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OSSIETZKY/932: Clinton/Trump - Varianten des Populismus


Ossietzky - Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft
Nr. 24 vom 3. Dezember 2016

Clinton/Trump: Varianten des Populismus

von Werner Rügemer


Der Republikaner Donald Trump, der nächste US-Präsident, wurde und wird im Unterschied zur Demokratin Hillary Clinton als Populist und Nationalist beschimpft. Doch Trump und Clinton verkörpern lediglich zwei Varianten von Populismus und Nationalismus. Im Kern vertreten beide dasselbe: einen noch aggressiveren, US-geführten Kapitalismus, wenn auch mit einigen unterschiedlichen Akzenten.

Nationalismus und Populismus der US-Eliten

Die US-Eliten verstehen die USA als die »unverzichtbare Nation«, alleinig zur weltweiten Führung berufen, zudem geheiligt als God's own country. Sie behandeln die Zusammensetzung jeder anderen Regierung eines noch so kleinen Staates auf dem Planeten Erde als Angelegenheit der nationalen Sicherheit der USA. Sie fördern weltweit ausgewählte nationalistische Kräfte, ob in Israel, Ex-Jugoslawien, im Irak, in Afghanistan, Libyen, Syrien, in den Golf-Diktaturen, in der Ukraine, in Polen und den baltischen Staaten. Die beiden sich in der Regierung abwechselnden US-Parteien sind darin gleich.

Zu diesem Nationalismus gehört der Populismus. Beide US-Parteien dienen den Partialinteressen einer privatkapitalistischen Minderheit beziehungsweise deren Fraktionen. Beide Parteien, ihre Abgeordneten und Wahlkämpfe werden von diesen Minderheiten alimentiert. Die systemische Korruption zeigt sich auch im Prinzip revolving door: Banker und Unternehmer wechseln übergangslos ins Minister- und Berateramt und wieder zurück. Um dieses System der minoritären Selbstbereicherung und majoritären Verarmung zu verdecken, haben die Parteien Versprechen entwickelt, vor allem: Demokratie und Wohlstand für alle! Auch die ständige Propagierung der USA als größte, beste und stärkste Nation der Welt gehört zum populistischen Instrumentarium, womit sich auch unterprivilegierte Teile der Bevölkerung über Ärmere und Schwächere anderswo erheben und vertrösten sollen.

Der Populismus der US-Regierungen, US-Stiftungen und US-Geheimdienste fördert bei den genannten nationalistischen Kräften den ethnizistisch und religiös-fundamentalistisch geschürten Hass und unterstützt God's own countries aller Couleur.

Zum Primärpopulismus der Republikanischen Partei gehören die lügenhaften einfachen Lösungen, so die Steuersenkung für Reiche und Konzerne als Anreiz für neue Arbeitsplätze. Weiter gehört dazu das harte Durchgreifen mittels Todesstrafe und das Propagieren der freien bewaffneten Selbstverteidigung.

Zum Primärpopulismus der Demokratischen Partei gehören andere einfache Lösungen: Mit der Begründung, nun könnten auch ärmere Amerikaner Kredite für ein Häuschen bekommen, deregulierte Präsident William Clinton das Banken- und Kreditsystem. Die »Globalisierung« und der »Freihandel« seien für die eigene Bevölkerung wie für alle beteiligten Staaten eine Win-win-Situation. Besonders die Demokratische Partei und nahestehende Stiftungen fördern »bunte Revolutionen«, die mit dem Anschein der Basisdemokratie den Wechsel von einer Oligarchie in die nächste und den Einfluss westlicher Privatinteressen organisieren. Sexuelle Orientierungen als Menschenrechte ersetzen wirtschaftliche und soziale Rechte. Völkerrechtswidrige Kriege werden in »humanitäre« Aktionen umbenannt. Geopolitische Feinde werden zu neuen Hitlern erklärt.

Konzerne spendeten für Trump und Clinton

Trump äußerte sich als offener Rassist, richtig. Der Rassismus der Demokratischen Partei manifestiert sich subkutan in der Praxis: Auch unter William Clinton und Barack Obama wurden die Gefängnisse durch den »Krieg gegen Drogen« vor allem mit Schwarzen gefüllt. Der 3144 Kilometer lange Hochsicherheitszaun zu Mexiko wurde nicht unter einem Präsidenten Trump gebaut, sondern 1993 unter Clinton begonnen. Unter Obama wurden jedes Jahr 400.000 Migranten, vor allem Mexikaner, abgeschoben. Wegen tödlicher Schüsse auf Zivilpersonen wurde bisher noch kein US-Grenzschütze verurteilt. Die Demokraten sprechen von Zaun, Trump spricht von Mauer - das ist der Unterschied.

Auch Konzerne machen deutlich: Primär- und Sekundärpopulismus sind Spielarten derselben Politik. Zu den Großspendern im US-Wahlkampf gehörten aus Deutschland Bayer und BASF, die Deutsche Bank und die Allianz, dann die United Bank of Switzerland, der französische Chemiekonzern Sanofi und der britische Rüstungskonzern BAE. Sie nutzen in den USA die niedrigen Löhne und die Steuerfluchten. Sie bespendeten - wie bei den Wahlen zuvor - gleichzeitig beide Parteien und beide Kandidaten - zuvor Romney und Obama, diesmal Trump und Clinton, allerdings Trump etwas mehr. Auch SAP, Merck und T-Mobile spendeten an beide, aber mehr für Clinton.

Trump, der im Wahlkampf gegen Lobbyisten, die Wall Street und das Washingtoner Establishment gewettert hatte, besetzt sein Übergangsteam nun mit Lobbyisten, Wall-Street-Bankern und Mitgliedern des Washingtoner Establishments. Das hatte sein Vorgänger, der vor allem von der Wall Street finanzierte Demokrat Obama, in ähnlicher Weise auch getan.

Weil die bisherigen »Volks«-Parteien mit ihrem Nationalismus und Populismus ihre Versprechen nicht erfüllen konnten und dies wichtigen Teilen der Bevölkerung deutlich wurde, schlug die Stunde des sekundären Nationalismus und Populismus: Trump statt Clinton.

In den USA prangerte Sanders als Bewerber der Demokratischen Partei die Korruption des herrschenden Politikbetriebs ebenso an wie die Degradierung der Arbeiter und die Ungleichheit der Einkommen. Er forderte höhere Löhne, die höhere Besteuerung der Privatgewinne und hohen Einkommen und die Abschaffung des Studierens auf Kredit. Aber die Führung seiner eigenen Partei wie auch die regierenden Populisten in der EU verteufelten Sanders.

Gleicher Mechanismus in der EU

Sanders hatte millionenfache Zustimmung, beflügelte Aufbruch, erschloss neue und auch junge Wählerschichten und hätte die Chance gehabt, Trump zu schlagen. Aber die Primärpopulisten diesseits und jenseits des Atlantiks haben lieber dem Sekundärpopulisten Trump zum Sieg verholfen.

Dieser Mechanismus wirkt im gesamten transatlantischen Kapitalismus, der so eng wie keine andere Weltregion militärisch, geheimdienstlich, investiv, politisch und populistisch-kulturell verflochten ist.

Die gewählten und ungewählten Eliten, die Regierungen und Leitmedien in der EU praktizieren den Primärpopulismus: »In Deutschland und in der EU geht es allen gut. Hier herrschen Demokratie, Wohlstand und Frieden.« Auch diese Eliten verbreiten die lügenhaften einfachen Lösungen wie Lohnsenkung, Privatisierung und Schwarze Null als Wohlstandsquellen. Die NATO garantiere Sicherheit und Frieden. Deutscher und EU-Nationalismus werden ineinander verwoben.

Immer mehr Bürgern wird deutlich: Die Versprechen dieser Eliten werden nicht erfüllt. Es ist ein quälerischer Prozess, der seinen Ausdruck bisher vor allem im Erstarken des Sekundärpopulismus und -nationalismus findet, etwa im Brexit.

Solche Scheinlösungen werden wie in den USA durch die Primärpopulisten und - nationalisten befördert, ungewollt und gewollt. Sie gewähren Figuren wie Le Pen, Wilders, Farage, Poroschenko und der Alternative für Deutschland überproportionale Aufmerksamkeit, während die demokratischen Alternativen - wie Sanders in den USA - auf die verschiedenste Weise bekämpft oder verschwiegen werden.

Jedenfalls sollten die Demokraten und die Friedensbewegung auch in Europa ihre Begriffe klären. Auch das gehört zur demokratischen und wirtschaftlichen Neugründung Europas und zur Abwehr der Kriegsgefahr.

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Quelle:
Ossietzky - Zweiwochenschrift für Politik / Kultur / Wirtschaft
Neunzehnter Jahrgang, Nr. 24 vom 3. Dezember 2016, Seite 854-857
Herausgeber: Matthias Biskupek, Daniela Dahn, Dr. Rolf Gössner,
Ulla Jelpke, Otto Köhler, Eckart Spoo
Redaktion: Katrin Kusche (verantw.), Eckart Spoo, Jürgen Krause (Korrektor)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2016

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