ein Offizier der faschistischen Wehrmacht eingesetzt. Die Besatzungsmacht tat alles, um bürgerlich-reaktionären Kräften auch andere einflußreiche Posten zuzuschanzen. Das entsprach der politischen Vorgabe des unrühmlich bekanntgewordenen Generals Patton. Manche älteren Plauener haben nicht vergessen, daß die Amis beschlagnahmte Lebensmittel und sogar Reste ihrer eigenen Verpflegung des öfteren mit Benzin übergossen und vor den Augen hungernder Einwohner verbrannten.

Äußerst fragwürdig erscheint hiesigen Bürgern auch die Behauptung der Veranstalter des geplanten "Events", man habe "völlig neu zu betrachtende Geschichtsereignisse der letzten Kriegstage" herausgefunden. Obwohl die Stadt von Wehrmachtseinheiten bereits geräumt war, spricht man einem amerikanischen Sergeanten eine imaginäre Heldenrolle zu. Er soll die innerstädtische Elsterbrücke vor der Sprengung bewahrt haben. Beweise dafür werden nicht genannt. Eben diesem Sergeanten (!) sei es auch zu verdanken, daß er "praktisch im Alleingang" die Kapitulation einer 40.000 Mann starken deutschen Gruppierung durch Verhandlungen mit deren kommandierendem General erreicht habe. Ein Unteroffizier verhandelte mit einem Wehrmachtsgeneral? Ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang in der Kriegsgeschichte!

Als die Amis nach 75 Tagen Besatzung abzogen, nahmen sie noch das Wertvollste von dem Wenigen mit, was die Zerstörungen überdauert hatte: vor allem Patente, Lizenzen, Modelle, Neuentwicklungen, Rohstoffe und Fertigprodukte. Natürlich nutzten auch Kriegs- und Naziverbrecher die günstige Gelegenheit, um sich in den Westen abzusetzen.

Solche Aussagen von Zeitzeugen versuchen die Veranstalter des makabren Schauspiels natürlich zu unterdrücken. Auch aus den Geschichtslehrbüchern heutiger Schüler ist kaum noch etwas über die kriegsentscheidenden Siege der Roten Armee vor Moskau, in Stalingrad und bei Kursk zu erfahren, obwohl gerade sie die Wende im II. Weltkrieg einleiteten.

Plauener Demokraten und Antifaschisten schlagen vor, sich statt der zweifellos kostspieligen Show, die sie ablehnen, zu einem schlichten Gedenken für die zivilen Opfer des sinnlosen Bombenterrors auf dem Hauptfriedhof zu versammeln.

Oberstleutnant a. D. Heinz Behrendt, Plauen

Raute

"Neue-Jacken-Angela" führt BRD-Schönfärbergilde an

Den Beiträgen von Hans Rehfeldt und Günter Werzlau im RF-Novemberheft, in denen auf die gefährlichen Folgen offizieller Schönfärberei in der Spätphase der DDR hingewiesen wurde, möchte ich voll zustimmen. "Unten" war man allerdings ziemlich hilf- und chancenlos, etwas dagegen unternehmen zu können.

Regierung und Medien der BRD verhalten sich da keineswegs anders. Vergleichen wir nur die himmelblauen Lageeinschätzungen der Kanzlerin in bezug auf den Osten mit der Realität. Zum Beweis möchte ich die "Leipziger Volkszeitung" vom 7./8. November 2009 anführen.

"In vielen Bereichen haben sich die Lebensverhältnisse bereits weitgehend angeglichen", behauptete damals die Kanzlerin. Zugleich lehnte sie es ab, Wahlverweigerung als Zeichen der Kritik zu betrachten.

In der gleichen Ausgabe des Blattes meinte IG-Metall-Chef Huber realistischer: "Die Bilanz der letzten 20 Jahre fällt sehr zwiespältig aus. Die neuen Bundesländer besitzen als eine Region, in der die Menschen weniger Rechte und niedrigste Löhne haben, keine Zukunft." Die Leser der LVZ erhielten beide Standpunkte ohne jegliche Kommentierung vorgesetzt. Die Ostdeutschen seien mit ungedeckten Schecks wie "Wirtschaftswunder", "Investorenschwemme", "große Chancen", "glänzende Perspektiven", "problemloser Anschluß", "meisterhafter Einheitsprozeß", "Wirtschafts- und Sozialunion", "enormer Aufschwung" getäuscht worden, deutete Huber an.

Frau Merkel hat sich mit ihren Erklärungen in das Spitzenfeld der Schönfärbergilde der BRD vorgearbeitet. Wie ihre Jacken mal lila und mal grün, mal rot oder gelb sind, so macht sie auch aus schwarz mühelos weiß. Die Kanzlerin ignoriert dabei die Auswirkungen der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt-, Finanz- und Sozialkrise im Osten völlig. Ebenso läßt sie die Niedriglohnsituation, welche sich ständig weiter verschärft, außer Betracht. Sie bezieht drei Millionen ostdeutsche "Notauswanderer" und immer mehr Notpendler nicht in ihre Berechnungen ein, obwohl deren Abfluß in den Westen immer mehr zum Ausbluten dieses Landesteils führt. Die große Mehrheit der früheren DDR-Bürger, die sich einst den D-Mark-Bringern aus dem Westen blind in die Arme warf, hat das Risiko massiv drohender Arbeitslosigkeit nach der "gloriosen Einheit" weder sehen wollen noch sehen können. Jetzt muß sie mit dem "Salat" fertigwerden, den sie sich selbst serviert hat.

Die Folgen von Schönfärberei, die sich für die DDR und andere sozialistische Länder fatal auswirkten, dürften für andere Staaten, die sich ihrer bedienen, nicht minder verhängnisvoll sein.

Joachim Spitzner, Leipzig

Raute

Urteil eines DDR-Volksbildungskenners: BRD-Schule im freien Fall

Kritik von allen Seiten: Die Handwerker beklagen die schlechte Schulbildung ihrer Lehrlinge. 20 bis 25 % eines Jahrgangs brächten nicht mehr die erforderlichen Grundkenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen mit. Grundschullehrer beklagen, daß die Kinder beim Schuleintritt über kein ausreichendes Sprechvermögen verfügen. Die Eltern beschweren sich über den Ausfall vieler Unterrichtsstunden, für einige Fächer fehlen Lehrkräfte.

Die für das Schulwesen zuständigen Landesregierungen verhalten sich unterschiedlich, ein ständiger Wechsel scheint Methode. Gemeinschaftsschulen, an denen die Kinder über viele Jahre zusammen lernen, werden erprobt und dann doch wieder verworfen. Wechseln die Familien ihren Wohnort, müssen andere Schulen besucht werden. Es gibt andere Lehrbücher, Lehrpläne, andere Methoden und andere Lehrer. Für die Kinder eine schwierige Situation.

Auch die Pädagogikstudenten protestieren, unübersehbar sind ihre Demonstrationen. Ihre Zukunft in den östlichen Bundesländern ist ungewiß. Viele Lehrer werden ihren Dienst in den alten Bundesländern suchen; dort locken höhere Gehälter und die Übernahme in den Beamtenstand. Im Osten ist der Lehrberuf nicht attraktiv.

Geschwächt wird das öffentliche Schulwesen durch die Privatschulen, auch "Freie Schulen" genannt. Freie Träger können Privatpersonen sein, aber auch Vereine und Organisationen. So will der Chemnitzer Computerhersteller Megware in diesem Jahr eine eigene Grundschule ins Leben rufen. Laut "Freie Presse" vom 28.5.2009 liegt der Anteil solcher Privatschulen mit mehr als 8 Prozent in Sachsen bereits über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Tendenz weiter steigend.

Diese Zeitung meldet, daß in den letzten 5 Jahren in Sachsen mehr als 150 Privatschulen gegründet wurden, aber die Zahl der öffentlichen allgemeinbildenden Schulen um fast 950 auf 1350 gesunken ist. Vor allem in ländlichen Gebieten wurden Schulen wegen Schülermangels geschlossen. Die Klassenstärke muß mindestens 20 Mädchen und Jungen betragen. Sinkt diese Zahl und droht damit die Schließung der Schule, tritt meist ein christlicher Verein auf, der eine Privatschule gründet.

Privatschulen kosten die Eltern viel Geld, bis zu 300 Euro im Monat. Was hier geschieht, ist die Einteilung in Arm und Reich schon im Kindesalter. Es gibt keine Chancengleichheit. Dennoch haben Freie Schulen regen Zulauf, weil die Eltern sich von den miserablen Zuständen an den öffentlichen Schulen trennen wollen und sich im Privatsektor mehr Beständigkeit und bessere Schulbildung für ihre Kinder erhoffen. Aber die so entstandene Vielfalt ist nicht fröhlich bunt, sondern eher traurig schwarz.

Auch die Schule ist das Spiegelbild unserer Klassengesellschaft. Ein guter, verbriefter Schulabschluß sichert den Weg in die Elite der Gesellschaft. Dafür bezahlen begüterte Eltern gern. Für begabte Kinder aus anderen Schichten gibt es möglicherweise Freiplätze. Alle Schüler sind dem Zwang zu besten Leistungen ausgesetzt.

Es herrscht Streß. Ärzte stellen eine körperliche und geistige Überbelastung fest. Unsere Kinder haben aber ein Recht auf Spiel und Freizeit. Allein die vielen Busfahrten zur und von der Schule beschneiden diese Zeit der Erholung und Sammlung. Kinder sollen sich auch in sportlichen und anderen Vereinen entfalten können, müssen Zeit fürs Musizieren, fürs Lesen oder auch fürs Basteln haben.

Die Zeit drängt nach einer neuen Schule. Schluß mit dem mehrgliedrigen Schulsystem! Es darf nicht mehr vom Gymnasium beherrscht werden. Der Weg zum Abitur und zum Studium muß auch auf anderen Wegen möglich sein. Vor allem kostenlos, wie das Studium natürlich auch.

Die Herrschaft der Kultusministerien in den einzelnen Bundesländern halte ich für ein Relikt des deutschen Partikularismus. Weg damit!

Wir brauchen eine einheitliche, sich über alle Bundesländer erstreckende Schule, die eine hohe Bildung für alle Kinder und Jugendlichen sichert.

Joachim Weise, Hohenstein-Ernstthal

Raute

RF-Extra

Zum skandalösen Ausschluß mutiger Abgeordneter der Linksfraktion Protest der Linksfraktion

Eklat im Bundestag

Deutscher Bundestag

Bundestagspräsident
Professor Dr. Norbert Lammert

6. März 2010

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Lammert,

während der Debatte im Deutschen Bundestag am 25. Februar 2010 über die Ausweitung des Afghanistan-Mandats ist es, wie die Medien berichteten, zu einem "Eklat" gekommen. Nach der Rede der Abgeordneten der Linken Frau Christine Buchholz waren Abgeordnete der Linksfraktion aufgestanden und hatten Plakate hochgehalten, auf denen die Namen und das Alter von afghanischen Zivilisten zu lesen waren. Die Zivilisten waren am 4. September vorigen Jahres durch den vom Bundeswehr-Oberst Klein angeordneten Luftangriff auf die beiden von den Taliban entführten Tanklastwagen bei Kundus ums Leben gekommen. Sinn der Plakataktion war es, auf diese Opfer aufmerksam zu machen und der Toten zu gedenken. Sie - als Präsident des Bundestages - sahen darin eine gröbliche Verletzung der Ordnung im Bundestag und schlossen die Abgeordneten der Linken von der weiteren Teilnahme an der Sitzung aus.

Zunächst hieß es in einigen Online-Diensten, daß die Abgeordneten auch von der sich anschließenden Abstimmung über die Erweiterung des Afghanistaneinsatzes ausgeschlossen bleiben würden. Das hatten Sie sicherlich auch so beabsichtigt, sich dann jedoch - ich nehme an: auf Grund einer rechtlichen Beratung durch den zuständigen Dienst des Bundestags und einer Beratung im Präsidium oder Ältestenrat (Wollen wir sie reinlassen?) - eines Besseren besonnen. Die ausgeschlossenen Abgeordneten durften an der Abstimmung teilnehmen.

Sie tun so, als hätten Sie insoweit Gnade vor Recht ergehen lassen. In Wahrheit sind Sie mit Müh und Not an einem eklatanten Rechtsbruch vorbeigeschrammt. Der Ausschluß der Abgeordneten der Linken von der Abstimmung hätte nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen keinen Bestand haben können, er hätte möglicherweise für Sie auch zu strafrechtlichen Konsequenzen geführt. Zum Beispiel nach §§ 105, 106 StGB (Nötigung von Mitgliedern eines Verfassungsorgans, hier: des Bundestages). Die Abgeordneten der Links-Fraktion sind immerhin die einzigen, die sich geschlossen gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan wenden und dies zutreffend damit begründen, daß der Krieg in Afghanistan völkerrechtswidrig ist. Diese Stimme gegen den Krieg wurde durch den "Rausschmiß" aus dem Plenarsaal zum Verstummen gebracht.

Sie haben den Ausschluß der Abgeordneten der Linken auf § 68 der Geschäftsordnung des Bundestages gestützt. Wie kann ein wahrheitsgemäßer (visueller) Hinweis auf die katastrophalen Folgen, die sich aus dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ergeben haben, eine gröbliche Verletzung der Ordnung im Deutschen Bundestag sein, die so schwerwiegend ist, daß sie mit dem Saalverweis geahndet werden muß?

Mir kommt es so vor, als wäre nicht die Ordnung im Bundestag, sondern die Ruhe und das Wohlbefinden des Klubs der Abnicker, Durchwinker und Jasager gestört worden. Diesem Klub gehören die Abgeordneten an, die bereit sind, abzusegnen, was ihnen die Bundesregierung vorlegt, ohne groß darüber nachzudenken, ob dies alles auch so in Ordnung ist und die aus diesem Grunde nicht mit unangenehmen Fakten konfrontiert werden möchten. Abgeordnete, die damit einverstanden sind, daß die deutsche Bundesregierung Soldaten nach Afghanistan schickt, damit sie dort ihren Kopf hinhalten, ohne daß den Soldaten genau gesagt wird, wofür sie ihr Leben riskieren sollen. Abgeordnete, die nichts dagegen einzuwenden haben, daß die deutsche Bundesregierung einen wahren Eiertanz aufführt, wenn sie erklären soll, was der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan denn nun ist. Von "friedenserhaltenden Maßnahmen" und von einem "Stabilisierungseinsatz" ist die Rede, aber auch davon, daß in Afghanistan ein "kriegsähnlicher Zustand" bestehe oder - so neuerdings - ein "bewaffneter Konflikt" im Gange sei. Die Bundesregierung möchte sich da nicht so genau festlegen, sondern die endgültige Antwort auf all diese Fragen aus Scheu vor der eigenen Verantwortung dem Generalbundesanwalt überlassen, der nun schon im fünften oder gar sechsten Monat darüber nachdenkt, ohne bisher damit zurande gekommen zu sein, ob die Bombardierung der beiden Tanklastwagen dem Völkerstrafgesetzbuch unterliegt, also in einem Krieg geschehen ist, und ob wegen des Massakers von Kundus der Anfangsverdacht eines Kriegsverbrechens begründet ist. Warum werden die Dinge nicht beim Namen genannt? Warum sagt man den Soldaten nicht unumwunden und ohne Schnörkel, daß sie in den Krieg geschickt werden - in einen Krieg, der nach den Einschätzungen hoher Militärs nicht zu gewinnen ist. Dann hätten die Soldaten zumindest die Möglichkeit, zu sagen, dafür geben wir uns nicht her, und den Kriegsdienst zu verweigern.

Diese Soldaten wären im Recht.

Von deutschem Boden darf kein Krieg, sondern nur Frieden ausgehen. So ist es im sogenannten Zwei-plus-Vier-Vertrag völkerrechtlich verbindlich festgelegt. Die Vorgesetzten dürfen ihre Soldaten nicht in einen Krieg schicken, auch wenn man ihn neuerdings mit "nichtinternationalem bewaffnetem Konflikt" umschreiben will. Und der Bundestag darf einem Krieg unter deutscher Führung oder deutscher Beteiligung nicht zustimmen. Keine Resolution des Sicherheitsrates vermag daran etwas zu ändern. Der Sicherheitsrat hat nicht das Recht, den Gründen, die zum Krieg berechtigen und die in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt sind, aus eigener Rechtschöpfung neue Gründe hinzuzufügen.

Hiervon abgesehen ist durch die Resolutionen des Sicherheitsrats, auf die sich die Bundesregierung immer wieder beruft, Deutschland keineswegs verpflichtet worden, sich an dem Aufmarsch in Afghanistan zu beteiligen. Ebensowenig sind die Taliban durch diese Resolution zum Freiwild erklärt und allgemein zum Abschuß freigegeben worden.

Warum werden unsere Soldaten belogen und getäuscht?

Altbundeskanzler Helmut Schmidt hat beim feierlichen Gelöbnis der Bundeswehrsoldaten in Berlin am 20. Juli 2008 eine Rede gehalten, in der er ausgeführt hat:

"... wenn wir heutzutage an militärischen Eingriffen in Afghanistan uns beteiligen, dann geschieht es in Übereinstimmung mit unserem Grundgesetz, in Übereinstimmung mit dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen - und gemeinsam mit unseren Verbündeten. Man kann über solche Einsätze streiten. Jedoch jeder Soldat und jeder Rekrut darf sich darauf verlassen. Auch künftig werden Bundestag und Bundesregierung unsere Streitkräfte nur im Gehorsam gegen das Grundgesetz und nur im Gehorsam gegen das Völkerrecht einsetzen. Liebe junge Soldaten! Ihr habt das große Glück - ganz anders als ich als Rekrut des Jahres 1937! - Ihr habt das Glück, einer heute friedfertigen Nation und Ihrem heute rechtlich geordneten Staat zu dienen. Ihr müßt wissen: Euer Dienst kann auch Risiken und Gefahren umfassen. Aber Ihr könnt Euch darauf verlassen: Dieser Staat wird Euch nicht mißbrauchen. Denn die Würde und das Recht des einzelnen Menschen sind das oberste Gebot - nicht nur für die Regierenden, sondern für uns alle."

Schön wäre es, wenn es so wäre. Leider ist es nicht so.

Die neueste Version der Bundesregierung, daß der Bundeswehreinsatz in Afghanistan der Beitrag Deutschlands in einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt nach dem humanitären Völkerrecht ist, ist zwar trickreich, weil damit suggeriert wird, es handele sich im Ergebnis um einen humanitären Einsatz. In Wahrheit handelt es sich aber bei diesem Konflikt um eine Auseinandersetzung, die den Zweck hat, Menschen und Sachwerte zu vernichten. Das bezeichnete man früher als Krieg. Es gibt keine "humanitären Kriege". Das humanitäre Völkerrecht hieß früher Kriegsvölkerrecht. Es regelt, welche humanitären Grundsätze in einem Krieg oder, wie es heute heißt: in einem bewaffneten Konflikt, zu beachten sind.

Man führe sich vor Augen, welches Affentheater die Bundesregierung aufgeführt hat, als das Massaker von Kundus publik geworden war, das man am liebsten verschwiegen hätte. Kein Zivilist ist zu Schaden gekommen, ausschließlich Taliban-Kämpfer - hieß es zunächst. Dann, als zivile Opfer beim besten Willen nicht mehr geleugnet werden konnten - Warum hätte sich etwa der amerikanische Oberkommandierende der ISAF-Truppen in Afghanistan, General McChrystal, schon kurz nach der Bombardierung der beiden Lastwagen bei der afghanischen Zivilbevölkerung entschuldigen sollen, wenn diese von dem Angriff gar nicht betroffen wäre? - wurden schnell ein paar Krokodilstränen vergossen. Bundeskanzlerin Merkel erklärte - wie mir schien, innerlich völlig unbeteiligt - am 8. September 2009 im Bundestag:

"Letzte Woche Freitag hat eine der schwersten militärischen Auseinandersetzungen der Bundeswehr mit den Taliban im Rahmen des ISAF-Einsatzes in Afghanistan stattgefunden. Zahlreiche Menschen haben ihr Leben verloren. Über die Folgen, insbesondere über zivile Opfer, gibt es widersprüchliche Meldungen. Das genau zu klären, wird uns heute Morgen nicht möglich sein. Um so mehr sage ich eines vorweg - und zwar ohne jede Umschweife: Jeder in Afghanistan unschuldig zu Tode gekommene Mensch ist einer zu viel. Wir trauern um jeden einzelnen. Jeder unschuldig Verletzte ist einer zuviel. Wir fühlen mit ihnen und ihren Angehörigen. Unschuldig verletzte und zu Tode gekommene Menschen, auch und gerade infolge deutschen Handelns, bedauere ich zutiefst. Es ist mir wichtig, dies heute als deutsche Bundeskanzlerin vor diesem Hohen Haus und genauso dem afghanischen Volk gegenüber zum Ausdruck zu bringen. Ich denke, ich sage das in Ihrer aller Name ..."

Soll das das Muster für ähnliche Fälle in der Zukunft sein? Nach der Devise: Wenn Zivilisten getötet werden, sagen wir ganz schnell unseren Zauberspruch auf, daß wir das sehr bedauern und tiefes Mitleid empfinden und daß selbstverständlich auch nur ein unschuldig zu Tode gekommener Mensch einer zu viel ist. Und Hokuspokus ist alles wieder im Lot. Und wir können zum nächsten Gefecht übergehen.

Frau Merkel hat in ihrer Regierungserklärung am 8. September 2009 auch ausgeführt:

"Die lückenlose Aufklärung des Vorfalls vom letzten Freitag und seiner Folgen ist für mich und die ganze Bundesregierung ein Gebot der Selbstverständlichkeit. Die Bundeswehr wird mit allen zur Verfügung stehenden Kräften genau dazu beitragen. Den Ergebnissen kann und will ich heute nicht vorgreifen. Ich stehe dafür ein, daß wir nichts beschönigen werden, aber ich stehe genauso dafür ein, dass wir Vorverurteilungen nicht akzeptieren werden ..."

Nichts ist bisher aufgeklärt. Das meiste ist unklar geblieben. Es gibt Widersprüche. Es gibt Versuche, die Wahrheit zu verschleiern. Deshalb mußte ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß eingesetzt werden, der herausfinden soll, was tatsächlich geschehen ist. Ob ihm das gelingen wird, ist ungewiß.

Als Bundestagspräsident ist es natürlich, sehr geehrter Herr Lammert, Ihre Aufgabe, über das Ansehen und die Würde des Parlaments zu wachen. Beides haben die Abgeordneten der Linken nicht angetastet. Das Ansehen und die Würde des Parlaments werden aber nachhaltig beschädigt, wenn Kriegsverbrechern wie dem ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush (im Mai 2002, damals waren Sie noch nicht Präsident des Bundestages) und dem israelischen Staatspräsidenten Shimon Peres (im Januar 2010) im Deutschen Bundestag Gelegenheit gegeben wird, die verbrecherische Politik ihrer Staaten zu rechtfertigen und ihnen die Abgeordneten anschließend durch stehende Ovationen Anerkennung zollen.

Dank und Anerkennung gebührt den Abgeordneten der Linken, weil sie den Unsinn des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr herausgestellt und weil sie dafür gesorgt haben, daß aus dem Plenarsaal, der ein Ort der lebhaften Debatte sein und bleiben soll, kein Schlafsaal wird.

Diejenigen, die den Willen des Volkes mißachten (die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ist gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr), aus ihrer Ruhe zu schrecken, ist nicht nur das Recht, sondern geradezu die Pflicht der Abgeordneten, die ihre Aufgabe nicht darin sehen, der Regierung gefällig zu sein und nach ihrer Pfeife zu tanzen, sondern darin, die Regierung zu kontrollieren und sie darauf aufmerksam zu machen, daß Deutschland in Afghanistan auf dem falschen Wege ist und daß die Toten des Massakers von Kundus zur Umkehr mahnen.

Sie, sehr verehrter Herr Bundestagspräsident, haben sich auf die Fraktion der Linkspartei "eingeschossen", weil Sie auf Grund Ihrer konservativen Geisteshaltung die Linken in unserer Gesellschaft offensichtlich grundsätzlich als Störfaktor ansehen. Am liebsten sähen Sie wohl, wenn die Linken aus der politischen Landschaft wieder verschwinden würden. Dann wäre man wieder ganz unter sich. Diese Sicht der Dinge würde Ihre Verhaltensweise am 25.2.2010 erklären. Ich verkenne nicht, daß der "Rauswurf" der Abgeordneten der Linken auch etwas Gutes hatte. Denn nun ist dem Wähler noch einmal mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt worden, wer für Krieg und wer für Frieden ist und wie man versucht, die mundtot zu machen, die sich kompromißlos gegen den Krieg aussprechen.

Mit freundlichen Grüßen

Rechtsanwalt Armin Fiand, Hamburg


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

- Protest der Linksfraktion
- Gegen sie wird der Krieg geführt

Raute

Der 3. Oktober 1990 leitete das Ende für die DDR-Wissenschaftskader ein

Wie ich "abgewickelt" wurde

1979 war ich im Alter von 51 Jahren als Hochschullehrer an die Technische Universität Dresden berufen worden. Nach sechs Jahren Arbeit als Dozent erhielt ich 1985 die Berufung zum Professor. Mein Arbeitsgebiet waren die Arbeitswissenschaften und speziell die Arbeitsökonomie. In den letzten 10 Jahren der DDR war ich also in Forschung und Lehre tätig. 1990 begann für mich und viele andere Hochschullehrer die "Abwicklung". Für DDR- und SED-behaftete Akademiker sollte an der Universität kein Platz mehr sein. Zunächst sprach das aber niemand aus, und wir führten unsere Lehraufgaben wie gewohnt weiter.

Die Sektion Arbeitswissenschaften, an der ich als Hochschullehrer tätig bin, gibt es in Deutschland nur einmal, sie ist eine Art Unikat, und hat in der Bundesrepublik kein Vergleichsmuster. Dort gehören die Arbeitswissenschaften meist zu Technischen oder Betriebswirtschaftlichen Fakultäten. Hier in Dresden hat man das Experiment vorgenommen, alle arbeitswissenschaftlichen Teildisziplinen zu einer Struktureinheit zusammenzufassen. Dazu kommt noch die Zuordnung der Sektion zu den Gesellschaftswissenschaften. Für uns wirft sich deshalb sehr bald die Frage auf: Was wird aus unserer Sektion, wenn es in der BRD dazu kein Pendant gibt? Die Leitung der Universität äußert sich dazu nicht. Eine Lösung findet die Sektion selbst: Ihre Wissenschaftler streben die Auflösung an. Die Arbeitspsychologen und die Arbeitsingenieure wollen in den Schoß ihrer Mutterwissenschaften zurück und werden dort auch gerne wieder aufgenommen. Wir Arbeitsökonomen gehen einen anderen Weg und bilden ein Institut für Arbeits- und Personalwirtschaft. In geheimer Abstimmung wählen wir den Institutsdirektor. Der neue Rektor der Universität, noch ein Hiesiger, bestätigt das Institut, und ordnet seine Eingliederung in die Betriebswirtschaft an. Damit sind auch wir Ökonomen wieder bei unserer Mutterwissenschaft angekommen. Wir meinen, uns damit den in der BRD vorherrschenden Strukturen angepaßt zu haben.

Wenig später erfahren wir so nebenbei, daß die Universität neu strukturiert werden soll. Die mit der DDR-Hochschulreform eingeführten Sektionen werden aufgelöst. Es entstehen wieder Fakultäten alter Prägung.

Eine Rückbesinnung auf frühere Strukturen begrüßen viele von uns, denn damit werden sich die Universitäten der DDR wieder in die in vielen Ländern üblichen universitären Gliederungen einordnen. Im Jahr 1990 gibt es erste Veränderungen: Die Sektion Marxismus-Leninismus wird aufgelöst, die SED-Kreisleitung stellt ihre Arbeit ein. Ein neuer Rektor, der bei uns Ansehen genießt, wird berufen. Auch einige der Stellvertretenden Rektoren sind nicht mehr im Amt.

Wir Arbeitsökonomen, jetzt Angehörige der Sektion Betriebswirtschaft, arbeiten wie gewohnt weiter. Ich habe noch viel zu tun! Es sind Vorlesungszyklen abzuschließen, Diplomanden, Forschungsstudenten und Doktoranden zu betreuen, Studenten der ersten Studienjahre kommen zu mir. Sie möchten wissen, wie es mit dem Studium weitergehen wird. Leider fehlen mir dazu die nötigen Informationen.

Im Rahmen einer privatfinanzierten Bildungsreise nach Hamburg führe ich ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des DGB. Er ist von meinem Lehrgebiet und den Bemühungen zur Umqualifizierung sehr angetan. Ich kann viel Material mitnehmen. Ähnliche Impulse erhalte ich auch in einem Gespräch mit dem Direktor der Hamburger Hanse-Akademie.

Die im Selbststudium und im Ergebnis der Bildungsreise gewonnenen Erfahrungen nehme ich in die Lehrveranstaltungen auf. Dabei behandle ich z. B. das System der Mitbestimmung in den Betrieben der BRD, wohl erkennend, daß es in Kürze auch bei uns eingeführt wird.

Für mich sind die genannten Erlebnisse motivierend. Ich bin überzeugt, auch die Lehraufgaben, so wie sie in der BRD gestellt sind, erfüllen zu können.

Hochmotiviert setze ich meine persönliche Qualifizierung fort. Abgeleitet aus meinem bisherigen Arbeitsgebiet, befasse ich mich mit bürgerlicher Betriebswirtschaft, Fachrichtung Personalwirtschaft sowie mit Fragen der Mitbestimmung und des bürgerlichen Arbeitsrechts. Die Umprofilierung fällt mir nicht schwer, sie setzt aber ein Umdenken von den Kategorien des Sozialismus auf die bürgerlichen Wissenschaften voraus. Meine Bemühungen sprechen sich herum, und schon bald bin ich ein gefragter Referent und Lektor. An der Universität interessiert sich dafür niemand. Obwohl ich die Nebentätigkeit ordnungsgemäß gemeldet habe, nimmt man davon keinerlei Notiz.

Erstaunen und Unverständnis ruft eine Nachricht hervor, die uns der "Buschfunk" übermittelt. Die Bildung der neuen Fakultät Betriebswirtschaft wird durch einen Gründungsdekan erfolgen, der aus den alten Bundesländern kommt! Wieso denn das, fragen wir uns. Gibt es bei uns denn keinen, der die Aufgabe übernehmen könnte? Es sieht so aus, als ob wir alle "belastet" und dafür nicht geeignet sind.

Und so kommt es, daß die Professoren für Betriebswirtschaft im April 1991 von einem Herrn Gabele eingeladen werden. Er stellt sich uns als der neue Gründungsdekan vor, der eine Professur in Regensburg hat. Bei einem Stehkonvent teilt er den Erschienenen mit, daß er sie alle in der neuen Fakultät brauchen werde. Er rechne mit ihrer Hilfe. Herr Gabele erläutert dann seine Vorstellungen über die neue Fakultät. Wir Zuhörer kommen uns dabei bald als Pennäler vor. Für Studenten wäre seine Rede vielleicht noch interessant, für gestandene Hochschullehrer gerät sie aber zu einem Langweiler. Das Wichtigste ist für uns die erneute Zusage, wir würden alle gebraucht.

Das laufende Studienjahr geht seinem Ende zu. Noch bin ich motiviert, denn ich ahne nicht, daß es mein letztes sein wird! Vom Gründungsdekan hören wir nichts mehr. Normalerweise beginnt jetzt die Vorbereitung des neuen Semesters, und die Hochschullehrer erhalten ihre Lehraufträge. Wir merken davon aber nichts! Niemand tritt an uns heran, um die weitere Verwendung abzusprechen. Dafür meldet der Buschfunk, daß inzwischen weitere Hochschullehrer aus den alten Bundesländern eingetroffen seien, die gleich noch Leute aus ihrem akademischen Mittelbau (Assistenten, Sekretärinnen, Oberassistenten usw.) mitgebracht hätten. Sie würden die Aufgaben übernehmen, die wir bisher ausgeführt hätten.

Die Meldung erweist sich als richtig! Das Studienjahr beginnt ohne uns! Entgegen der Aussage des Herrn Gabele werden wir nicht gebraucht. Von den etwa 20 Professoren der Betriebswirtschaft werden nur 2 weiterbeschäftigt. Man macht es sich einfach. Keinerlei Gespräche, keine Lehraufträge. Praktisch sind wir arbeitslos, werden aber nach wie vor entlohnt, denn die Gehälter werden pünktlich gezahlt.

Dem Institutsdirektor geht es ebenso, auch er hat keinen Lehrauftrag erhalten. Auf unsere Fragen, wie das nun weitergehen solle, erklärt er sarkastisch: "Wir befinden uns praktisch in Kurzarbeit null, d. h. in der Qualifizierung. Jeder sei sich nun selbst der Nächste, sagt er uns. Seine Funktion hat er damit praktisch niedergelegt.

Herrn Gabele können wir nicht mehr beim Wort nehmen. Bei der Fahrt von Regensburg nach Dresden erlitt er einen tödlichen Verkehrsunfall. Sein Nachfolger, Professor Ulrich Bluhm, nimmt mit uns gar keinen Kontakt auf. Persönlich lernen wir ihn nicht kennen.

Den älteren Professoren wird angeboten, zu günstigen Bedingungen in den Vorruhestand zu gehen. Einige gute Bekannte nehmen das Angebot an und beenden damit ihre Tätigkeit an der TU. Die geforderte Altersgrenze habe ich auch überschritten, lehne den Vorruhestand aber ab. Schließlich bin ich berufener Hochschullehrer, und wenn man mich nicht mehr haben will, soll man mich abberufen. Aber das bleibt eine Illusion.

Alle noch verbliebenen Hochschullehrer der Fakultät erhalten die schriftliche Mitteilung, "daß ihr Einsatz in der Lehre nicht mehr erforderlich ist". Außerdem teilt der Dekan mit, daß unser Institut nicht in die neue Fakultät eingegliedert wird.

Diese Situation nehme ich zum Anlaß eines Schreibens an den Dekan. Mit Hinweis auf mein Lebensalter bitte ich darum, mich für die restliche Zeit bis zur Rente anderweitig einzusetzen. Das könnte, so argumentiere ich, im akademischen Mittelbau, in der Bibliothek oder auch in der Universitätsverwaltung geschehen. Schließlich arbeitete ich viele Jahre als leitender Ökonom in einem großen Industriekombinat. Eine Antwort gibt es auf mein Schreiben nicht.

Dafür passiert Folgendes: Wir erhalten noch neue Arbeitsverträge. Jetzt sind wir Angehörige des öffentlichen Dienstes, und unsere Arbeitsbedingungen regeln sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT Ost). Mit den neuen Verträgen sind auch höhere Gehälter verbunden, die regelmäßig gezahlt werden.

Die Schizophrenie geht weiter. Obwohl ich es schriftlich habe, daß meine Arbeitskraft nicht mehr benötigt wird, soll ich plötzlich noch den Nachweis erbringen, daß ich für die Lehre geeignet bin. "Evaluierung" heißt die Aktion. Mit 63 soll ich praktisch noch eine Prüfung ablegen! Offenbar will man mir nachweisen, daß ich zu alt und zu dumm für eine Lehrtätigkeit bin. Jetzt drehe ich den Spieß um: Auf die Forderung wird nicht reagiert. Man hat das wohl auch nicht erwartet.

Dem folgt eine weitere Demütigung: Es wird eine Personalkommission gebildet. Sie soll prüfen, ob wir überhaupt für den öffentlichen Dienst geeignet sind. Ich erhalte eine Ladung. Viele meiner Kollegen lehnen die Teilnahme an einer solchen "Verhandlung" ab. Ich stelle mich ihr. Die Gespräche verlaufen sachlich und korrekt. Wertungen erfolgen nicht. Nach einigen Wochen gibt man mir zur Kenntnis, daß die Personalkommission in geheimer Abstimmung entschieden habe, ich sei für den öffentlichen Dienst nicht geeignet. Damit hat man nun wohl alle Fakten gesammelt, die für eine Kündigung erforderlich sind. Ungefähr 2 ½ Jahre benötigte man dafür. Es nervt, so lange auf verlorenem Posten zu stehen.

Es vergehen weitere Wochen, bis ich vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kultur die ordentliche Kündigung wegen Nichteignung erhalte. Sie erreicht mich wenige Tage vor Vollendung meines 64. Lebensjahres. Ein Geburtstagsgeschenk also! Man hat die gesetzliche Kündigungsfrist eingehalten, und danach endet mein Arbeitsverhältnis zum 31.12.1992.

Nun starte ich noch einen letzten Versuch, um bis zum Eintritt ins Rentenalter Angehöriger der Universität zu bleiben. Zwei Jahre individuelle Qualifizierung in Theorie und Praxis verschafften mir Einblick in die Arbeitsgesetzgebung der BRD. Mit Bezug auf Paragraph l des Kündigungsschutzgesetzes fechte ich die Kündigung an. Im Gesetz heißt es, daß "eine Kündigung rechtsunwirksam ist, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist". Als Begründung führe ich an, daß mich nur noch sieben Monate vom Rentenalter trennen. Eine Kündigung in diesem Alter sehe ich als "sozial ungerechtfertigt" an.

Aber die Leitung der Universität ist leider nicht mehr mein juristischer Gegner. Dort hätte man vielleicht noch eine Möglichkeit gefunden, um die Zeit bis zum Eintritt ins Rentenalter zu überbrücken. Aber die Herren aus genanntem Staatsministerium geben sich nicht die Mühe, meinen Antrag überhaupt ernsthaft zu prüfen. Es handle sich um eine Kündigung wegen "Nichteignung für den öffentlichen Dienst", heißt es, und die sei rechtens. Zur Begründung stützt man sich auf die Gespräche in der Personalkommission und deren Entscheidung.

Ich habe es jetzt satt und verzichte auf weitere Aktivitäten. Es hat keinen Sinn, gegen den Strom zu schwimmen, man wird müde dabei!

Also werde ich ab 1.1.1993 arbeitslos sein! Mein Weg führt nun zum Arbeitsamt. Nach einer Wartezeit von zwei Stunden werde ich aufgerufen und an eine nette Bearbeiterin für arbeitslose Akademiker verwiesen. Die sehr freundliche Frau fragt sofort nach meinem Alter. Spontan sagt sie: "Aber Herr Professor, das ist doch ganz einfach. Sie werden nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis noch sieben Monate im Vorruhestand sein und entsprechende Lohnersatzleistungen erhalten, und dann genießen Sie ihren wohlverdienten Ruhestand." Ich muß wohl etwas verdutzt geguckt haben, denn sie fügt noch hinzu: "Es waren schon eine ganze Reihe von Professoren bei mir, denen ich die gleiche Auskunft geben mußte." Dann legte sie gleich noch fest, daß ich dem Arbeitsamt während dieser Zeit nicht zur Verfügung stehen müsse. "Sie können mit Ihrer Freizeit anfangen, was Sie wollen!"

Zumindest weiß ich jetzt, wie es weitergeht. Aber vorerst bin ich ja noch Angehöriger der Universität. Rein rechtlich stehe ich noch einige Monate in einem Arbeitsverhältnis, doch niemand fordert die Arbeitspflicht ein. Diesen Zustand kenne ich ja schon seit vielen Monaten. Also nutze ich meinen Arbeitsplatz weiter zur Qualifizierung. Außerhalb der Universität nehme ich diverse Lehraufgaben bei privaten Bildungseinrichtungen wahr.

Das Jahr geht dem Ende zu, und damit rückt auch der Termin meines Ausscheidens näher. Ich muß meine Zelte im Universitätsgebäude abbrechen und den Arbeitsplatz räumen. Niemand interessiert sich dafür, wie und wann ich was tue. Nach und nach nehme ich meine Bücher, Fachzeitschriften und andere persönliche Gegenstände mit nach Hause und richte mir dort meinen "neuen" Arbeitsplatz ein.

Das der Universität gehörende Schriftgut, wie Forschungsberichte, Dissertationen, Diplomarbeiten, Praktikumsberichte usw. will mir niemand abnehmen. Das alles würde nicht mehr benötigt, teilte mir die Fakultätsleitung mit. Auf dem Hof stünden ja große Container ...

Der Aufforderung zur Entsorgung bin ich nicht gefolgt. Das wäre ja fast einer Bücherverbrennung gleichgekommen! Ich lasse deshalb alles Schriftgut, das nicht mein persönliches Eigentum ist, in den Schränken liegen. Sollen sich andere als "Bücherverbrenner" betätigen.

Mitte Dezember 1992 verlasse ich endgültig meinen Arbeitsplatz. Niemand verabschiedet mich, und ich habe auch keinen Anlaß, irgend jemandem ade zu sagen. So endet ein Arbeitsleben, das in der DDR verheißungsvoll begann, aber unter BRD-Oberhoheit sang- und klanglos aufgelöst wird. Was mir bleibt, ist eine freiberufliche Tätigkeit als Dozent bis zum 75. Lebensjahr.

Prof. Dr. sc. Erich Dreyer, Dresden


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Zwei Deutschlands haben gut existiert, bis das eine das andere annektierte!
Grafik aus "Coordination Communiste" (Frankreich)

Ende RF-Extra

Raute

RF-Leser debattieren über einen Vortrag von Götz Dieckmann

Wie ist das mit dem subjektiven Faktor?

Es war wohltuend, den Ausführungen von Prof. Dr. Götz Dieckmann bei einer RF-Veranstaltung in Chemnitz zu folgen. Er hat mich in meiner Auffassung bestärkt, da die Gedanken der Klassiker durch ihn, gestützt auf deren Schriften, beweiskräftig nachvollzogen wurden. Eine Reihe der Zuhörer war doch erstaunt, als er die Bände dann sogar auspackte!

Unter den Anwesenden befanden sich viele Genossen der Partei Die Linke. So habe ich die Hoffnung, daß sie für ihre Programmdiskussion einen wichtigen Gedanken mitgenommen haben: Wenn alle drei Faktoren, die objektiv eine revolutionäre Situation charakterisieren, übereinstimmen, dann bedarf es einer Partei mit einem konkreten Programm, die zur Führung der Volksmassen befähigt ist. Wann ein solcher Zeitpunkt in welchem kapitalistischen Land der Welt eintritt, läßt sich nicht vorhersagen. Auch unsere Klassiker konnten das natürlich nicht. Sie haben aber die Verhältnisse in den bereits zurückliegenden Gesellschaftsformationen genau analysiert und aus Entwicklungen in den kapitalistischen Ländern ihrer Zeit grundlegende Erkenntnisse für die Zukunft gewonnen. Zugleich wiesen sie darauf hin, daß der Weg zu einer ausbeutungsfreien Ordnung steinig, schwer und mit Rückschlägen verbunden sein wird.

Die Lehre aus unserer Niederlage in Europa kann nicht darin bestehen, sich vor der kapitalistischen Gesellschaft zu verbeugen, ausschließlich Reformen anzuvisieren und den Weg des Pluralismus zu wählen.

Ich bin übrigens froh, daß das Chemnitzer Karl-Marx-Monument bisher allen politischen Attacken getrotzt hat. Vor drei Jahren initiierte man in unserer Stadt die Aktion "Gebt uns Euer Kapital!" Der Zweck der Übung bestand darin, Werke von Marx, Engels und Lenin auf dem Sockel des Denkmals anzuhäufen und die Bücher dann den Witterungsunbilden auszusetzen. Man hat sich allerdings anders entschieden. Bei der gleichfalls fragwürdigen Aktion der Verhüllung des Monuments wurden in einer Kiste Werke der Klassiker dem Besucher zur Ansicht offeriert. Auch das war eine Form politisch-ideologischer Herabwürdigung der Marxschen Lehre.

Dietmar Wendler, Chemnitz


Am 30. Januar sprach Prof. Dieckmann in Chemnitz über das Thema "Ist die Leninsche Revolutionstheorie heute noch aktuell?". Sein Ausgangspunkt war die "unter Gleichen" mit Prof. Dr. Herbert Meißner ausgetragene Kontroverse, die von Interessierten in Artikeln des RF verfolgt werden konnte. Dieckmann legte dar, daß die grundlegenden Aspekte der Entwicklung von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen, wie sie Marx untersuchte, unter Berücksichtigung heutiger Prozesse und ihrer revolutionären Potenzen von höchster Aktualität sind. Gegen Meißners These, die Produktivkräfte wirkten mittlerweile systemstabilisierend und nicht mehr -sprengend, wandte Dieckmann anhand des "tendenziellen Falls der Profitrate" ein, daß keine dauerhafte Stabilisierung der kapitalistischen Verhältnisse möglich sei. Dies wird auch durch die jüngsten Krisenerfahrungen gestützt, da nur massive Finanzhilfen des Staates eine gewisse Stabilität wiederherzustellen vermochten. Der bürgerliche Staat bewährte sich also als Organ zur Aufrechterhaltung der bestehenden ökonomischen und politischen Machtverhältnisse.

Dieckmann kam dann zum Kern der Leninschen Revolutionstheorie mit den drei objektiven Bedingungen, die eine gesellschaftliche Krise und eine Krise des politischen Herrschaftssystems auslösen. Mit Lenin betonte er die besondere Rolle des "subjektiven Faktors".

Doch hier hatte das Referat nach meiner Ansicht Schwächen. Der Referent blieb bei seinem Gang durch die kapitalistischen Entwicklungsetappen der Produktivkräfte (Kohle-Öl-Stahl; Elektrotechnik-Chemie; Mikroelektronik-Informatik) den differenzierten Blick auf Wandlungen der Hauptproduktivkraft Mensch schuldig. Statt die Ausdifferenzierung des "subjektiven Faktors" am historischen Stoff beispielhaft darzustellen, verharrte Dieckmann abstrakt bei gegenständlichen Produktivkräften und damit verbundenen Veränderungen der Arbeitswelt.

Methodologisch kam er nicht über Lenin hinaus, obwohl er diesen doch als "Wegweiser" hätte nutzen können. In seiner Schrift "Das letzte Wort der 'iskristischen' Taktik ..." schrieb Lenin: "Es wäre falsch zu glauben, daß die revolutionären Klassen immer über genügend Kraft verfügen, um einen Umsturz zu bewerkstelligen, wenn dieser aufgrund der gesellschaftlich-ökonomischen Entwicklung vollauf herangereift ist. Nein, die menschliche Gesellschaft ist nicht so vernünftig eingerichtet und nicht so 'bequem' für die fortgeschrittenen Elemente. Der Umsturz kann herangereift sein, allein die Kräfte der revolutionären Schöpfer dieses Umsturzes können sich als ungenügend erweisen, ihn zu bewerkstelligen - dann fault die Gesellschaft, und diese Fäulnis kann Jahrzehnte hindurch andauern" (LW 9, S. 367). Gegenwärtig befinden wir uns m. E. in solcher Fäulnis. Auch das "Implodieren" der DDR und vor allem ihrer politischen Strukturen zu erklären, wäre höchst verdienstvoll, gibt es doch eine Menge kontroverser Literatur zu diesem Thema. Im Sinne Lenins kann wohl als sicher gelten, daß der "subjektive Faktor" (bei ihm "die Kräfte der revolutionären Schöpfer") durch die SED-Führung ruiniert worden war.

Die ganze soziale und politische Struktur des werktätigen Volkes wies kein organisierendes, gestaltendes, geschichtsbildendes Potential für die Weiterführung einer sozialistischen Gesellschaft mehr auf. Nur so konnte die DDR zusammenbrechen und sich dem Anschluß an eine überwunden geglaubte politische Herrschaftsform ergeben. Das bestätigt Dieckmann im Grunde mit seiner Kritik an einer "sang- und klanglosen Löffelabgabe" im Jahre 1990 und der widerstandslosen Einverleibung des Volkseigentums als angeblich herrenloses Gut durch die Treuhand.

Welche Kräfte sind heute die entscheidenden Bestandteile eines revolutionären Bündnisses zur Überwindung der kapitalistischen Gesellschafts- und Herrschaftsstruktur? Hierzu blieb Dieckmann alles schuldig. Die bloße Feststellung, daß es ohne die organisierende Kraft einer Partei und ohne Bündnispolitik nicht geht, ist zu wenig. Auch hierzu hätte er Lenin zumindest methodologisch nutzen können: "Das Verhalten einer politischen Partei zu ihren Fehlern ist eines der wichtigsten und sichersten Kriterien für den Ernst einer Partei. ... Einen Fehler offen zugeben, seine Ursachen aufdecken, die Umstände, die ihn hervorgerufen haben, analysieren, die Mittel zur Behebung des Fehlers sorgfältig prüfen - das ist das Merkmal einer ernsten Partei ­..." schrieb dieser in "Der 'linke' Radikalismus ..." (LW 31, S. 41/42).

Dieses Verhalten wäre bei der "Linken" zu analysieren. Was hier für die Partei gilt, muß erst recht für jedes ihrer Mitglieder gelten. Lassen wir uns darauf ein!

Ralf Becker
"Die Linke", Hohenstein-Ernstthal

Raute

Die BRD, das Münchner Diktat und die Oder-Neiße-Grenze

Wölfe im Schafspelz

Als Günter Schabowski am 9. November 1989 angeblich aus Schußligkeit erklärte, die "Mauer sei sofort und unverzüglich" geöffnet, ahnte kaum jemand, in welche Schwierigkeiten das nicht nur die DDR, sondern auch Kohl und dessen Regierung bringen würde.

Der Bundeskanzler befand sich an jenem Tag in Warschau, aber nicht, um dort die völkerrechtliche Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zu vollziehen, obwohl dieser Akt längst überfällig war.

Natürlich wußte man in Bonn, welche Rolle die Dubceks, Havels und Walesas im Erosionsprozeß der sozialistischen Länder spielten. Aber die Regierenden mußten auch mit der Staatsräson der östlichen Nachbarn des künftig einheitlichen Deutschlands rechnen.

Für die Tschechoslowakei galt das Münchner Diktat von Anfang an als ungültig.

Für Polen war die Oder-Neiße-Grenze endgültig und unantastbar.

Die DDR hatte diese Grundsätze der Prager und Warschauer Politik nie in Frage gestellt. Schon im Sommer 1950, ein halbes Jahr nach ihrer Gründung, schloß sie die entscheidenden Verträge mit Polen und der Tschechoslowakei. Am 23. Juni 1950 unterzeichnete Walter Ulbricht in Prag eine "Erklärung über Freundschaft und Zusammenarbeit".

Die DDR betrachtete das Münchner Diktat als von Anfang an ungültig, erklärte, daß sie keine Gebiets- und Grenzansprüche habe und stellte fest, daß die Umsiedlung Deutscher aus der Tschechoslowakei "unabänderlich, gerecht und endgültig vollzogen ist".

Damit war dem Revanchismus in der DDR der Boden entzogen und der Weg für eine gedeihliche und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der DDR und der CSR frei.

Am 6. Juli 1950 folgte das "Abkommen über die deutsch-polnische Staatsgrenze" von Zgorzelec (Görlitz), das Otto Grotewohl für die DDR unterzeichnete. Sie erkannte damit jene Grenze an, die seitdem völkerrechtlich Bestand hat, aber von der BRD bis 1990 in Frage gestellt wurde.

Zwei Tatsachen dürfen nicht vergessen werden: 1. Die DDR leistete den Hauptbeitrag - auch in materieller Hinsicht -, um die Versöhnung mit jenen Nationen anzustreben, die unter dem Faschismus am meisten gelitten hatten. 2. Die BRD hat vierzig Jahre lang eine friedensgefährdende Revanchepolitik betrieben und gefördert.

Zur Erinnerung: Am 13. Juni 1950 beschloß der Bundestag mit Ausnahme der KPD-Fraktion: "Gemäß dem Potsdamer Abkommen ist das deutsche Gebiet östlich von Oder und Neiße als Teil der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands der Republik Polen nur zur einstweiligen Verwaltung übergeben worden. Das Gebiet bleibt ein Teil Deutschlands. Niemand hat das Recht, aus eigener Machtvollkommenheit Land und Leute preiszugeben oder eine Politik des Verzichts zu betreiben."

"Das deutsche Volk wird niemals die Oder-Neiße-Linie als Grenze anerkennen!", verkündete Konrad Adenauer (CDU) am 20. Oktober 1953 vor dem Bundestag. "Verzicht ist Verrat", tönte Willy Brandt (SPD) 1957 in einem Grußwort an die Schlesier zu ihrem Pfingsttreffen. "Sie haben unsere Geschichte in ein Verbrecheralbum verfälscht", behauptete Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD).

Besonders schändlich waren die Attacken der SPD-Führer Kurt Schumacher und Herbert Wehner auf Otto Grotewohl, der als "Verzichtspolitiker" und "Landesverräter" geschmäht wurde.

Springen wir auf den 9. November 1989. Damals befand sich Helmut Kohl in Warschau. Was wollte er? Seinen Besuch hat er selbst so kommentiert: "Die Zeit war reif für Verständigung und Aussöhnung unserer Völker. In Polen sollte ich mit Staatspräsident Wojciech Jaruzelski zusammentreffen, für den ich keinerlei Sympathie empfand, und mit Tadeusz Mazowiecki, dem ersten nichtkommunistischen Ministerpräsidenten, den der Runde Tisch eingesetzt hatte. Mit meinem Besuch wollte ich auch die Reformbewegung in Polen würdigen. Für Mittel- und Osteuropa wie auch die DDR hätte es einen schweren Rückschlag bedeutet, wenn das polnische Experiment gescheitert wäre. Indem wir der Regierung Mazowiecki halfen, unterstützten wir indirekt auch jene Kräfte in der DDR, die einen grundlegenden Wandel herbeiführen wollten."

Der Leser darf (nachträglich) erfahren, wie teuer die "Brüder und Schwestern" in der DDR dem Kanzler waren. "Wir hatten nicht nur elf Abkommen und Übereinkünfte zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Polen und der Bundesrepublik unter anderem Jugendaustausch, Umweltschutz, Errichtung von Kulturinstituten, Wiederaufnahme des Rechtshilfeverkehrs in Zivil- und Strafsachen sowie Förderung und gegenseitigen Schutz von Kapitalanlagen betreffend unterzeichnet sowie konkrete Initiativen zum Schutz der deutschen Minderheit in Polen ergriffen und eine Finanzhilfe in Milliardenhöhe verabredet."

Angesichts der Tatsache, daß die Bundesregierung die "deutsche Frage", auch die territoriale Ausdehnung Deutschlands, für "offen" hielt und erst in einem Friedensvertrag geregelt wissen wollte, angesichts auch des Gebots des Grundgesetzes, Deutschland in den Grenzen von 1937 wiederherzustellen, befand sich Helmut Kohl 1989/90 in einem Dilemma. Die Bonner Regierung mußte nach einem "Ersatz" für den fehlenden Friedensvertrag suchen und erfand die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen.

Der "Preis der Einheit" war die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble und Horst Teltschik, Kohls Stabschef, waren sich einig, daß die Zustimmung Polens zur "Wiedervereinigung" die härteste Nuß war, die in der Außenpolitik geknackt werden mußte.

Für mich, der ich 1950 (als "Vertriebener") in Zgorzelec dabeigewesen bin, war es grotesk zu erleben, wie die letzte Volkskammer genau 40 Jahre später dasselbe beschloß wie einst die Abgeordneten des DDR-Parlaments.

Daß Präsident Václav Havel ein trojanisches Pferd bei der Rekapitalisierung seiner Heimat war, muß einem politisch interessierten Tschechen nicht gesagt werden. Aus dem "Volkstribun" im Kampf gegen die "kommunistische Diktatur" wurde ein williger Lakai der NATO und der EU.

Hat die BRD das Münchner Diktat von 1938 eigentlich für ungültig erklärt? Das ist bis heute nicht geschehen. Bei der Unterzeichnung des Prager Vertrages betonte Helmut Kohl ausdrücklich, daß über die finanziellen Ansprüche von (Sudeten-)Deutschen nichts entschieden worden sei. Originalton Kohl: "Die Eigentumsfrage bleibt natürlich offen." Wieso "natürlich"?

Polen und Tschechien gehören jetzt zu NATO, EU und "christlich-abendländischer Wertegemeinschaft" wie das Territorium der einstigen DDR. Aber geschichtliche Tatsachen können damit nicht korrigiert werden: Es war die DDR, die die Existenz und Entwicklung Polens und der Tschechoslowakei als Staaten unterstützte und garantieren half.

Es war die BRD, die den Bestand und die Grenzen dieser Staaten in Frage stellte. Ihre offen revanchistischen Ziele hat sie nicht erreicht.

Mit Polen schloß die BRD am 11. November 1990 den Vertrag über die "zwischen ihnen bestehende Grenze" und am 17. Juni 1991 den Vertrag über "gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit".

Wie ernst die Merkel-Regierung das nimmt, zeigte u. a. ihr monatelanges Taktieren gegenüber Erika Steinbach (CDU), die nicht nur die genannten Verträge im Bundestag ablehnte, sondern deren Geist und Buchstaben auch ständig verletzt.

Der Diplomat Janusz Reiter erklärte Anfang Januar 2010 im "Spiegel": "Bis heute wissen die Durchschnittsdeutschen nichts oder nur wenig darüber, daß die Nazis nicht nur an den Juden Verbrechen begingen, sondern auch einen Volkstumskrieg gegen die Slawen führten. Der hatte zum Ziel, die nationalen Eliten zu vernichten. Das ist in Polen das Schlüsselerlebnis des 20. Jahrhunderts."

Prof. Dr. Horst Schneider

Raute

Wen Gott bestrafen will, den läßt er in Afghanistan einmarschieren

Guttenberg gießt Öl ins Feuer

"Viel Glück und Gottes Segen" wünschte Verteidigungsminister zu Guttenberg den Soldaten, deren letzte Vorbereitung auf den Afghanistan-Einsatz er unlängst im Gefechtsübungszentrum des Heeres in Letzlingen (Sachsen-Anhalt) inspizierte. Das Mandat für diesen Einsatz haben die Kriegsbefürworter im Bundestag am 3. Dezember vergangenen Jahres erneut verlängert und die Truppe inzwischen personell aufgestockt. Die "einsatzbedingten Zusatzkosten" wurden von 688 Millionen Euro für die letzten 14 Monate auf 820,7 Millionen Euro für die 12 Monate des laufenden Jahres erhöht. Die tatsächlichen Kosten sind selbst für Bundestagsabgeordnete ein Geheimnis. Es wird nicht die letzte Verlängerung gewesen sein. Ist doch entgegen allen Beteuerungen auf der jüngsten Londoner Afghanistan-Konferenz Präsident Karsai der Auffassung, daß die Präsenz ausländischer Truppen noch 10 bis 15 Jahre erforderlich sei.

Die Bundeswehr ist am Krieg und an der Besetzung Afghanistans von Anfang an beteiligt. Seit der ersten Mandatserteilung (2001) hat sich das deutsche Kontingent mehr als vervierfacht. Die Begründung für den Kriegseinsatz der Bundeswehr wurde wiederholt erheblich verändert. Von der "Bündnissolidarität und Terrorbekämpfung" (Schröder), der "Verbreitung von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie" (Fischer), der "Verteidigung deutscher Sicherheitsinteressen am Hindukusch" (Struck), der "Stabilisierung des Landes" (Jung) bis hin zur Teilnahme an einem "nicht internationalen bewaffneten Konflikt" (zu Guttenberg). Nichts von alledem trifft zu. Der einst von der UNO als Hilfsmission mandatierte Einsatz hat sich schon lange als Krieg gegen aufständische Afghanen, die sich bewaffnet gegen die Besetzung ihres Landes wehren, erwiesen.

Nach UNO-Angaben gibt es in Afghanistan über 2000 bewaffnete Widerstandsorganisationen. Mit dem wachsenden Einfluß der Taliban - sie kontrollieren mittlerweile nahezu 80 Prozent des Landes - nimmt die Intensität der Kriegshandlungen zu. Gezieltes Töten ist Bestandteil einer "offensiven Aufstandsbekämpfung". Das Massaker bei Kundus vermittelt eine Vorstellung. Die Folgen des ins neunte Jahr gehenden Krieges sind für die Afghanen verheerend. Über 60 Prozent sind chronisch unterernährt, 40 Prozent ohne Arbeit. Die Lebenserwartung sank auf 43 Jahre. Die Alphabetisierungsquote ist auf 23,5 Prozent gefallen. Frauen und Kinder leiden am stärksten unter dem Krieg, der von Jahr zu Jahr größere zivile Opfer fordert. Im abgelaufenen Jahr waren es mit 2412 Toten mehr als je zuvor seit dem Sturz der Taliban. Auch für die ausländischen Truppen war 2009 das verlustreichste Jahr. 450 Soldaten kamen gewaltsam ums Leben, 2008 waren es 264.

Bundespräsident Köhler kritisiert, die Gesellschaft nehme am "Friedenseinsatz" zu wenig Anteil. Er fordert: "Wir alle, vor allem in der Politik, haben die Aufgabe, den Einsatz in Afghanistan zu erklären." Die "neue Afghanistan-Strategie" machte Bundeskanzlerin Merkel gleich zur Chefsache. Auf vier Pressekonferenzen (Bundeskanzlerin, Außen-, Verteidigungs- und Innenminister) wurden das "Neue" und der "Vorzug" des Vorgehens in Afghanistan gepriesen. Mit mehr NATO-Truppen, mehr Geld und der Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten soll das Blatt gewendet werden. Ein schrittweiser Rückzug der Bundeswehr ab 2011 wird in Aussicht gestellt. Frau Merkel ist schon seit langem der Auffassung, die Kämpfe müßten "Schritt für Schritt ein afghanisches Gesicht bekommen". Afghanisierung des Krieges heißt aber im Klartext: Bürgerkrieg unter NATO-Aufsicht. Dazu stellen die USA ihre Erfahrungen bei der Niederschlagung von Aufständen zur Verfügung. Im Feldhandbuch der US-Armee zur Aufstandsbekämpfung (FM 3-24 Counterinsurgency) wird von 20 bis 25 "Sicherheitskräften" pro 1000 Einwohner für die Niederschlagung eines Aufstandes ausgegangen. Auf Afghanistan bezogen ergäbe sich ein Bedarf von 570.000 bis 710.000 Mann. Ein illusorisches Unterfangen. Jetzt ist ins Auge gefaßt, zu den bereits stationierten 110.000 Soldaten weitere 30.000 aus den USA und 9000 aus anderen NATO-Staaten einzusetzen, die Afghanische Nationalarmee (ANA) von 93.800 Soldaten (auf dem Papier) auf 134.000 aufzustocken und die Afghanische Nationale Polizei (ANP) von 82.000 auf 160.000 Mann zu vergrößern. Dieser geplante afghanische Repressionsapparat des korrupten Karsai-Regimes soll künftig den NATO-Truppen die Drecksarbeit ab- und die "Sicherheitsverantwortung" übernehmen.

Die Bundeswehr wird auch weiterhin nach den Streitkräften der USA und Großbritanniens das drittgrößte Kontinent in Afghanistan stellen. Mitte Dezember 2009 befanden sich 4290 Soldaten, darunter 190 Frauen, im Kriegseinsatz. Die bisher festgelegte Höchstzahl von 4500 wird um 850 erhöht. Mehr als 73.000 Angehörige der Bundeswehr besitzen bereits afghanische Kampferfahrungen. Zusammen mit den anderen Auslandseinsätzen sind es sogar über 200.000. Ein wichtiges Reservoir für mögliche Operationen in der BRD. (Schon 2005 hatte Bundespräsident Köhler auf einer Kommandeurstagung auf die künftige Rolle der Bundeswehr im Inland bei der Bekämpfung des "internationalen Terrorismus mit allen Mitteln" aufmerksam gemacht.) Auffällig ist die große Zahl von Soldaten ostdeutscher Herkunft. Mitte 2009 kam fast die Hälfte der 6400 an Auslandseinsätzen Beteiligten aus den sogenannten neuen Bundesländern. Angesichts des Anteils der Ostdeutschen an der BRD-Gesamtbevölkerung, der unter 20 Prozent liegt, ist das vollkommen überproportional. In Anspielung auf die US-Streitkräfte werden die Ostdeutschen als die Afroamerikaner der Bundeswehr bezeichnet. Hinter diesem Sarkasmus verbirgt sich ein ernsthaftes sozialpolitisches Problem, das von der Militärführung bei der Personalergänzung angesichts der hohen Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen skrupellos ausgenutzt wird. Diese unterwerfen sich den Gefahren des Krieges, weil ihnen die kapitalistische Gesellschaft keine andere Chance läßt. Zwischen "arbeitslos oder Afghanistan" müssen viele von ihnen wählen; Hartz IV oder Grundsold plus "Auslandsverwendungszuschlag". Dieser beträgt seit Juli 2009 immerhin 110 Euro pro Tag!

Einem ARD-Video-Text war zu entnehmen, daß 69 Prozent der befragten Bundesbürger für den sofortigen Rückzug der Bundeswehr aus Afghanistan und für die Beendigung des Krieges sind. Auch in anderen kriegführenden Ländern ist die Ablehnung gewachsen (USA 53 %, Frankreich 55 %, Großbritannien 66 %). Doch um aus der demoskopischen Mehrheit gegen den Krieg eine politisch aktive Kraft zu entwickeln, bedarf es noch großer Anstrengungen und außerparlamentarischer Aktionen.

Wie oben zitiert, wünschte zu Guttenberg den Soldaten für ihren Einsatz in einem Krieg, der nicht zu gewinnen ist - viel Glück und Gottes Segen. Er selbst sollte sich der asiatischen Weisheit erinnern, die besagt: "Wen Gott bestrafen will, den läßt er in Afghanistan einmarschieren."

Dr. Dieter Hillebrenner


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Guttenberg im überfallenen Land

Raute

Haiti im kolonialen Griff der imperialistischen Hauptmacht

Geheuchelte Hilfe

"Der Raubüberfall auf Haiti verlief schnell und brutal", schrieb der Journalist John Pilger im Londoner "New Statesman". Am 22. Januar erlangten die USA die "formelle Einwilligung" der UNO zur Übernahme der Flug- und Seehäfen Haitis sowie zur "Sicherung" sämtlicher Straßen. Für Haiti unterzeichnete niemand. Das Abkommen besitzt somit keine Rechtsgrundlage.

Kriegsschiffe der U.S. Navy blockierten schlagartig Häfen und Küsten des Inselstaates. 13.000 Marines hart abgerichteter Spezialeinheiten landeten auf dem Flughafen von Port-au-Prince, der im Nu zur Militärbasis der USA erklärt wurde. Flugzeuge mit Medikamenten, Nahrungsmitteln und Wasser für die Bevölkerung wurden angewiesen, in der benachbarten Dominikanischen Republik zu landen und ihre Fracht auf dem fraglichen Landweg transportieren zu lassen. Ernsthaft verwundete Haitianer mußten ohne medizinische Hilfe so lange ausharren, bis 800 Bewohner der Hauptstadt mit USA-Paß verpflegt und evakuiert worden waren. Es vergingen sechs Tage, bis die U.S. Air Force begann, Wasserflaschen für die Verdurstenden abzuwerfen. Drei Stunden vor Ankunft der USA-Außenministerin Hillary Clinton, der es um die Koordinierung der neokolonialen Aktivitäten Washingtons ging, wurde der gesamte Flugverkehr unterbrochen.

Die ersten Fernsehberichte, schrieb Pilger, waren entscheidend für die Abrichtung der öffentlichen Meinung. Der von den Amerikanern eingeflogene BBC-Journalist Matt Frei überschlug sich mit Reportagen über explodierende Gewaltkriminalität, was die Notwendigkeit sofortiger Sicherheitsmaßnahmen implizierte. Unbeachtet blieben die stille Würde der Hungernden und Verletzten, die auf Hilfe warteten, die Verzweiflung der Mütter, deren Kleinkinder in ihren Armen verdursteten, und die übermenschlichen Anstrengungen Freiwilliger, die Verschütteten mit bloßen Händen auszugraben.

Präsident Obama ernannte ausgerechnet seinen Vorgänger George W. Bush zum Leiter der US-"Hilfsaktion". Es handelte sich um denselben Bush jr., der 2004 den demokratisch gewählten Präsidenten Haitis, Jean-Bertrand Aristide, kidnappen und nach Afrika verbannen ließ. Dieser hatte es gewagt, bescheidenste Reformen, so einen Mindestlohn für Näherinnen, gesetzlich festzulegen.

USA-Konzerne kontrollieren Haitis Erzeugung von Zucker, Sisal und Bauxit. Die traditionelle Selbstversorgung der Inselbevölkerung mit Reis wurde zugunsten von Importen aus den Vereinigten Staaten gedrosselt. Obamas großspurige Ankündigung "massiver amerikanischer Hilfe", einer "schnellen, koordinierten und aggressiven Hilfeleistung, um Leben zu retten", erwies sich als Flop. Laut "Wall Street Journal" hieß es erst einmal, "bedeutende logistische Hürden" zu überwinden. Der Seehafen von Port-au-Prince war schwer beschädigt, der Kontrollturm am Flughafen nicht intakt, was die Zahl landender Maschinen einschränkte. Tim Reid von der Londoner "Times" berichtete über "chaotische, unkoordinierte Hilfsleistungen".

Die in Genf ansässige Organisation "Ärzte ohne Grenzen" kommentierte am 19. Januar: "Es besteht kein Anzeichen bedeutender Hilfe." In der Zwischenzeit starben Haitis Menschen an Hunger und Durst. Am 20. Januar berichtete "Times"-Journalist Giles Whittell über schlimme Zustände im einzigen unbeschädigten Krankenhaus sowie in Feldhospitälern, wo laufend Amputationen vorgenommen würden, um Gangräne vorzubeugen.

Eine Woche nach dem Erdbeben kam endlich nennenswerte ausländische Hilfe ins Land. US-Fallschirmjäger sicherten zunächst den teilweise eingestürzten Präsidentenpalast, während Generalmajor Daniel Allyn, stellvertretender Kommandeur der US-Militäroperation Haiti, ankündigte, seine Truppen würden nicht mehr nach Überlebenden fahnden, sondern nur noch Leichen bergen. Wie viele Menschen starben wegen ausgebliebener Hilfeleistung in den Ruinen? Babys, Kinder, junge Mädchen und Burschen wurden in den nächsten Wochen gerettet; selbst noch nach 27 Tagen konnte ein Mann, der mit Coca-Cola und Chips überlebt hatte, aus den Trümmern einer Hotelkantine herausgeholt werden. Bill Clinton ließ sich von den Vereinten Nationen als deren Vertreter in Haiti küren. Dieser Expräsident der USA hatte erst unlängst ein Geschäft im Volumen von 55 Millionen Dollar im Norden des Inselstaates unterstützt, wo ein "Touristen-Spielplatz" für Nordamerikaner entstehen soll.

Nicht für Touristen gedacht ist die riesige US-Botschaft in Port-au-Prince. Ihre Größe hängt mit der Tatsache zusammen, daß vor Jahrzehnten in den Hoheitsgewässern Haitis reiche Ölvorkommen entdeckt wurden, die heute zu jener strategischen Reserve der Vereinigten Staaten gehören, die dann angezapft werden soll, wenn das arabische Öl einmal nicht mehr sprudelt.

Haiti besitzt enorme strategische Bedeutung in Washingtons "Roll-back"-Strategie. Deren Ziel ist der Sturz der volksnahen Regierungen Venezuelas, Boliviens und Ekuadors, von Kuba ganz zu schweigen. Vor allem geht es um die Kontrolle über Venezuelas gewaltige Ölvorräte. Der erste Erfolg dieser Strategie des "Zurückrollens" war der Coup gegen den gewählten Präsidenten von Honduras, José Manuel Zelaya. Die kaum verdeckte Unterstützung des illegalen Regimes in Tegucigalpa durch die Obama-Administration ist ein Warnsignal für verletzliche mittelamerikanische Staaten wie Nikaragua und El Salvador.

Haiti besitzt eine ganz besondere Geschichte. Es war das einzige Land der Welt, wo die Sklaverei durch die Sklaven selbst beseitigt worden ist. Haitis Revolution begann 1791. Frankreich, Großbritannien und Spanien entsandten ihre Armeen, um den Aufstand niederzuwerfen. Sie wurden von den haitischen Truppen unter deren Anführer Toussaint L'Ouverture und später Jean-Jacques Dessalines besiegt. Ende 1803 waren die Sklavenketten zerbrochen. Ein Drittel der Bevölkerung hatte im Befreiungskampf sein Leben verloren. Städte und Plantagen waren verwüstet. Die geschlagenen Kolonialmächte verhängten eine Blockade über Haiti, um die Sklavenrebellion zu isolieren und zu ersticken.

Erst 20 Jahre später erneuerte Frankreich seine diplomatischen und Handelsbeziehungen mit dem jungen Inselstaat - unter der Bedingung, daß dieser "Schadensersatz für verlorene Sklaven und Ländereien" zahlte. Es handelte sich um eine Summe, die dem damaligen Jahreshaushalt Frankreichs gleichkam. Haiti war gezwungen, Kredite mit Wucherzinsen bei Pariser Banken aufzunehmen. Erst 1947 hatte das verarmte Land seine "Schulden" abgezahlt.

Schon zwischen 1915 und 1934 wurde Haiti wiederholt von US-Invasionen heimgesucht. Zwischen 1957 und 1971 gelangten dort mit "Papa-Doc" Duvalier und seinem Sohn Jean-Claude blutige Diktatoren ans Ruder. Mit Hilfe ihrer "Tonton-Macoutes" errichteten sie ein Schreckensregime.

Erst nach der Wahl Aristides im Jahr 1990 endete die politische Vergewaltigung. Doch schon ein Jahr später inszenierte die CIA einen Militärputsch, der von Frankreich unterstützt wurde, nachdem Aristide die Rückzahlung eines Teils der "Schuldengelder" von Paris gefordert hatte. 1994 ließ Washington seine Rückkehr zu. Ein Jahr später löste der Präsident die Armee auf, die ihn abgesetzt hatte. Im Jahr 2000 wurde Aristide wiedergewählt, um 2004 einer neuen Verschwörung weichen zu müssen. Seither unterhält die UNO eine "Stabilisierungstruppe" aus Militärs und Geheimdienstlern der USA, Kanadas und Frankreichs in Haiti. Jetzt hat die neue koloniale Ära für den Inselstaat begonnen.

Dr. Vera Butler, Melbourne

Raute

Belgiens PTB will das Geld dort abholen, wo es ist

Angst vor Millionärssteuer

Die marxistische Partei der Arbeit Belgiens (PTB) wartet mit einer volkstümlichen Idee auf, die unter der werktätigen oder sozial ausgegrenzten Bevölkerungsmehrheit des Königreichs inzwischen wie ein Flächenbrand um sich greift. Die Sache ist ganz einfach: Ein Werbeposter der Waschmittelmarke TAKS, präsentiert von einer attraktiven Hostess, und mit dem Text "Dieses Produkt wird Ihr Leben verändern", wurde nur geringfügig umgestaltet, indem man das Wort TAKS in das Wort TAXE ("Besteuert!") veränderte. Man fügte noch hinzu: "... die Millionäre!"

In seiner Sendung "La Première" (RTBF-Radio) erläuterte der bekannte belgische Journalist Hugues Le Paige, welches Ziel von der PTB mit der vorgeschlagenen Sonderabgabe verfolgt wird. Die Initiatoren zeigten "sehr wirksam, daß eine durchaus maßvolle Besteuerung der Vermögen von 88.000 in Belgien lebenden Millionären dem Staat jährlich fast 9 Milliarden Euro einbrächte, was die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Finanzierung der Sozialversicherung sowie die Förderung von Lehre und Forschung gestatten würde".

"Belgien unterscheidet sich heute kaum noch von den USA", schrieb die in Brüssel erscheinende kommunistische Wochenzeitung "Solidaire". "Unser Land zählt so viele Millionäre wie die sonstige EU zusammengenommen. Es ist eine Steueroase für große Vermögen."

Gegenwärtig gebe es in Belgien mehr als 800.000 Arbeitslose, berichtete das Blatt. Viele von ihnen könnten mit den Staatseinnahmen aus einer Millionärssteuer, an der zwei Prozent der Landesbürger mit einer zusätzlichen Abgabe von ein bis drei Prozent beteiligt werden sollten, in Lohn und Brot gebracht werden. Eine solche Vorstellung erscheine sehr real, da der Bedarf an Arbeitskräften im sozialen Wohnungsbau, im öffentlichen Dienst, im Bildungswesen, bei Post und Telekommunikation sowie auf dem Gebiet des Umweltschutzes derzeit keineswegs gedeckt sei.

Aufgrund der Wirtschafts- und Finanzkrise sind für das laufende Jahr in Belgien einschneidende Sparmaßnahmen - man spricht von fehlenden 9 Milliarden Euro - zu erwarten.

Übrigens ist eine Millionärssteuer in Frankreich, wo man von 8,7 Milliarden Euro zusätzlichen Einnahmen berichtet, bereits Realität.

Es versteht sich von selbst, daß die PTB weder die schwer erarbeiteten Einkünfte belgischer Werktätiger noch kleinere Erbschaften anzutasten beabsichtigt, sondern allein solche Supervermögen wie das der Familie Spoelberch: Grégoire residiert in einem Renaissance-Schloß auf dem Gut Wespelaar, sein Bruder Olivier besitzt das Chateau in Flawinne bei Namur, während Adolphe und André sich in das Schloß Drietoren in Londerzeel teilen müssen. Mit zwei anderen Familien, die gemeinsam mit den Spoelberchs den Konzern AB InBev beherrschen, verfügen sie über die Kleinigkeit von 12,5 Milliarden Euro. Innerhalb von zehn Jahren wurde ein Zuwachs von 1050 Prozent erzielt.

Würde die von der BTP vorgeschlagene Millionärssteuer auf die AB-InBev-Eigner angewandt, müßten sie jährlich 412.795.000 Euro an das Finanzamt abführen. Für Leute ihres Geblüts sind das Peanuts. Allerdings könnte man damit die monatlichen Bezüge von 443.996 belgischen Rentnern um jeweils 100 Euro erhöhen. Ist es unter diesen Umständen ein Wunder, daß immer mehr Belgier die PTB-Idee und deren Internetliste unterstützen? Anfang Februar hatten sich bereits mehr als 10.000 "Fans" eingetragen.

RF, gestützt auf "Solidaire" Brüssel


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

TAXE statt TAKS: Die PTB (flämisch pvda) bietet das neue "Waschmittel" an. Der Parteivorsitzende Peter Mertens mit dem "Produkt"

Raute

Brüssel nimmt den Griechen die Luft zum Atmen

Die Würgeschlinge der EU

Um die absturzgefährdete Währungsstabilität des Euro zu retten, hat Brüssel den Zusammenbruch der Zahlungsfähigkeit Athens in letzter Minute abgewendet. Die hellenischen "Partner" wurden vor ein verheerendes Ultimatum gestellt: Die Forderungen der Europäischen Kommission haben zur Folge, daß den Griechen buchstäblich die Kehle zugedrückt worden ist. Die finanzielle und ökonomische Situation des südeuropäischen EU-Landes ist katastrophal.

Während das griechische Staatsdefizit im Vorjahr 13% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entsprach, belief sich die öffentliche Verschuldung auf 113%. Die EU gestattet ihren Mitgliedsländern indes nur eine Defizitobergrenze von drei Prozent und eine Verschuldung von 60 Prozent. Unter diesen Bedingungen wurde es für Athen immer schwieriger, auf den internationalen Finanzmärkten Kredite zu halbwegs normalen Zinssätzen zu erhalten.

Angesichts der latenten Finanzschwäche Spaniens - der viertgrößten europäischen Macht -, Portugals, Irlands und anderer Staaten muß Brüssel mit einem Dominoeffekt rechnen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Griechenlands Ministerpräsident Andreas Papandreou von der sozialdemokratischen PASOK, der jetzt nicht nur für eigene Versäumnisse, sondern auch für die "Sünden" der rechtskonservativen Vorgänger-Regierung aufzukommen hat, wurde von der EU zu zwei drakonischen "Sparplänen" verpflichtet, bei denen vor allem die Werktätigen Federn lassen müssen. Zu den Sondermaßnahmen gehören das Einfrieren der Renten sowie der Löhne, Gehälter und Pensionen im öffentlichen Dienst, die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 21%, die Einführung einer Treibstoffsteuer und erhebliche Gehaltskürzungen für Beamte.

Falls die jetzt - übrigens auch in Lissabon - ergriffenen Maßnahmen nicht zu einer Stabilisierung der Lage führen sollten, würden die großen europäischen Mächte - allen voran die BRD - sowohl zur Sicherung ihrer eigenen wirtschaftsstrategischen Interessen als auch zur Rettung des Euro in Griechenland massiv eingreifen, heißt es. Theoretisch hindert der Maastricht-Vertrag die anderen "Partner" daran, einem EU-Mitglied solche "Solidarität" zu erweisen - es sei denn, "besondere Umstände" machten sie erforderlich.

RF, gestützt auf "Solidaire", Brüssel

Raute

Wortmeldung einer "RotFuchs"-Leserin aus der Pariser Region

Kommunisten in Frankreich

Trotz unzähliger Opfer im antifaschistischen Widerstandskampf gegen die Hitler-Okkupanten war die Französische Kommunistische Partei außerordentlich gestärkt aus dem II. Weltkrieg hervorgegangen. Doch nach dem Tode von Marcel Cachin, Maurice Thorez und Jacques Duclos geriet sie 1972 unter die Führung des als Mitbegründer des sogenannten Eurokommunismus geltenden Georges Marchais. Sie glitt im Laufe der Zeit auf den Weg des Opportunismus ab, wurde in den Armen der sozialdemokratisch geführten Regierung Mitterrand erdrückt und verfiel später immer spürbarer der Einflußlosigkeit. Die FKP erlebt seit ihrem Zusammengehen mit der im Vorfeld der jüngsten Europawahlen gegründeten "Linken", einer Abspaltung der Sozialistischen Partei, in den bürgerlichen Medien eine gewisse Renaissance. Das ist nicht verwunderlich, macht sich doch ihre Führung bei der Leugnung des Klassenkampfes und der falschen Interpretation des Marxismus-Leninismus verdient.

Auf ihrem Nationalkonvent "zur Würdigung des Falls der Berliner Mauer" haben der FKP-Koordinator Pierre Laurent (man spricht von ihm als dem künftigen Generalsekretär) sowie der Europa-Abgeordnete Francis Wurtz am 9. November 2009 ganz besonders jene, welche sich auf die eine oder andere Art und Weise im Kampf um die progressive Umwandlung der Gesellschaft Europas und der Welt verdient machen", begrüßt und gemeinsam mit ihnen die sozialistische Staatengemeinschaft des Kontinents noch einmal zu Grabe getragen. Dabei assistierten (Wortwahl der Website der FKP) "neben Dissidenten aus den verschiedensten sozialistischen Ländern auch der Kommunist Gysi, Anwalt und ehemals Verteidiger von Dissidenten". Dieser beteiligte sich per Videoübertragung. Das Ende des Kalten Krieges sei "ein Akt der Befreiung für die Bevölkerung der DDR" gewesen, sagte er. Unisono wurde die Abschaffung der sozialistischen "Regimes" als Vorbedingung für den Kampf um die Errichtung eines "demokratischen Sozialismus" gewertet.

Nicht alle Kommunisten Frankreichs folgen indes dem Kurs der Parteiführung. Seit den 70er Jahren kam es immer wieder zu Ausschlüssen und zu zahlreichen Austritten. Einzelne Genossen und ganze Grundorganisationen werden seitens der FKP-Führungsclique diffamiert und unter Druck gesetzt. Viele von ihnen haben sich seit Jahrzehnten in unterschiedlichen marxistisch-leninistischen Organisationen gesammelt. So gibt es die Union de Révolutionnaires Communistes de France (URCF) und den Pole de Renaissance Communiste en France (PRCF), gegründet im April 2004. Er steht in ständigem Gedankenaustausch mit zahlreichen französischen und internationalen Parteien und Vereinigungen. Sein Internationales Komitee für Klassensolidarität trägt übrigens den Namen Erich Honeckers. Auch der Freundeskreis Ernst Thälmann wäre hier zu erwähnen. Von der Zeitschrift "Initiative Communiste" des PRCF übernahm der "RotFuchs" bereits des öfteren Artikel.

Die hier genannten Zusammenschlüsse betrachten den Kampf gegen die Verfälschung des Marxismus-Leninismus als ihre oberste Priorität. Ziel aller bleibt die Wiedergeburt einer klassenkämpferischen kommunistischen Partei in Frankreich. Hervorzuheben sind die guten Beziehungen zur Partei der Arbeit Belgiens (PTB), der KP Griechenlands (KKE), der portugiesischen PCP, der KP Kubas und einigen kommunistischen Parteien Osteuropas. Mit großer Sympathie werden von vielen die Wege der VR China verfolgt.

All diese Parteien und Vereinigungen schöpfen ihre Stabilität aus den Lehren des Marxismus-Leninismus und analysieren auf dessen Grundlage die Konterrevolution in Europa.

Ein Wort zur DDR, aus der ich ursprünglich komme. Wir haben uns in ihr trotz mancher Widersprüche doch offenbar recht wohl gefühlt, was viele RF-Beiträge beweisen, aber überdies auch allzu sicher. Dieses Empfinden kennen die im Kapitalismus Lebenden nicht. Sie haben es nie gekannt. Natürlich dürften sie wenig über die DDR und die anderen sozialistischen Staaten wissen. Auch daraus mag resultieren, daß weder manche Westdeutschen noch Werktätige anderer westlicher Länder die "innere Zerrissenheit" vieler ehemaliger DDR-Bürger verstehen können. Sie ist oftmals dem Druck der Medien und der Vorstellung, sich "moralisch" einordnen zu wollen oder zu sollen, geschuldet. Aber im Volk wird von jeher gesagt, daß man wissen müsse, wo man hingehöre. Unter Kommunisten verwenden wir den Begriff Klassenbewußtsein, und es ist schön, darüber so einiges im Februar-RF nachzulesen.

Die Bürger der sozialistischen Länder haben den Genossen der übrigen Welt viele Erfahrungen voraus, vor allem aber erhielten sie eine solide marxistisch-leninistische Grundausbildung, etliche weit mehr als das. In einer bürgerlichen Demokratie müssen sich Arbeiter mit Hilfe von Verbündeten aus anderen Schichten stets selbst um ihr theoretisches Rüstzeug bemühen. Noch gibt es in den jetzt vom Kapital zurückeroberten Ländern Europas die älteren Genossen mit ihrem beachtlichen Wissenspotential. Das ist ein gewaltiger Vorteil! Der RF-Förderverein bietet mit der Zusammenführung von Kommunisten und Sozialisten auf marxistischer Basis außergewöhnliche Schulungsmöglichkeiten. Darauf können Verein und Zeitschrift stolz sein. Um die Lokomotive der Geschichte wieder unter Dampf zu setzen, ist es notwendig, daß die Menschen aus der DDR und allen sozialistischen Staaten die Ursachen der Konterrevolution auf der Basis einer tiefgehenden klassenmäßigen Analyse erfahren.

Wir sollten jene Kommunisten nicht verunglimpfen, die unter unsagbar schweren Bedingungen und enormer politischer und ökonomischer Einwirkung des Gegners das Staatsschiff der DDR zu lenken versucht haben. Die Erfolge der DDR beruhen in meiner Sicht auch auf dem Beharrungsvermögen von Genossen wie Walter Ulbricht und Erich Honecker. Die Bevölkerung der DDR und der CSSR verdankte dem klaren Kurs der führenden Parteien beider Länder den im sozialistischen Lager höchsten Lebensstandard. Leider ist die größte Errungenschaft der deutschen Geschichte im Klassenkampf verloren worden. In meinem Gastland Frankreich blicken die Genossen heute sehr auf die deutschen, insbesondere die ostdeutschen Kommunisten, und begrüßen, daß sie aus ihrem Trauma erwacht sind.

Für mich war es eine große Überraschung, bei der anläßlich des Jahrestages der Oktoberrevolution in Paris durchgeführten Veranstaltung auch die Fahne der DDR gesehen zu haben. Für alle wahren Kommunisten der Welt bleibt der Rote Oktober das große Ereignis der Geschichte. Ihm ist vor allem die jahrzehntelange Existenz der sozialistischen Staatengemeinschaft Europas mit ihren politischen, ökonomischen und sozialkulturellen Erfolgen zu verdanken.

Gudrun Rudolph, Pariser Region

Raute

Pinochet-Anhänger verhalfen Chiles Piñera zur Präsidentschaft

Ein Milliardär in der Moneda

Am 17. Januar wurde Eduardo Frei - Kandidat der bisher regierenden Mitte-Links-Koalition aus Christdemokraten, Sozialisten und anderen Parteien (Concertación) - in der zweiten Runde der chilenischen Präsidentschaftswahlen geschlagen. Im ersten Wahlgang waren auf die Kandidaten der drei linken Listen noch insgesamt 56 % der Stimmen entfallen. Doch Wahlsieger war am Ende der Milliardär Sebastian Piñera - Chiles drittreichster Mann - und in dieser Hinsicht gewissermaßen eine lateinamerikanische Kopie Berlusconis. Obwohl er sich als "Gemäßigter" darstellte, bekam seine Kampagne bald dadurch einen ausgeprägten Rechtsdrall, daß er bekannte Anhänger des früheren Diktators Augusto Pinochet, der 1973 den Volkspräsidenten Salvador Allende zu Fall gebracht hatte, in sein Wahlkampfteam berief. Zwei von Piñeras Spitzenberatern hatten unter dem Tyrannen hohe Posten innegehabt, ein Dritter war sogar Minister Pinochets gewesen. Vor allem zwei politische Gruppierungen trugen den neuen Präsidenten an die Macht: seine eigene ebenfalls rechtslastige Allianz für Chile, vor allem aber die extrem reaktionäre Nationale Erneuerungspartei (IDU), der die Mehrzahl der Piñera unterstützenden Parlamentarier angehört.

Der neue Mann in der Moneda ist nicht nur Hauptaktionär der chilenischen Luftverkehrsgesellschaft LAN, sondern auch Eigentümer des Fernsehsenders Chilevision. Überdies steckt sein Kapital in der Fußball-Nationalmannschaft und in einem nur Begüterten zugänglichen großen Krankenhaus Santiagos.

Anders ausgedrückt: Mit dem neuen Präsidenten, der die in der DDR ausgebildete Medizinerin Michelle Bachelet ablöst, hat die Hochfinanz fortan direkten Zugang zur Moneda.

Während einflußreiche Blätter von einem Rechtsruck bei der chilenischen Wählerschaft sprechen, teilt die KP Chiles diese Bewertung so nicht. Natürlich sieht auch sie in Piñeras Wahl den ersten Abstimmungstriumph eines Präsidentschaftsbewerbers der radikalen Rechten seit 1958, selbst wenn sich dieser verbal von der Pinochet-Ära distanziert.

Guillermo Teillier, einer von drei in der ersten Wahlrunde am 13. Dezember in die Kammer eingezogenen Kommunisten, bezeichnete Piñeras Präsidentschaft als eine schlechte Nachricht für Chile und Lateinamerika. Andererseits sei sein Sieg nicht zuletzt auf eine Reihe die Massen irritierender Vorgänge unter der Regierung der Concertación zurückzuführen, also nicht Ausdruck eines generellen und dauerhaften Rechtsschwenks. Die Tatsache, daß die sozialistische Präsidentin Bachelet bis zuletzt mit einer Zustimmungsrate von 80 Prozent habe rechnen können, stütze diese These. Piñera habe sich überdies viele in Chile populäre Forderungen zu eigen gemacht, sagte Teillier. Seine Versprechen, die Gesundheits- und Beschäftigungsprogramme der Concertacion auszuweiten, kleine Unternehmen finanziell zu fördern und die Investitionen in die staatliche Codelco - den weltgrößten Kupferproduzenten - wesentlich zu erhöhen, hätten Wirkung gezeigt.

Auch die den Konzernen in die Hände spielende Privatisierungsstrategie der Vorgängerregierung sowie die unter ihr weit verbreitete Korruption dürften zu Piñeras Erfolg beigetragen haben.

Obwohl Chile zu den reicheren Ländern des Subkontinents gehört, ist die Kluft zwischen Wohlhabenden und Armen hier weitaus größer als in anderen Staaten der Region. Übrigens hatte das Übergangsregime von der Pinochet-Herrschaft zur bürgerlichen Demokratie die konsequenten Linkskräfte des Landes von jeder echten Beteiligung rücksichtslos ausgeschlossen. Das Wahlsystem wurde konsequent zum Vorteil der Rechten und der Sozialisten umgestaltet, wobei man die Stimmbezirke so zusammenlegte, daß Bewerber kleinerer Parteien chancenlos bleiben mußten. Deshalb wird der erstmalige Wiedereinzug von Kommunisten in die Kammer - sie kandidierten in einigen Bezirken auf gemeinsamen Listen mit Bewerbern der Concertacion - von Guillermo Teillier als bedeutender Schritt zu einer gewissen Normalisierung gewertet.

Nach Auffassung der chilenischen Kommunisten muß der Kampf jetzt für die entschlossene Überwindung der schweren, das Land um Jahre zurückwerfenden Erdbebenfolgen und das von der Linken unterbreitete, durch Eduardo Freis Concertación akzeptierte 12-Punkte-Programm geführt werden. Es fordert eine neue, von der Hinterlassenschaft Pinochets gänzlich befreite Verfassung, die Nationalisierung sämtlicher Wasserressourcen, wesentliche Verbesserungen im Gesundheits- und Erziehungswesen, die Einstel lung der Kampagnen zur Privatisierung öffentlichen Eigentums, eine wirksame Stärkung der Arbeiterrechte und der Demokratie, die Berücksichtigung von Interessen der indianischen Ureinwohner Chiles sowie die Einbehaltung der Profite aus der nationalen Kupferindustrie als eine Haupteinnahmequelle des Landes.

RF, gestützt auf "People's Weekly World", New York


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Ende eines Traums: Moneda, Santiago 11. September 1973. Chiles Volkspräsident Salvador Allende und seine Begleiter in dem bereits von den Putschisten umzingelten Palast

Raute

Karajans "Europa-Hymne" und der Kalte Krieg

[Hinweis der Schattenblick-Redaktion:
Der Beitrag wurde nicht in den Schattenblick übernommen.]

Raute

Paukenschlag in Den Haag

Kurz bevor sich SPD-Fraktionsführer Frank-Walter Steinmeier im Bundestag verbal verrenkte, um das gewundene Ja seiner Partei zur weiteren Aufstockung des Bundeswehr-Kontingents für den verschärften Afghanistan-Krieg zu begründen, vernahm man aus Den Haag einen Paukenschlag: Hollands Sozialdemokraten kündigten der "Mitte-Links"-Regierung unter dem NATO-Exponenten Balkenende die Gefolgschaft. Das führte zur Demission des Kabinetts und hat vorgezogenen Neuwahlen im Juni zur Folge. Der Grund: Die Partei der Arbeit gab dem Druck der Massenstimmung nach und verlangte kategorisch den Abzug der niederländischen Truppen aus Afghanistan. Die Steinmeiers sind angemeiert.   RF


Der bekannte US-Politologe und Publizist Norman Finkelstein - ein entschiedener Kritiker der rassistischen Politik Tel Avis - wollte Ende Februar in den Räumen der PDL-nahen Rosa-Luxemburg-Stiftung zum Thema "Ein Jahr nach dem israelischen Überfall auf Gaza - die Verantwortung der deutschen Regierung an der fortgesetzten Aushungerung der palästinensischen Bevölkerung" sprechen. Nachdem RLS-Vorsitzender Heinz Vietze die Raumzusage zurückgezogen hatte, sagte Finkelstein seine Deutschlandreise ab. Eine Reihe prominenter Bundestagsabgeordneter der Linkspartei hatte die RLS vergeblich aufgefordert, ihre prozionistische Entscheidung zu überdenken.

Raute

Das Einheitsdenkmal sollte aus einem Appel und einem Ei bestehen

Ein Ex-Botschafter als Legendenjäger

Einer der bedeutendsten deutschen Antimilitaristen war Carl von Ossietzky, einst Chefredakteur der "Weltbühne". Er verstarb 1938 an den Folgen der KZ-Haft. In der "Weltbühne"-Nachfolgezeitschrift "Ossietzky", die dessen Werk fortsetzt, gehört Ralph Hartmann, bis zum Ende der DDR deren Botschafter, zu den ständigen Autoren.

Eine Auswahl seiner Beiträge erschien unter dem Titel "DDR-Legenden". Legenden? Das sind sagenhafte, unwahrscheinliche Geschichten über Vergangenes, "Wundermärchen, die an die 'Wunderwaffen' erinnern, mit denen Großdeutschland einst den II. Weltkrieg gewinnen wollte". Da ist die Legende von der DDR als der "zweiten deutschen Diktatur" - als ob nicht jeder Staat eine Diktatur - nämlich eine unumschränkte Herrschaft wäre. Nur: Es kommt darauf an, wer wem was diktiert! Diktiert die Mehrheit der Minderheit, so nennt man das Demokratie; deshalb hatten wir eine Deutsche Demokratische Republik, im krassen Gegensatz zum Hitler-Faschismus, jener "offenen terroristischen Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals". (Dimitroff) Bezweckt die Diktatur die Sicherung friedlicher Verhältnisse, so handelt es sich um einen Friedensstaat. Jeder auch nur einigermaßen objektive Betrachter muß der DDR bescheinigen, gerade das gewesen zu sein: ein Staat, der über 40 Jahre lang verhinderte, daß von deutschem Boden Krieg ausging. Gerade weil er dem Großkapital in einem Drittel Deutschlands das "Recht", an Krieg und Kriegsrüstung zu profitieren, entzog, wird er ja heute als "Unrechtsstaat" diffamiert! Köhler, Merkel, Eppelmann, SED-Forscher, MfS-Jäger und Anti-DDR-Hetzer mahnen, die Erinnerung an ihn dürfe nicht verblassen; sie beklagen, bayerische Schüler wüßten mehr darüber als ostdeutsche, deren Eltern und Verwandte über das Leben in der DDR viel zu viel Positives berichteten. Laut DPA seien nur 6 % der Besucher der "Stasi-Gedenkstätte" in Hohenschönhausen Ostdeutsche.

Hartmann entlarvt die Legenden, welche die BRD-Erinnerungsindustrie über die DDR verbreitet, indem er mit simplen Tatsachen dagegenhält, die jedes Lügenmärchen ad absurdum führen. Mit beißender Ironie unterbreitet er Vorschläge für die Gestaltung des beabsichtigten "Einheitsdenkmals", das symbolisieren soll, "was durch das Ende der DDR gewonnen" worden sei. Zeigen könnte man Früchte, sogenannte Einheitsfrüchte, etwa einen Appel und ein Ei "zur ständigen dankbaren Erinnerung an den Preis, mit dem das westdeutsche Kapital bereitwillig das volkseigene DDR-Vermögen übernommen hat ...". Der Autor verschweigt nicht unsere Defizite, aber so wenig er die DDR glorifiziert, so wenig läßt er sie auch in den Schmutz ziehen. Die "Mauer" habe Deutschland gespalten? Das Elend der deutschen Geschichte der Neuzeit begann 1933 - so Erich Honecker vor Gericht, aber auch der Schriftsteller Stefan Heym und Ex-Präsident von Weizsäcker. Auf die Wanderung Richtung West begaben sich nach dem "Mauerfall" allein bis 1998 rund 1,8 Millionen Ostdeutsche ...

Marode Wirtschaft der DDR? Ihre Pro-Kopf-Verschuldung betrug zum Zeitpunkt des Anschlusses 5298 DM, die der Alt-BRD 15.000 DM. Die Ostdeutschen übernahmen also eine westdeutsche Schuldenlast! Während sich in den 15 Jahren von 1945 bis 1960 die Industrieproduktion Ostdeutschlands verfünffachte, ging sie in den 15 Jahren von 1990 bis 2005 um zwei Drittel, die Zahl der Erwerbstätigen in der Industrie sogar um vier Fünftel zurück. Bundespräsident Horst Köhler hatte es schon als Staatssekretär im Finanzministerium mit Hilfe der durch ihn kontrollierten "Treuhand" geschafft, das gesellschaftliche Vermögen der DDR aus einem Plus von 600 Milliarden DM in ein Minus von 256 Milliarden zu verwandeln, wofür die Liquidatoren dreistellige Millionenbeträge kassierten.

Von 1953 bis 1975 bereitete der "Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands" unter Leitung von Hitlers Reichskommissar für die "Verwaltung feindlichen Vermögens", Dr. Friedrich Ernst, und dessen Nachfolgern die Annexion der DDR in allen Einzelheiten vor: Einführung der D-Mark und der Marktwirtschaft nach BRD-Muster, Einsatz von Treuhändern zur Liquidierung von VEB und LPG, Beseitigung der Polikliniken usw. Nachdem das nun alles vollzogen und die DDR-Wirtschaft ausgeschlachtet ist, fragt sich: Wohin mit dem Rest? Sollte nicht jetzt - so Hartmann - ein "Forschungsbeirat für die Wieder-Trennung Deutschlands" gebildet werden, damit Ostdeutschland nicht "Bestand und Zukunft des deutschen Kernlandes, der alten Bundesrepublik" ernsthaft bedroht? Oder gar ein "Forschungsbeirat für die Wiedererrichtung der DDR", dann aber ausgedehnt auf das gesamte Bundesgebiet? Allerdings, nach den Initiatoren eines solchen Beirats laufe bereits eine Sonderfahndung.

Eine "friedliche Revolution"? Gar eine "Freiheitsrevolution"? Präsident Köhler, Exkanzler Schröder und Frau Merkel helfen uns, das zu verstehen: Endlich wurde die totalitäre DDR zerschlagen, das widernatürliche Volkseigentum liquidiert, die nichtsnutzige DDR-Intelligenz davongejagt, altehrwürdigen Adelsgeschlechtern die Rückkehr auf ihre Ländereien ermöglicht, die Gleichmacherei im Gesundheitswesen beendet, das abwegige Recht auf Bildung für alle beseitigt, Neonazismus erlaubt und den wehrhaften Deutschen die Freiheit gegeben, "nationale Interessen" wieder wohlgerüstet in aller Welt durchzusetzen! Wenn das eine "Revolution" war, "dann freue ich mich schon auf die ... Konterrevolution", schreibt Hartmann.

Er macht uns das Tragische und zugleich oft Komische der letzten 20 Jahre deutscher Geschichte bewußt, wobei uns "das Lachen ... darüber nicht selten im Halse steckenbleibt". Oft führt er durch Verfremdung zu Erkenntnissen. In Köhlers Redetext zum Bundeswehr-Jubiläum fügt er von diesem "weggelassene Passagen" ein, z. B. über die Freude der albanischen UCK beim Empfang der deutschen Truppen dort, "wo deutsche Soldaten schon einmal Lili Marleens ergreifendes Friedenslied 'Vor der Laterne, vor dem großen Tor' gesungen haben". Er läßt den Nostradamus des 16. Jahrhunderts prophezeien, wie "ehemalige Fremdlinge" in Berlin-Kreuzberg und Neukölln eine bewaffnete Untergrundarmee bilden, Terroranschläge verüben und, unterstützt von Bombenangriffen fremder Mächte, welche die gesamte Infrastruktur zerstören, die "Freie Republik Kreuzberg und Neukölln" ausrufen, den Bundeskanzler verhaften, ihn in einem Schauprozeß zu Tode bringen ... Jugoslawiens Geschichte der neuesten Zeit, projiziert in die deutsche Hauptstadt - à la Arturo Ui.

Indem Ralph Hartmann das Lügengespinst der Legenden-Erfinder auf unnachahmliche Weise zerreißt, gibt er uns wertvolle Unterstützung bei der Verbreitung der Wahrheit über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Dr. Ernst Heinz


Ralph Hartmann: DDR-Legenden. Der Unrechtsstaat, der Schießbefehl und die marode Wirtschaft.
edition ost im Verlag Das Neue Berlin. 2. Auflage. 2009.
ISBN 978-3-360-01804-5. 223 Seiten. 14,90 Euro

Raute

Ein thüringischer Literat, der Fische vor Labrador fing

Schreib das auf, Scherzer!

Günter Wallraff meinte über Landolf Scherzer, er habe die Reportage zum "Lebensmittel" gemacht. Vielfach setzte er Maßstäbe in der DDR-Literatur dieses Genres. Sein Porträt "Der Erste" machte ihn in Ost und West bekannt. Vor der Rückwende erschienen aus seiner Feder ein Dutzend Bücher.

Landolf Scherzer wurde am 14. April 1941 in Dresden geboren. Als junger Autor begann er mit Reportagen für die DDR-Wochenzeitungen "Neue Berliner Illustrierte" (NBI) und "Für Dich". Von seinem Journalistikstudium (1962-1965), das er wegen in Ungnade gefallener Reportagen für die "NBI" abbrechen mußte, zog es ihn zum Funk, für den er vor allem Features schrieb.

So entstanden "Das Glasmännchen", "Halle-Neustadt" und "Neuhäuser Goldmännchen". Er zeichnete sich durch einen emotionellen Stil, genaue Beobachtungsgabe und schöpferisches Umsetzen des von ihm Gesehenen und Erlebten aus. Bis 1975 war Scherzer Redakteur bei der Suhler Bezirkszeitung "Freies Wort", danach freier Schriftsteller in Thüringen. Er erkundete die eigene Heimat, so in seinen Büchern "Südthüringer Panorama" (1973) und "Spreewaldfahrten" (1975). Scherzer fing Fische vor Labrador, stampfte Betonfertigsteine am Sambesi, redete mit Stahlkochern von Matundo, bereiste Sibirien, sah auch Vietnam und Polen. Nach diesen Exkursionen entstanden Bücher, die seine Art reflektierten, die Wirklichkeit zu überblicken, ohne sich als Besserwisser aufzuspielen.

In dem Band "Nahaufnahmen" (1977) berichtete er von einer Reise nach Sibirien und Sowjetisch-Mittelasien. Immer wieder schlüpfte er in die Haut derer, über die er schrieb. Für sein Buch "Fänger und Gefangene. 2386 Stunden vor Labrador und anderswo" (1983) war er Hochseefischer, monatelang mit gefangen und gehangen. Seinem Buch "Bom dia, weißer Bruder. Erlebnisse am Sambesi" (1984) waren fünf Monate in Moçambique vorausgegangen. Für seine Verdienste um die literarische Publizistik erhielt Scherzer 1986 den Heinrich-Heine-Preis.

Mitte der 80er Jahre wurde er zum Vorsitzenden des Schriftstellerverbandes im Bezirk Suhl gewählt.

Sechs Jahre wartete der Autor, bis er die Zustimmung erhielt, über den 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Bad Salzungen seine Reportage "Der Erste" (1988) schreiben zu können. Das "Protokoll einer Begegnung", so lautet der Untertitel, liegt in einer Gesamtauflage von über 100.000 Exemplaren vor und stieß auf lebhafte Resonanz. Im September 1989 brachte das Meininger Theater den Text szenisch umgesetzt auf die Bühne. Im Oktober 1989 reiste Scherzer an die Wolga. Seine dortigen Erlebnisse haben sich auch literarisch niedergeschlagen.

Nach dem Anschluß der DDR an die BRD mußte der Autor seine Wohnung in Meiningen räumen. Er lebt seither in Dietzhausen. "Ich habe Monate gebraucht, um mit mir ins Reine zu kommen", resümierte er seine damalige Verfaßtheit. Nach Reisen vom Herbst 1991 bis zum Frühjahr 1992 entstand der Reportageband "Am Sarg der Sojus" (1993) mit dem Untertitel "Die Hoffnung stirbt als letztes". Schlaglichtartig beschrieb er in 21 Reportagen den Niedergang der Sowjetunion.

Mitte 1994 wurde Scherzer zum Vorsitzenden des Verbandes Deutscher Schriftsteller (VS) in Thüringen gewählt. Für Furore sorgte wiederum sein Buch "Der Zweite", das 1997 erschien. Es war eine Langzeitreportage über den Bad Salzunger CDU-Landrat. Diesen begleitete er 1992 vier Wochen im Amt. Der "rote Scherzer" schreibt jetzt über den "schwarzen Landrat", hieß es nun ironisch. Der Autor arbeitete vier Jahre an diesem Buch.

22 brandaktuelle Reportagen legte Scherzer in seinem Buch "Mitleid umsonst. Neid mußt du dir erarbeiten" (1997) vor. Wiederum ließ er vor allem Fakten sprechen. Er beherrschte abermals "die Kunst, seinen witzigen und straff durchkomponierten Texten knallige Pointen zu verpassen", urteilte Jean Villain. Und Günter Wallraff, der sich durch realistisch-sozialkritische Reportagen über die BRD-Wirklichkeit profiliert hat, steuerte ein Vorwort unter dem Titel bei: "Schreib das auf, Scherzer!"

Seinem Buch "Der Letzte" lag die Absicht zugrunde, hinter die Floskeln der Thüringer Landespolitiker und deren inszenierte Auftritte zu schauen. Der Autor versuchte, die Kulissen und Rituale beiseitezuschieben und manches zu enthüllen.

Der in Südthüringen lebende Schriftsteller wanderte über elf Monate die ehemalige Grenze zwischen Thüringen, Bayern und Hessen ab, um über Veränderungen im Leben der Menschen zu berichten. Die letzte Etappe begleitete ihn Günter Wallraff. 2005 legte Scherzer das Protokollbuch "Der Grenzgänger" vor. 2008 beabsichtigte er, Österreich, Ungarn, Kroatien, Serbien, Rumänien, die Ukraine und Polen zu erkunden. Doch die geplante Reportagereise mit dem Traktor zerschlug sich, so daß er sie auf Schusters Rappen in Ungarn begann.

In der Buchreihe "Verlegtes wiedergefunden" vereint sein Beitrag "Die alkoholfreie Hochzeit" (2009) achtzehn Texte aus elf Büchern Scherzers, die zwischen 1972 und 1994 erschienen. Für den kurzweiligen Querschnitt durch sein Schaffen verfaßte Wallraff ein Nachwort.

Dieter Fechner

Raute

Unrühmliche "Ruhmeshalle"

Seit kurzem weiß ich von der Existenz einer "Hall of Fame" des deutschen Sports.

Diese Ehrenliste gibt es schon seit 2006. Sie enthält heute wohl 44 Namen. Warum ich erst jetzt davon erfahren habe, kann ich mir nur mit deren zögerlicher Publizierung erklären und mit einer - so hoffe ich - gewissen Scham der Verfasser all denen gegenüber, die durch ihre sportlichen Leistungen weltweiten Ruhm erlangt haben, hier aber nicht erscheinen. Ja, Scham wäre angebracht über dieses "Werk". Da hilft auch wenig, daß es jährlich ergänzt werden soll. Selten hat es einen Fakt gegeben, der das diffamierende Gerede über den politisch geprägten DDR-Sport derart ad absurdum geführt hätte wie dieses Elaborat, dessen Mentor Nr. 1 der Bundespräsident selbst zu sein scheint. Wir haben nie bestritten, daß Sport mit Politik zu tun hat. Der Beweis ist mit dieser Liste angetreten. Danke, ihr Macher! Zugegeben, es ist schwierig, hier die Interessenlage aller zu treffen. Das hatte man im Hinblick auf den DDR-Sport aber auch nicht vor!

An der unvergleichlichen Birgit Fischer (8 Olympiasiege) konnten sie nicht vorbei, nachdem die in verschiedenen TV-Sendern zu Wort gekommen war und ihre Leistung so auch dem letzten im Lande bekannt geworden ist. Sie mußte sich allerdings gefallen lassen, erst bei einem späteren Anlauf aufgenommen zu werden. Auch der Status von Roland Matthes in der Sportwelt war nicht zu umgehen. Hier hatte man es indes weitaus leichter. Matthes verließ 1989 sein Land, was offenbar einen Ehrenplatz von Beginn an implizierte. Auch - wie man im Internet schreibt - daß der sattsam bekannte Dopingverdacht auf ihn noch nicht zutreffen würde. Da sag ich mal: Der trifft auf Täve Schur auch nicht zu, dennoch ist er nicht dabei.

Die Leichtathleten sind viermal vertreten, sicher alles weltweit bekannte Sportler, keine Frage. In seinem Buch "Pfui Teufel" weist Heinz Florian Oertel auf den Länderkampf zwischen der DDR und der größten Leichathletik-Nation, den USA, 1983 in Los Angeles hin. Warum hatten sich die Yankees damals darauf eingelassen? Sicher wollten sie gegen einen Rivalen gewinnen, der territorial rund 100mal und nach der Einwohnerzahl grob geschätzt 15mal kleiner war als die USA selbst. Die DDR stellte in Sachen Sport eben etwas dar! Mit einem solchen Gegner mißt man gern die Kräfte, und dem begegnet man dann auch auf Augenhöhe - in jeder Beziehung. Damit hatten die Amerikaner kein Problem. Letztendlich verloren sie den Wettbewerb sogar. Das war eine Sensation, was aber offenbar mit der Leistung der DDR-Sportler nichts zu tun hatte, sonst wäre wenigstens einer von ihnen in diese glorreiche Liste aufgenommen worden.

Sehr bezeichnend ist die Auswahl der Protagonisten nach Sportarten, die in der Alt-BRD und auch gegenwärtig im Mittelpunkt des Interesses standen und stehen. Deren Repräsentanten sind dann gleich mehrmals vertreten (Fußball siebenmal, Reiten viermal, Tennis dreimal). Daß gerade sie den geforderten Kriterien (Leistung, Fairplay, Miteinander) entsprochen haben sollen - es sind ausnahmslos Profis mit dicken Bankkonten -, ist schon bewunderungswürdig. Oder vielleicht doch nur typisch? Wie man allerdings beim Reiten und Tennis das Miteinander zu sehen hat, bleibt wohl Geheimnis. Wahrscheinlich sind Reiter und Roß oder Spieler und Racket gemeint.

Die Liste soll auch die Namen von Persönlichkeiten enthalten, die ehrenamtlich für den Sport gewirkt haben. Ich konnte allerdings keinen finden. Denn man sollte kaum annehmen, daß ein hochrangiger Sportfunktionär oder Trainer in der BRD irgend etwas ohne Salär getan hätte. Oder was heißt "ehrenamtlich" sonst? Außerdem erinnern wir uns und fragen, wo beim Ausschluß von DDR-Sportlern aus bestimmten internationalen Wettbewerben in den Anfangsjahren und der Schützenhilfe dabei durch westdeutsche Sportlenker Fairplay gewesen sein soll.

Ansonsten hofft man wohl auf den Mantel des Vergessens oder auf die häufig strapazierte biologische Lösung. Das wird nur dann aufgehen, wenn wir uns heute nicht wehren! Protest wäre angesagt!

Horst Birkholz, Berlin

Raute

Für Liebhaber herausragender Filmkunst

Im vergangenen Jahr nahm es überhand, daß sich Zeitungen und Magazine mit mehr als nur ihrer regelmäßigen Ausgabe beschäftigten. Da wurden den Lesern die angeblich besten Bücher um die Ohren gehauen, dann gleich die sehenswertesten DVDs, die schönsten Comics und schließlich die lautesten Klassikstücke. Wer noch Gehirn besaß, der ließ sich davon nicht beeinflussen, lebt bis heute seinen ganz persönlichen Geschmack aus.

Nun wurde allerdings vom Suhrkamp-Verlag eine Serie eröffnet, die zur Pflicht für Liebhaber außergewöhnlicher Filmkunst werden sollte. Als "Filmedition Suhrkamp" will der Verlag seiner Klientel viele Streifen und Dokumentationen von Autoren präsentieren, die sonst im Nirwana verschwunden wären. Drei Filme stelle ich heraus, die auch die Leser des RF interessieren dürften. Bert Brecht wußte schon früh, daß man mit dem neuen Medium arbeiten mußte. So war es nur eine Frage der Zeit, bis er sich daranmachte, ein eigenes Projekt zu starten. Gemeinsam mit dem Regisseur Slatan Dudow, dem Schriftsteller Ernst Ottwalt und dem Komponisten Hanns Eisler produzierte er "Kuhle Wampe oder Wem gehört die Welt?" 80 Minuten lang wird einfühlsam das Leben der Arbeiterfamilie Bönike beschrieben, die - zur Zeit der Weltwirtschaftskrise aus ihrer Wohnung vertrieben - in die Gartenkolonie "Kuhle Wampe" zieht. Dieser Meilenstein des politischen Kinos hat bis heute nichts an Bedeutung verloren. Wer genau hinsieht, kann viele Parallelen zum jetzigen Deutschland finden: Arbeitslosigkeit, Rassismus, mutige linke Positionen. Filmkenner nehmen beim Schauen wahr, daß sich Brecht und Dudow auf die Montagetechnik Sergej Eisensteins orientierten, die dieser in den 20er Jahren entwickelt hatte. Ihm setzte man mit "Nachrichten aus der ideologischen Antike" ein Denkmal. Der größte Wunsch des sowjetischen Filmpioniers war es, Marxens Hauptwerk "Das Kapital" zu verfilmen. Bereits 1929 traf er sich mit James Joyce. Dessen "Ulysses" wollte er zugrunde legen und "Das Kapital" für einen einzigen Arbeiternachmittag verdichten.

Der kurz zuvor erblindete Eisenstein, der mit "Panzerkreuzer Potemkin" den Film revolutioniert hatte, konnte sein Vorhaben leider nicht in die Tat umsetzen. Es fehlte am Geld. Nach achtzig Jahren hat nun Alexander Kluge dieses Thema aufgriffen. Auf drei DVDs widmet er sich der Eisenstein-Idee. Leider wurde auf den aktuellen Gehalt des "Kapitals" kaum eingegangen. Kluge erkannte aber, daß die großartige Schrift von Karl Marx ein ästhetisches und kulturelles Phänomen ist.

Der dritte empfehlenswerte Film ist der DDR-Streifen "Der geteilte Himmel" von Konrad Wolf. 1964 gedreht, wird mit einfühlsamen und aufrüttelnden Bildern die Geschichte der Studentin Rita, deren Freund Manfred die DDR verrät und sich nach Westberlin absetzt, erzählt. Der Film nach dem Buch Christa Wolfs ist kritisch, spannend und nie überladen, obwohl der Regisseur mit vielen kunstvollen Elementen arbeitet und alles in Rückblenden packt.

Thomas Behlert, Gotha

Raute

Archie als Fotograf

In früheren Lebensjahren hatte Archie viel und gern fotografiert. Während der Zeit der kriegsbedingten Flucht aus dem Breslauer Armenviertel Tschepine hatten sie zwar keinen Fotoapparat, aber die Mutter schleppte stets ein Album voller Familienbilder mit sich herum, auch mit Aufnahmen von verschiedenen Bekannten, vom Arbeitersportverein und vom Hinterhof, Schulfotos, Schnappschüsse von Ausflügen oder von Sommerlokalen mit Musik- und Varieté-Programmen, vom Zille-Milieu ihres Kiezes. Es gab keine Fotos von Opern oder aus Konzertsälen.

Da hielt sich die Oberschicht auf. Bilder mit Menschen in Uniformen wurden nach 1945 häufig rausgerissen. Im großen und ganzen handelte es sich um Zeitgeschichte, in leider vorwiegend laienhaften, dilettantischen Schwarzweißaufnahmen, dazwischen aber auch die vermögende Tante Magda, professionell auf Zelluloid gebannt, wenn auch kitschig, mit Bubikopf, Geschmeide und im Pelz. "Schön wie die Sünde", sagte Mutter oft zu diesem Bild und seufzte dazu. Sie selber sei auch ein "flotter Feger" gewesen, meinte sie stolz und zeigte auf Fotos, die nur entfernte Ähnlichkeit mit ihrer Erscheinung in der Nachkriegszeit hatten, obwohl sie da auch erst knapp über 30 war.

Bilder, gleich welcher Qualität, besitzen immer eine unbarmherzig dokumentarische Aussage, fällt Archie beim Betrachten des inzwischen stark dezimierten Familiensammelsuriums ein. Sein erstes Album während der Grund- und Oberschulzeit stellte noch die Mutter zusammen, mit Überschriften und Untertiteln. Hier ist erstmals der Qualitätssprung zum alten "Heimatalbum" zu registrieren. Das ist kein Zille-Milieu wie in der Tschepine mehr. Das sind selbstbewußte junge Gesichter, die in die DDR-Kameras blicken, trotzig und fröhlich.

In seiner frühen Studentenzeit hantierte Archie mit einer sogenannten Idioten-Box aus Plaste, machte aber recht passable Bilder von der Umwelt: Universität, Maxim-Gorki-Theater, Haus der DSF, Staatsoper, Bezirk Mitte zwischen Brandenburger Tor und Alex bis zum Prenzlauer Berg hoch.

Diese Fotos dokumentierten deutlich eine bildungsfreundliche und aufbauwillige Gemeinschaft von Menschen. Sie wirkten sehr ernst und Gemeinschaft von Menschen. Sie wirkten sehr ernst und beschäftigt, adrett gekleidet, viele Baskenmützen, uneitel, Fassonhaarschnitte, Zweireiheranzüge, viele Fahrräder, wenig Autos. Auf Losungen wird der Aufbau des Sozialismus gefordert.

Kurz danach kam Archie in den Besitz einer sowjetischen Kamera Marke "Sorki", einer nachgebauten Leica, wie es hieß. Lichtstarkes Objektiv 1,5 bis Tausendstel Sekunden Belichtungszeit, ideal für Schnappschüsse. Gekauft hat er sie an der sowjetischen Schwarzmeerküste in Sotschi, wo er mit Jugendtourist der DDR unterwegs war, ein großes Erlebnis. Er war dann später noch in Batumi (Adsharien) und Suchumi (Abchasien) - zwei subtropischen städtischen Perlen am Schwarzen Meer mit einem buntgemischten Publikum, wo es viel zu fotografieren gab. Es war die schier unglaubliche Zeit, als die Kellner in den Restaurants Trinkgeld noch entrüstet zurückwiesen und man Stunden sitzen konnte bei einem Mehrgänge-Menü mit Krimsekt und armenischem Cognac zu moderaten Preisen, heute leider nicht mehr vorstellbar. Hier vergaß Archie zum ersten Mal seinen Fotoapparat. Man brachte ihm diesen auf einem silbernen Tablett hinterher, Ehrenwort.

In jener Zeit wohnte Archie in der Berliner Zionskirchstraße, von wo er den Weinbergsweg oft mit dem Motorrad hinaufknatterte, vorbei am Heinrich-Heine-Denkmal, das eigentlich woanders stehen sollte. In der Brunnenstraße, fast neben dem DDR-Modeinstitut, war ein privater Fotoladen, der seine Filme entwickelte und die Bilder auf kartonartiges randloses Papier aufzog. Schräg gegenüber befand sich die Ackerhalle, ein Markt mit alter Tradition, wo Archie in dem Gewimmel oft Studien machte, auch Fisch und Gemüse kaufte. Dort ließ er den Fotoapparat zum zweiten Mal liegen, so einfach am Stand.

Der Verkäufer hatte auf seine Anfrage nichts bemerkt. Der Besitzer des Fotoladens sagte: "Gehn Se doch mal zum Fundbüro in der Halle, Meesta!" Archie ging dorthin und kehrte tatsächlich mit der "Sorki" zurück. Der Mann aus dem Fotogeschäft meinte: "Entweder sind die Leute bei uns so ehrlich oder se können mit dem Apparat nischt anfangen." Archie war verblüfft, hatte er doch damit nicht gerechnet. "Eine alte Frau ist es gewesen", erklärte ihm der Mann von der Fundstelle.

"Wat meinen Sie, wat hier allet abgegeben wird, vorwiegend Regenschirme, ooch Kinderwagen und sogar lebende Karpfen, hier is manchmal wat los, kann ich Ihnen sagen, sogar Brillen und Gebisse. Neulich mußte ick einen Köter mit nach Hause nehmen." Archie wollte sich revanchieren. "Ja, danke für die Zigaretten. Die alte Frau sah nicht so aus, als ob se qualmt. Na, denn tschö!" Archie dachte: Berliner Herz und Schnauze!

Als er dann im Unterbezirk Baumschulenweg in die Q 3A-Neubauwohnung zog, fuhr er mit seinem Freund Manfred, dem Grafiker, immer ins Tschechoslowakische Kulturzentrum neben dem Bahnhof Friedrichstraße zum Sprachunterricht, einmal in der Woche. Manfred war in die Lehrerin verknallt. Archie dachte, ihm als studiertem Slawisten würde Tschechisch leicht fallen, was ein Irrtum war. Beide mußten sie ganz schön ranklotzen und büffeln.

Als Auszeichnung erhielten sie eine Reise nach Prag mit Übernachtung im Studentenwohnheim in der Betlemská, direkt im Zentrum, eng und verwinkelt die Gassen. Sie kamen kaum mit dem Trabbi ran. Aber Prag hatte es ihnen angetan. Sie tranken fleißig Staropramenbier, nahmen Sehenswürdigkeiten in Augenschein. Archie fotografierte emsig auf der Karlsbrücke, dem Wenzelsplatz und überall. Die Prager Gastronomie war so vorzüglich, daß sie am nächsten Tag verschliefen, überstürzt das Zimmer räumen mußten. Diesmal vergaß er den Fotoapparat das dritte Mal. Jetzt ist er endgültig weg, dachte Archie, laß ihn fahren dahin! Aber weit gefehlt, Wochen darauf erhielt er Bescheid von der Tschechischen Botschaft in Berlin, er möge doch den Apparat, Marke "Sorki", abholen. Das war eine große Freude für Manfred, weil er ein paar Stadtaufnahmen mit bestimmten Motiven, die Archie aufgenommen hatte, als Vorlage benutzen wollte.

Inzwischen waren die Jahre ins Land gegangen, die Politik-, Pleiten- und Pannen-"Wende" brachte es mit sich, daß Archie in den Bezirk Kreuzberg fahren wollte, um einige Motive für die damalige "Berliner Linke" zu schießen. In einer Szene-Kneipe kehrte er auf einen Capuccino ein, ließ den Apparat auf dem Tisch liegen, als er eilig aufs Örtchen mußte. Diesmal war der Apparat allerdings endgültig futsch. Archie hat zwar jetzt andere Kameras, aber er hätte dennoch gern gelegentlich mit der alten "Sorki" Schnappschüsse gemacht. Sorry!

Der Wirt in Kreuzberg sagte lakonisch: "Hör zu, Alter, das konntest du in deinem Honecker-Staat machen, einfach auf dem Tisch liegen lassen! Hier muß man alles am Mann haben, am besten mit Schlössern gesichert." Berliner Herz und Schnauze, dachte Archie einmal mehr.

Manfred Hocke

Raute

Leserbriefe an ROTFUCHS

Für den Leitartikel der Februar-Ausgabe "Schach den Schmähern!" möchte ich dem RF recht herzlich danken. Die bürgerlichen Medien, leider oft genug flankiert von der "Sozialistischen Tageszeitung" überbieten sich seit Jahren darin, die ehemaligen Angehörigen unseres Ministeriums zu verdammen und sie ständigen Beschuldigungen und Unterstellungen auszusetzen, sie sozial und gesellschaftlich auszugrenzen. Angesichts dessen ist es wohltuend, diese anerkennende, gradlinige Haltung zu erfahren. Der Artikel gefiel mir so gut, daß ich ihn unter meinen Freunden und Genossen verteilt habe, die ihn in gleicher Weise empfanden.

Dr. Heinz Günther, Berlin


*


Ich meine, daß Klaus Steiniger in seinem Leitartikel Schwarzweißmalerei betreibt. Nicht jeder Mitarbeiter des MfS war automatisch ein Held, obwohl alle zum Schutz des werktätigen Volkes angetreten waren. Ebenso sind nicht alle Mitarbeiter kapitalistischer Geheimdienste a priori deshalb Verbrecher, weil sie im Auftrag einer herrschenden Besitzerminderheit wirken. Auch Helfer aus der Bevölkerung gab und gibt es auf beiden Seiten, ob man sie nun IM oder V-Leute nennt. Nur wenn jemand als IM tätig gewesen ist, dann sollte er auch (trotz aller Hysterie heutzutage) offen dazu stehen. Es war doch nichts Schlechtes, das man so einfach "vergessen" und "verdrängt" hat, wie z. B. Abgeordnete der Linken im Brandenburger Landtag.

Hans-Dietrich Grundmann, Eberswalde


*


Die rote Linie in der Februar-Ausgabe des RF - Würdigung der Genossen des MfS, ausgehend von dem wiederum ausgezeichneten Leitartikel - finde ich sehr gut. Es war dringend notwendig und aufgrund des aktuellen Jahrestages auch sehr zweckmäßig, dieses Thema einmal zum Gegenstand mehrerer Beiträge zu machen.

Dr. Dr. Ernst Albrecht, Dormagen


*


Ich habe als Arbeiter bei der Wismut und später als Kreissekretär der Nationalen Front, also meist vor unterschiedlichen Versammlungsteilnehmern, stets für die Staatssicherheit und die anderen Ordnungskräfte der DDR geworben. Warum soll ich verheimlichen, daß ich jungen, aufgeschlossenen und zuverlässigen Arbeitern geraten habe, zu unseren Sicherheitsorganen zu gehen, um den Bürgern Schutz zu geben und Schaden von unserem sozialistischen Staat abzuwenden? Jene Genossen, welche heute fast täglich verleumdet und in den Schmutz gezogen werden, verdienen die Achtung aller, haben sie doch in erster Linie nicht für Geld, sondern für unsere humanitären Ideale gedient.

Manfred Wulf, Glauchau


*


Der Leitartikel des Februar-RF war ein Genuß. Ich bin hoch erfreut über die Klarheit der Formulierungen, untersetzt mit fundiertem Wissen. Solche offenen und treffenden Worte sind Balsam für die geschundene Seele früherer DDR-Bürger. Dies mag vielleicht etwas geschwollen klingen, trifft die Sache aber im Kern. In einer Gesellschaft des "Orwellschen Schönsprech" ist der Wert unmißverständlicher Aussagen nicht hoch genug einzuschätzen.

Wenn heute in Diskussionen häufig auf Fehlentwicklungen in der DDR hingewiesen wird, sollten wir die Kritiker fragen, was sie denn seinerzeit selbst dagegen getan haben. Haben wir DDR-Bürger uns nicht oft genug gescheut, ehrlich auf negative Tendenzen aufmerksam zu machen und beim Versuch ihrer Beseitigung nicht lockerzulassen? Haben wir uns nicht häufig aufs Maulen und Nörgeln beschränkt, statt lauthals die Fehler zu benennen? Unsere Feigheit, unsere Bequemlichkeit hat es erst ermöglicht, daß sich in den letzten Jahren solche Erscheinungen abzeichneten. Wer hat in seiner DDR-Biographie nicht irgendwann einmal "die Schnauze gehalten", statt laut aufzuschreien, wenn sich Leiter mit geschönten Erfolgsmeldungen gegenseitig überboten? Möge sich doch jeder, der heute sagt: "So konnte es ja nicht mehr weitergehen!" mal an die eigene Nase fassen und sich fragen lassen, wo er denn gewesen ist, als es um die Gestaltung unserer Gesellschaft ging. Jene, welche aktiv am Aufbau mitwirkten, haben keinen Grund, sich zu verstecken. Die anderen aber, die vor lauter Datschen- und Eigenheimbau leider keine Zeit hatten, die Dinge zum Besseren zu beeinflussen, denen es vielleicht am Mut zum Anprangern von Mißständen gebrach, sollten doch heute nicht auf die DDR und deren Organe schimpfen, sondern sich lieber am Widerstand gegen die mediale Hetze beteiligen.

Karsten Tittel, Rudolstadt


*


Heute kam der neue "RotFuchs" ins Haus. Das ganze Heft war interessant und informativ, Walter Ruge ist Klasse!

Zum Thema MfS würde ich gern etwas Ergänzendes sagen. Es muß so Ende der 70er Jahre gewesen sein, da wollte die Abteilung Agitation (Genosse Kehl) eine Ausstellung für die Bevölkerung zur Arbeit des Ministeriums am Spreeufer in der Friedrichstraße eröffnen. Die Arbeiten liefen auf Hochtouren, die Beteiligung und das Interesse der Genossen waren riesengroß. Ich selbst habe die Endphase noch im Gedächtnis. Alle sollten erfahren, welche gefährliche Arbeit geleistet würde. Doch leider blieb es bei der guten Idee - nur ausgewählte Kreise durften sich informieren. Man betrieb eine nicht nachvollziehbare Geheimniskrämerei und ließ die Menschen "außen vor". Wir waren von dieser Entscheidung sehr enttäuscht. Die notwendige Aufklärung über das MfS unterblieb. So haben wir an Glaubwürdigkeit verloren, und viele wandten sich nicht nur von uns ab, sondern ließen sich auch mißbrauchen. Das entschuldigt natürlich noch lange nicht das feige Verhalten einiger führender Linker heute.

Erika Tiepold, Berlin


*


Der Beitrag des Genossen Generalmajor a. D. Dr. Dieter Lehmann im Februar-RF entspricht voll und ganz meinem Standpunkt. Ich bin stolz darauf, Mitarbeiter und Offizier des MfS gewesen zu sein. Trotz der Verleumdungen und Verteufelungen bleibe ich aufrecht bis zu meiner letzten Stunde. Erzogen von meiner Mutter, die bis 1945 an der Seite eines Kommunisten in der faschistischen Finsternis für Humanität und Menschenwürde kämpfte, bleibe ich meinen Idealen treu.

Oberstleutnant a. D. Adolf Eduard Krista, Worbis


*


Im Februar-RF fand der Artikel von Generalmajor a. D. Dr. Dieter Lehmann meine besondere Beachtung. Ich freue mich, daß der 60. Jahrestag des MfS gewürdigt wurde und der Grundsatz Dzierzynskis "Kühler Kopf, heißes Herz, saubere Hände" nach wie vor hoch im Kurs steht.

Winfried Freundt, Jena


*


Mir scheint die RF-Februar-Ausgabe besonders gelungen zu sein. Ich halte es für gut, daß sich unsere Zeitschrift 60 Jahre nach Gründung des MfS vor die Genossen stellt, die in diesem Organ ihren Dienst geleistet haben. Das MfS war kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit, die uns der Gegner im Klassenkampf aufgezwungen hat.

Obwohl die SED das MfS führte, war es nicht glücklich, die Losung "Schild und Schwert der Partei" so in den Mittelpunkt zu rücken. Anstelle "der Partei" hätte richtiger "des Volkes" stehen müssen.

Ich halte es für wenig hilfreich, wenn in sicher gut gemeinten Beiträgen angedeutet wird, es habe zwischen der SED und dem MfS unlösbare Widersprüche gegeben. Überspitzungen haben wir gemeinsam zu verantworten. Das ist jedenfalls meine Erfahrung als ehemaliger 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Neubrandenburg. Bei uns gab es eine kameradschaftliche Abstimmung, wobei jeder seinen Verantwortungsbereich wahrzunehmen hatte. Nachbetrachtungen in Form gegenseitiger Schuldzuweisungen, von welcher Seite auch immer, bringen keinen Nutzen. Dies kann natürlich nicht bedeuten, daß Fehler, Mängel und Unzulänglichkeiten in der Arbeit von Partei und MfS nicht konkret benannt werden sollten.

Ausgezeichnet finde ich den Beitrag von Dr. Dr. Ernst Albrecht. Die Aussagen seines Artikels sind von Gewicht, wenn wir über unser gegenwärtiges und künftiges Handeln nachdenken. Genosse Albrecht stellt zu Recht die Macht- und die Eigentumsfrage in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen. Das ist heute keineswegs alltäglich.

Helmut Timm, Groß Nemerow


*


Gewiß lag die DDR an der sensiblen Nahtstelle beider Militärblöcke. Aus dieser Situation ergab sich eine Politik, die auf die Absicherung der DDR gerichtet sein mußte. Aber für mich steht die Frage, ob der entstandene Sicherheitsapparat den tatsächlichen Erfordernissen entsprach. 1988 wurden 173.081 IM geführt. Dazu kamen 1989 noch 90.000 Mitarbeiter.

Nicht jeder, der die DDR kritisch betrachtete, war ein Feind des Systems. Das zeigte sich gerade im Herbst 1989. Viele kluge Ideen wurden geäußert, wie der "Sozialismus in den Farben der DDR" aussehen konnte und sollte.

Ich hatte immer große Achtung vor der Arbeit der ehrlichen Mitarbeiter des MfS. Sie haben viel Kraft, Mühe und persönliche Lebenszeit für die DDR geopfert. Es ist unsere Tragik, daß die Ideale, für die wir alle einmal angetreten sind, durch eigene Versäumnisse und die Fehler unserer Führung in Mißkredit geraten sind. Wenn es die Enkel einmal besser ausrichten sollen, müssen sie auch wissen, woran und weshalb wir gescheitert sind.

Hubertus Scholz, Wittmannsgereuth


*


Immer wieder wird der Untergang der DDR damit begründet, der Klassenfeind habe die Menschen irregeführt. Falsch ist das nicht, aber irreführend. Die Spezies "Mensch" ist gierig, egoistisch und käuflich. Das wußten schon große asiatische Philosophen vor über 2000 Jahren. Und die Vergangenheit hat es immer wieder bewiesen. In der BRD wußte man das auch - und nutzte es.

Glücklicherweise gab und gibt es Ausnahmen. Vielleicht sogar viele. Dennoch waren und sind sie bei weitem in der Minderheit.

Es wäre falsch, nachfolgenden Generationen den Eindruck zu vermitteln, ausschließlich der Gegner habe den Untergang des Sozialismus herbeigeführt. Wir sind den jungen Menschen Antworten auf die Frage schuldig, warum das dem Klassenfeind nach 40 Jahren gelingen konnte.

Ich denke, hier liegt eine der Antworten. Diese menschlichen Charakteristika führten nicht nur dazu, daß unsere sozialistische Heimat gegen die D-Mark eingetauscht wurde. Sie hatten auch dafür gesorgt, daß die führende Kraft in der DDR, die SED, durch unzählige Mitläufer, denen es nur um ihre persönlichen Vorteile ging und denen die Sache des Sozialismus im Grunde egal war, verwässert wurde. Diese phrasendreschenden, keiner konstruktiven Kritik zugänglichen Genossen saßen aber oft in wichtigen Positionen, wo ihr fehlendes Engagement verheerende Auswirkungen hatte.

Ewa Babarnus, Berlin


*


Ich bin ein "Jung-RotFuchs", seit Dezember Mitglied des Fördervereins, und freue mich immer mehr über dessen Arbeit. Heute 35, habe ich nur kurze Zeit in der DDR gelebt. Dies ist vielleicht auch der Grund, warum ich 20 Jahre gebraucht habe, um zu akzeptieren, daß die mir zuteil gewordene Bildung die bessere war. Der Sozialismus ist möglich, das derzeitige System aber von Neid und Habgier zerfressen. Es war schwer, mir dies unter solchen Bedingungen auf die Fahne zu schreiben. Dank Euch habe ich den Rückhalt und die Gewißheit: Ich bin nicht allein.

Mathias Langhoff, Lelkendorf


*


Mit großer innerer Bewegung las ich den Artikel im Februar-RF "Laßt die Toten ruhen!" Als Dresdnerin habe ich am 13. Februar 1945 die Terrorangriffe miterlebt. Mein 14. Geburtstag wurde für mich zur Hölle. Ich war krank, konnte die Wohnung nicht verlassen, sah die "Christbäume" am Himmel - Vorzeichen des verheerenden Angriffs - und war dann inmitten des Infernos. Wir wohnten ebenfalls in Strießen, in der Nähe einer Asbest- und Papierfabrik. Als die Bombenteppiche fielen und ringsum alles zerstörten, flogen durch die glaslosen Fenster unserer Wohnung Teile verbrannter Papierballen. Die Erde bebte. Die Hitze war so stark, daß sich Stricknadeln auf der Kommode verbogen. Als die zweite Angriffswelle kam, konnten wir nur noch mit Hilfe feuchter Tücher atmen. Wir hatten Glück und überlebten.

Einige Tage nach dem Angriff habe ich mich in die Innenstadt gewagt. Ein Bild unsäglichen Schreckens: Zerstörung, Trümmer und Tote über Tote. Diese wurden auf dem Altmarkt zusammengetragen und verbrannt oder durch Pferdewagen-Kolonnen zum Tolkewitzer Friedhof gebracht.

Die DDR gab mir die Möglichkeit, meinen Traumberuf als Lehrerin zu ergreifen. Ich war 34 Jahre als Diplomlehrer für Geschichte tätig und bin stolz darauf, daß ich junge Menschen im Sinne des Friedens und des Humanismus erziehen konnte.

Ursula Wagner, Markkleeberg


*


Friedensnobelpreisträger Gorbatschow erhielt anläßlich des 65. Jahrestages der Zerstörung der Kunststadt an der Elbe durch anglo-amerikanische Bomber den mit 25.000 Euro dotierten "Dresden-Preis" als "Anerkennung für seinen Beitrag zur friedlichen Umwälzung in Deutschland und Osteuropa". Die Preisverleihung fand in der durch die DDR wieder aufgebauten Semperoper statt.

Bei einer seiner Staatsvisiten in Berlin besuchte Gorbatschow Grenzsoldaten am Brandenburger Tor und sprach ihnen seine Anerkennung für ihren friedenssichernden Dienst aus.

Nach dem Anschluß der DDR erhielten Generale und Offiziere der DDR-Grenztruppen Haftstrafen, ohne daß er für seine ehemaligen Verbündeten auch nur einen Finger gerührt hätte.

Oberst a. D. Wilfried Linde, Halberstadt


*


Im Boulevardblatt "Berliner Kurier" konnte man am 9. Februar in Großaufmachung lesen: "Der letzte Kampf der Honi-Witwe." Dort stand: "Margot Honecker (82), die einst mächtigste Frau der DDR, Witwe von Erich Honecker, die seit 1992 im selbstgewählten Exil in Chiles Hauptstadt Santiago lebt, Interviews mit deutschen Medien ablehnt - sie meldet sich jetzt zum ersten Mal seit Jahren wieder in Deutschland offiziell zu Wort." Anlaß ist, daß Margot Honecker das Vorwort zur Neuauflage des Buches ihres Mannes "Moabiter Notizen" geschrieben hat.

Auf den Text im "Berliner Kurier" muß man nicht weiter eingehen. Es handelt sich um das Übliche. Aber bereits der hier zitierte Satz des Blattes hat es in sich. "Die einst mächtigste Frau der DDR ..." Im Umkehrschluß wäre Prof. Sauer, Gatte der Bundeskanzlerin Merkel, wohl der "mächtigste Mann" der BRD. Weiter: "Selbstgewähltes Exil in Chile". Ich kann mich noch an die Odyssee erinnern, die seinerzeit stattfand, um für die Honeckers überhaupt eine Unterkunft zu finden. Sie endete schließlich in einer kirchlichen Einrichtung in Lobetal bei Berlin. Der weitere Weg führte dann über Moskau, die dortige chilenische Botschaft bis nach Santiago. Soviel zum "selbstgewählten Exil".

Wilfried Steinfarth, Berlin


*


Jan Koplowitz war Ende der 50er Jahre ein sehr engagiertes Mitglied der Jugendbrigade "7. Oktober" im Berliner Kabelwerk Oberspree. Zur Brigade gehörten zwölf Arbeiter, die in drei Schichten jeweils zu viert eine über 50 m lange Maschine zur Ummantelung von Starkstromkabeln bedienten. Der Schriftsteller, der sich auch bei Schichtwechsel sehen ließ, drängte den Brigadier Achim Mielost, mehr für das kulturelle Niveau seines Kollektivs zu tun. Er verschenkte Konzert- und Theaterkarten an die jungen Arbeiter und lud sie ein, in seiner Bibliothek zu stöbern. Als die robusten Kerle einmal einen verdutzten Blick in das Biedermeierzimmer der Koplowitzschen Wohnung taten, nutzte er das, um mit ihnen über die Ästhetik feiner Gewebe und den Wert von Handwerkskunst zu plaudern.

Koplowitz war nach der Bitterfelder Konferenz unter deren heute oft mit Häme bedachter Losung "Greif zur Feder, Kumpel" im Kabelwerk unterwegs auf der Suche nach proletarischen Schreibtalenten, die er fördern wollte. In der Jugendbrigade "7. Oktober" wurde er fündig. Ein Mitglied - Klaus Behrens - konnte er dazu bewegen, nach dem Tagebuch der Brigade ein Theaterstück zu schreiben, das später mehrmals vom Arbeitertheater des Betriebes aufgeführt wurde. Mit mir - einem anderen Brigademitglied - schrieb er gemeinsam konzipierte Kurzgeschichten für die Gewerkschaftszeitung "Tribüne". So brachte er mich auf den Weg, Journalist zu werden.

Fritz Wengler, Berlin


*


In seinem Extra-Beitrag (RF 144) beschäftigt sich Genosse Dr. Österreich überwiegend mit inneren Widersprüchen in SED und DDR. Er ist der Meinung, daß die Mehrheit der 2,3 Millionen SED-Mitglieder aus Karrieristen bestanden habe. Dadurch könnte der Eindruck erweckt werden, die DDR sei hauptsächlich an ihren inneren Widersprüchen zugrunde gegangen. Dem möchte ich entgegenhalten: Nach meiner Ansicht war die DDR ein Kind der Sowjetunion und von dieser entscheidend beeinflußt - im Guten wie im Schlechten. Letzten Endes wurde sie zwischen zwei "Mühlsteinen" zerrieben - den permanenten und von Beginn an geführten Angriffen des westdeutschen und US-Imperialismus auf der einen und dem Verrat der Gorbatschow-Jakowlew-Schewardnadse-Clique samt des Demagogen Jelzin auf der anderen Seite.

Horst Jäkel, Potsdam


*


Ich stimme Dr. Rudolf Dix (Pseudotheoretisches Gestammel, RF 145) voll zu. Es gab 1989 keine Revolution im marxistischen Sinne, sondern eine Konterrevolution. Aber es steckt doch schon im Wort selbst, daß es sich auch bei dieser um eine "umgekehrte" Revolution handelt, welche die Produktionsverhältnisse in negativer Hinsicht wandelt.

Was Lenin zum Heranreifen einer Revolution sagte, entsprach den Erkenntnissen seiner Zeit. Was aber sind die objektiven Bedingungen für das Heranreifen einer konterrevolutionären Situation? Hat es 1989 objektive Bedingungen gegeben, die zum Scheitern des Sozialismus in der DDR führten? Nur wegen subjektiver Ursachen kann die noch im Wachsen befindliche sozialistische Gesellschaftsordnung doch nicht zugrunde gegangen sein? Ein sehr beliebtes Argument ist die Verratsthese: Gorbatschow hat uns an den Westen verkauft. Dem stimmen alle zu, weil das einfacher ist und von uns selbst wegführt. Er hat aber auch Kuba und China verraten. Warum ist z. B. Kuba nicht zusammengebrochen und kapitalistisch geworden?

Eine andere Begründung ist die "Einmischungsthese": Der Westen habe auf vielfältige Weise die Massen irregeführt. Ähnliche Attacken gab es doch auch von Florida aus gegen Kuba. Doch man erlebte dort nicht diese "irregeführten Massen", unter deren Druck der Sozialismus in Europa zusammengebrochen ist.

Ich kann auf die Frage nach objektiven Ursachen keine Antwort geben, meine aber, sie müßten im ökonomischen Bereich liegen. Kuba und China haben sich aus gänzlich unterschiedlichen Gründen nicht in eine ökonomische Abhängigkeit vom Kapitalismus begeben und mehr konsumiert, als sie erwirtschaften konnten. In der DDR aber wurden die ökonomischen Gesetze über Jahre hinweg verletzt.

Kann nicht auch eine objektive Bedingung darin zu suchen sein, wie die Völker zur sozialistischen Revolution kamen? China und Kuba haben sich aus eigener Kraft, mit breiter Unterstützung der Volksmassen von der Ausbeutung befreit. Der DDR-Bevölkerung schuf die sowjetische Besatzungsmacht, die sie vom Faschismus und dem kapitalistischen Druck befreite, die Voraussetzungen. Wollten die breiten Volksmassen dies und jubelten sie von Anfang an so, wie dies in China und Kuba war?

Generalmajor a. D. Dieter Winderlich, Haren/Ems


*


Eine Ergänzung zu dem sehr interessanten Artikel von GM a. D. Dieter Winderlich im RF 145. In der dort genannten "Vox"-Sendung fehlte der Hinweis, daß die Produkte, die in den Strafvollzugseinrichtungen der DDR entstanden - beispielsweise Bettwäsche - zum großen Teil an BRD-Versandhäuser geliefert wurden. Dieser Sachverhalt wurde vom Westen vor 1989 propagandistisch ausgeschlachtet. Ich erinnere mich an einen Fernsehbericht, in dem man die "Sklavenarbeit der Häftlinge" anprangerte. Da die BRD-Versandhäuser aber sehr kostengünstig an hochwertige Produkte herankamen, spielte es keine Rolle, wo diese Waren hergestellt wurden.

Hans-Olaf Böttcher, Gotha


*


Antikommunisten und Antihumanisten drängen um jeden Preis auf ein "Einheitsdenkmal". Wie könnte dieses aussehen? Mir fällt dazu die Brecht-Zeile aus der Dreigroschenoper ein: "Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht ..." Der zähnebewehrte Rachen eines Hais als Symbol der alten BRD, gerade den anderen deutschen Staat verschlingend, wäre vielleicht ein geeignetes Motiv!

Walter Drexler, Berlin


*


Ich hätte erwartet, daß sich die Bundeskanzlerin von dem unsozialen Irrsinn ihres Stellvertreters Westerwelle klar distanziert. Das war indes ein Irrtum. Die Ausfälle des FDP-Politikers wären nicht ihre Worte und ihr "Duktus", sagte sie. Dabei ließ sie offen, was sie zum Inhalt meint. Ich kann nur hoffen, daß dieses Treiben "eines hellsichtigen Tages als Volksverhetzung geahndet wird" (Daniela Dahn). Nach einem Jahr schwarz-roter Koalition hatte Westerwelle getönt: "Nüchtern ist diese Lobhudelei nicht zu ertragen." Nehmen wir ihn beim Wort!

Dr. Gerd Machalett, Siedenbollentin


*


Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler traf in der Zeitung "Die Welt" die Feststellung: "Die spätrömische Dekadenz bestand darin, daß sich die Reichen nach ihren Freßgelagen in Eselsmilch badeten und der Kaiser Caligula einen Esel zum Konsul ernannte." Geisler fügte hinzu: "Vor hundert Tagen ist ein Esel Bundesaußenminister geworden."

Peter Wozniak, Halle


*


Die Zusatzbeiträge der Krankenkassen sprechen - auch bei allen anderen gravierenden Mängeln - für die Verstaatlichung des Gesundheitswesens, um endlich wieder Vertrauen herzustellen. Weg mit den Profithaien der Pharmaindustrie! In Kuba sind alle Leistungen auf diesem Gebiet kostenlos. Ich konnte das sechs Wochen genießen. Zugleich beobachtete ich die vorbildliche internationalistische Hilfe Kubas, z. B. für Haiti. Insgesamt sind 25.000 Mediziner als Internationalisten im Einsatz.

Falk Moldenhauer, Bochum


*


Wir sind beide 84, haben den verfluchten II. Weltkrieg zum Glück gesund überlebt und den Neuanfang sowie den Aufbau des sozialistischen Staates aktiv mitgestaltet.

Nun lasen wir das Interview des Leipziger Schriftstellers Erich Loest in "Bild" vom 17. Februar. Wir sind erschüttert. Nahmen wir doch bisher an, daß es sich bei ihm um einen zwar andersdenkenden, aber gebildeten und toleranten Menschen handelt. Jetzt erfuhren wir, daß wir "in einem verrotteten, stinkenden Müllhaufen, einem von Taubenzecken zerfressenen Staat" gelebt haben sollen. Solche von Haß diktierten, auf unterstem sprachlichem Niveau angesiedelten Tiraden haben mit einer sachlichen Auseinandersetzung nichts gemein. Wie viele andere DDR-Bürger haben auch wir in diesem "stinkenden Müllhaufen" gern gelebt. Erich Loest sollte Schiller lesen, der über Kritik und Selbstkritik sagte: "Man muß einen Fehler mit Anmut rügen und mit Würde bekennen!"

Erika und Kurt Köppe, Leipzig


*


"Die Würde des Menschen ist unantastbar ...", heißt es im Grundgesetz. Doch gerade dieser Satz ist für Tausende ein Schlag ins Gesicht. Lehrt uns doch der Kapitalismus mit seiner Aktionsware Mensch etwas anderes. Wie vielen bleibt nur der selbstwertzerstörende Gang zum Arbeitsamt oder zum Amt für Grundsicherung!

Welcher Politiker kann nachempfinden, wie sich Kinder fühlen, die ihre Väter nur alle zwei bis drei Wochen sehen können, weil Arbeit im Wohnumfeld zur Nebensache der Mächtigen wird?

Wie soll ein junger Mensch Hoffnung, Zuversicht, Freude auf Freunde, Familie, Arbeit und Spaß am Leben empfinden, wenn er gezwungen ist, seine Heimat zu verlassen, um über die Runden zu kommen?

Haben wir als mittlere Generation etwas falsch gemacht? War es falsch, unseren Kindern davon zu erzählen, daß wir gut behütet in der DDR aufwachsen durften, daß wir ohne Bafög lernen und studieren konnten, daß Erweiterte Oberschulen keine Eliteanstalten für Reiche waren? Sollten wir uns dessen schämen?

Nein, wir sollten aber acht geben, daß uns diese Augenblicke unseres Lebens nicht verlorengehen, und wir sollten der jungen Generation die Chance einräumen, ihre Träume mit unserer Hilfe zu verwirklichen. Eines wird mir nie passieren: daß ich dieser Gesellschaft einen guten, moralisch vertretbaren Augenblick abgewinne.

Ramona Grabow, Boitzenburger Land


*


Im Beitrag "Gedenken an Wilhelm Pieck in Kriebitzsch" (RF 146) sind auf dem Stein die Jahreszahlen 1949-1959 zu lesen. Wilhelm Pieck war bis zu seinem Tod am 7. September 1960 Staatspräsident der DDR.

Jürgen Förster, Dresden


*


Unlängst stellten Hochschulökonomen aus drei Ländern, unter ihnen Prof. Dr. Heinz Dieterich (Mexiko), Thesen ihrer Bücher zum "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" im Berliner ND-Gebäude vor. Das kleine Auditorium, zu dem auch RF-Leser gehörten, verhielt sich kritisch. Insbesondere blieben die Autoren den Zuhörern schuldig, wie denn erstens die internationale Wirtschaft auf die Arbeitswerttheorie (Äquivalenzwirtschaft) "umgestellt" werden soll, wie zweitens die internationale Geldpolitik auf Assignaten, auf denen statt Wertangaben wie Dollar, Euro usw. "Arbeitsstunden" erscheinen, "umzustellen" sei, wie drittens der "rechtliche Anspruch" der Arbeiter, nicht ausgebeutet zu werden (also den vollen Wert ihrer Arbeitszeit zu erhalten), zur "Anerkennung" zu bringen sei.

Irgendwie erinnerten mich die Kurzvorträge und Auskünfte der Autoren an den "braven Soldaten Schwejk", der sich nach seiner Einberufung mit seinem Kumpel Woditschka "nach dem Krieg um sechs im Kelch" verabredet. Wie der Arbeiterklasse das "Umstellen" und den Kapitalisten das "Anerkennen rechtlicher Ansprüche" beizubringen ist, davon haben die Autoren weniger Ahnung als die Sozialisten des 19. Jahrhunderts.

Dr. Hermann Wollner, Berlin


*


Wie immer lese ich den RF sehr gründlich, auch die Beiträge von Walter Ruge. Seine klare politische Beurteilung aktueller und historischer Ereignisse oder Probleme findet meine volle Zustimmung. Leider bedarf sein Artikel im Februar-RF (Gebührenpflichtige Verblödung) einer Korrektur. Im dritten Absatz schreibt er über den Verrat der Identität der Kundschafter und nennt dabei den Namen Rainer Rupps. Diese eher unglückliche Formulierung führt zu Irritationen. Richtig ist, daß es auch in den Reihen der HVA eine geringe Zahl von Verrätern gab, während die große Mehrheit keinen Verrat beging. Die Nennung Rainer Rupps kann insofern mißverstanden werden, als anzunehmen wäre, der zuständige Mitarbeiter der Zentrale habe ihn möglicherweise verraten. Der aber war ich. Daher hat mich diese Aussage Walter Ruges betroffen gemacht. Enttarnt wurde Rainer durch die "Rosenholz"-Kartei - ein in seiner Art einmaliger Verratsakt.

Nochmals: Ich unterstelle Genossen Ruge keineswegs, die von mir genannte mögliche Auslegung seiner Formulierung beabsichtigt zu haben. Vielleicht wäre eine Richtigstellung zweckmäßig.

Oberst a. D. Karl Rehbaum, Bernau


*


Die "Sozialistische Tageszeitung" konnte Heinz Keßlers 90. Geburtstag am 26. Januar nicht übergehen. Doch was unter "General" geschrieben stand, grenzte an Zumutung. Der Jubilar steht zeit seines bewußten Lebens zu seiner Verantwortung als Kommunist und Antifaschist. Den noch heute unermüdlichen und beispielgebenden Kämpfer gegen Krieg und Faschismus in der Öffentlichkeit zu erleben, ist ein Gewin.

Oberst a. D. Dr. Dieter Hillebrenner, Dresden


*


In der "Freien Presse", Chemnitz entdeckte ich ein Foto und unter der Überschrift "Marx urlaubt derzeit als Skifahrer in Tirol" folgenden Leserbrief von Rudolf Scholz, Dresden, der es verdient, im RF zitiert zu werden:

"Ich habe kürzlich im Super-Langlaufgebiet Leutasch in Tirol Urlaub gemacht. Zufällig fand im Ortsteil Weidach ein Schneeskulpturen-Wettbewerb statt. Die Schnitzerschulen der Umgebung gestalteten die Objekte nach ihren eigenen Vorstellungen. In diesem Falle waren es Schüler aus der Berechtsgadener Schnitzerschule. Drei Tage lang haben sie mit Beilen und dergleichen ihr Kunstwerk geschaffen. Nur trauten sie sich nicht, es mit 'Karl Marx als Skifahrer' zu bezeichnen, sondern nannten es nur 'Ein Skifahrer'. Auf jeden Fall haben sie gewußt, wen sie modellierten, und neben anderen Skulpturen war es die am meisten fotografierte. Übrigens steht der Skifahrer genau gegenüber einer Bankfiliale."

Dieter Ammer, Chemnitz


*


Schon seit längerem wollte ich mich für den RF und die Mühe derer bedanken, die ihn zusammenstellen und verwalten. Als treuer Leser entnehme ich so manchem Artikel Informationen, welche ich so konzentriert woanders nicht finden würde. Sichtweisen der Älteren und Stellungnahmen auch ausländischer Zeitungen zu unserer gemeinsamen Sache sind für mich eine wichtige Quelle, die ich buchstäblich in mich hineinsauge. Dazu gehören besonders auch die Artikel auf der ersten und die Grafiken Klaus Parches auf der letzten Seite.

Ich versende die mir am wichtigsten erscheinenden Beiträge, welche ich der Online-Ausgabe des RF entnehme und als PDF-Dokument speichere, als Anhang an Bekannte. Deren Interesse ist bemerkenswert. Ich kann mir vorstellen, daß ich mit dieser Art der Verbreitung von Auszügen aus dem RF nicht allein stehe.

Andreas Lässig, Waldheim


*


In meinen bisherigen 77 Lebensjahren habe ich viele Stationen durchlaufen. Ich konnte mich vom Bauschlosser zum Hochschulabsolventen und Oberstleutnant der NVA-Raketentruppen, später zum Bürgermeister einer Kreisstadt und dann zum Abteilungsleiter des Rates eines Berliner Stadtbezirks entwickeln. Nach dem Sieg unserer Gegner wurde ich angeklagt, danach als Vorruheständler und Rentner mit Kürzung der Bezüge bestraft.

Ich bin aus der PDS ausgetreten, weil ich den Schmusekurs ihrer Führer mit der SPD und bestimmten Bürgerbewegten nicht mitmachen wollte. Mir reichte der "Sonderparteitag" im Dezember 1989 in der Berliner Dynamohalle, den ich als Delegierter miterlebte. Das Einknicken vor der Konterrevolution, der ungerechte Ausschluß von Egon Krenz und anderen Genossen aus der Partei erschütterten mich tief. Ich stimmte damals gegen die Aktionen, die Gysi, Berghofer und Bisky inszenierten. Inzwischen haben gutbezahlte Parteikarrieristen wie Petra Pau, Roland Claus, André Brie und Helmut Holter skrupellos ihren Aufstieg organisiert.

Meinen drei Söhnen und deren Familien ging es trotz beruflicher Qualifizierung nicht so gut. Sie mußten sich mit Arbeitslosigkeit und Zeitarbeit herumschlagen. Seit 20 Jahren kämpfen sie um ihre Existenzberechtigung.

Hans-Joachim Hartlieb, Dresden


*


Mit großem Interesse und viel Freude las ich im Februar-RF u. a. den Artikel "Berliner Pädagogenchor bestand die Feuerprobe" von Horst Birkholz. Der Beitrag war ein schönes Geschenk zu meinem 73. Geburtstag. Ich gehörte nämlich dem Gemischten Chor selbst einige Jahre an und bewahre daran die besten Erinnerungen. Dem Autor kann ich inhaltlich nur zustimmen und ihm herzlich für die Darstellung danken. Ja, die Erfahrungen, die Erlebnisse der 60er Jahre und danach bleiben im Gedächtnis und werden nie in Vergessenheit geraten. Einen herzlichen Gruß vom früheren Ensemblemitglied.

Helmut Liebram, Berlin


*


Allen, die mit beiden Beinen im politischen Leben der DDR standen und auch in der Zeit nach 1989 nicht weich geworden sind, ist es ein echtes Bedürfnis, den RF zu lesen, weil er wahrheitsgetreu über unsere Vergangenheit und Gegenwart berichtet. Die Februar-Ausgabe mit dem Beitrag "Gebührenpflichtige Verblödung" von Walter Ruge sowie den sieben Wortmeldungen zur DDR-Verteufelungsdebatte fanden wir - meine Frau und ich - ausgezeichnet.

Der RF darf finanziell keine Not leiden. Deshalb, liebe Leser, macht es so wie wir und überweist periodisch eine bestimmte Summe.

Oberst a. D. Georg Krause, Dresden


*


Den Darlegungen Prof. Schneiders über die Kleriker in der antisozialistischen Konterrevolution (RF 145) muß man uneingeschränkt zustimmen. Es zeigt sich deutlich, was Kirchenfürsten und -funktionäre 1989/90 geheimhielten oder heute noch nicht offenbaren. Es ging ihnen ganz sicher nur darum, in der DDR und in den osteuropäischen Staaten das Bündnis von Altar und Kapital in alter Weise wiederherzustellen. Beide großen Kirchen - die katholische wie die protestantische und deren Repräsentanten - standen stets auf der Seite von Krone und Geldmacht, weil sie und ihre Organisationen in großem Maße von deren Reichtum profitierten. Das ist bis heute so.

Günter Freyer, Berlin


*


Mit den Jahren mußten wir von jenen Menschen, die nie bei uns gelebt hatten, erfahren, daß in der DDR eine schreckliche Armut geherrscht hat, weil die SED-Mitglieder keine Ahnung von der Führung einer ordentlichen Volkswirtschaft gehabt haben.

So konnte sie sich keine kapitalistische Marktwirtschaft, kein Berufsbeamtentum, keine Aktionäre, keine Privat- und Eliteschulen, keine Millionen von Analphabeten, kein profitorientiertes Gesundheitswesen, keine hochbezahlten Parlamentarier, kein Millionenheer von Arbeitslosen, keine Hartz-IV-Empfänger, keine 1-Euro-Jobber, keine Sozialhilfebezieher, keine Altersarmut, keine Tafeln für sozial Schwache, keine Suppenküchen, keine Obdachlosen, keine Reduzierung der landwirtschaftlichen Nutzflächen, keine Vernichtung der Milch durch deren Erzeuger, keine kämpfenden deutschen Soldaten für deutsche Kapitalinteressen im Ausland usw. leisten!

Was für ein Jammer!

Dietmar Wendler, Chemnitz

Raute

RF-Bezugsbedingungen

Kurze Nachricht per Telefon oder E-Mail oder Briefpost an den Vertriebsleiter Armin Neumann genügt.

Er ist folgendermaßen erreichbar.
Tel.: 030/654 56 34
E-Mail: arminneumann@ewt-net.de
Adresse: Salvador-Allende-Straße 35, 12559 Berlin

Der RotFuchs wird ausschließlich aus Spenden und nach eigenem Ermessen jedes einzelnen finanziert. Einen festen Preis gibt es nicht. Die Zeitschrift kommt jeweils am letzten Werktag eines Monats zum Versand.

Raute

IMPRESSUM

Der im Februar 1998 gegründete "RotFuchs" ist eine von Parteien unabhängige kommunistisch-sozialistische Zeitschrift für Politik und Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.

HERAUSGEBER: "RotFuchs"-Förderverein e. V.

CHEFREDAKTEUR: Dr. Klaus Steiniger, (V.i.S.d.P.)
Rheinsteinstraße 10, 10318 Berlin,
Telefon 030/561 34 04
E-Mail: rotfuchskessel@t-online.de
(Redaktionsadresse)

SEKRÄTERIN: Karin Großmann

LAYOUT: Rüdiger Metzler

HERSTELLUNG: Druckerei Bunter Hund

INTERNET: www.rotfuchs.net

INTERNET-PRÄSENTATION DES ROTFUCHS
UND AKUSTISCHE AUSGABE (für Sehbehinderte):
Sylvia Feldbinder

Redaktionsschluß ist jeweils der 10. des Monats.

AUTORENKREIS:
Dr. Matin Baraki
Rolf Berthold
Dr. Manfred Böttcher
Isolde Bohler (Valencia)
Dr. Vera Butler (Melbourne)
Wolfgang Clausner
Prof. Dr. Götz Dieckmann
Dr. Rudolf Dix
Ralph Dobrawa
Dieter Fechner
Dr. Peter Fisch
Bernd Fischer
Peter Franz
Günter Freyer
Prof. Dr. Georg Grasnick
Ulrich Guhl
Dr. Ernst Heinz
Dr. Dieter Hillebrenner
Manfred Hocke
Prof. Dr. Hans Heinz Holz
Hans Horn
Dr. Klaus Huhn
Dr. Hans-Dieter Krüger
Rudi Kurz
Wolfgang Mäder
Bruno Mahlow
Dr. Bernhard Majorow
Wolfgang Metzger
Prof. Dr. Harry Milke
Frank Mühlefeldt
Prof. Dr. Werner Roß
Walter Ruge
Karl Schlimme
Gerhard Schmidt
Prof. Dr. Horst Schneider
Joachim Spitzner
Fritz Teppich
Dr.-Ing. Peter Tichauer
Prof. Dr. Zbigniew Wiktor (Wroclaw)

KÜNSTLERISCHE MITARBEIT:
Dieter Eckhardt, Heinz Herresbach,
Klaus Parche, Heinrich Ruynat,
Renatus Schulz, Michael Westphal

VERSAND UND VERTRIEB:
Karin Dockhorn
Anna-Louise-Karsch-Str. 3, 10178 Berlin
Telefon 030/241 26 73
WDockhorn@t-online.de
oder Sonja Brendel, Tel. 030/512 93 18
Bruni Büdler, Hans Ludwig, Harry Schreyer,
Peter Barth u.v.a.m.

FINANZEN: Jürgen Thiele, Wartenberger Str. 44
13053 Berlin, Tel.: 030/981 56 74

UNSER KONTO:
"RotFuchs"-Förderverein, Konto-Nr.: 2 143 031 400
Berliner Sparkasse, BLZ: 100 500 00
Für Einzahler im Ausland:
IBAN: DE 27 1005 0000 0220 1607 59
BIC: BELADEBEXXX

Die Mitarbeit weiterer Autoren ist erwünscht. Die in namentlich gezeichneten Beiträgen zum Ausdruck gebrachten Auffassungen müssen nicht immer mit denen der Redaktion übereinstimmen.


*


Quelle:
RotFuchs Nr. 147, 13. Jahrgang, April 2010
Redaktion: Rheinsteinstraße 10, 10318 Berlin
Telefon: 030/561 34 04, Fax: 030/56 49 39 65
E-Mail: rotfuchskessel@t-online.de
Internet: www.rotfuchs.net


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Mai 2010