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OFFENSIV/080: Ausgabe Juli-August 2009 4/09


offen-siv 4/2009
Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

Ausgabe Juli-August 2009


INHALT

Redaktionsnotiz

Einige Fakten zum Elend des Imperialismus
Raul Castro: Die Situation hat sich dramatisch verschärft

Der Schwur von Buchenwald
Emil Carlebach: Wer befreite das Konzentrationslager Buchenwald?
Der Schwur von Buchenwald

Kommunistische Initiative
Ingo Höhmann: Treffen von Unterstützern der Kommunistischen Initiative in Berlin
Michael Opperskalski: KI in Frankfurt und Umgebung
Thomas Waldeck: Das Manifest von Gera
Originaltext Geraer Manifest

60. Jahrestag der Gründung der BRD
Hans Stahl: CIA-Aktion BRD-Gründung

60. Jahrestag der Gründung der DDR
Redaktion offen-siv: "...und der Zukunft zugewandt..." -
Wissenschaftliche Konferenz zum 60. Jahrestag der Gründung der DDR

PV der DKP
Redaktion offen-siv: Vorbemerkung

Iran und Krieg und Frieden
Irene Eckert: Die UN-Antirassismus-Konferenz und die Folgen
Abou Hassan, Hamid Soltanpour und Michael Opperskalski:
Wenn Schah-Anhänger grün tragen
Irene Eckert: Die Friedensbewegung hat nicht den Mut, zur Antikriegsbewegung zu werden

Politische Ökonomie
Heerke Hummel: Ware und Geld in der heutigen Gesellschaft; oder: Der Wert in der Finanzform

Resonanz
Edith David: Nachgetragene Gedanken zu einem Diskurs in "Offen-siv, Zeitschrift für Sozialismus und Frieden", 3-09

Buchbesprechung
Günter Herzog: Rezension - Prof. Dr. Erich Buchholz,
"Strafrecht im Osten - ein Abriss über die Geschichte des Strafrechts in der DDR"

Thälmann-Gedenkstätte in akuter Gefahr!
Max Renkl: Lasst uns gemeinsam kämpfen!

Raute

REDAKTIONSNOTIZ

Die "London Times" berichtete am 16.7.09 über Vorbereitungen der israelischen Marine für einen möglicherweise mit Atomwaffen geführten Angriff auf die Atomanlagen des Irans. Die israelische Marine bereitet sich mit Fahrten durch den Suezkanal auf einen möglichen Angriff auf den Iran vor. Wir bringen Auszüge aus diesem Artikel von Sheera Frenkel, da wir die Entwicklung für höchst gefährlich halten, da solche Nachrichten bei uns sowohl von der bürgerlichen als auch von der rosaroten Presse kaum gebracht werden und weil das Thema Iran der Schwerpunkt dieses Heftes ist. Den Artikel übersetzte das Berliner Friedensbündnis "Achse des Friedens". Herzlichen Dank dafür. Die London Times schreibt: "Zwei israelische Lenkwaffen-Korvetten haben zehn Tage nach einem atomwaffenfähigen U-Boot den Suezkanal durchfahren - zur Vorbereitung eines möglichen Angriffs auf die Atomanlagen des Irans. Die Verlegung (der Kriegsschiffe) ins Rote Meer, die von israelischen Offiziellen bestätigt wurde, setzte ein klares Signal, dass Israel seine Atomwaffenträger in kurzer Zeit so platzieren kann, dass der Iran in ihrer Reichweite ist. Sie erfolgte vor einem Langstrecken-Manöver der israelischen Luftwaffe, das noch in diesem Monat in den USA stattfinden wird, und vor dem Test eines Raketenabwehr-Schildes auf einem US-Raketenschießplatz im Pazifischen Ozean.

Israel hat seine Beziehungen zu den arabischen Staaten ausgebaut, die ebenfalls einen atomar bewaffneten Iran fürchten. Besonders seine Beziehungen zu Ägypten seien in diesem Jahr "wegen des gemeinsamen Misstrauens gegen den Iran" (noch) enger geworden, äußerte ein israelischer Diplomat. Israelische Schiffe würden wahrscheinlich auch bei einem Angriff auf den Iran den Suezkanal passieren. "Diese Vorbereitungen sollten sehr ernst genommen werden, Israel nimmt sich viel Zeit, um sich auf die Komplexität eines Angriffs auf den Iran vorzubereiten. Diese Manöver sind eine Botschaft an den Iran, dass Israel auf dessen Bedrohungen reagieren wird," sagte ein Offizieller des israelischen Verteidigungsministeriums. Es wird angenommen, dass Israels raketenbestückte U-Boote und seine Flotte modernster Kampfjets mehr als ein Dutzend Ziele mit nuklearem Hintergrund treffen könnten, die mehr als 800 Meilen (1.280 km) von Israel entfernt sind. (...) Israel wird in Kürze auch eine Rakete des Typs Arrow Interceptor auf einem US-Raketenschießplatz im Pazifischen Ozeam testen. Dieses System soll Israel gegen Angriffe mit ballistischen Raketen verteidigen, die vom Iran oder von Syrien ausgehen könnten. (...)

Die Israelische Luftwaffe wird mit F-16C Kampfjets an einem Manöver teilnehmen, das noch in diesem Monat auf der Nellis Air Force Base in Nevada stattfindet. C-130 Hercules-Transporter Israels werden sich am Wettfliegen Rodeo 2009 auf der McCord Air Force Base in Washington beteiligen. "Es ist kein Zufall, dass Israel diese Langstrecken-Manöver öffentlich ankündigt. Es sollen keine Geheimoperationen sein. Mit dieser öffentlichen Demonstration will Israel seine Fähigkeiten unter Beweis stellen", sagte ein Offizieller des Israelischen Verteidigungsministeriums. (...)

Die Übungen erfolgen zu einer Zeit, in der westlichen Diplomaten Israel Unterstützung für einen Shlag gegen den Iran bei der Bildung eines Palästinenser-Staates Zugeständnisse macht. Wenn Israel zustimme, könnte ein Angriff Israels auf den Iran "noch in diesem Jahr "Realität werden, sagte ein britischer Offizieller. Nach Aussage von Diplomaten hat Israel auch Konzessionen in der Siedlungspolitik, bei Geländeforderungen der Palästinenser und in Konflikten mit benachbarten arabischen Staaten angeboten, um Unterstützung für einen etwaigen Angriff auf den Iran zu erhalten. Israel hat (einer Antwort auf) die iranische Bedrohung Vorrang vor seiner Siedlungspolitik eingeräumt," sagte ein höherer euro-päischer Diplomat." (London Times, 16.7.09)

Die "Achse des Friedens" dazu weiter: "Wir haben den Artikel komplett übersetzt (...). Nach den alarmierenden Äußerungen des US-Vizepräsidenten Biden, dass die USA Israel nicht an einem Überfall auf den Iran hindern werden (s. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,634431,00.html) und der offenen US-Unterstützung für die israelischen Angriffsvorbereitungen ist ein Luftkrieg gegen den Iran noch in diesem Jahr in greifbare Nähe gerückt. Unsere Leser sollten alle Verbindungen zu Politikern sämtlicher Parteien nutzen und versuchen, diese Katastrophe mit unabsehbaren Folgen nach abwenden zu helfen. Niemand soll später sagen, damit habe man nicht rechnen können!"

Der Iran ist Schwerpunkt dieses Heftes, wie sollte es anders sein? Dafür mussten andere Rubriken und Artikel weichen. Wir bringen sie im nächsten Heft.

Inzwischen sind die Planungen für unsere Veranstaltung zum 60. Jahrstag der Gründung der DDR so weit gediehen, dass wir Euch ein konkretes Programm vorlegen und die jeweils dazugehörenden Referenten/innen genauer vorstellen können. Wie wir im letzten Haft schon dargestellt haben, planen wir die Konferenz als halboffene Veranstaltung, d.h. man muss sich vorher anmelden und die 10,- € Tagungsgebühr bezahlen. Dafür kommt man dann eine Eintrittskarte zugesandt, die sowohl den Eintritt als auch Kaffee Tee, Mineralwasser und zwei kleine Imbisse an beiden Tagen jeweils mittags und nachmittags umfasst. Inzwischen haben sich 71 Teilnehmer/innen angemeldet. Der Saal hat eine Kapazität von 120 Plätzen. Man sollte sich also demnächst entscheiden. Zu diesem Thema (60. Jahrestag der Gründung der DDR) passen die Buchbesprechung von Günter Herzog über Erich Buchholz: Strafrecht im Osten, der Artikel von Hans Stahl über die Gründung der BRD, selbstverständlich die Erinnerung an Buchenwald und auch die Fakten über das Elend des Imperialismus.

Einige Neuigkeiten von der Kommunistischen Initiative, die Darstellung einige Beschlüsse des Parteivorstandes der DKP und eine Zuschrift zum Thema "Politischer Islam" runden das Heft ab.

Wir brauchen Spenden. Das ist für Euch sicherlich keine besonders neue Einsicht, aber wir müssen immer wieder darauf hinweisen, denn die Finanzen sind knapp und unsere Vorhaben verursachen zusätzliche Kosten.

Redaktion offen-siv, Hannover

Spendenkonto Offensiv:
Inland: Konto Frank Flegel, Kt.Nr.: 30 90 180 146 bei der Sparkasse Hannover, BLZ 250 501 80, Kennwort: Offensiv
Ausland: Konto Frank Flegel, Internat. Kontonummer(IBAN): DE 10 2505 0180 0021 8272 49, Bankidentifikation (BIC): SPKHDE2HXXX; Kennwort: "Offensiv".

Raute

EINIGE FAKTEN ZUM ELEND DES IMPERIALISMUS

Raul Castro: Die Situation hat sich dramatisch verschärft

(Auszüge aus der Rede Raul Castros bei der Tagung auf Ministerebene des Koordinationsbüros der Bewegung der Blockfreien Staaten am 29. April 2009 in Havanna; d.Red.)

Als Cuba im Jahr 1979, das heißt vor 30 Jahren, zum ersten Mal den Vorsitz der Bewegung der Blockfreien Staaten einnahm, hat der cubanische Revolutionsführer, Genosse Fidel Castro, vor den negativen Folgen gewarnt, die Ausgaben über 300 Milliarden Dollar für Waffen und die gleiche Summe für den Schuldendienst der unterentwickelten Länder mit sich bringen.

Zu jenem Anlass berechnete Genosse Fidel, dass damals mit jenem Betrag Folgendes hätte getan werden können, ich zitiere: "In einem Jahr 600.000 Schulen mit einer Aufnahmefähigkeit für 400 Millionen Kinder oder 60 Millionen komfortable Wohnungen für insgesamt 300 Millionen Menschen oder 30.000 Krankenhäuser mit 18 Millionen Betten oder 20.000 Fabriken mit Arbeitsplätzen für rund 20 Millionen Beschäftigte bauen, oder 150 Millionen Hektar Ländereien mit Bewässerungssystemen versehen, die dann bei einer durchschnittlichen fachlichen Bewirtschaftung eine Billion Menschen ernähren könnten".

Natürlich wurde nicht getan und die Situation hat sich dramatisch verschärft. Es ist ausreichend, darauf hinzuweisen, das zur Zeit die jährlichen Militärausgaben den Betrag von einer Billion (das sind Eintausend Milliarden) Dollar überschreiten. Die Zahl der Arbeitslosen wird sich im Laufe des Jahres 2009 weltweit wahrscheinlich bis auf 230 Millionen Menschen erhöhen und in knapp einem Jahr ist die Zahl der Hungernden auf der Welt von 854 Millionen auf 963 Millionen Menschen gestiegen.

Gemäß einer Einschätzung der UNO wären 80 Milliarden Dollar jährlich über ein Jahrzehnt, also 800 Milliarden Dollar in 10 Jahren (noch nicht mal ein Zehntel der weltweiten jährlichen Rüstungsausgaben) ausreichend, um die Armut, den Hunger und den Mangel an Gesundheits- und Bildungsdiensten und an Wohnraum auf dem gesamten Planeten zu beseitigen.

Dieser Beitrag ist dreimal geringer als jene Summe, welche die Länder des Südens jedes Jahr zur Tilgung der Auslandsschuld zahlen.

Raul Castro, Havanna, 29.4.2009 (nach: Granma Internacional, Mai 2009)

Raute

DER SCHWUR VON BUCHENWALD

Emil Carlebach: Wer befreite das Konzentrationslager Buchenwald?

Ganze Scharen von "Historikern" werden aufgeboten, um zu "beweisen", dass es eine Selbstbefreiung von Buchenwald nicht gegeben habe, dass dieser Bericht ein "Mythos" der Kommunisten, der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik gewesen sei ...

In der Nacht vom 10. auf den 11. April 1945 ermordete die SS noch sämtliche im Arrest eingesperrte Häftlinge. Dann flüchtete Kommandant Pister mit seinem Stab und einem Teil der Truppe. Die Wachtürme aber waren weiterhin mit schwerbewaffneter SS besetzt; Maschinengewehre, Karabiner, Panzerfäuste auf den Türmen stationiert.

Als am frühen Nachmittag des 11. April die Panzer des Generals Patton unterhalb des KZ am Lager vorbei in Richtung Osten rollten und die SS damit rechnen musste im Rücken angegriffen zu werden, gab die IMO (Internationale Militärorganisation) das Kommando zum Sturm. Es war alles andere als eine spontane Handlung. Seit mindestens zwei Jahren waren nicht nur Pläne, sondern auch die Waffen für eine solche Aktion organisiert worden. Als am 11. April um 15 Uhr der Befehl zum Sturm gegeben wurde, verfügte die IMO über ein leichtes Maschinengewehr, 96 Karabiner, ca. 100 Pistolen, 107 Handgranaten, 1100 Brandflaschen und rund 150 Hieb- und Stichwaffen. Mit dem erfolgreichen Aufstand erbeutete die IMO dann das in den Kasernen lagernde Waffenarsenal und konnte somit weitere Kämpfer bewaffnen, das Lager abschirmen und noch über hundert SS-Männer gefangen nehmen, die sich versteckt hielten.

Für deutsche Leser klingt dies alles fast unglaubwürdig. In Frankreich und Polen, in Jugoslawien und Italien, in Skandinavien und in den Benelux-Ländern wissen die Menschen, dass es überall bewaffnete Widerstandsgruppen der Partisanen gab, in Jugoslawien war bei Kriegsende die Partisanenarmee eine Million stark. In Deutschland war die gesamte Machtelite aus Feigheit oder Habgier zu den Nazis übergelaufen. In Deutschland blieben bewaffnete Widerstandsaktionen wie in Buchenwald so sehr eine Ausnahme, dass die westdeutsche Geschichtsschreibung es sich erlauben konnte, diese Tatsachen einfach nicht zur Kenntnis zu nehmen oder gar abzuleugnen. Dokumente werden einfach unterschlagen.

Um 15 Uhr 15 hatte ein Stoßtrupp unter der Führung des Lagerältesten I, Hans Eiden, das Haupttor gestürmt und den Turm über dem Tor besetzt. Von dort aus gab Hans Eiden den ersten Aufruf des Internationalen Lagerkomitees (ILK) über alle Lautsprecher bekannt: "Kameraden! Die Faschisten sind geflohen. Ein Internationales Lagerkomitee hat die Macht übernommen. Wir fordern Euch auf, Ruhe und Ordnung zu bewahren. Das Lager wird gesichert. Bleibt, soweit ihr nicht eingeteilt seid, in den Blocks."

Das ILK trat zusammen, nunmehr öffentlich und für alle sichtbar. Hans Eiden wurde zum Lagerkommandanten bestimmt. 21.000 bisherige Gefangene aus weit über einem Dutzend Nationen erkannten ohne Widerspruch die Autorität des ILK an. Küche, Wäscherei, Krankenbau - alles lief im Interesse der Befreiten weiter. Er gab keine Gegensätze, geschweige denn Schlägereien oder gar Kämpfe zwischen den befreiten Häftlingen. Jeder wusste, dass die Führung des befreiten Lagers in den besten Händen lag.

Außerhalb des Lagers tobte noch der Krieg. Vom 11. April bis zum Tag des Kriegsendes, dem 8. Mai, sollte noch fast ein Monat vergehen. Innerhalb des Stacheldrahtes traten die Nationalitäten zusammen, bestimmten ihre Sprecher und bereiteten die Heimreise vor. Die Gefangenen aus Hessen wählten mich zu ihrem Sprecher gegenüber den deutschen und den amerikanischen Behörden.

Auch die KPD bestimmte nun ihre legalen Strukturen. Hans Eiden wurde in die Parteileitung gewählt, der Bezirk Hessen wählte mich zum politischen Leiter als Nachfolger des Genossen Wilhelm Hamann, der in den Jahren der Illegalität den Bezirk geführt hatte.

Emil Carlebach (Der vorstehende Text ist dem Buch "Tote auf Urlaub - Kommunist in Deutschland" entnommen, das Emil Carlebach 1995 veröffentlicht hat)


*


Der Schwur von Buchenwald

Kameraden!

Wir Buchenwalder Antifaschisten sind angetreten zu Ehren der in Buchenwald und seinen Außenkommandos von der Nazibestie und ihrer Helfershelfer ermordeten 51.000 Gefangenen! ...

Wir Buchenwalder, Russen, Franzosen, Polen, Tschechen, Slowaken und Deutsche, Spanier, Italiener und Österreicher, Belgier und Holländer, Engländer, Luxemburger, Rumänen, Jugoslawen und Ungarn kämpften gemeinsam gegen die SS, gegen die nazistischen Verbrecher für unsere eigene Befreiung.

Uns beseelte die Idee:
Unsere Sache ist gerecht.
Der Sieg muss unser sein!

Wir führten in vielen Sprachen den gleichen, harten, erbarmungslosen, opferreichen Kampf und dieser Kampf ist noch nicht zu Ende. Noch wehen Hitlerfahnen! Noch leben die Mörder unserer Kameraden! Noch laufen unsere sadistischen Peiniger frei herum! Wir schwören deshalb vor aller Welt auf diesem Appellplatz, an dieser Stätte des faschistischen Grauens.

Wir stellen diesen Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht!
Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung.
Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.
Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.

Zum Zeichen Eurer Bereitschaft für diesen Kampf erhebt die Hand zum Schwur und sprecht mir nach: WIR SCHWÖREN!

Die Ansprache wurde in französischer, russischer, polnischer, englischer und deutscher Sprache gehalten auf der Trauerkundgebung des Lagers Buchenwald am 19. April 1945.

(Artikel von E. Carlebach und Text des Schwures von Buchenwald danken übernommen aus: Rote Kalenderblätter, Eschenallee 33/34, 15345 Eggersdorf; d. Red.)

Raute

KOMMUNISTISCHE INITIATIVE

Ingo Höhmann: Treffen von Unterstützern der Kommunistischen Initiative in Berlin

Nach kurzer Vorstellungsrunde entspann sich eine interessante Diskussion zu folgenden Punkten:

- Wie kann man die Zielsetzung der Kommunistischen Initiative mit Leben erfüllen? Theoriedebatten reichen nicht aus, man braucht eine gut organisierte Arbeit, Disziplin und klare Aufgabenverteilungen. Die Teilnehmer waren sich einig, die offensiv-Veranstaltung zum 60. Jahrestag der Gründung der DDR nutzen zu wollen, um Kontakte und Organisierungsgrad zu verbessern.

- Man muss die Jugend gewinnen und deshalb muss das "große Ziel" der Kommunistischen Initiative immer wieder und sehr klar dargestellt werden.

- Die Bezeichnung der DKP als revisionistisch wurde problematisiert, nicht wegen ihres Inhalts, sondern wegen der taktischen Wirkung, potentielle Sympathisanten der Kommunistischen Initiative in einen ungewollten, solidarischen Schulterschluss mit der revisionistischen Parteiführung zu treiben. Trotz der vorhandenen Formulierung im Aufruf sahen die anwesenden DKP-Mitglieder aber keinen Widerspruch zwischen der DKP-Mitgliedschaft und der Unterstützung der Kommunistischen Initiative.

- Die Anwesenden waren sich darüber einig, dass eine wesentliche Verbreiterung der Kommunistischen Initiative binnen eines Jahres zu schaffen sein müsste.

- Zum Abschluss wurde die nächste Tagung für den September verabredet und die Kontaktdaten zwecks innerer Vernetzung ausgetauscht.

Ingo Höhmann, Berlin

Raute

Michael Opperskalski: Kommunistische Initiative in Frankfurt und Umgebung

Wegen Ferienzeit und recht kurzfristiger Anmeldung war es nicht möglich, alle Interessenten und Unterstützer aus dem Raum Frankfurt/Main am 18.7.09 zusammenzubringen. Daher wurde auf eine wie auch immer geartete formale Gründung einer Regionalgruppe der Kommunistischen Initiative verzichtet. Die Anwesenden verständigten sich aber auf folgendes:

a) noch im Juli werden alle bisherigen Unterstützer im Raum Frankfurt/Main und in Hessen angesprochen, um bis Ende August diese ganz gezielt auf ein weiteres Treffen mit dem notwendigen Vorlauf dazu mobilisieren zu können;

b) es wird ein Auftritt von Frankfurter Genossinnen und Genossen während der "DDR-Konferenz" im Oktober in Berlin geben, wo von diesen ein Thesenpapier zur Diskussion vorgestellt wird, das mehrere Aspekte beinhalten wird, die aus Sicht der Verfasser Bestandteile für eine politische wie auch organisationspolitische Weiterentwicklung der Kommunistischen Initiative sein sollten; hierzu sollten u.a. gehören:

- die Erarbeitung eines Manifestes ("Programm"),
- sicherheitspolitische Fragen,
- organisierte Bildungsarbeit,
- Eingreifen in Klassenkämpfe etc,

Die Anwesenden nahmen die positive Entwicklung der Kommunistischen Initiative, auch und gerade in organisatorischer Hinsicht, zur Kenntnis und diskutierten auf dieser Basis weitere Fragen, so auch die, welche Herausforderungen auf die Kommunistische Initiative zukommen könnten.

c) Die Genossinnen und Genossen sind bereit eine Person zur Mitarbeit im Organisationskomitee der Kommunistischen Initiative (oder wie immer sich dessen Weiterentwicklung nenne wird) abzustellen.

Michael Opperskalski, Köln

Raute

Thomas Waldeck: Das Manifest von Gera

Die Linke - so untauglich der Begriff zur politisch-ideologischen Standortbestimmung ist, er scheint unverwüstlich, findet er sich doch nicht von ungefähr im Verwirrungs-Arsenal des Klassengegners.

Unter den weiterhin als besonders "links" Geltenden hat Gera einen guten Klang. Die frühere Bezirksstadt der DDR steht für Ausbruchsversuche aus dem Morast des Reformismus - nach jedem Strohhalm greifend. Sicher hatte das Strohhalm-Angeln etwas für sich und schärfte das Gespür dafür, wie verzweifelt der feste Boden unter den Füßen verloren gehen kann.

Nunmehr vielleicht gar nicht so überraschend hat sich Gera auch einen Platz in der Geschichte der Trockenlegung des ideologischen Sumpfes gesichert. Hier geschah der erste größere Schritt aus dem links schmatzenden Morast heraus. Am 11. Juli 2009 wurde in Gera die erste regionale Dachgruppe der Kommunistischen Initiative (KI) aus der Taufe gehoben.

Zur KI-Konsultation hatte ein Mitbegründer des "Roten Tisch" Thüringen eingeladen. Mitglieder der DKP, der KPD, KPD (B), der KPF und Parteilose trafen zur bislang größten Veranstaltung der KI zusammen, wenn auch nicht das erste Mal. Vorausgegangen war dem eine Diskussionsrunde auf dem Ettersberg bei Weimar im Zeichen der Ehrung der Opfer des Faschismus im KZ Buchenwald wie des dort ermordeten, unsterblichen KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann.

Dort wie nun hier in Gera wurden nach dem Einführungsreferat eines KI-Vertreters neben großer Zustimmung auch grundsätzliche Zweifel laut. Sie werden künstlich durch "linke" Kräfte genährt. Doch war hier schon zugesichert: Wer nun erscheint, der versteht, dass die reale Kommunistische Initiative alle Spaltung unter Kommunisten beendet.

Zuversicht gab nicht nur die große Zahl der Teilnehmer, sondern eine allgemein positive Stimmung bei den einleitenden Worten. Der KI-Redner forderte, in der heutigen Veranstaltung zu Nägeln mit Köpfen zu kommen, ein Entwurf des "Geraer Manifest" machte die Runde. Während dessen fasste der KI-Genosse kurz die Prozesse unserer Zeit zusammen und verdeutlichte: Wer sich als Kommunist in die Entscheidungen dieser Zeit einbringen will, muss sich selbständig entscheiden, und er muss es JETZT tun. Denn jetzt ist die KI bundesweit Realität.

Das modellartige Zusammenwirken von Kommunisten in Parteistrukturen und der KI wurde anhand unterschiedlicher Beispiele erläutert. Weiter öffnete der Vortrag den Blick auf die Aufbau-Konzeption, auf aktuelle Fragen dieser Bewegung und Akzente künftiger politischer Außenwirkung. An diesem Punkt spätestens musste sich entschieden haben, wer das Neue an der KI erfasst. Zwar tauchten in der anschließenden Diskussion noch einige Skeptizismen auf, überkommene Vorbehalte klangen an:

Vorstellungen einer Parallel-Veranstaltung zum "Roten Tisch" wurden artikuliert, die politische Praxis antifaschistischer, sozialer Kräfte wurde in den theoretischen Vordergrund geschoben. Vorbehalte einer unproduktiven Tätigkeit in bestehenden Parteigruppen tauchten auf. Dies alles wurde von den Fakten äußerst prägnant zurückgewiesen. Es wurde davon überzeugt, dass eine Stärkung der marxistisch-leninistischen Kräfte der gesamten fortschrittlichen Bewegung nur Nutzen bringt und sonst nichts.

Da Übereinstimmung in der Notwendigkeit einer revolutionären kommunistischen Partei bestand, konnte schließlich nur noch die Diskussion der Frage, wie diese durch die Kommunisten selbst wächst, Raum einnehmen. Einzeln gestreute Unklarheiten und unproduktive Einwände können das Klima auch einer größeren Versammlung durchaus vernebeln. Im Moment, als das drohte, stimmten alle Teilnehmer einer durch die KI-Vertreter angeregten Abstimmung über die grundsätzliche Haltung zur KI zu, der Abstimmung über die weitere Richtung, anhand derer klar wurde, dass die Skeptiker eine verschwindende Minderheit bildeten.

Es gab auch subtilere Versuche, zu stören. Nur konnten sie sich nicht entfalten, da wirkliche Bewegung sichtbar wurde. Ein Widerspruch etwa zwischen KI und Parteidisziplin wurde konstruiert, der sich schnell an der Frage, wer Disziplin fordert - und zu welchem Zweck -, auflöste. Und dank straffer Diskussionsleitung des Genossen, der mit der Einladung zum Treffen den ersten Schritt ging, zeichnete sich rasch der Erfolg ab, ein Erfolg der übergroßen Zahl von Genossen, die gekommen waren, um greifbare Ergebnisse zu erringen.

Wenn das Ziel klar ist, entscheidet die Organisation alles - unter dem Zeichen dieser leninschen Sentenz stand der folgende produktive Verlauf des Treffens. Das "Geraer Manifest" wurde verabschiedet. Die "KI Südost" wurde mit überwältigender Mehrheit ins Leben gerufen. Ebenfalls sofort wurden der regionale Koordinator und ein Stellvertreter gewählt, deren erste Aufgaben im Verbreiten des "Geraer Manifestes" und einem Vorstellungsschreiben an nahe Organisationen und deren Vorstände bestanden. Der thematische Einstieg in die Folgetagung begann.

So wie dieser Erfolg ein Erfolg straffer und zielklarer Moderation und Diskussion ist, nehmen wir ihn auch als Erfolg der straffen Linie der KI:

Wo Wort und Tat klar sind und beides übereinstimmt, liegt die Zukunft der Kommunisten.

Thomas Waldeck, Cottbus

Raute

Originaltext Geraer Manifest

Aus der geschundenen Textilarbeiterregion Gera/Greiz rufen Kommunisten der KI alle Kommunisten in Deutschland auf:

Entscheidet Euch in den zentralen Fragen dieser Zeit! Entscheidet Euch zu konsequenter Verbundenheit mit der wissenschaftlichen Weltanschauung der Arbeiterklasse, den Marxismus/Leninismus und dazu, die DDR als höchste Errungenschaft der deutschen Arbeiterbewegung bedingungslos anzuerkennen - wie die UdSSR für das Weltproletariat - und dazu, den modernen Revisionismus als Ursache für den Sieg der Konterrevolution zu sehen.

Seid bereit, die Einheit der kommunistischen Bewegung in Deutschland mit dem Ziel der Schaffung einer einheitlichen Kommunistischen Partei Deutschlands voranzutreiben.

Dazu sind Parteigrenzen, individuelle Vorbehalte und persönliche Animositäten zu überwinden.

Jeden Kommunisten, der sich unter diesen Voraussetzungen anschließt, erwarten die Mühen der Gebirge.

Beginnen wir!

Unsere Aufgabe ist es, Bildungsstrukturen zu schaffen, um das Un- und Halbwissen in den Köpfen zu beseitigen. Nur Wissen ist Macht.

Wir haben einen starken Gegner - den Klassenfeind, der zu allem entschlossen, seinen Profit ins Maßlose zu steigern sucht und daher den Kommunismus als seinen ärgsten Gegner bekämpft - selbst auf die Gefahr des eigenen Unterganges.

Um die Welt zu verändern, müssen wir die Welt kennen und verstehen.

Schaffen wir uns also ein wissenschaftliches Programm für eine einheitliche Kommunistische Partei - nutzen wir dabei bestehende Programme und Analysen.

Im Marx'schen Sinne rufen wir aus Gera auf:

Seit dem Sieg der Konterrevolution wurde diese nicht nur zur Genüge interpretiert, sondern deren Grundlage im modernen Revisionismus festgestellt. Jetzt kommt es darauf an, die Welt wieder zu verändern.

Dazu braucht es eine einheitliche, starke kommunistische Partei Neuen Typs - auch in Deutschland - eine Partei, in der sich alle Kommunisten auf marxistisch-leninistischer Grundlage vereinen!

Gera, den 11. Juli 2009, beschlossen von den Gründungsmitgliedern der KI-Regionalgruppe Südost

Raute

60. JAHRESTAG DER GRÜNDUNG DER BRD

Hans Stahl: CIA-Aktion BRD-Gründung

In der Geheimaktion "Bird Dog" brachte die CIA Geld für einen Staat nach Bremerhaven, den es nicht gab. Doch in den globalen Schaltzentralen Washingtons war dieser Staat einschließlich seiner Währung längst entschiedene Sache. Am 25. November 1947 begann die Entladung von Geldkisten von US-Frachtern, nachdem die Währung eines künftigen westdeutschen Staates zuvor in den USA beschlossen, entworfen, gedruckt, verpackt und schließlich verschifft wurde. Zu dem Zeitpunkt wäre kein Mensch auf der Erde auf die Idee gekommen, etwa im Osten Deutschlands eine separate Währung oder gar eine Republik zu schaffen. Um die deutsche Nation zu teilen, bedurfte es der Hemmungslosigkeit, in der sich die Führungsklassen von USA und Deutschland den Rang streitig machen.

Die Gründung einer "Bank (west-)deutscher Länder" erfolgte drei Monate nach jenem geheimnisvollen 25.11.47 bereits unverhüllt. Sieben Monate nach der CIA-Aktion galt in den drei westlichen Besatzungszonen eine separate Währung. Unter Gefährdung des Weltfriedens wurde die Spalterwährung am 24. Juni 1948 auch in den westlichen Besatzungssektoren der deutschen Hauptstadt durchgesetzt. Am 1. Juli übergaben die Chefs der westlichen Besatzungsorgane in Frankfurt am Main schriftliche Vorgaben für die Bildung eines westdeutschen Teilstaates an die Vertreter der westdeutschen Länder. Diese Vorgaben entsprachen den Entscheidungen der vorausgegangenen Londoner Konferenz der USA, Großbritanniens, Frankreichs und der Benelux-Staaten. Zunächst sollten die Beauftragten der westdeutschen Landtage eine Verfassung für einen westdeutschen Separatstaat ausarbeiten, der auch militärisch Bestandteil des "atlantischen Bündnisses" zu sein hatte.

Zu diesem Zweck nahm am 9. Jahrestag des Beginns des II. Weltkrieges ein "Parlamentarischer Rat" der Länder der westlichen Besatzungszonen unter Vorsitz Konrad Adenauers die Arbeit auf (1.9.48). Auf den Tag drei Jahre nach dem historischen 8. Mai 1945 wurde das westdeutsche Grundgesetz vom Rat beschlossen. In wenigen Wochen war es hinter dem Rücken des Volkes niedergeschrieben. Die westlichen Besatzungsmächte genehmigten es, nachdem sie einige Veränderungen vorgenommen hatten. So konnte "Präsident" Adenauer bereits am 23. Mai 1949 die Annahme des Grundgesetzes durch alle Landtage des westdeutschen Besatzungszonen verkünden. Seither gilt dieser Tag als Gründungstag des westdeutschen "Bundesrepublik Deutschland". Damit war 18 Monate nach der CIA-Aktion und 11 Monate nach der offiziellen Währungsspaltung die wirtschaftliche, politische und staatliche Teilung Nachkriegsdeutschlands vollzogen.

Als danach auch die Entscheidungen über die Einbeziehung der BRD in das Militärsystem der Westmächte offiziell vertraglich festgeschrieben wurden, war die Spaltung auf das Niveau militärischer Konfrontation gehoben. Wie sah es nur in den Köpfen aus, die die dauerhafte Kriegsgefahr außer Acht ließen, die von einer gespaltenen Nation inmitten Europas ausgehen musste? Leider war es noch schlimmer. Vom Tag der Gründung an erklärte die westdeutsche Republik die "Befreiung der Zoffjetzone" und die Ausdehnung der BRD-Staatsmacht bis an die Vorkriegsgrenzen des III. Reiches zu ihrer Kernaufgabe - vier Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht in Berlin-Karlshorst. Wie konnte es nur zu diesem neuen Wahnsinn in Deutschland kommen?

Weil die Führungsclique der USA, im Besitz des Atomwaffenmonopols, von Größenwahn befallen war. Weil die einzigartigen Kriegsverwüstungen zwischen Moskwa und Elbe, wie auch die historisch verursachte gebietsweise wirtschaftliche Rückständigkeit, den Größenwahn bestärkte. Weil ihnen nun gelingen sollte, was bei ihrer Invasion in Sowjetrussland 25 Jahre zuvor und auch beim Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion 8 Jahre zuvor, nicht gelungen war. Weil die auf Westdeutschland beschränkte deutsche Herrenklasse und ihr politischer Prokurist Adenauer bereit waren, das alte blutige Spiel fortzusetzen - obgleich die Deutschen noch vor drei Jahren bis fünf nach zwölf kämpfend zu Millionen den Tod fanden. Auch hier war alles noch viel schlimmer. Sie blieben auf diesem Weg, selbst als eindeutig auf der Hand lag: Bei Ausbruch eines Krieges infolge dieses Revanchismus wäre Deutschland, wäre das deutsche Volk in einem atomaren Inferno untergegangen. Da ist noch viel an BRD-Geschichte "aufzuarbeiten" (was die Hetze gegen die DDR verhindern soll)! Jedenfalls waren schon 1949 alle scheinrealistischen Grundlagen revanchistischer Politik passe. Das US-Kernwaffenmonopol wurde durchbrochen und gleich drei historische Ereignisse veränderten die Gesamtlage grundlegend: Die Gründung der VR China, die Gründung der DDR und der Zerfall des kapitalistischen Kolonialsystems. Der Kurs der USA und erst recht der Adenauers hätte zwar Krieg auslösen und Deutschland auslöschen können, doch ein erneutes Vordringen gen Osten hatte noch weniger Chancen als zu Zeiten Hindenburgs oder Hitlers.

Heute, 2009, möchte man den Eindruck erwecken, mit dem Anschluss der DDR vor 19 Jahren hätte die BRD ihr Ziel schließlich erreicht. Und wenn auch die Vorkriegsgrenzen (bisher?) nicht wieder hergestellt seien, so reichen die deutschen Einflussgebiete mit Hilfe von NATO und EU längst weit darüber hinaus. Derartige deutsche Anmaßung in der Folge unglaublicher Fehleinschätzungen war bisher jedes Mal der Anfang vom Ende. 1989/90 hätte ein in der Tat friedliches, soziales, auf faire internationale Zusammenarbeit ausgerichtetes Deutschland über viele Jahrzehnte eine reale Chance haben können. Ganz abstrakt gesehen, selbstverständlich. Denn danach stand der deutschen Oberklasse nie der Sinn! Großmacht, Führungsmacht heißt ihr Credo. Indem die BRD den Kalten Krieg nach innen und außen weiter führt, mit NATO und EU grenzenlos nach Osten vordringt und ihn mit Bombardierungen und Besetzungen im Ausland anheizt, bleibt Deutschlands Schicksal das alte. Noch mangelt es allgemein an der Erkenntnis: Kaiserreich, Weimarer Republik, III. Reich und Bundesrepublik haben etwas Wesentliches gemeinsam: Ihre wirtschaftlichen, sozialen, politischen, ideologischen und militärischen Wegweiser wurden und werden vom Monopol- und Finanzkapital bzw. deren Politikmachern aufgestellt. Auf diesen Wegen verlieren die Deutschen immer - zunächst die Arbeitsplätze und später das Leben.

Hans Stahl; dieser Artikel erschien zuerst in: Roter Brandenburger, Zeitung der DKP Brandenburg

Raute

60. JAHRESTAG DER GRÜNDUNG DER DDR

Redaktion offen-siv: "und der Zukunft zugewandt" - Wissenschaftliche Konferenz zum 60. Jahrestag der Gründung der DDR

Wir wiederholen hier nicht einfach den Abdruck der Konzeption aus dem Mai-Juni-Heft, sondern wollen Euch etwas genauer informieren. Wir sind jetzt in der Planung so weit, dass wir Euch die Referenten/innen und ihre Themen recht konkret vorstellen können.
Redaktion offen-siv

Zweitägige wissenschaftliche Tagung, 10. und 11. Oktober 2009, unterstützt von der GRH, der KPD und der KPD(B). Die Jugendbibliothek Gera ruft zur Teilnahme auf.

Ort der Tagung Münzenbergsaal im ND-Haus, Franz-Mehring-Platz 1


Wichtig: Die Tagung wird eine halboffene Veranstaltung sein, d.h. nur diejenigen Interessenten/innen, die vorher eine Eintrittskarte zum Unkostenbeitrag von 10,- € erworben und von uns zugesandt bekommen haben, werden am 10. und 11. Oktober 2009 auch tatsächlich teilnehmen können. Wir brauchen nämlich erstens Planungssicherheit für die Raumkapazität und für die Finanzen, und wir wollen zweitens die Teilnahme von Provokateuren erschweren, deren Ziel es ist, Jauchekübel über die DDR auszugießen. Deshalb haben wir uns entschlossen, ausschließlich durch den Vorverkauf Eintrittskarten für die Veranstaltung zu vergeben.

Dazu müsst Ihr die Eintrittskarten schriftlich bei uns bestellen:
E-Mail: redaktion@offen-siv.com
brieflich: Redaktion offen-siv, Frank Flegel, Egerweg 8, 30559 Hannover
Fax: 0511 - 52 94 782

Wenn Bestellung und Tagungsgebühr bei uns eingegangen sind, bekommt Ihr von uns die Eintrittskarte/n zugesandt.


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Sonnabend, 10.10.2009 (Beginn: 10.00 Uhr):

0. Eröffnung und Grußworte

1. Was haben wir verloren?

Hermann Leihkauf (1) stellt gesellschaftliche Fakten zu 40 Jahren DDR vor.
Erich Buchholz (2) informiert uns über die DDR-Verfassung und das Recht auf Arbeit,
Robert Medernach (3) spricht über das Kulturland DDR.

Nach einer Pause für Nachfragen und Diskussionen wird dann etwa ab Mittag die internationale Solidarität der DDR Thema sein.

Achim Reichardt (4) gibt einen Überblick über die internationale Solidarität der DDR.

Danach wollen wir einzelne Beispiele dieser Arbeit vertiefen. So berichtet

Dieter Rolle (5) über die Weltfestspiele der Jugend in der DDR,
Heinz Langer (6) beleuchtet die DDR-Solidarität mit Cuba,
Hans Fischer (7) referiert über das Weiterbestehen dieser Solidarität auch nach der Konterrevolution,
Wolfgang Herrmann (8) berichtet von der DDR-Solidarität mit Nicaragua.

Wir wollen versuchen, auch die Solidarität der DDR mit dem Befreiungskrieg des vietnamesischen Volkes zu thematisieren, aber wir haben bisher noch keine Referentenzusage.

Danach soll die Aufmerksamkeit auf Afrika und schließlich auf Palästina gerichtet werden.

Ley Ngardiga (19) aus dem Tschad wird uns über die DDR-Solidarität mit dem Tschad und den Völkern Afrikas berichten und auch einige Bemerkungen zur aktuellen Lage machen,
ein Vertreter aus Südafrika(10) zeigt uns danach speziell die DDR-Solidarität mit dem Kampf gegen die rassistische Herrschaft in Südafrika und mit dem ANC auf, bevor
ein Vertreter aus Palästina (11) die DDR-Solidarität mit dem palästinensischen Befreiungskampf erläutert und voraussichtlich auch über Aktuelles berichtet.

Am späteren Nachmittag und frühen Abend soll es dann um die DDR in Europa gehen:

Harpal Brar (12) aus Großbritannien spricht über die SED und die kommunistische Bewegung in Großbritannien,
Otto Bruckner (13) aus Österreich über die DDR und die Republik Österreich sowie über die revisionistische Entartung der KPÖ,
Zbigniew Wiktor (14) aus Polen informiert uns über den Einfluss der polnischen und der deutschen Partei aufeinander und über frühe Probleme des sozialistischen Aufbaus in Polen, Tamila Jabrowa (15) aus der Ukraine stellt das Verhältnis zwischen KPdSU und SED dar und
ein Vertreter der Kommunistischen Partei Böhmens und Mährens aus der Tschechischen Republik (16) untersucht die Frage von Eigenständigkeit und Kooperation (politisch und wirtschaftlich) und das Problem der revisionistischen inneren Zersetzung und des "Prager Frühlings". Schließlich berichtet
ein Vertreter der KKE aus Griechenland (17) über die Solidarität der DDR mit dem Kampf des griechischen Volkes.

Mit Nachfragen und Diskussionen geht der erste Tag gegen 21.00 Uhr zu Ende.


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Sonntag, 11.10.2009 (Beginn: 9.00)

2. Probleme/Ursachen für die Niederlage

Hans-Werner Deim (18) spricht über die militärische Sicherheit der DDR im Kalten Krieg,
Michael Opperskalski (19) stellt die Strategie des Imperialismus gegen die DDR und das sozialistische Lager dar und analysiert Diversion und Revisionismus,
Kurt Gossweiler (20) in Kooperation mit Dieter Itzerott (21) (der wegen seiner angegriffenen Gesundheit wahrscheinlich nicht persönlich anwesend sein kann) gibt einen Überblick über die Geschichte der SED,
Heinz Keßler (22) schildert seine persönlichen Erlebnisse während der letzten Tage von SED und DDR und danach, und schließlich reflektiert
Dieter Hillebrenner (23) das so genannte "neuen Denken" über Krieg und Frieden in den 80er Jahren.


Nach den notwendigen Nachfragen und Diskussionen und der Mittagspause geht es dann weiter mit:


3. Konsequenzen für die Einschätzung der Gegenwart

Michael Kubi (24) untersucht die Resultate der Konterrevolution in Europa und reflektiert theoretische Probleme der Imperialismusanalyse,
Frank Flegel (25) geht auf die Notwendigkeit des Antirevisionismus und das Problem von Klarheit und Einheit ein und
Michael Opperskalski (26) stellt den Zustand der kommunistischen Bewegung in Europa nach der Konterrevolution dar und gibt einen Überblick über die aktuelle Situation in der BRD.

Nach Diskussionszeit und Kaffeepause kommen wir dann am Nachmittag des zweiten Tages zu:


4. Möglichkeiten für die Zukunft

Thomas Waldeck (27) erläutert Grundsätzliches zur Kommunistischen Initiative in Deutschland. Was will, was ist, was kann sie?
Torsten Schöwitz (28) stellt den Standpunkt der KPD zur Kommunistischen Initiative vor, wonach
Jens Focke (29) über die propagandistischen Aufgaben der Kommunistischen Initiative,
Martin Kober (30) über die Regionalisierung und
Ingo Höhmann (31) über ihre organisatorischen Möglichkeiten spricht.

Danach gibt es 90 Minuten Diskussionszeit, die möglichst für Verabredungen und/oder Beschlüsse genutzt werden soll.

Die Veranstaltung wird gegen 18.00 Uhr am zweiten Tag, Sonntag, 11. Oktober 2009, beendet sein.

Wir werden die wichtigsten Referate, Diskussionen und Resultate in geeigneter Form veröffentlichen.

Dafür und für die Veranstaltung selbst bitten wir Euch um Spenden, denn all das kostet nicht wenig Geld und Kraft. Die Kraft haben wir selbst, das Geld leider nicht.

Konto Frank Flegel,
Nr. 30 90 180 146 bei der Sparkasse Hannover,
BLZ 250 501 80, Kennwort: DDR-Veranstaltung

Redaktion offen-siv, Hannover


Referenten

(1) Hermann Leihkauf: Dipl. Ök., Mitarbeiter des ZK der SED, Mitglied der staatlichen Plankommission der DDR.
(2) Erich Buchholz: Ordinarius für Strafrecht an der Humboldt-Universität Berlin, Mitarbeiter am Rechtssystem der DDR, internationaler Experte der DDR bei UNO und anderen internationalen Konferenzen; heute als Strafverteidiger tätig.
(3) Robert Medernach: Mitglied der Kommunistischen Partei Luxemburgs, Journalist und Autor.
(4) Achim Reichardt: 25-jährige Tätigkeit im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, seit 1982 Generalsekretär des Solidaritätskomitees der DDR.
(5) Dieter Rolle: Gelernter Maschinenschlosser, FDJ-Sekretär, 2. Sekretär der SED-Kreisleitung Zeitz, Studium zum Diplom-Gesellschaftswissenschaftler an der SED-Parteihochschule, seit 1994 KPD-Mitglied, seit 2007 Vorsitzender der KPD.
(6) Heinz Langer: Attaché in Cuba 1964/65, DDR-Botschafter in Cuba 1975 - 1979 und 1983 - 1986, zwischendurch Leiter der Handelsmission der DDR in Rio de Janeiro.
(7) Hans Fischer: Fregattenkapitän der Volksmarine a.D., Prof. für mathematische Methoden in der Ökonomie und Logistik beim ZSW, Herausgebergremium offen-siv.
(8) Wolfgang Herrmann: Mitglied der SED seit 1961, Funktionen in FDJ und SED, Studium der Gesellschaftswissenschaften in Moskau von 1975-1978, Berater der DDR in Nicaragua 1985-1988, heute Nicaragua-Solidarität, Vorsitzender des Nueva Nicaragua e.V.
(9) Ley Ngardigal: Vorsitzender der Action Tchadienne pour l'Unité et le Socialisme / Parti Révolutionaire Populaire et Ecologique (ACTUS/PRPE)
(10) Eine grundsätzliche Zusage liegt vor, wir haben aber noch keinen Namen.
(11) Eine grundsätzliche Zusage liegt vor, wir haben aber noch keinen Namen.
(12) Harpal Brar: Vorsitzender der CPGB-ML, erem. Rechtsprofessor, Herausgeber von "Lalkar", Buchautor (u.a. "Imperialismus im 21. Jahrhundert" und "Perestrojka - der endgültige Zusammenbruch des Revisionismus")
(13) Otto Bruckner: ehem. Mitglied des Parteivorstandes der KPÖ, nach Ausscheiden Mitglied der Führung der Kommunistischen Initiative Österreich
(14) Zbigniew Wiktor: Mitglied der Kommunistischen Partei Polens, Universitätsprofessor, Journalist und Buchautor.
(15) Tamila Jabrowa: Ehem. KPdSU, Herausgeberin von "Marksism i sowremennost (Marxismus und Gegenwart)
(16) Eine grundsätzliche Zusage liegt vor, wir haben nur noch keinen Namen.
(17) Angefragt, es gibt eine positive Rückmeldung, aber noch keine offizielle Bestätigung.
(18) Hans Werner Deim: auf der Offiziersschule 1954 in die SED eingetreten. General im Ministerium für nationale Verteidigung der DDR im Rang des "Chef operativ".
(19) Michael Opperskalski: Journalist und Buchautor, Redakteur von "GEHEIM", internationales Engagement u.a. in Angola, Ghana, Mocambique, Namibia, Südafrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten.
(20) Kurt Gossweiler: Historiker, als junger Soldat zur Roten Armee übergelaufen, Lehrer an der sowjetischen Antifa-Schule in Tula, in der DDR Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR, Faschismus- und Revisionismusforscher.
(21) Dieter Itzerott: Aufbaukader und Sekretär des Zentralrats der FDJ, Abgeordneter der Volkskammer der DDR, Mitglied des Politbüros des ZK der SED.
(22) Heinz Keßler: Seit 1984 Minister für Nationale Verteidigung der DDR, als junger Soldat zur Roten Armee übergelaufen, Mitbegründer des Nationalkomitees Freies Deutschland, Sekretär des Zentralrats der FDJ, Beauftragter für den Aufbau der Schutz- und Sicherheitsorgane der DDR, Chef der Luftstreitkräfte; Mitglied des ZK der KPD, dann Mitglied des Politbüros des ZK der SED bis 1989.
(23) Dieter Hillebrenner: Oberst a.D. der NVA, Lehroffizier an der Militärakademie "Friedrich Engels", Leiter Lehrstuhl Wissenschaftlicher Kommunismus, Leiter Lehrstuhl Führung der Politischen Arbeit, stellvertretender Kommandeur der Sektion Gesellschaftswissenschaften für Ausbildung, Diplomhistoriker, Zusatzstudium Soziologie; seit 1956 Mitglied der SED, Mitglied der Parteikontrollkommission bei der Politischen Hauptverwaltung der NVA.
(24) Michael Kubi: Organisationskomitee der Kommunistischen Initiative, Teilnehmer unseres marxistisch-leninistischen Fernstudiums.
(25) Frank Flegel: Redakteur der Zeitschrift offensiv.
(26) siehe Anmerkung 19.
(27) Thomas Waldeck: Typische DDR-Jugend mit FDJ, FDGB, NVA, seit 1998 Betriebsrat, seit 2000 Vorsitzender, seit 1999 Mitglied der DKP, 2004-2006 Landesvorstand Brandenburg der DKP, dann Rücktritt mit Protesterklärung, 2008 Mitbegründer der "Poetik-Initiative Menschwerdung II" in Fortführung der Erich Koehlerschen Kommunistischen Poetik. Redakteur der Zeitschrift novum, Organisationskomitee der Kommunistischen Initiative.
(28) Torsten Schöwitz: Typische DDR-Jugend mit FDJ, FDGB, Offiziersschüler der NVA, Mitglied der SED, heute Mitglied des Sekretariats des ZK der KPD, Teilnehmer unseres marxistisch-leninistischen Fernstudiums.
(29) Jens Focke: Vorsitzender der KPD(B), Organisationskomitee der Kommunistischen Initiative.
(30) Martin Kober: Bis 2008 Mitglied der DKP, Mitglied der GEW, Organisationskomitee der Kommunistischen Initiative.
(31) Ingo Höhmann: Offizier der NVA, Cuba-Aktivist, Venezuela-Solidarität, Mitarbeiter der "jungen Welt".

Raute

PV DER DKP

Redaktion offen-siv: Vorbemerkung

Der Parteivorstand der DKP hat bei seiner jüngsten Sitzung am 11. und 12. Juli 09 einige interessante Beschlüsse gefasst:

- einen Beschluss über die Erklärung der DKP Sachsen-Anhalt zur EU-Wahl. In dieser Erklärung war die Orientierung der DKP auf die Europäische Linkspartei (European Left), wie sie Leo Mayer durchgepeitscht hat, scharf kritisiert worden (wir berichteten im Mai-Juni-Heft darüber, wie schnell aus dem vom Parteitag beschlossenen Beobachterstatus der Status "Teil der Bewegung" werden kann). Die DKP-Führung weist die Erklärung der DKP Sachsen-Anhalt "mit aller Entschiedenheit" zurück und fordert die DKP Sachsen-Anhalt auf, diese von ihrer Homepage zu entfernen. Man darf gespannt sein;

- einen Beschluss zur Kommunistischen Initiative, der die Unvereinbarkeit der DKP-Mitgliedschaft mit der Unterstützung der Kommunistischen Initiative feststellt. Hier, wie auch beim Vorgehen gegen die DKP Sachsen-Anhalt ist die gleiche Methode zu beobachten, nämlich administrativ-zentralistisches Vorgehen. Statt inhaltlicher Auseinandersetzung, Diskussion, Argumentation - Reglementieren, Mundtot-Machen, Bedrohen, Ausschließen (Die DDR hatte natürlich "Demokratiedefizite"). Man darf auch hier auf die weitere Entwicklung gespannt sein;

- einen Beschluss zur Situation im Iran. Dort spricht man der Tudeh-Partei und dem "demokratischen Kräften des Widerstandes" und "der fortschrittlichen Bewegung" die "volle Solidarität" aus (Zitate aus dem Beschluss). Heinz Stehr meint in seinem Referat, dass man sich "bei der Bewertung der Ereignisse dort nicht auf selbsternannte 'antiimperialistische' Iran-Experten orientieren" solle. Dementsprechend ist die DKP-Führung auch davon überzeugt, dass die Wahlen im Iran gefälscht waren ("Die Manipulation der Präsidentenwahl hat die Widersprüche der iranischen Gesellschaft aufbrechen lassen.") und im Iran ein "diktatorische(s) Ahmadinedschad-Regime" (beides zitiert aus dem Beschluss) herrscht. Zwar ist der "Wahlbetrug" bis heute nicht bewiesen, aber man glaubt dort offenbar gern an die Wahrheit imperialistischer Propagandalügen und solidarisiert sich demgemäß mit ehemaligen Schah-Anhängern. Man darf also auch in diesem dritten Punkt auf die weitere Entwicklung gespannt sein.

Interessant sind die angegebenen Abstimmungsergebnisse, die bei der Iran-Frage und beim Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Kommunistischen Initiative einstimmig, im Falle DKP-Sachsen Anhalt ohne Gegenstimme ausgefallen sind. Hat denn gar kein "linker Landesverband" einen Sitz im PV?

Redaktion offen-siv, Hannover


Hier nun die drei Beschlüsse im Wortlaut:

Beschluss der 7. PV-Tagung der DKP am 11./12. Juli 2009

Der Parteivorstand der DKP weist mit aller Entschiedenheit die veröffentlichte "Erklärung der DKP Sachsen-Anhalts zur EU-Wahl" zurück. Der Parteivorstand fordert die Mitglieder der DKP in Sachsen-Anhalt auf, diese Einschätzung inhaltlich zu korrigieren und sie von der Homepage zu entfernen.

Abstimmungsergebnis: Ja-Stimmen: 19 / Nein-Stimmen: 0 / Enthaltungen: 2


Beschluss der 7. PV-Tagung der DKP am 11./12. Juli 2009

Solidarität mit der Tudeh-Partei und der fortschrittlichen Bewegung gegen das klerikalreaktionäre Ahmadinedschad-Regime! Die Manipulation der Präsidentenwahl hat die Widersprüche der iranischen Gesellschaft aufbrechen lassen und wurde Auslöser der Proteste gegen die versteinerten Verhältnisse. Dabei gehen die Forderungen der Volksbewegung weit über die nach freien Wahlen hinaus. Das Ziel dieser Bewegung ist Emanzipation, nicht Unterstützung des Imperialismus gegen ein Regime, das sich in Gegensatz zu dessen Hauptmächten gebracht hat.

Unter der Repression leidet die Arbeiterklasse und die Bauernschaft, die Frauen und die Jugend, die Intelligenz und die Mittelschichten. Ethnische Minderheiten werden unterdrückt. Arbeitslosigkeit, Armut und Inflation prägen der iranischen Gesellschaft ihren Stempel auf.

Daher haben die demokratischen Kräfte des Widerstands gegen das diktatorische Ahmadinedschad-Regime unsere volle Solidarität. Besonders fühlen wir uns verbunden mit dem opferreichen Kampf der Tudeh-Partei des werktätigen Volkes Irans. Im Kampf um gesellschaftlichen und sozialen Fortschritt stehen wir fest an ihrer Seite.

Abstimmungsergebnis: Ja-Stimmen: 21 / Nein-Stimmen: 0 / Enthaltungen: 0


Beschluss der 7. PV-Tagung der DKP, 11./12. Juli 2009:

Die Unterstützung der "Kommunistischen Initiative" ist mit der Politik und dem Statut der DKP nicht vereinbar. Die DKP als eigenständige marxistische Partei mit revolutionärer Zielsetzung steht nicht zur Disposition; nicht für ein Aufgehen in einer linken Strömungspartei, aber auch nicht als Steinbruch für die Schaffung einer nach dem Verständnis der Initiatoren der "Kommunistischen Initiative" "einheitlichen, marxistisch-leninistischen Kommunistischen Partei" Das Selbstverständnis der "Kommunistischen Initiative" ist die "eines organisierten Sammelbeckens aller marxistisch-leninistischen Kräfte" mit dem Ziel der Formierung einer "einheitlichen, marxistisch-leninistischen Kommunistischen Partei" in Deutschland. Als Voraussetzung wird in dem Aufruf die "Notwendigkeit des Kampfes... gegen jede Form des Revisionismus" benannt.

Da die DKP in dem Aufruf "Schafft die Kommunistischen Initiative in Deutschland" als revisionistische Partei charakterisiert wird, die mit der "Annahme eines revisionistischen Parteiprogramms ... einer noch offener revisionistischen Politik und Programmatik eine Basis gab", beinhaltet die Unterstützung der "Kommunistischen Initiative" demzufolge den Kampf gegen die Programmatik und Politik der DKP. Laut Statut der DKP kann jemand Mitglied nur sein, wer die "programmatischen Ziele und das Statut der Partei anerkennt und regelmäßig seinen Beitrag entrichtet. Mitglieder der DKP können nicht zugleich Parteien, Vereinen, Organisationen und Einrichtungen angehören, deren Ziele gegen die Partei gerichtet sind." (Statut der DKP, Artikel 1) Deshalb sind eine Unterstützung der "Kommunistischen Initiative" und die Mitgliedschaft in der DKP nicht vereinbar. Wir fordern alle Mitglieder der DKP auf, auf der Grundlage des Programms der DKP und der von den Parteitagen der DKP beschlossenen politischen Grundsätze um die politische, ideologische und organisatorische Stärkung der DKP zu ringen.

Anmerkung: alle gekennzeichneten Zitate sind aus "Aufruf: Schafft die Kommunistische Initiative in Deutschland!"

Abstimmungsergebnis: Ja-Stimmen: 21 / Nein-Stimmen: 0 / Enthaltungen: 0

Raute

IRAN UND KRIEG UND FRIEDEN

Irene Eckert: Die UN-Antirassismus-Konferenz und die Folgen

Vortrag bei den Freidenkern am 10.06 2009 in Berlin Mitte, in den Räumen der Volkssolidarität, Torstraße 203 vor etwa 30 ZuhörerInnnen

Vorrede: Dank an Edith Ballantyne, UN-Beraterin der NGO Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit und an Lee Weingarten ihre langjährige Mitarbeiterin als CONGO-Sekretärin, die mir beide mit Rat und Tat für die Ausarbeitung des Vortrags zur Seite gestanden haben.

Liebe Anwesende, liebe Freunde,

die Sie sich alle, wie ich annehmen möchte, einer friedlichen, gerechten und toleranten Weltordnung im Sinne der UN-Charta und der UN-Menschenrechtserklärung, sowie des darauf fußenden humanitären Völkerrechts verpflichtet wissen, lassen Sie mich ein Ergebnis meiner nachfolgenden Betrachtungen zur UN-Antirassismus-Konferenz im April dieses Jahres vorweg nehmen:

Das beste an der auch als 'Durban Nachfolge-Konferenz' oder - zum Verdruss des Südens(*) - Durban II bezeichneten Staatenversammlung war, a) dass sie überhaupt stattfand, b) dass die Abschlusserklärung des ersten Antirassismus-Gipfels aus dem Jahre 2001 weiter Gültigkeit behält und darauf wartet, in nationale Aktionspläne umgesetzt zu werden und c) dass allen Unkenrufen zum Trotz auch in Genf, nicht nur eine, sondern sogar mehrere gewichtige Zusammenkünfte der internationalen Zivilgesellschaft stattgefunden haben. Sie wurden organisiert und durchgeführt vor dem UN-Gipfel von nichtstaatlichen internationalen Akteuren und unter anderem subventioniert auch mit Hilfe interessierter staatlicher Quellen, was zum üblichen Prozedere gehört.

Die drei Aspekte bedürfen einer besonderen positiven Würdigung trotz ihrer scheinbaren Selbstverständlichkeit, denn "Keine der verschiedenen UN-Gipfelveranstaltungen der letzten zwanzig Jahre bleibt auch im Rückblick so umstritten, wie die 'Weltkonferenz gegen Rassismus, Rassendiskriminierung, Fremdenfeindlichkeit und damit zusammenhängende Intoleranz', die vom 31.08 - 08.09.2001 in Durban (Südafrika) statt fand." Folgt man dem Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Professor Heiner Bielefeldt, den ich hier zitiert habe, weiter, so war schon das damalige Konferenzgeschehen kurz vor den Angriffen auf das World Trade Centre in New York, das die Welt besonders nachhaltig erschüttern sollte, von heftigen Auseinandersetzungen geprägt, die bereits im Vorbereitungsprozess begonnen hatten und ihren traurigen "Höhepunkt" im demonstrativen Auszug der amerikanischen und der israelischen Delegation aus der Konferenz fanden. Die Blockadehaltung dieser beiden und anderer befreundeter Staaten sollte sich im Vorfeld und während der Gipfelkonferenz im April dieses Jahres noch zuspitzen. Wie sie ja wissen, blieb in letzter Minute auch Deutschland fern.

Doch zurück zur Relevanz der UN-Veranstaltung, deren Ergebnisse von 2001 es ja im Frühjahr zu überprüfen und weiter zu treiben gegolten hätte.

Im Vorwort des vom UN Infodienst publizierten Abschlussdokuments von Durban I, das noch von der damaligen UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson unterzeichnet ist, heißt es unter anderem "Die schrecklichen Angriffe in den Vereinigten Staaten nur drei Tage nach Abschluss der Konferenz, mit ihrem darauf folgenden Anschwellen von Furcht und Fremdenfeindlichkeit, machen die hart erstrittenen, gegen jegliche Ausgrenzung gerichteten Texte um so bedeutsamer." Die für ein UN-Dokument ungewöhnlich klare Sprache der Erklärung von Durban umfasst ein weites Spektrum. Es findet sich dort an prominenter Stelle etwa die Übereinkunft, dass Sklaverei und der transatlantische Sklavenhandel ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit war. Es wurde festgehalten, dass der Kolonialismus zu Rassismus geführt habe und dass seine Folgewirkungen bis heute nachhaltig sind. Das Dokument erinnert in Punkt 58 daran, dass der Holocaust niemals vergessen werden darf. In Punkt 61 schließlich wird mit großer Besorgnis darauf Bezug genommen, dass in verschiedenen Teilen der Welt eine Zunahme des Antisemitismus und der Islamophobie zu verzeichnen sind. Weiter ist die Rede von rassistisch motivierten gewalttätigen Bewegungen, die sich gegen Juden, Muslime und arabische Gemeinschaften richten. Man beachte jeweils die Reihenfolge. Erst in Punkt 63 - 65 wird der Sorge um den schlimmen Zustand des palästinensischen Volkes unter fremder Besatzung Ausdruck verliehen, das Recht auf seine Selbstbestimmung und einen eigenen Staat wird unterstrichen, wie auch das Recht auf Sicherheit für alle Bürger der Region betont wird, einschließlich der Sicherheit Israels. Es wird ein gerechter, umfassender Friede gefordert, der es allen Völkern im Nahen Osten ermöglicht, nebeneinander zu existieren und zwar auf der Grundlage der Gleichbehandlung, der Gerechtigkeit, des internationalem Rechts und der erforderlichen Sicherheit. In Abschnitt 15 werden Apartheid und Völkermord unter Bezugnahme auf das von den Vereinten Nationen bereitgestellte humanitäre Völkerrecht zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklärt.

Israel findet außer im Kontext des oben genannten Sicherheitsrechts keine explizite Erwähnung.

Diese Tatsache ist wichtig hervorzuheben, da selbst ein, sich gewöhnlich dem Mainstream verweigernder, kritischer Kommentator wie Werner Pirker in der "Jungen Welt" im April das Dokument von Durban I falsch zitiert, indem er behauptet, Israel würde im Durban I Papier als Apartheid-Staat benannt, was - obwohl in der Sache von vielen internationalen Experten vertreten - im zitierten Dokument so keinen Niederschlag gefunden hat. Es ist in diesem Sinne ein klassisches UN-Dokument, ausbalanciert nach allen Seiten.

Um zu verdeutlichen, warum Genauigkeit hier so überaus wichtig ist, lassen sie mich ein wenig zurückblicken.

Der engere Vorbereitungsprozess auf die UN-Konferenz in Genf fand endlich ab Herbst 2008 statt. Damit beauftragt, ein vorbreitendes Dokument zu entwickeln, war der Menschenrechtsrat der UN, dessen Mitglieder turnusgemäß von der Generalversammlung gewählt werden. Den Vorsitz hat die Hochkommissarin für Menschenrechte, seit besagtem Herbst ist das die südafrikanische Richterin Navanethem Pillay aus Durban. Schon im Jahre 2006 hatte die UN-Generalversammlung allerdings beschlossen, eine Überprüfungskonferenz zur Umsetzung der Ergebnisse von Durban einzuberufen, der übliche Turnus ist ein Fünfjahresrhythmus. Kanada hat kurz darauf, im Januar 2007, verkündet, dass es der Konferenz fernbleiben werde, weil dort nur "Haßtiraden" gegenüber Israel zu erwarten seien. Israel und die Vereinigten Staaten haben sich dem Boykott rasch angeschlossen. Die Argumentationslinie für die Blockadehaltung gewisser Staaten, die sich auf das NGO-Papier von 2001 zu stützen vorgibt, lautet, dort sei dem Antisemitismus Vorschub geleistet worden. Hören wir dazu die kritische Stimme von Frau Diana Ralph, Repräsentantin der "Independent Jewish Voices" aus Kanada, Vertreterin von 18 jüdisch-kanadischen Gruppen. Sie führt dazu in einem Artikel, im kanadischen Outlook Magazine im Februar 2007 aus: "Ganze 4% des Textes der NGO-Erklärung von Durban befassen sich mit den Belangen des palästinensischen Volkes. Die Israel Lobby - die im Namen aller jüdischen Erdbewohner zu sprechen vorgibt - charakterisierte die dort vorgetragene Kritik an der Unrechtbehandlung der Palästinenser als neuen Antisemitismus". Da uns das NGO Papier von 2001 nicht vorliegt, sei das dahin gestellt. In der offiziellen Erklärung der UN-Konferenz, darin ist Diana Ralph in jedem Fall zuzustimmen, findet man aber keine Spur von Antisemitismus. In den 180 Seiten, den das Dokument umfasst, sind ganze 250 Worte den Belangen Israels oder Palästinas gewidmet, jüdische Menschen und Israel werden sorgfältig respektiert. Als eine Form der Aufarbeitung von Durban I, so die Kanadierin weiter, "haben dennoch finanziell gut gepolsterte israel-freundliche Lobbygruppen rechtzeitig dahingehend mobilisiert, die bevorstehende Überprüfungskonferenz, der eigentlich die Aufgabe zugekommen wäre, sich der Umsetzung des Aktionsplanes von 2001 anzunehmen, in Misskredit zu bringen und dessen Umsetzung auf jede Weise zu behindern. Zu den bekannten, in dieser Angelegenheit tätigen Lobbygruppen, gehören etwa das Simon Wiesenthal Zentrum, die UN-Watch, die ICARE-Magenta-Stiftung, the American Jewish Comittee, das World Jewish Diplomatic Core und der Jüdische Weltkongress.

(Solche Vereinigungen haben den privilegierten NGO-Status, das wirft die Frage nach ihrer Finanzierung und Förderung auf, was natürlich auch für andere NGOs gilt. Die meisten sind genau genommen para-staatliche Organisationen mit entsprechenden Abhängigkeiten und mehr oder minder machtvollen Einflussmöglichkeiten. Einschub von mir, I.E.)

Die genannten Gruppen charakterisieren die UN-Rasssismuskonferenz, lange bevor sie begonnen hatte, als ein "antisemitisches Hassfest" und stigmatisieren jegliche Aufmerksamkeit, die - um es vorsichtig auszudrücken - den berechtigten Sorgen der Palästinenser gewidmet werden könnte, als "antisemitisch", und zwar lange vor dem Zustandekommen der Konferenz, lange bevor irgendeine Dokumentenvorlage von den hierfür zuständigen Ausschüssen vorgelegt worden war." So weit Frau Ralph.

Die Durchführung der Weltkonferenz in einer für große Teile der Menschheit so wichtigen Frage wurde also nicht erst mit der Ankündigung des iranischen Präsidenten in Genf im Frühjahr 2009, dort das Wort zu ergreifen, die sehr kurzfristig erfolgt ist, behindert, sondern das Unbehagen dem Thema gegenüber geht - vermutlich aus guten Gründen - von Nordamerika aus und von dem mit ihm verbündeten Israel. Sekundiert wurde es diesmal von einigen europäischen Staaten, zum immerhin offiziellen Bedauern der sachkundigen Öffentlichkeit, auch von Deutschland. Das geht vor allem darauf zurück, dass die Boykott-Staaten des Nordens (Europa, Kanada, die USA und Israel), die die das palästinensische Volk in seiner Gesamtheit diskriminierenden und mit dem Völkerrecht schlicht unvereinbaren Praktiken Israels stillschweigend unterstützen. Sie verurteilen dementsprechend die Heranziehung der Begrifflichkeit, die das humanitäre Völkerrecht bereitstellt, also die kodifizierten Vorsehungen der Vereinten Nationen, wenn es um ihre Interessensphäre geht und sehen daher in der Bezugnahme auf Palästina im Durban I Dokument eine Diskreditierung eines Staates, etwa des Staates Israel. Sie weisen den Terminus "Islamophobie", der neben dem des Antisemitismus auftaucht, zurück, indem sie darauf bestehen, dass "Religionen" keine durch das internationale Recht geschützte Kategorie seien. Sie berufen sich damit auf die Meinungsfreiheit, wenn Muslime ins Visier genommen werden und messen dabei mit einem Maß, das sie mit Recht weit von sich weisen, wenn es um jüdische Menschen oder das Judentum geht. Um die anti-arabische Profilbildung nicht als "rassistisch" im Sinne international gültiger Definitionen anerkennen zu müssen, berufen sie sich auf die Notwendigkeit des Kampfes gegen den Terrorismus, dem sich alles andere unterzuordnen habe, so immer noch die Argumentationslinie der jüdischen Stimme aus Kanada. Allerdings konzediert auch Professor Bielefeld aus Deutschland, dass es diese beiden Hauptkonfliktlinien sind, die im Vorfeld der Konferenz von Genf polarisierend wirkten, nämlich a) die Frage, ob der Nahostkonflikt als einziger Regionalkonflikt Thema der Diskussion werden sollte und b) ob die Religionsdiffamierung als Bestandteil der Rassismusbekämpfung aufzufassen sei oder unter die Rubrik Meinungsfreiheit falle. Hierüber wurden in der Tat im Vorfeld der Debatten in den Ausschüssen, die sich um die Ausarbeitung einer Dokumentenvorlage drehten, Schattengefechte geführt, so dass wirklich wichtige inhaltliche Belange gar nicht erst berührt werden konnten. Man mache sich bewusst, dass auch in den Ausschüssen, die Beauftragten von Regierungen sitzen, die ihrem Mandat Folge zu leisten haben.

Die Einflussmöglichkeiten von NGOs wurden im Menschenrechtsrat gegenüber der vormaligen Menschenrechtskommission geschmälert.

Am Ende des langwierigen Prozedere, nach endlosen diplomatischen Bemühungen also, in denen die Staaten des Südens immer wieder kompromissbereit waren, um die Konferenz als Ganzes und damit den relativen Erfolg von Durban nicht gänzlich zu gefährden, setzte sich der reiche und religiös vermeintlich enthaltsame Norden weitestgehend durch. Die fraglichen Staaten honorierten das Einlenken der "Entwicklungsländer" weitgehend durch Boykott der Konferenz.

Am Ende wurde der "Nahostkonflikt" überhaupt nicht mehr thematisiert. Die Frage nach der Notwendigkeit, Stellung zu beziehen gegen das Aufheizen von Hassgefühlen gegen eine Religion der 1,4 Milliarden Menschen zugerechnet werden, was sich verschiedenen Orts in gewalttätigen Übergriffen Luft verschafft, klammerte man ebenso aus und überging so stillschweigend auch dieses verminte Feld.

Ähnliches galt auch für andere umstrittene Fragen, so dass man am Ende ein nichts sagendes Papier - vor dem offiziellen Ende der Konferenz - im Hauruckverfahren trotz weiterhin deutlich vernehmbarer Einsprüche, verabschiedete. Die sonst übliche Anhörung der Nichtregierungsvertreter vertagte man auf die Zeit nach der Verabschiedung des Dokuments.

Eine klassische Vorführung in Sachen Demokratie. Ein geradezu klassisches Lehrstück in Sachen Kompromissbereitschaft und Erpressbarkeit, das da in Genf im April des Jahres gegeben wurde. Die Vereinten Nationen als Schmierentheater?

Als beobachtender Teilnehmer des Geschehens konnte man vorübergehend versucht sein, es so einzuschätzen:

Da traten offenbar bestellte Schauspieler als Clowns auf, warfen Luftballons und störten die Rede eines amtierenden Staatsmanns, ein Novum im Völkerbund-Palast. Da gab es scharenweise eloquente, mehrsprachige junge Anhänger des Staates Israel. Mit und ohne Kipa, sahen sie ihre Aufgabe darin, in und außerhalb der großen Versammlungshalle, auch im Hör-Saal, der den NGO-Vertretern zur Verfügung gestellt wurde, die Rede Ahmadinedjads zu stören, die ohnehin erstaunlicher Weise dank eines technischen Fehlers oder gar in voller Absicht nicht in den NGO-Saal übertragen wurde. Für die jungen Leute männlichen und weiblichen Geschlechts, die auf wundersame Weise durch das streng reglementierte Eingangsverfahren für NGOS gelangt sind, war das ganze offensichtlich eine Gaudi. Aber mit gebührendem Abstand betrachtet, muss die Antwort auf die hier aufgeworfene Frage lauten: Nein und nochmals Nein. Die UNO ist und bleibt der einzige Ort der Erde, wo demokratische Grundsätze und völkerrechtliche Prinzipien für alle Staaten groß und klein, ungeachtet ihrer inneren Verfasstheit, gleichermaßen Gültigkeit beanspruchen und sich vor den Augen einer kritischen Weltöffentlichkeit vertreten müssen. Diese kritische Öffentlichkeit umfasst mehr und ist gewichtiger, als wir aus unserer, verzeihen Sie mir, Froschperspektive, manchmal wahrzunehmen in der Lage sind.

Das, was bleibt von der Genfer Antirassismus-Konferenz ist keinesfalls unwichtig, vor allem aber hängt es davon ab, was die Völker auf nationalstaatlicher Ebene daraus machen. Das Dokument von Durban aus dem Jahre 2001 behält seine Gültigkeit trotz massiver Versuche es nachträglich völlig zunichte zu machen, indem man es durch ein belangloses Nachfolgedokument ersetzt. Der § 1 im Genfer Dokument blieb erhalten, der positiv Bezug nimmt auf die Erklärung von Durban/Südafrika und den dort verabschiedeten Aktionsplan. Natürlich ist das Abschlusspapier zahnlos, solange man es nicht in nationale Politik, sprich in einen länderspezifischen Aktionsplan mit nachfolgender Gesetzgebung umsetzt. Aber es behält seine hohe moralische Autorität und nationale Politik muss sich überall auf der Erde daran messen lassen, ob und inwieweit die dort formulierten Prinzipien das Handeln der Regierungen bestimmen. Eine Übersetzung des Durban-Aktionsplans ins Deutsche zu fordern, ist längst überfällig. Die Publikationen des Deutschen Instituts für Menschenrechte und des Forums Menschenrechte sind bei aller Kritikwürdigkeit, dennoch ebenfalls wichtig und müssen von einer interessierten Öffentlichkeit angefordert werden.

Der deutschen wie auch der internationalen Öffentlichkeit wurden die wesentlichen Belange der UN-Konferenz vorenthalten. Wir wurden an der Nase herumgeführt, indem man dem iranischen Präsidenten die Schuld für die eigene Unzulänglichkeit, nämlich die Nichtteilnahme an der Konferenz zuschrieb. Im Klartext: Ahmadinedjad wurde dafür verunglimpft, dass er es als einziger Staatsmann gewagt hat, das Schicksal des leidgeprüften palästinensischen Volkes vor der Weltöffentlichkeit anzusprechen - seine Rede wurde ja durch Webcam aufgezeichnet und in den UN-Sprachen dokumentiert und konnte so von der Weltöffentlichkeit im Original verfolgt und nachgeprüft werden. In Deutschland wurde der Text dankenswerter Weise von der "Badischen Zeitung" ins Netz gesetzt.

Wahrheit und Lüge sind dank der allgemeinen Zugänglichkeit der elektronischen Medien heute eben doch unterscheidbar.

Wie mit dem Antisemitismus-Vorwurf Politik gemacht wird, um abzulenken von einem ganz großen Verbrechen der Gegenwart, das derzeit gegenüber dem palästinensischen Volk verübt wird, hat der US-amerikanische Historiker Norman Finkelstein in seinem Buch "Antisemitismus als politische Waffe" (erschienen im Piper-Verlag als TB 2007) überzeugend dargelegt. Gerade in diesen Tagen wird die Waffe wieder in Anschlag gebracht, weil ein hohes Amt zu besetzen ist, das des UNESCO-Generalsekretärs. Die arabische Welt, die an der Reihe wäre, den Posten zu füllen, hat sich auf den ägyptischen Maler und Kultusminister Faruk Hosini geeinigt, Repräsentant einer der größten Kulturen der Weltgeschichte. Dieser wird nun mit ihm unterlegten Zitaten, für die sich keine seriöse Quelle finden lässt, als Antisemit disqualifziert. Der Eintrag in Wikipedia über ihn wurde am 1. Juni dahingehend geändert, dass sich praktisch keine objektiven Daten mehr über ihn finden, wohl aber auf die "Kontroverse" um seine Person Bezug genommen wird, obwohl Israel seine Vorbehalte gegen ihn aufgegeben haben soll. Ähnliches ist kurz zuvor dem israelisch stämmigen Jazzmusiker und Schriftsteller Gilad Atzmond widerfahren, nachdem er gewagt hatte, die Rede des iranischen Präsidenten vor der UNO positiv zu würdigen. Der Wikipedia Eintrag über ihn wurde daraufhin arg zurechtgestutzt und man stigmatisiert ihn jetzt als antisemitischen Nestbeschmutzer.

Ähnliche Erfahrungen musste der US-amerikanische Historiker Finkelstein machen, dessen Familie dem Holocaust zum Opfer fiel. Nur Vater und Mutter haben das Warschauer Ghetto und die Nazilager Majdanek bzw. das Vernichtungslager Auschwitz überlebt. Auf Grund seiner unvoreingenommenen Positionierung auf einem verminten Feld wurde er von jenen Kräften, die ihn als "self-hating Jew" denunzierten, von seinem Lehrstuhl gedrängt. Lesen Sie dazu die Rede nach, die der venezianische Professor Malcom Sylvers am 20.04.09 hier im Berliner Haus der Demokratie hielt, sein Thema "Die Israel-Lobby".

Noch wichtiger also als die UN-Konferenz selbst, die vom 20.-24. April am Genfer See tagte, erscheint mir in Anbetracht der Aktualität der Thematik und der um sie geführten bitteren Auseinandersetzungen und natürlich auch für die Erörterung der Folgen oder Unterlassungen des Gipfeltreffens in der Alpenrepublik, das Geschehen außerhalb des UN-Palastes zu sein. Dabei müssen wir uns darüber im Klaren werden, dass all die wichtigen NGO-Begegnungen außerhalb des UN-Palastes und auch die "Side Events" im UN-Gebäude durch die bevorstehende UN-Konferenz erst möglich wurden. Über das "Civil Society Forum" habe ich anderem Ort berichtet. Viele bedeutende Frauenstimmen und natürlich auch solche aus der jüdischen Welt ließen sich dort ausmachen, manche von ihnen, wie etwa die kanadische Autorin Naomi Klein, waren einfach nur als Zuhörerinnen da. Den Text meiner Reportage können Sie auf der Seite des Kasseler Friedensratschlags unter dem Stichwort "Rassismus" abrufen. Er ist auch im jüngsten "Pax Report" des deutschen Friedensrates zu finden, wenn auch zurechtgestutzt. Er wird dankenswerter Weise auch in der nächsten Nummer des "Icarus", der Vierteljahresschrift der Gesellschaft für Bürger- und Menschenrechte zu lesen sein und in der nächsten Ausgabe der Zeitschrift für Frieden und Sozialismus, "offen-siv".

Parallel zu dieser NGO Konferenz also, die sich den modischen Namen "Civil Society Forum" gab und das Motto trug "People United against Racism", und auf der die Belange des palästinensischen Volkes immerhin in einem Workshop ausführlich Berücksichtigung fanden, tagte in unmittelbarer Nachbarschaft, die "Israel Review Konferenz" mit dem langen Titel "Vereint gegen Apartheid, Kolonialismus und Rassismus - für das Recht der Palästinenser auf ein Leben in Würde und Gerechtigkeit." Das Seminar war vom Badil-Zentrum einberufen und brachte über 100 Experten zusammen, die ausdrücklich ein kritisch-engagiertes Auge auf die Politik Israels werfen wollten. Die Ziele des Treffens, das von 170 Vertretern der palästinensischen Zivilgesellschaft einberufen war, erklärt die in Bethlehem ansässige, österreichische Bürgerin und Direktorin des Forschungszentrums, Frau Ingrid Saradat Gassner, am 18.04.09 sinngemäß: Weil die Anliegen des palästinensischen Volkes komplett aus der Agenda der UN gestrichen wurden und auch in den Side Events nicht vorkommen dürfen, wird die vom Badil Zentrum organisierte Besprechung um so wichtiger. Badil ist Arabisch heißt auf Deutsch die Alternative. Den Organisatoren ging es mit Unterstützung ihrer Partnerorganisationen, etwa dem ECCP (European Coordinating Comittee for Palestine und dem IJAN (International Jewish Antizionist Network), darum legale, auf dem Völkerrecht gründende Methoden zu entwickeln, um Druck für eine andere Nahostpolitik zu entfalten. Trotz des Nachgeben der arabischen Staaten und den als offiziell betrachteten Vertretern der Palästinenser, hielten die Druck ausübenden Staaten ja, wie oben angemerkt, an ihrem Boykott der UN-Konferenz fest. Das Apeasement war also der Sache der Palästinenser, wie schon so oft in der Vergangenheit, kaum dienlich.

Teilnehmer der Israel Review Konferenz, auf der nicht nur ein professioneller, sondern auch ein entschiedener Ton angeschlagen wurde, waren außer den Experten, engagierte Menschen aus der ganzen Welt, darunter viele mit jüdischen Wurzeln, alles Menschen, die sich nicht durch den Staat Israel in ihrer Haltung vertreten fühlen. Vielmehr verfolgen eben auch viele dem Judaismus zugehörigen Erdbewohner die gegenwärtige Politik des israelischen Staates mit zunehmender Sorge. Darunter befanden sich auch VertreterInnen der "Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden" aus Deutschland. Gekommen waren aber allem vor allem Rechtskundige, so etwa der Londoner Anwalt Daniel Machover, der zusammen mit Kollegen aus anderen europäischen Ländern Klagen gegen israelische Staatsbürger wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit erwägt, wegen deren Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung in Gaza (siehe dazu Der Spiegel vom 30.05.09). Den renommierten Experten ging es im Genfer Hotel "Le Grenil" in der St. Clothildenstrasse darum, präzise Vorstellungen dahingehend zu herauszuarbeiten, mit denen man auch außerhalb der nicht mehr zu erwartenden Ergebnisse der UN-Beratungen, Einfluss gewinnen könne, Einfluss auf die nationalen und internationalen Entscheidungsträger, um im Interesse des Überlebens der palästinensischen Bürger in Würde, Frieden und Gerechtigkeit, Druck auf die Politik der israelischen Führung auszuüben und zwar durch eine entschieden andere Nahostpolitik. Für uns Nordlichter, die wir uns noch in Sicherheit wägen, deren Steuergelder aber immerhin auch in das Militärsäckel Israels fließen, ist, außer dem menschlichen Mitgefühl für die Opfer, das zu Taten drängt, auch zu erwägen, dass der Nahe Osten gemäß vieler international respektierter Experten das Nadelöhr ist, durch das hindurch nur eine friedlichere Weltordnung geschaffen werden kann.

In Anbetracht der großen offenen Wunde, die ja nicht nur das Leid der Menschen in Gaza, darstellt, die immer noch abgeriegelt und praktisch jeder Hilfe bar, am Wiederaufbau gehindert werden, in Anbetracht des Leides der Menschen in der Westbank, die immer noch zerteilt und von einer kilometerlangen 8 Meter hohen Mauer zergliedert ihr Leben fristen, in Anbetracht des wachsenden Leides Millionen Flüchtiger Palästinenser in den Lagern, die seit über 60 Jahren immer wieder neu gefüllt werden, und natürlich auch in Anbetracht der systematischen Diskriminierung palästinensischer Bürger im Staatsgebiet Israels als Bürger zweiter Klasse scheint eine Neubewertung des "Konfliktszenarios" in Nahost ein menschenrechtlicher Belang von großer Vordringlichkeit.

Das Netzwerk der palästinensischen Zivilgesellschaft hat deswegen für die Israel Review Konferenz, ein Strategiepapier von hoher Professionalität vorgelegt. Bereits schon im Oktober 2008 war es auf breiter Basis erarbeitet worden. Federführend war der BNC (Das Akronym steht für BDS = Boycott, Desinvestment and Sanctions National Campaign), also der Nationalrat für die Beförderung der Kampagne, die auf Boykott, Desinvestition und Sanktionen, als mit dem Völkerrecht konforme Druckmittel setzt, um die israelische Politik zum Nachgeben gegenüber den berechtigen, von sämtlichen UN-Stellungnahmen gedeckten Forderungen zu zwingen.

Verfolgt man das Geschehen im Nahen Osten aus der globalen Perspektive, dann ist das oft als israelo-palästinensischer Konflikt bezeichnete Drama, ungeachtet aller Versuche von ethnischen oder anders definierten Minderheiten, ihre Anliegen massiv und lautstark zu vergleichen oder gar gleichzusetzen mit dem Schicksal des palästinensischen Volkes nicht nachvollziehbar. Die Vereinten Nationen tragen nämlich auf Grund des Teilungsbeschlusses von 1947 eine große Mitverantwortung für die sich seit über 60 Jahre entwickelnde und sich aktuell immer mehr zuspitzende Tragödie. Sämtliche UN-Resolutionen außer dieser ersten wurden bisher straf- und folgenlos von Israel ignoriert.

Heute bedarf es gerade deswegen erfahrener Stimmen aus dem Umfeld der UN, um den größeren Kontext, ja die globale Bedeutung des sich vollziehenden Unheils im Nahen und Fernen Osten angemessen zu beleuchten. Es bedarf etwa der Stimme des ehemaligen Direktors des UN-Zentrums für Menschenrechte im Palais des Nations, Theo van Boven, also einer der weithin anerkannten Persönlichkeiten auf seinem Fachgebiet, die Stellung beziehen, gegen die Verteufelung der Welt des Islam. Die sich konkret wenden gegen die Besorgnis erregende öffentliche Gleichsetzung etwa des Koran mit Hitlers "Mein Kampf". Solchen bedrohlichen Entwicklungen, die zu benennen inzwischen leider Mut erfordert, verlieh in Genf dankenswerter Weise nicht nur der Niederländer Theo van Boven Ausdruck, der sein Land auch in der UN-Menschenrechtskommission vertrat und auch danach noch viel Jahre für die UNO als Menschenrechtsexperte gearbeitet hat. Er gehört auch zu jenen, die sich stark gemacht haben für die Rechte indigener Völker.

Auf einem den UN-Gipfel vorbereitenden "Trainingsseminar für NGOS", zu dem er eingeladen war, wurde in diesem Zusammenhang verständlich gemacht, warum es die Not gebietet, auch die Religionszugehörigkeit als eine durch internationale Konvention und nationale Gesetzgebung zu schützende Kategorie zu definieren. Das mag Freidenkern befremdlich erscheinen, mich erinnert es vielmehr an das berühmt gewordene Niemöller-Wort: "Als sie die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist, als sie die Sozialdemokraten holten, habe ich geschwiegen, den ich war kein Sozialdemokrat, als sie die Juden holten habe ich geschwiegen, denn ich war ja kein Jude ...". Wir kennen das Ende für die betroffenen Opfergruppen und für den Mann. Solcherlei Hass-Rede gegen den von Ex-Präsident Bush ausgerufenen "Islamofaschismus" führt, wie in den Genfer Foren verschiedentlich vermerkt wurde, immer häufiger zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen Anhänger einer der großen Weltreligionen, der sich immerhin 1,4 Milliarden Erdenbürger zugehörig fühlen und macht Muslime ebenso vogelfrei wie es einst jüdische Menschen waren. Man stelle sich nur einen Augenblick vor, ähnliches widerführe heute dem Talmud, der Thora oder anderen heiligen Schriften des Judentums oder etwa der Bibel.

Verehrte Zuhörende, es mag in manchem Ohr jetzt klingeln und sich für den einen oder anderen vermessen anhören, wenn hier Parallelen gezogen werden, die die Nazi-Zeit wachrufen.

Mir scheint allerdings - und dazu gaben mir die immerhin vierwöchigen Genfer Impressionen zusätzliche, präzise Einblicke - dass wir schon eine Zeit lang im Begriff sind, einer medialen Verwirr-Strategie zum Opfer zu fallen, einer ganz bewusst konzipierten Strategie, die uns unter Berufung auf eine dunkle Vergangenheit daran hindert, die übermächtigen Schatten der Gegenwart zu erkennen.

Menschenrechte sind unteilbar und sie gelten kulturübergreifend und global. Wenn Israel nicht konform dem Völkerrecht handelt, dann ist das genauso wenig entschuldbar, wie wenn andere Staaten das Gleiche tun. Professor Sylvers ließ in seiner Berliner Rede den deutschen Klassiker Friederich Schiller anklingen und verwies mahnend auf den Fluch der bösen Tat, die immer wieder Böses gebiert. Um den Fluch zu brechen, muss man aber die ungeliebte Wahrheit beim Namen nennen, auch dann noch, wenn man sich damit nicht "geliubtet machet den luiten", wenn man also Nachteile zu befürchten hat.

Zu den Folgen der Genfer Antirassismus Konferenz muss im menschenrechtlichen Auftrag gehören, der Wahrheit ungeschminkt Ausdruck zu verleihen, auch auf die Gefahr hin, damit ins Visier der Israel Lobby zu gelangen.

Zu dieser ungeschminkten Wahrheit, um derentwillen man die ganze Konferenz nicht haben wollte, gehören etwa folgende Tatsachen:

"Die Folterung von Palästinensern wurde jüngst vom Obersten Gerichtshof in Jerusalem für rechtens erklärt", so Felicitas Langer, jüdisch-israelische Staatsbürgerin, in Tübingen lebend, 1997 in ihrem Vorwort für Edwards Saids "Frieden in Nahost?"
"Schätzungsweise 1,5 Millionen Tonnen Sprengstoff wurden während der 23 Tage andauernden Bombardements im Dezember 08 und Januar 09 auf Gaza abgeworfen, das ist pro Kopf der Bewohner eine Tonne. Nachdem alle Polizeistationen gezielt angegriffen worden waren, wandten sich die israelischen Streitkräfte rein zivilen Zielen zu. Dazu zählten viele Schulen, 40 Moscheen, UN-Gebäude, 21.000 Häuser, von den 4.000 vollständig zerstört wurden." 100.000 Menschen wurden obdachlos, 1.330 Menschen getötet, darunter 437 Kinder, 5.450 Palästinenser verletzt, viele schwer, während dessen kamen drei israelische Zivilisten und 10 Soldaten um, vier durch Beschuss aus den eigenen Reihen." Regine Naeckel, "Wozu sind Kriege da?" in der Vierteljahreszeitschrift "Hintergrund" 2/09. Diese Information entspricht den Ausführungen der beiden Experten Doktor Saad Elnounoun (franz. Staatbürger) und Jean Charles Dedo (schweizer Bürger) die im Auftrag einer internationalen Zivilschutz-NGO kürzlich mit Hilfsgütern nach GAZA reisten, um die Schäden zu evaluieren. Sie berichteten mit Hilfe von Dias auf dem Civil Society Forum über ihre entsetzlichen Eindrücke, ihre Zahlen übertreffen die oben genannte Anzahl von getöteten Palästinensern.
"Das reale Kräfteverhältnis zwischen der israelischen Armee mit ihren Kampfflugzeugen, Drohnen, Kriegsschiffen, Panzern, ihrer Artillerie einerseits und den paar Tausend leicht bewaffneten Hamaskämpfern ist 1000:1, wenn nicht sogar 1.000.000:1." (Ury Avnery).
Am 5. Juni wurden friedliche Protestanten des Dorfes Bil'in der Nähe der Stadt Ramallah in der Westbank von israelischen Soldaten gewaltsam vertrieben, mit Hilfe von Krachbomben, Tränengas und Gummigeschossen. Die Bewohner Bil'ins waren unterstützt worden von Dutzenden Anhängern der Fatah Bewegung. Sie trugen Transparente, auf denen sie eine Beendigung der Siedlungspolitik und des Mauerausbaus forderten und eine Umsetzung der Kairoer Rede Obamas vom Tage in Taten verlangten. Die zum Teil jugendlichen Demonstranten (16 Jahre) wurden durch die Gummigeschosse und das Tränengas erheblich verletzt. Die Nachricht erreichte mich per Netz über das "No Bases" Netzwerk, das sich weltweit für die Schließung von Militärbasen einsetzt.

Wer solche Nachrichten weiter trägt wird, begibt sich heute schnell ins Fadenkreuz der Israel Lobby. Auch moderate Kritiker der Politik des Staates Israel werden ganz schnell gebrandmarkt und das eben nicht nur in Deutschland, wo man an dieser Stelle aus historischen Gründen mit Recht besonders sensibel ist. (Siehe dazu Norman Finkelstein "Antisemitismus als politische Waffe")

Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen der Genfer Foren scheint mir zu sein, dass wir uns nirgendwo auf der Welt mehr durch Nebelkerzen blenden lassen dürfen, wollen wir menschheitlich nicht aufs Neue schuldig werden gegenüber den Opfern. Das gebietet uns die Solidarität mit den Opfern jener Kräften, die um mit Bertolt Brecht zu sprechen, aus einem Schoß kriechen, der noch immer fruchtbar ist. (Siehe zur Illustrationen unserer leichten Verführbarkeit etwa als Negativbeispiel den jüngsten Bericht in Akzente 06/09, der Monatsschrift der GBM über die Antirassismuskonferenz, der fast alle vom Mainstream verordneten Klischees enthält.)

Worum es hier und heute und alle Zeit gehen muss, will man dem Rassismus und der Verletzung von Menschenrechten auf allen Ebenen wirksam begegnen, ob in Palästina oder anderswo auf der Erde, ist, sich ernsthaft wieder Gedanken zu machen über den Aufbau einer alternativen Gesellschaftsordnung, Gedanken über eine soziale Ordnung, deren Wesen der Rassismus zutiefst fremd ist, einer Ordnung wie sie etwa am Beispiel Kubas studiert werden kann.

Das bedeutet auch, endlich diejenigen Kräfte zu erkennen, die mit langem Atem, aber äußerst wirksam am Niedergang der sozialistischen Staaten gearbeitet haben und die ungeachtet aller internen Fehler und Unzulänglichkeiten jener Staaten, dennoch die Hauptverantwortung für deren Zerstörung tragen. Unmittelbar bedeutet es, dem Feindbilddenken wirksam Einhalt zu gebieten und den Widerstandskräften in den Ländern des Südens die Hand zu reichen, die besonders hart und gnadenlos von den kolonialistischen Kriegern der Gegenwart heimgesucht werden. Ihnen muss unsere Solidarität gehören, ob uns ihre Strategien im Einzelnen gefallen oder nicht. Widerstand gegen eine Besatzungsmacht ist durch das Völkerrecht gedeckt. Im Falle Nahost scheint mir persönlich nach Genf die Solidarität mit den von Unrecht Betroffenen viel weniger schwieriger als es uns medial dargeboten wird, auch und gerade in Medien, die sich für links oder alternativ halten. Entgegen allen anders lautenden Darstellungen ist die palästinensische Zivilgesellschaft professionell organisiert und gut vernetzt. Sie bietet uns eine legale mit völkerrechtlichen Standards vollkommen kompatible Strategie an: Die in vielen Ländern Europas und in Amerika bereits gut angelaufenen BDS-Kampagne.

Sie wissen natürlich, dass wegen deren Unterstützung der Politiker Hermann Dierkes in Duisburg seinen Hut nehmen musste, weil ihn die eigene Partei im Stich gelassen hat. Wie alle anderen im Bundestag vertretenen Kräfte, begreift ja auch die so genannte Partei "Die Linke" die Solidarität mit Israel als Staatsraison. Aber, Lob der Dialektik, der Provinzpolitiker erfuhr starke internationale Solidarität, besonders aus jüdischen Kreisen.

Mir scheint es ist an der Zeit, dass auch wir uns wirklich mit der BDS-Kampagne vertraut machen und ihre Ziele und Mittel studieren, damit wir sie am Ende genauso unterstützen können wie die schottischen oder norwegischen Gewerkschafter oder Kirchen in Nordamerika oder wie das Fimfestival in Edinburgh, das unter dem starken Einfluss keines geringeren als Ken Loach Israels Teilnahme laut FAZ vom 5. Juni 09 boykottiert.

Aber erst einmal vielen Dank für Ihre Geduld. Stellen Sie Fragen und lassen Sie uns jetzt in ein Gespräch eintreten, eingedenk der Worte von Professor Yash Tandon, dem ehemaligen Direktor des South Centres, der in seiner eben erschienen Publikation meint: "History will not absolve those world leaders who watch with cynicism the humanitarian catastrophe unfolding in front of their eyes in Gaza." Die Geschichte wird die verantwortlichen Politiker dieser Erde, die gegenwärtig die Katastrophe, die sich vor ihren Augen in Gaza vollzieht, mit Zynismus betrachten, nicht freisprechen. (Reflections and Foresights on Development and Globalisation: Daring to Think Different, Genf 2009, South Centre = ein Think Tank des globalen Südens(32)

Das sich an den Vortrag anschließende Gespräch war konstruktiv, lebendig, aufschlussreich. Hervorheben möchte ich, dass auch mehrere VertreterInnen der Jüdischen Stimme und auch in Palästina gebürtige Menschen anwesend waren. Differenzierend wurde angemerkt, dass hinter der Israel-Lobby noch ganz andere, viel mächtigere Kreise verbergen und man Vorsicht dahingehend walten lassen muss, diese Lobby, wie gefährlich sie auch im einzelnen sein mag, für die eigentlichen Akteure im Weltgeschehen zu halten. Auch eine solche Fokussierung könnte einer neuen gefährlichen Variante des Antisemitismus zuträglich sein.

Irene Eckert, Berlin, am 11. Juni 2009


Anmerkung

(*, 32) "Der Süden" meint die südliche Hemisphäre, die gemeinhin als Entwicklungsländer bezeichnet wird, die meisten sind in der Bewegung der "Blockfeien" locker zusammengeschlossen. Obwohl auch häufig als Entwicklungsdiktaturen verunglimpft, sollte man sich dessen bewusst sein, a) wer diese aushält, b) in welche Kategorie Israel gehört und c) dass die meisten dieser Länder in internationalen Belangen ein progressiveres, menschenrechtsfreundlicheres Abstimmungsverhalten haben, als der Block des Nordens (auch als G20 etwa wahrgenommen)

Raute

Abou Hassan, Hamid Soltanpour und Michael Opperskalski: Wenn Schah-Anhänger grün tragen...

... und mit verzückten Augen die so genannte Oppositionsbewegung im Iran unterstützen, dann drängt sich zwingend die Frage nach dem tatsächlichen Charakter dieser Bewegung auf, die ja auch, für jeden täglich nachvollziehbar, von jenen herrschenden Medien unterstützt wird, die ansonsten jeder revolutionären Entwicklung oder Bewegung zumindest jegliche Legitimität absprechen oder sogar den Garaus machen möchten. Warum also unterstützen Gefolgsleute eines vor 30 Jahren durch eine mächtige Volksbewegung auf dem Mullhaufen der Geschichte geworfenen faschistischen (Schah-)Regimes die "grüne Welle" des vorgeblichen "Reformers" Mussawi im Iran?

Eine wirklich analytische Antwort auf diese Fragen kann nur sehr vielschichtig, unterschiedliche Hintergrundaspekte der gesellschaftspolitischen, strukturellen, kulturellen, historischen wie auch geostrategischen Dimensionen beleuchtend sein. Ein entscheidender Zugang ist sicherlich die von verschienen wie unterschiedlichen Beobachtern der so genannten Oppositionsbewegung bestätigte Tatsache, dass der Kern - in Qualität und Quantität - dieser Bewegung die oberen Mittelschichten, die Bourgeoisie wie auch die Komprador-Bourgeoisie sowie einige Intellektuelle - mit Schwerpunkt in der Hauptstadt Teheran - des Landes sind. Diese soziale Basis verbindet ganz offensichtlich ihre politischen wie vor allem auch ökonomischen Interessen durch die so genannte Oppositionsbewegung, die im Wesentlichen auf die Durchsetzung eines Turbo-Kapitalismus in Verbindung mit einer strategischen Öffnung zum Westen, insbesondere den USA und Europa, bei formaler Beibehaltung des Systems der Islamischen Republik fordert, vertreten sieht. Dabei ist es zur Zeit sicherlich nicht von entscheidender Bedeutung, dass eine nicht unbedeutende Zahl jener Elemente mit ihren Überzeugungen und Forderungen noch weiter geht, das ganze System sprengen will; Konterrevolution pur...

Vielen dieser gesellschaftspolitischen Fragen können wir an dieser Stelle nicht näher nachgehen, weil wir uns auf einen wichtigen Hintergrund beschränken wollen: die Beeinflussung bzw. Steuerung der so genannten Oppositionsbewegung bzw. wichtiger Teile in ihr durch westliche Geheimdienste sowie deren strategische Hintermänner.

Derzeit scheint der mediale Hype um den Iran nachgelassen zu haben. Dies hat ganz augenscheinlich zwei Gründe. Zum einen haben die von der so genannten Opposition organisierten Straßendemonstrationen nachgelassen und die damit in Berlin, Washington, London oder Paris verbundenen Träume auf einen schnellen, grundlegenden, pro-westlichen Umschwung in Teheran sind vorerst zerstoben, zum anderen sind die Kriegswolken über dem Iran wieder einmal aufgezogen wurden; erneut von Israel. Am 5. Juli 2009 meldeten die Nachrichtenagenturen und zeitgleich Spiegel-Online, dass sich die Streitkräfte des zionistischen Staates auf eine militärische Aggression gegen die Islamische Republik Iran vorbereiteten. Diesmal wurde die israelisch/US-amerikanische Komplizenschaft jedoch öffentlich-offenkundig. Das grüne Licht dafür ist in Washington bereits angegangen. In einem Interview mit dem nordamerikanischen Fernsehsender ABC erklärte US-Vizepräsident Biden, wenn Israel glaube, dass wegen des iranischen Atomprogramms ein Militärschlag nötig sei, könnten die USA "einem anderen souveränen Staat nicht sagen, was er zu tun hat. (...) Ob wir zustimmen oder nicht, sie sind berechtigt, dies zu tun".(33) Bereits jetzt wurden notwendige Überflugrechte über Saudi-Arabien, den Irak und/oder Jordanien mit aktiver Unterstützung durch die CIA vom MOSSAD-Chef Meir Dagan persönlich und prophylaktisch in der Frühphase der Vorbereitungen eingeholt. Damit ist das Feuer auf den Iran mit Obamas Unterstützung bereits prinzipiell eröffnet, obwohl diese offene Drohung in der derzeitigen Phase wohl vor allem noch dem Aufbau eines Drohpotenzials dient, um den Druck auf die Islamische Republik drastisch zu verschärfen und wohl auch, um der inneren Opposition im Iran für weitere Destabilisierungsaktionen wieder mehr Luft zu verschaffen. In diesem Zusammenhang ist auch eindeutig die nachfolge des Japaners Jukija Amano an die Spitze der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu werten, der als treuer Gefolgsmann des Westens gewertet wird und für den Kriegsfall eine "Berechtigung" in Form einer wie auch immer zurechtformulierten angeblichen unmittelbaren "Bedrohung" durch das iranische Nuklearprogramm hervorzaubern wird. Es ist also eine Verschärfung eingetreten, die sehr schnell eine im Wortsinn explosive eigendynamische Entwicklung lostreten kann, zumal das für eine militärische Aggression notwenige militärische Potenzial und die entsprechende Logistik in der Region wie auch international bereits unter US-Präsident Bush aus- und aufgebaut worden war...


Aus den Westen nichts Neues...

So ein Szenario wurde in jüngster Vergangenheit bereits mehrfach aus den Hüten der Kriegsstrategen gezaubert und die Welt stand unter George Bush mehr als einmal am Rand eines Krieges gegen den Iran. So zum Beispiel am 1. März 2005 hatte die französische Nachrichtenagentur AFP gemeldet, dass die israelische Luftwaffe ein Ausbildungsprogramm absolviere, in dessen Zentrum Bombenangriffe auf weit entfernte Ziele stünden. Nur wenige Tage später wurden entsprechende Berichte noch präziser: "Israel geheime Pläne für kombinierte Luft- und Bodenangriffe gegen Ziele im Iran entwickelt, falls die diplomatischen Bemühungen fehlschlagen, das iranische Nuklearprogramm zu stoppen. Das 'innere Kabinett' von Ariel Sharon, dem israelischen Premierminister, gab während eines Treffen auf seiner Farm in der Negev-Wüste im vergangenen Monat eine ,erste Autorisierung' für einen Angriff. (...) Die Pläne wurden mit amerikanischen offiziellen Stellen diskutiert, die provisorisch angedeutet hätten, dass sie Israel nicht im Wege stünden, falls alle internationalen Pläne, die iranischen Nuklearprojekte zu beenden, fehlschlagen würden."(34) Bereits Ende Januar 2005 hatte der israelische Verteidigungsminister Mofaz während eines England-Besuches betont, dass der Iran angeblich bei der Entwicklung seines Nuklearprogramms einen Punkt erreicht hätte, nach dem es kaum noch ein Zurück gäbe. Er warnte dann, dass Teheran ein eigenes Nuklearprogramm nicht erlaubt werden dürfe und dass sein Land Pläne in der Schublade hätte, diese militärisch zu zerstören.(35)

Das Auftreten des israelischen Verteidigungsministers in London muss ganz offensichtlich im Zusammenhang mit den zu diesem Zeitpunkt erst wenige Tage alten Enthüllungen des renommierten nordamerikanischen Journalisten Seymour Hersh in der Zeitung "The New Yorker"(36) "Vorige Woche veröffentliche Hersh im 'New Yorker', einem ebenso renommierten wie vorsichtigen Blatt, einen Artikel über erste Vorbereitungen auf einen Schlag gegen Iran, der Schockwellen vor allem in Europa auslöste. Danach versuchte das Pentagon seit Sommer 2004 mit Hilfe geheimer militärischer Kommandos im Inneren des Landes nukleare wie chemische Arsenale aufzuspüren und auch Raketenfabriken ausfindig zu machen. Der Zweck liegt nahe: Vorbereitung für einen militärischen Angriff, um die Massenvernichtungswaffen zu zerstören. Die Islamische Republik Iran zählt ja bekanntlich seit 2001 für George W. Bush zur "Achse des Bösen" und das eigentliche Ziel des geplanten militärischen Angriffs auf den Iran ist ein Regimewechsel im Sinne der US-Strategen. Dies hat bereits der "Fürst der Finsternis", Richard Perle, ganz offen formuliert: "Wie dem auch sei, das Problem im Iran ist wesentlich größer als das der Waffen. Das Problem ist das terroristische Regime, das nach diesen Waffen trachtet. Dieses Regime muss weg!"(37) Richard Perle war ja bereits schon der Architekt des nordamerikanischen Feldzugs gegen den Irak gewesen, bei dem es vorgeblich um die Vernichtung von - nur in der US-Propaganda existierenden - Massenvernichtungswaffen, tatsächlich jedoch um einen Regimewechsel in Bagdad gegangen war, der zum Ziel hatte, die geostrategische Dominanz der USA - auch gegen ihren europäischen und asiatischen Konkurrenten - in der rohstoffreichen Region des Nahen und Mittleren Ostens abzusichern und auszubauen. Perle gehört zur Riege der so genannten Neokonservativen in Washington, deren Kreise fast deckungsgleich mit der pro-israelischen zionistischen Lobby in der USA sind.(38)


Alles erinnert an den Vorlauf des Aggressionskrieges gegen den Irak

Auch die schrittweise militärische Eskalation zwischen beiden Ländern ließen die Monate vor dem US-Angriff auf den Irak wieder aktuell erscheinen: "Systematisch dringen Kampfjets der US-Luftwaffe in iranischen Hoheitsgebiet ein. Auf diese Weise sollen die Iraner dazu bewegt werden, ihr Luftabwehrradar sowie die Zielerfassungssysteme zu aktivieren. Das berichtet am Mittwoch der auf Geheimdienste spezialisierte Korrespondent der US-Nachrichtenagentur UPI, Richard Sale. (...) 'Wir müssen wissen, welche Ziele wir anzugreifen haben und wie wir sie angreifen müssen', zitiert der UPI-Korrespondent einen US-Airforce-Mitarbeiter, der berichtete dass US-Kampfjets bereits seit Wochen immer wieder in den iranischen Luftraum eindringen. Für die Planung eines Angriffs seien die daraus möglichen Erkenntnisse von größter Bedeutung. Letztlich ließen sich Umfang und Dauer der ersten US-Luftschläge bestimmen, die notwenig wären, um das iranische Luftabwehrsystem auszuschalten."(39) Diese Erkenntnisse sind auch dann wichtig, falls die ersten Angriffswellen von israelischen Piloten geflogen würden. Die Auswertung iranischer Reaktionen durch das Pentagon ist wohl auch der Hintergrund eines international kaum beachteten Berichts der britischen Tageszeitung "Daily Telegraph" vom 7. März 2004: "Die US-Streitkräfte versuchen, einen Krieg mit dem Iran zu beginnen und sie wurden bereits dabei erwischt, wie sie versuchten, Großbritannien für die Erledigung der schmutzigen Arbeit auszunutzen. Im Juli des vergangenen Jahres befahlen die US-Kommandeure im Irak Tausenden von britischen Truppen einen Großangriff auf iranische Stellungen an der Grenze zum Irak. Falls die britischen Kommandeure die Kommandolinie nicht durch ein Abblocken dieser Befehle unterbrochen hätten, ist es ziemlich sicher, dass die Alliierten sich jetzt im Krieg mit dem Iran befänden."

"Iran hat gemäß eigenen Angaben in diesem Jahr mehr als zehn Spione aus Israel und den USA verhaftet. Sie hätten im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes CIA und des israelischen MOSSAD das Atomprogramm des Landes ausspioniert, sagte der für den Geheimdienst zuständige Minister Ali Junesi nach Berichten der staatlichen Nachrichtenagentur Irna. Drei der Männer hätten für die Atomenergiebehörde des Landes gearbeitet. Iran hatte schon im August erklärt, mehrere Duzend aus ländische Agenten verhaftet zu haben, aber keine Einzelheiten genannt."(40) Dieser - ebenfalls international kaum beachtete - Bericht wirft im Nachhinein ein Schlaglicht auf den im Januar 2005 erschienenen Enthüllungsartikel von Seymour Hersh, in dem von geheimen US-Kommandos gesprochen wurde, die bereits seit Monaten mit entsprechendem Auftrag im Iran tätig gewesen seien. Die strategisch wichtigen Spionageoperationen werden also bestätigt, wenn auch in einer Einzelheit korrigiert: die im Iran tätigen Agenten sind keine US-Bürger, sondern iranische Kollaborateure und von der CIA bezahlte Dissidenten...

Bereits seit Anfang 2003 existiert eine über 300 Seiten umfassende geheime CIA-Analyse, die alle möglichen Szenarien für den Fall eines geplanten militärischen Angriffs der USA auf den Iran durchspielt.(41) Aus dem gleichen Zeitraum stammt eine Meldung der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": "Amerika will Regime in Iran stürzen - Die Regierung der Vereinigten Staaten hat ihre informellen Kontakte zur iranischen Führung abgebrochen und arbeitet nun auf einen Sturz des Regimes in Teheran durch einen Aufstand im Inneren hin. Das berichtet die Tageszeitung Washington Post in ihrer Sonntagsausgabe unter Berufung auf ranghohe Mitarbeiter der Regierung."(42) Ganz offensichtlich betrachteten die Strategen in Washington den von ihnen geplanten militärischen Angriff auf den Iran als Initialzündung für einen pro-amerikanischen Putsch oder Aufstand in der Islamischen Republik.

Auch der Poker um die angeblich von Teheran entwickelten Massenvernichtungswaffen, einschließlich ihrer nuklearen Komponenten, erwies sich damals - wie auch heute noch (!) - sich als Desinformation und propagandistische Kriegsvorbereitung bzw. als propagandistische Abdeckung für einen, mit welchen Mitteln auch immer, erreichten Regimewechsel im Iran.

Der propagandistische Charakter der international verbreiteten Berichte über angeblich existierende Pläne eines iranischen Atomwaffenprogramms wurden zum Beispiel durch eine Meldung der Nachrichtenagentur DPA vom 12. Dezember 2004 (die sich dabei auf Aussagen des Leiters der Internationalen Atomenergie-Organisation, Mohammed el Baradei, stützte) bestätigt: "Nach Worten von El Baradei geht von Iran keine 'unmittelbare atomare Bedrohung' aus. Die Zusammenarbeit mit Teheran sei gut, sagte er in einem Interview der spanischen Zeitung 'El Pais' (Sonntagsausgabe) (...) 'Wir haben keine konkreten Beweise, dass Iran sein Nuklear-Programm in Richtung Atomwaffen-Produktion gelenkt hat.'" Bestätigt wurde diese Einschätzung auch von el Bardeis Stellvertreter, Jury Sokolov, im März 2005: "Die Internationale Atomenergie-Organisation hat keiner Beweise dafür, dass der Iran sein Atomprogramm für nicht-friedliche Zwecke nutzt."(43)


Iran schon seit Jahrzehnten im Fadenkreuz

CIA-Operationen und US-Interventionen gegen den Iran haben eine lange Tradition und hatten immer zum Ziel, die Ausbeutung der reichen iranischen Rohstoffvorkommen zu sichern und das Land im Rahmen der langfristigen geostrategischen Planungen der USA zu nutzen.

Die erste größere CIA-Operation im Iran fand 1953 statt. Damals regierte in Teheran eine vom iranischen Volk gewählte nationale Regierung unter Premierminister Mohammad Mossadegh. In den Augen der US-Administration und anderer westlicher Länder hatte diese Regierung ein Verbrechen begangen: Sie hatte die Erdölindustrie nationalisiert.

Die Reaktion der herrschenden Kreise in USA auf diese Maßnahme war eindeutig: "Das amerikanische Interesse an der Lage ist vielseitig und tief. Wenn diese Expropriation, welche Nationalisierung genannt wird, durchgeht, werden die amerikanischen Investitionen in Saudi-Arabien nicht mehr lange sicher sein. Das ganze schwankende Gleichgewicht im Mittleren Osten wird unwiederbringlich gestört sein ..."(44) Der damalige US-Botschafter Grady formulierte offen, welche Strategie die USA einzuschlagen gedachte: "Wenn es uns gelingt, den Iran ordentlich in ein Wirtschaftschaos zu bugsieren, dass wir den Mossadegh loswerden, kommt schon alles zurecht!"(45)

Im Sommer 1953 lief die CIA-Operation "Ajax" an. Mit Millionen von Dollar wurden Schlägertrupps mobilisiert, die ein Bürgerkriegsklima schaffen sollten. Der für die Aktion verantwortliche CIA-Agent Kim Roosvelt erinnert sich: "Was die Zahl der Agenten betrifft, bin ich nicht ganz sicher, ob es sechs oder acht Personen waren. Etwa 700.000 oder 800.000 Dollar waren vorhanden. Während der ganzen Operation wurden etwa 10.000 Dollar ausgegeben (...) Nun, einige Iraner haben auch gearbeitet, und was sie brauchten, war praktische Einweisung und Unterstützung (...) So schwer war die Arbeit nicht, denn es gab viele Iraner, die gegen die Regierung waren und bereit, zuzuschlagen. Was sie nötig hatten, war etwas Unterstützung, Hilfe und manchmal geringe Summen Geld (...)"(46)


Im Schützenpanzer zum Offiziersklub

Der von der CIA gelenkte Putschistenführer war ein gewisser General Zahedi. Dieser fuhr am 19. August 1953 in einem amerikanischen Schützenpanzer zum Offiziersclub. Dort erklärte er die Regierung Mossadegh für abgesetzt, während der Regierungssitz gestürmt, strategisch wichtige Positionen besetzt und die ersten Verhaftungen vorgenommen wurden. Gelenkt von der US-Botschaft in Teheran wurde die Operation "Ajax" ein voller CIA-Erfolg. Der aus dem Iran geflohene Schah konnte seine Heimreise antreten, und der damalige englische Premierminister Eden bemerkte in seinen Memoiren: "Ich schlief diese Nacht ruhig und glücklich!"

Der gestürzte Premier Mossadegh wurde vor ein Militärtribunal gestellt. Doch der Angeklagte wurde selbst zum Ankläger: "Meine einzige ungeheure Schuld liegt darin, die Erdölindustrie zu verstaatlichen und dem Einfluss sowie der Ausbeutung durch eines der größten Weltimperien ein Ende zu setzen. Mein Leben und Menschen wie ich haben angesichts des Stolzes von Millionen Iranern keine Bedeutung. Ich bedauere mein Schicksal nicht und bin sicher, dass ich meine historische Aufgabe bis zum Schluss erfüllt habe. Mein und Ihr Leben wird nur eine Weile dauern, aber was bleibt, ist die Existenz eines leidenden Volkes (...), weil ich die Vorbereitungen dieses Prozesses kenne und weiß, das mein Leben in einer Zelle enden wird, nehme ich die Gelegenheit wahr, um meine mutigen und geliebten Landsleute zu beschwören, diesen würdevollen Weg weiter zu beschreiten und sich vor nichts zu fürchten!"(47)

Mossadegh wurde zu drei Jahren Kerker verurteilt und stand bis zu seinem Lebensende unter Hausarrest.

Der Iran unter Schah Mohammad Reza Pahlevi wurde zum Protektorat der USA. Der US-Milliardär Rockefeller drückte das in einem vertraulichen Schreiben an den damaligen US-Präsidenten Eisenhower so aus: "Durch die Anwendung wirtschaftlicher Hilfe gelang es uns, Zugang zum iranischen Öl zu bekommen, und wir haben jetzt in der Wirtschaft dieses Landes festen Fuß gefasst. Die Stärkung unserer wirtschaftlichen Position im Iran hat es uns ermöglicht, seine gesamte Außenpolitik unter Kontrolle zu bekommen!"(48)

Um das iranische Volk in Schach zu halten, unterstützten die CIA und der israelische Geheimdienst MOSSAD das Schah-Regime tatkräftig beim Aufbau seines Geheimdienstes SAVAK. Über die Organisation und personelle Stärke des Schah-Geheimdienstes berichtete 1974 das US-Magazin "Newsweek": "Zwischen 30.000 und 60.000 Personen arbeiten ständig für den SAVAK, aber sie bilden nur das Gerüst für einen weit größeren Apparat. Gemäß Berichten einiger Diplomaten im Iran sind nicht weniger als drei Millionen Iraner - je acht auf einen erwachsenen Bürger - gelegentliche Informanten des SAVAK. In Hotels, Taxis, Schulen, ausländischen Vertretungen und Gesellschaften, in Betrieben und Ämtern, selbst in den Schlafsälen und Automatenrestaurants, wo die iranischen Studenten leben und essen, während sie im Ausland studieren"(49)

Die Zusammenarbeit zwischen dem kaiserlichen Geheimdienst und der CIA bestätigt ein Geheimpapier der US-Botschaft in Teheran vom 11. August 1973, das bei der Botschaftsbesetzung im November 1979 gefunden wurde: "(....) da gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen SRF und SAVAK!"(50) SRF ist ein Kürzel für CIA und bedeutet möglicherweise "Special Research Facility".

Die Friedhofsruhe, die der Schah, die CIA und der israelische MOSSAD dem Iran gewaltsam und blutig überstülpten, wurde jedoch immer wieder gestört. 1963 kam es zu ersten größeren Demonstrationen gegen die Diktatur, die blutig niedergeschlagen wurden.

Arbeiter-Streiks und Studenten-Aktivitäten flackerten auf. 1971 begann die linke Organisation der Volksfedajin den bewaffneten Kampf. Im Untergrund formierten sich die außerdem unterschiedlich orientierte politische Oppositionskräfte, unter denen Kräfte des politischen Islam eine bedeutende und zunehmend immer stärkere Rolle spielten. Diese breit gefächerten und unterschiedliche Zielsetzungen verfolgenden Oppositionsgruppen, die sich systematisch verschlechternde ökonomische Situation und die anhaltende grausame politische Unterdrückung waren für den Ausbruch antidiktatorischer Bewegungen, die 1978 begannen und ein Jahr später zum Sturz des Schah führten, die notwendigen Voraussetzungen.


Die antidiktatorische Bewegung wird immer stärker

Auf die wachsenden Protestaktionen der iranischen Bevölkerung 1978 reagierten die US-Strategen und die CIA sehr unterschiedlich. Das beweisen geheime Dokumente, die nach der Besetzung der US-Botschaft in Teheran von revolutionären Studenten gefunden wurden. So heißt es ein Jahr vor dem Sturz der Pahlevi-Dynastie in einem der Papiere: "Die iranische Monarchie sorgt für Stabilität, die durch demokratische Institutionen und wegen des Fehlens einer langen demokratischen Tradition bei der organisierten Bewältigung politischer Fragen noch nicht erreichbar ist. Sie ist gegenwärtig der einzige Faktor im Lande, der für politische Kontinuität sorgen kann. (...) So bietet der Schah augenblicklich die beste Gewähr für den Schutz unserer elementaren Sicherheitsinteressen im Iran, und er ist die einzige Persönlichkeit auf der politischen Szene, die in der Lage ist, die zur Anarchie neigenden Perser zu führen."(51)

Dieses Zitat - wie auch andere Geheimdokumente der US-Botschaft - belegen, dass die CIA in jenen stürmischen Monaten nicht in der Lage war, den für das Schah-Regime gefährlichen Charakter der anti-diktatorischen Volksbewegung in ihrer Komplexität einzuschätzen. Das erklärt die ungebrochene US-Unterstützung für den wankenden Pahlevi-Thron bis zuletzt.

Doch es gab auch andere Tendenzen, wenn sie strategisch auch noch nicht zum Tragen kamen. So berichtet am 24. Januar 1978 ein Geheim-Telegramm der US-Botschaft in Teheran nach Washington über "religiöse Unruhen" und betont: "In den kommenden Monaten wird sich die Botschaft bemühen, die naturgemäß schwierige Aufgabe anzugehen, mehr über die religiösen Elemente innerhalb der oppositionellen Bewegung (gegen den Schah) zu erfahren."(52) Was die CIA dabei interessierte, wird durch ihre Analyse vom 2. Februar 1978 deutlich: "Die schiitisch-islamische Bewegung unter Ajatollah Chomeini ist weit besser organisiert, aufgeklärter und weit mehr in der Lage, dem Kommunismus zu widerstehen, als ihre Verleumder uns gern glauben machen möchten."(53) Mit anderen Worten, es gab schon damals einige CIA-Analytiker, die gedanklich daran bastelten, nicht nur die Kräfte des politischen Islam - und damit die Volksbewegung gegen das Schah-Regime - zu spalten, sondern, mehr noch, innerhalb dieser Kreise Verbündete zu suchen, mit denen sich eine pro-amerikanische oder zumindest von den USA beeinflusste "islamische Front" gegen linke, revolutionär-islamische und nationalistische Kräfte im Lande und darüber hinaus in der gesamten Region aufbauen ließe.

Diese strategische Konzeption kam jedoch erst in Afghanistan nach 1980 zum Tragen, als die USA und ihr CIA die so genannten Mudjahedin in ihrem Krieg gegen das Land am Hindukusch und die Sowjetunion mit massivster materieller und ideologischer Hilfe aufbauten. Damit hatte Langley "Gotteskrieger à la USA" geschaffen, um sie entsprechend eigener strategischer Planungen einzusetzen...

In den Revolutionsmonaten von 1978 wurden solche Gedanken im Iran jedoch noch nicht Realität. Man hielt in Washington an der Unterstützung des Schah-Regimes fest, wenn auch zeitweilig mit dem Gedanken gespielt wurde, die wankende Monarchie als Verteidigerin des "Islam gegen den Kommunismus" zu profilieren und einige islamische Führungspersönlichkeiten mit dem Schah zu versöhnen. So heißt es in einem geheimen CIA-Bericht vom Mai 1978: "Wir wissen, dass es hinter den Kulissen Bemühungen gibt, den Dialog mit den religiösen Konservativen in Gang zu bringen und sie, wenn möglich, von Chomeini abzuspalten. Da viele dieser religiösen Führer die Monarchie als eine notwendige Institution ansehen, die den Islam gegen die Herausforderung des Kommunismus verteidigen hilft, und da eine Alternative zum Schah nicht in Sicht ist, werden sie vielleicht vernünftig sein und sich zu einer rationalen, verständnisvollen Haltung gegenüber der Regierung entschließen, ohne größere Änderungen in den Institutionen."(54)

Alle diese Strategien fruchteten nichts mehr; die Massenbewegungen gegen das Schah-Regime hatten ihre Eigendynamik entwickelt, und es gab keinen Raum mehr für Kompromisse.

Schließlich ging nahezu das gesamte iranische Volk auf die Straße. Als letzte Rettung zur Sicherung ihrer gefährdeten Positionen sahen die US-Strategen die Errichtung einer sogenannten konstitutionellen Monarchie unter Regierungschef Schapur Bachtiar, der schließlich am 1. Januar 1979 zum Ministerpräsidenten ernannt wurde. Doch das iranische Volk gab keine Ruhe mehr, es akzeptierte keine Scheinlösungen.

US-General Huyser wurde nach Teheran geschickt, um dem bedrängten Regime Bachtiars unter die Arme zu greifen. Huyser berichtete nach Washington:

"Die Aktionen, die ich vorantreibe, sind Streikbruch, Einsatz von Militär beim Zoll, bei der Ölförderung, bei den Banken. Auf allen drei Gebieten haben wir Fortschritte gemacht (...) ich habe Bachtiar ermutigt, diese Schritte zu unternehmen. Er hat Bereitschaft gezeigt, aber ich würde das Tempo beschleunigen. Wenn das nicht klappt, müssen wir zu einer direkten militärischen Übernahme kommen. Wie Du siehst, ist die Planung die gleiche, welchen Weg wir auch einschlagen (...) Der Punkt, den ich in Washington klarmachen möchte, ist, dass das Militär die Fähigkeiten hat, eine fähige (sophisticated) Regierung aufzubauen und zu leiten, dass viele Elemente außerhalb der Regierung hier einen richtigen Bürgerkrieg wünschen. Eine gute Gelegenheit, das zu starten, wäre, Chomeini zurückkehren und ermorden zu lassen."(55)

Das war die vorerst letzte Fehlkalkulation der USA. Am 16. Januar 1979 verließ der Schah das Land, und etwa drei Wochen später war auch die Regierung Bachtiar gestürzt.


1979 scheiterte die bisherige US-Strategie im Iran

Der Zusammenbruch der Pahlevi-Dynastie bedeutete nicht nur das Scheitern der bisherigen US-Strategie im Iran, er machte zudem für die CIA-Operationen eine drastische Umstrukturierung notwendig. Zunächst wurden einige der alten SAVAK-Freunde in die sicheren USA oder befreundete Länder geschleust, allerdings nur jene Schah-Geheimdienstler, die später noch einmal von Nutzen sein könnten.

In der besetzten US-Botschaft wurde ein Geheim-Telegramm gefunden, das dementsprechend klare Anweisungen gibt: "Betrifft: Visaausfertigung für Mitglieder des alten Regimes (...) Einreise- oder Flüchtlingsstatus für Mitglieder des Diplomatischen Korps (des Schah-Regimes, d. Verf.) oder SAVAK-Mitglieder (...)(56) Wer in den Genuss dieser Visa kommen sollte, wurde in einem "Nützlichkeitsdialog" festgelegt: "A. Offiziere der iranischen Armee, Gendarmerie und Polizei (...), B. Beamte der zivilen Luftfahrtgesellschaft und C. höhere iranische oder ausländische Beamte des Diplomatischen Dienstes, die mit dem Defence-Attaché-Büro in Verbindung stehen (...) Visa werden nur, ich wiederhole, nur ausgestellt, um Informationen aus dem Sicherheitsbereich zu erhalten, die für die US-Regierung wichtig sind (...)."(57)

Spezialisten der CIA und "diplomatische Krisenmanager" wurden als "Diplomaten" nach Teheran geschickt, um die Mannschaft vor Ort zu verstärken. So Bruce Laingen, seit Juni 1979 US-Botschafter im Iran. Laingens Stellvertreter wurde Victor Thomseth, der bereits seit 1975 den Rang eines "Politischen Konsuls" bekleidet hatte und mit Schah-Vertrauten, Generalen und SAVAK-Offizieren freundschaftlich verkehrte. Im August wurden zur Unterstützung die CIA-Agenten Malcolm Kalb und William Daugherty eingeflogen. Chef der CIA-Station wurde Thomas Leo Ahern; seine Tarnfunktion dort war der Job eines mit der Rauschgiftbekämpfung beschäftigten Beamten. "Show to Tom A" - dieser Vermerk auf allen wichtigen Geheimdokumenten belegt, dass alle entscheidenden CIA-Operationen über den Schreibtisch von Thomas Ahern liefen. Als sich die anti-amerikanische Stimmung immer mehr zuspitzte, bekam er von der technischen Abteilung der CIA "Eznova" einen falschen belgischen Pass auf den Namen "Paul Timmermans" ausgestellt.

Auch ein zweiter CIA-Mann wurde mit falschen Papieren versorgt, diesmal mit einem bundesdeutschen Reisepass, Personalausweis und Führerschein. Der Geheimdienstmann George O'Keefe wurde auf diese Weise zu Josef Markus Schneider, geboren am 8. Juli 1942 in Freiburg im Breisgau. Sein Tarnname in den CIA-Papieren: Jaumotte.

Am 23. Juni 1979 traf Jaumotte in Teheran ein und wurde als zweiter Sekretär der US-Botschaft akkreditiert. Seine Geheimaufgaben beschreiben mehrere in der besetzten US-Botschaft gefundene Telegramme, die belegen, dass es der CIA nach dem Sturz des Schah-Regimes recht schnell wieder gelang, ein Agentennetz aufzubauen bzw. alte Kontakte zu reorganisieren und Geheim-Operationen zu entwickeln.

Dabei stützte sich die CIA nicht nur auf die im Iran verbliebenen "alten" Freunde aus den Zeiten des Schah, sondern auch auf neue Kontakte aus den Kreisen der islamischen Revolutionäre. Ein Telex vom CIA-Hauptquartier in Langley (Virgina) an das CIA-Büro in New York wurde auch an die CIA-Station in der Teheraner US-Botschaft geschickt. Es kündigte die Ankunft von Jaumotte für den 31. Oktober 1979 in New York an, um einen iranischen Agenten zu treffen, dessen internes Skriptonym SDPLAYER/1 lautet. Dort angekommen, bildete er den iranischen Agenten gemeinsam mit einem anderen CIA-Mann aus, der unter der Tarnung Quaranta lief.


CIA-Operationen auf Hochtouren

In einem anderen Telegramm wurde ein erstes Treffen zwischen Jaumotte und dem Anfang November 1979 in den Iran zurückgekehrten iranischen Agenten für den 17. November festgemacht. Zu diesem Treffen sollte es jedoch nicht mehr kommen. Am 4. November 1979 besetzten Studenten die US-Botschaft in Teheran und veröffentlichten in den folgenden Monaten eine Unzahl geheimer US-Dokumente.

1979 stand die CIA auch in Kontakt mit einer iranischen Terrorgruppe namens Forghan. Der brisante Aspekt dieser Organisation war, dass sie unter der Maske des politischen Islam operierte. An diesem Punkt ergibt sich eine hochinteressante, strategische Parallele zu CIA-Operationen, die ganz aktuell ablaufen; hierzu jedoch später mehr.

Das alles belegen zwei Schreiben des CIA-"Diplomaten" Victor Tomseth: "Am 8. August (1979, d.Verf.) bat Ferydon Afschar den politischen Konsul der Botschaft um Hilfe, eine militärische Kraft in Aserbaidschan aufzubauen, die dazu eingesetzt werden könnte, die Macht der islamischen Bewegung zu schwächen (...) Er sagte, es sei ein leichtes, eine Gruppe von 20.000 bis 30.000 Leuten zusammenzustellen, und dass wir sie in Kurdistan ausbilden können, wo es keine Kontrolle gibt, und sie in den Nordwesten schicken könnten (...) Afschar sagte implizit, dass er Hilfe braucht, um seinen Plan weiterzuführen. Unterstützung in Form von Waffen und Ausbildung wäre nützlich (...) Es scheint, als hätte er die schwachen Punkte des Feindes präzise einkalkuliert. Ob er in der Lage ist, eine derartige Kraft aufzustellen, ist nicht klar. Aber wenn eine solche Truppe aufgestellt wird, wird wahrscheinlich eine Person wie Afschar diese Aufgabe besser erfüllen als ein hoher Offizier (...)."

"Einer der alten Freunde des politischen Offiziers, der seit Jahren religiöse Studien treibt und dessen Haus im letzten Jahr ein Zentrum für religiöse Diskussionen seiner Studenten war, gab einen Einblick in die Forghan-Gruppe. Elf Studenten dieser Gruppe sind Mitglieder der Forghan-Gruppe in Teheran, die etwa 40 bis 50 Leute umfasst (...) Einer der Forghan-Mitglieder war stolz darauf, das sie die Absicht haben, die Sabotage mit dem Mord eines Geistlichen pro Woche zu beginnen und dies fortzuführen, bis sie erfolgreich sind..."(58)

Zugleich intensivierte die CIA jedoch auch ihre Operationen, die darauf abzielten, führende Persönlichkeiten aus den Kreisen des politischen Islam im Iran zu gewinnen, die den Schah vom Pfauenthron gestoßen hatten, zu gewinnen. Zu den bedeutendsten dieser CIA-Operationen gehörten:

• Die versuchte Rekrutierung von Abulhassan Bani Sadr. Als die CIA-Operation begann, war Bani Sadr noch ein enger Berater des im Pariser Exil lebenden Ajatollah Chomeini; später sollte er der erste Präsident der Islamischen Republik Iran werden. Heute lebt er erneut im Exil. Im Januar 1979 wurde Bani Sadr von einem als amerikanischen Geschäftsmann namens Rutherford getarnten Agenten aufgesucht, der den Auftrag hatte, CIA-Kontakte innerhalb der islamischen Bewegung herzustellen. In mehreren Gesprächen gelang es dem CIA-Mann, Bani Sadrs Vertrauen zu gewinnen, und man vereinbarte, sich später in Teheran wieder zu treffen. Bani Sadr bekam in den geheimen CIA-Akten die Codebezeichnung SD Lure/1.(59)

"Es ist das normale Vorgehen der CIA, freundliche Beziehungen zu Führern gemäßigter Oppositionsparteien zu unterhalten, die gezwungenermaßen im Exil leben (...) Das hat den Zweck, reiche Ernte zu halten, wenn solche Politiker nach Hause zurückkehren. Oft werden bezahlte Agenten in solche Exilgruppen eingeschleust, um zusätzliche Informationen zu erhalten", so beschreibt der ehemalige CIA-Agent Philip Agee eine der üblichen Taktiken der CIA.(60)

Nachdem der Schah gestürzt und Bani Sadr gemeinsam mit Chomeini in den Iran zurückgekehrt war, reiste der CIA-Mann Rutherford seinem Operationsziel, wie vereinbart, nach. Im August und September 1979 trafen sie sich dreimal. Wie die CIA-Dokumente über diese Operationen belegen, gab Bani Sadr dabei seinem Gesprächspartner internste Informationen preis, die zu jener Zeit nicht öffentlich waren.(61)

• Wesentlich enger gestaltete sich die CIA-Beziehung zu einem Iraner namens Amir Entesam.(62) Er war Mitglied im Zentralkomitee der "Iranischen Befreiungsbewegung" (LMI). Die LMI war eine der wichtigsten bürgerlich-liberalen Oppositionsgruppen, die sich zur "Nationalen Front" zusammengeschlossen hatten. Ihr Vorsitzender war Mehdi Basargan, der erster Ministerpräsident im nachrevolutionären Iran werden sollte. Unter Basargan wurde Entesam zunächst stellvertretender Ministerpräsident und Regierungssprecher, später Botschafter der Islamischen Republik Iran in Schweden.

Entesam bekam in den geheimen CIA-Dokumenten den Decknamen SD PLD/1 zugeteilt. Er war der CIA äußerst behilflich, nicht nur was Informationen angeht. Da gab es zum Beispiel im Norden Irans den gegen die Sowjetunion gerichteten CIA-Horchposten Kapkan. Er war im Februar 1979 von Revolutionären dichtgemacht worden. Die Besatzung, 22 CIA-Spezialisten, war in Schutzhaft genommen worden, weil die Bewohner der umliegenden Dörfer eine drohende Haltung ihnen gegenüber eingenommen hatten. Am 27. Februar machten sich der US-Militärattaché T.E. Schaefer und der US-Luftwaffen-Attache H.F. Johnson nach Kapkan auf, um die 22 Abhörspezialisten herauszuholen. Ohne die hilfreiche Unterstützung zweier Entesam-Vertrauter hätte diese Operation nicht erfolgreich beendet werden können. In einem Brief vom 13. März 1979 bittet der damalige US-Botschafter William H. Sullivan Entesam um Hilfe, damit das CIA-Horchgerät in Kapkan und in Behshahr, einer ähnlichen Einrichtung, vor Beschädigung geschützt und funktionsfähig erhalten werden könne.


Aufbau einer Exilantenfront

Gleichzeitig bemühte sich die CIA um eine Zusammenarbeit mit iranischen Exil-Gruppen, die sich bereits kurz nach dem Sturz des Schah im westlichen Ausland gebildet hatten. "Die Vereinigten Staaten unterstützen insgeheim iranische paramilitärische und politische Exilgruppen und strahlen Radiopropaganda nach Iran aus", recherchierte 1982 der US-amerikanische Journalist Leslie H. Gelb(63). "Das Ziel dieses Programmes, das von der CIA organisiert wird, ist, eine Koalition von Exilgruppen und ihren Unterstützern in Iran zusammenzubringen, damit diese - falls die Möglichkeit auftaucht - ein entscheidender Faktor bei der Gestaltung der Zukunft des Iran werden können.(64)

So entwickelte die CIA zu jener Zeit eine enge Zusammenarbeit mit zwei paramilitärischen iranischen Gruppierungen, die im Osten der Türkei stationiert waren. Die eine Gruppe, geführt vom ehemaligen Marine-Admiral Ahmad Madani, verfügte über 6000 bis 8000 Männer. Madani war während der Schah-Diktatur Oberbefehlshaber der iranischen Marine, nach der Revolution wurde er Verteidigungsminister der ersten Chomeini-Regierung Bazargan, bis er sich mit dem Regime überwarf und ins westliche Exil ging. Chef der zweiten paramilitärischen Gruppe, etwa 2000 Mann stark, war der ehemalige Schah-General Bahram Aryana. Beide Gruppen operierten vor allem in Iranisch-Kurdistan. Das hatte zwei Gründe: Zum einen Unruhe gegen das neue Regime in Teheran zu schüren, zum anderen den in Iranisch-Kurdistan starken Einfluss der linken "Demokratischen Partei Kurdistans" zu brechen. Die CIA lieferte diesen Gruppen Waffen und unterstützte sie logistisch und mit Beratern.

CIA-Gelder flossen auch an verschiedene iranische Exilgruppen von Schah-Anhängern im Westen. "Seit 1982 unterstützte die CIA die wichtigste Chomeini-feindliche Exilbewegung, die in Paris ansässige Iranische Befreiungsfront (FLI), mit monatlich 100.000 Dollar. Casey rechnete zwar nie ernsthaft damit, dass der Gruppe ein Putsch gelingen könnte, aber ihre Kontakte verschafften ihm wenigstens spärliche Informationen über die Verhältnisse im Iran. Mit weiteren 20.000 bis 30.000 Dollar im Monat unterstützte man den Sender Radio Liberation, der von Ägypten aus vier Stunden täglich Programme in den Iran ausstrahlte, in denen Chomeini attackiert wurde (...) Vor einem Monat, im September (1986, d. Verf.), hatte die CIA einen miniaturisierten Fernsehsender zur Verfügung gestellt. Auf der Frequenz des iranischen Fernsehens wurde eine elfminütige Sendung mit Reza Pahlevi, dem Sohn des letzten Schah, in den Iran ausgestrahlt. Baby-Schah, wie ihn seine Kritiker nennen, hatte darin erklärt: 'Ich werde zurückkehren!'"(65)

1980 glaubten die US-Strategen, einen direkten Putsch-Versuch in Iran wagen zu können. Offiziell wurde diese Aktion als Befreiung der US-Diplomaten ausgegeben, die seit der Botschaftsbesetzung im November 1979 von revolutionären Studenten als Geiseln gefangen gehalten wurden. "Am 25. April 1980 scheiterte dann die amerikanische Aktion zur Befreiung der Geiseln, wobei als Begründung technische Mängel und das Fehlen von Staubfiltern an den Hubschraubermotoren angegeben wurde. Dies war nie glaubhaft (...) Beteiligt an dem Unternehmen waren nicht nur die Hubschrauber des Flugzeugträgers NIMITZ (...), sondern auch eine Bodenstreitkraft von über 2000 Exiliranern und Amerikanern, die am 25. April in der Nähe von Teheran bereits Stellung bezogen hatten, sowie zahlreiche Kommandoeinheiten innerhalb Teherans, die strategisch wichtige Positionen besetzt, die Botschaft abgeschirmt und anderswo in der Stadt Ablenkungsmanöver geführt hätten (...)"(66) Im Zuge der Vorbereitung dieser Operation hatte die CIA mit Hilfe des ehemaligen Schah-Botschafters in den USA und SAVAK-Führers Zahedi und des Schah-Generals Palisban einen Plan ausgearbeitet, Ajatollah Chomeini zu ermorden.

Das Scheitern der Intervention in der iranischen Wüste Tabas im April 1980 forcierte die Erkenntnis, dass man die Kontakte innerhalb der in Iran regierenden Kreise intensivieren müsse, um auf diesem Weg eine Beeinflussung der Entwicklung zu garantieren.


Fortschritte an der "inneren Front"

Es gelang der CIA 1981/82, ihren Kontakt zu Generalmajor Fardust wiederherzustellen, der in den unmittelbaren Wirren kurz vor und nach dem Sturz des Schah abgebrochen war. Während der Pahlevi-Diktatur war der SAVAK-Funktionär Fardust Chef des kaiserlichen Kontrollamtes sowie für so genannte "Anti-Terror-Aktivitäten" des Schah-Geheimdienstes zuständig gewesen. Aus dieser Zeit erklären sich seine Kontakte zum nordamerikanischen Geheimdienst. Nach dem Zusammenbruch des kaiserlichen Herrscherhauses gelang es Fardust, im neuen Geheimdienstes SAWAMA Fuß zu fassen. Regelmäßig versorgte die CIA "ihren Mann" Fardust mit Informationen über angebliche sowjetische Aktivitäten und Agenten im Iran. Diese Operation hatte zum Ziel, linke und progressiv-nationalistische Aktivitäten auszuschalten, aber auch Spaltungen innerhalb der unterschiedlichen Kräfte des politischen Islam herbeizuführen. So übermittelte die CIA dem SAWAMA über Fardust eine Liste von mehreren hundert Mitgliedern der Volks-Fedajin, der Tudeh-Partei, aber auch der Revolutionsmilizen (Pasdaran) sowie Anhängern des regierenden islamischen Kräfte, die angeblich "KGB-Spione" seien. Unterfüttert wurden diese Listen mit in Langley frisierten "Beweisen" und "Dokumenten". Das Ergebnis war eine Verhaftungs- und Repressionswelle, Hinrichtungen und Säuberungen im Iran.(67)

Der CIA war jedoch noch ein weiterer Coup gelungen: die Rekrutierung des ersten Sekretärs der sowjetischen Botschaft in Teheran, der sich 1982 über London in die USA abgesetzt hatte. Die Propaganda-Maschinerie der CIA verbreitete die "Aussagen" des geflohenen Sowjet-Diplomaten über angebliche sowjetische Geheimoperationen und "KGB-Agenten" im Iran in der ganzen Welt und heizte auf diese Weise die Verfolgungen, Säuberungen sowie die Repression und Unterdrückung, vor allem jedoch auch das Misstrauen innerhalb der Kreise des politischen Islam, im Iran weiter an.


Keine harmlosen Geschäftsleute

Da die USA seit der Besetzung der US-Botschaft in Teheran und dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen über keine Botschaft im Iran mehr verfügten, hatte die CIA auch keine diplomatischen Institutionen zur Tarnung ihrer Agenten und ihrer Station in der islamischen Republik. Die CIA bediente sich deshalb einer "alten" Methode, nämlich Agenten als harmlose Geschäftsleute getarnt in das Operationsziel zu schicken. Ein Beispiel hierfür ist Mr. Pattis aus Aiken, South Carolina (USA). Er erhielt einen italienischen Pass auf den Namen "Giovanni Pattis" und war bei der US-Firma Cosmos Ingineers beschäftigt.(68)

Mit dem Ausbruch des iranisch/irakischen Krieges 1980 ergaben sich für die CIA neue Möglichkeiten: eine ungeheuer gesteigerte Militär- und Geheimdienst-Präsenz in der Golf-Region. Auch Israel profitierte von diesem Schlachten. Der israelische Verteidigungsminister Rabin bestätigte dies in einer Rede vor ausländischen Journalisten. "Der Verteidigungsminister hat hinzugefügt, Iran sei Israels bester Freund. 'Das Chomeini-Regime', sagte Rabin, 'wird es nicht immer geben, daher haben wir nicht die Absicht, unsere Haltung gegenüber Teheran zu ändern.' Der iranisch/irakische Krieg, sagte Rabin, habe 'die irakische Bedrohung von Israel genommen und habe die Front der arabischen Länder gegen Ägypten und den Frieden mit Israel durchbrochen'"(69)

Wer Krieg führt, braucht Waffen. Teheran bediente sich in besonderem Maße aus den dunklen Quellen des schwarzen Waffenmarktes, da ihm die offiziellen Wege zum Waffenkauf zunehmend verschlossen oder verkompliziert wurden (auch hier hatte die CIA einen nicht unbedeutenden Einfluss, den dringend notwendigen Waffennachschub in den Iran drastisch zu behindern); die iranische Regierung hatte deshalb ein Netz von Kontakten zu internationalen Waffenhändlern aufgebaut. Viele dieser Waffenhändler waren früher fest bei der CIA angestellte Agenten und haben nach ihrem Ausscheiden den Kontakt zu ihrem früheren Arbeitgeber nie abgebrochen; wieder andere sind über ihren Job in ein Arbeitsverhältnis mit dem amerikanischen Geheimdienst gekommen. Als Beispiel für letzteres sei der Chef der internationalen Waffenfirma Interarms, der Brite Samuel Cummings, genannt, der unter anderem Waffen für den CIA-Coup in Guatemala 1954 geliefert hatte. Während des iranisch/irakischen Krieges verfügte er über beste Beziehungen nach Teheran. "Sie (die Waffenhändler, d.Verf.) haben die US-Geheimdienste und ihre Schein-Firmen dabei unterstützt, Rebellen in Nicaragua, Angola und Afghanistan zu beliefern (...)"(70)

1980 knüpfte der ehemalige französische Marineflieger und spätere Waffenhändler Bernard Veuillot erste geschäftliche Kontakte nach Teheran. Der französische "Händler des Todes" war für die CIA ein alter Bekannter.

1981 wurde im Pentagon das "Amt für Sonderoperation" aus der Taufe gehoben. Es arbeitet eng mit der CIA und dem militärischen Geheimdienst DIA zusammen. Aufgabe dieses Amtes ist die Organisierung direkter oder - zum Beispiel über die Internationale der Waffenhändler - indirekter Lieferungen von Waffen und anderer militärischer Ausrüstung.

In Kooperation mit dieser Sonder-Abteilung des Pentagon griffen CIA und DIA die Kontakte von Bernard Veuillot auf und bauten sie aus. Über das "Projekt Demavand" wurden unter anderem in den Iran geliefert: 39 F-4-Flugzeuge, 50 Panzer vom Typ M-48, 25 Kampfhubschrauber, 200 moderne Phoenix-Luft-Raketen zu einem Stückpreis von einer Million Dollar, 12.000 Anti-Panzer-Raketen und anderes militärisches Material. Der Gesamtwert der Lieferungen betrug mehr als zwei Milliarden Dollar.(71) Für die Abwicklung der Waffenlieferungen gründeten die französischen Waffenhändler Veuillot und Lang in Panama die Gesellschaft Daloa Finance. Organisiert wurde dieses Rüstungsgeschäft unter anderem über Ägypten und die Türkei, finanziert wurde es mittels eines Netzes europäischer Banken.

Die CIA-Ziele hinter diesen Waffenlieferungen waren klar: Der iranisch/irakische Krieg sollte im strategischen Interesse Washingtons und Israels verlängert sowie der CIA die Möglichkeit zum Auf- und Ausbau eines Netzes von Kontakten im Iran verschafft werden.


"Iran-Gate"

Genau das ist auch der Hintergrund für jene Operationen, die monatelang als "Iran-Gate" durch die Weltpresse gingen. Nachdem die Strategie des offenen Umsturzes 1980 in der Wüste von Tabas gescheitert war, konnte die CIA-Politik gegenüber Iran bis 1984 drei Erfolge erzielen:

• Nach dem Sturz des Schah den Aufbau von Kontakten, insbesondere zu Kreisen innerhalb der regierenden Kräfte des politischen Islam.

• Kontrollierte Waffenverkäufe an den Iran, um den
iranisch/irakischen Krieg zu verlängern;

• Ausschaltung linker, progressiv-nationalistischer, aber auch anderer revolutionärer Kräfte bis tief in Kreise des politischen Islam hinein, vor allem durch gezielt gestreute Desinformationen;

"Iran-Gate" sollte vor allem jedoch gezielt jene Kräfte der Islamischen Republik Iran stärken, die nach Ansicht der US-Strategen an einer Verbesserung der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten interessiert waren. Damit wollten die Strategie-Planer in Washington ihre Karten für einen möglichen Tod Chomeinis neu mischen, wohl wissend, dass dies in jener Zeit angesichts der starken anti-amerikanischen Stimmung der iranischen Bevölkerung nur im geheimen geschehen konnte. Beschleunigt wurden die Operationen durch das Problem der US-amerikanischen Geiseln im Libanon, die man mit Hilfe des Iran befreien wollte.

"Israel hatte ein seit langer Zeit bestehendes Interesse an Beziehungen mit dem Iran und an einer Ausweitung seiner Waffenexportindustrie. Waffenverkäufer im Iran konnten beiden Zielen förderlich sein. Sie boten auch eine Möglichkeit, den Iran gegenüber Israels altem Feind Irak zu stärken (...) Der Iran benötigte dringend, was Israel ihm bieten konnte. Die Vereinigten Staaten waren der Hauptlieferant des Schah gewesen, doch nun waren US-Lieferungen durch das Embargo untersagt. Der Iran brauchte äußerst dringend in den Vereinigten Staaten hergestellte TOW- und HAWK-Raketen, um dem Irak auf den Gebieten, auf denen er die größte Überlegenheit besaß - Panzer und Luftwaffe -, begegnen zu können. Da Israel über solche Waffen in seinen Beständen verfügte, kam es als alternative Nachschubquelle in Betracht. Israel war mehr als bereit, dem Iran diese Waffen zu liefern, allerdings nur, wenn die Vereinigten Staaten die Lieferung billigten und sich bereit erklärten, die Waffen zu ersetzen. Das iranische Interesse an diesen Waffen war in Waffenhändlerkreisen bekannt (...)."(72)

Nun traten - in Kooperation - der amerikanische Geheimdienst CIA und der israelische Geheimdienst MOSSAD auf den Plan. Zudem wurde auch Saudi-Arabien über den saudischen Geschäftsmann Adnan Khashoggi ("ein Mann mit guten Beziehungen im Mittleren Osten und besonderen Beziehungen zu israelischen Beamten in Schlüsselpositionen"(73)) eingeschaltet. Die entscheidenden Kontakte zu Teheran sollte Manucher Ghorbanifar, ein in Frankreich lebender iranischer Geschäftsmann mit guten Beziehungen im Iran, der bereits für den Schah-Geheimdienst SAVAK gearbeitet hatte, entwickeln. Auf israelischer Seite waren es die MOSSAD-Spezialisten und Waffenhändler Adolph Schwimmer und Jakob Nimrodi. Schwimmer war 1984 auch Berater des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Shimon Peres; Nimrodi gilt als Iran-Kenner, da er von 1961 bis 1975 israelischer Militärattache und zugleich Stationschef des MOSSAD in Teheran war.

"Im April 1982 wurde eine Lieferung im Wert von 200 Millionen Dollar für das Chomeini-Land aufgedeckt. Verteidigungsminister Sharon räumte im US-Fernsehen 'beschränkte Waffengeschäfte mit dem Iran' ein. Drehscheibe für die heimlichen Geschäftsbeziehungen war Irans Botschaft in der Londoner Victoria Street. Sie diente als Kontaktstelle für den saudischen Multimilliardär Adnan Khashoggi und den iranischen Waffenhändler Manucher Ghorbanifar, einem Intimus des iranischen Ministerpräsidenten Mussawi."(74)


Die Gespräche intensivieren sich

Seit Januar 1985 fanden verschiedene Gespräche zwischen Ghorbanifar, Schwimmer, Nimrodi und Khashoggi statt, an denen auch zuweilen Amiran Nir, MOSSAD-Mann und seit September 1984 Berater von Israels Ministerpräsident Peres in Fragen der Terrorismusbekämpfung, teilnahm. Die Herren berieten die Möglichkeit, bei den Waffengeschäften "mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen": die amerikanischen Geiseln im Libanon frei zu bekommen, den Iran in seinem Krieg gegen den Irak zu stärken (ohne ihn allerdings gewinnen zu lassen) und über entscheidende Kontakte zu den Regierenden in Teheran Einfluss auf die iranische Innenpolitik nehmen zu können. Ghorbanifar signalisierte bei diesen Gesprächen, dass er vom starken Mann Teherans, Rafsandjiani (damals iranischer Parlamentspräsident und bereits damals eine "Schlüsselfigur hinter den Kulissen"), grünes Licht in diese Richtung erhalten hätte. Ghorbanifar, der bereits seit Januar 1980 mit der CIA in Kontakt stand, sandte entsprechende Signale nach Washington. Als Verbindungsglied zwischen Waffenhändlern, CIA und MOSSAD-Kreisen und Rafsandjiani diente der damalige iranische Ministerpräsident (bis 1989) Mir Hossein Mussawi, der heute zum so genannten Oppositionsführer erkoren wurde.

Am 4. oder 5. Mai 1985 reiste der CIA-Mann Michael Ledeen(75) als Berater des Nationalen Sicherheitsrates, mit Wissen des damaligen Reagan-Sicherheitsberaters McFarlane, nach Israel und traf dort mit Ministerpräsident Peres zusammen, um die Möglichkeiten zu sondieren. Am 3. Juli 1985 traf schließlich David Kimche, Generaldirektor des israelischen Außenministeriums, in Washington ein, um mit McFarlane weiter zu diskutieren. Im Juli 1985 gab Präsident Reagan dann sein Placet für die geplante und diskutierte Operation. Und dann ging alles sehr schnell:

• Im August und September 1985 brachten mindestens vier DC-8- Flugzeuge der CIA-Tarnfirma Southern Air Transport amerikanische Waffen aus Israel nach Teheran und Täbris. An Bord befanden sich vor allem Ersatzteile für F-4-Phantom-Flugzeuge, Artillerie-Munition und Raketen;

• Am 14. September 1985 wurde die US-Geisel Benjamin Weir im Libanon freigelassen;

• Am 4. Dezember trat Sicherheitsberater McFarlane zurück. Doch zwei Tage später reiste er nach London, um sich im Haus von Nimrodi mit der iranisch-israelischen Vermittlergruppe zu treffen und den Fortgang der Kontakte zu besprechen;

• Im Februar 1986 ging eine US-Waffenladung über Israel in den Iran. Am 28. Mai flogen McFarlane, der Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates, Oliver North, und der fließend persisch sprechende CIA-Agent George Cave mit einer CIA-Maschine der Southern Air Transport nach Teheran zu direkten Diskussionen, das Flugzeug voller Waffen. Dort konferierten sie mit Rafsandjiani, mit dessen Vertrauten Ajatollah Hassan Karubi, mit dem Chef der Revolutionsmilizen "Pasdaran", Mohsen Rezaii, und dem Sohn von Chomeini, Ahmad;

• Am 26. Juli 1986 wurde eine weitere US-Geisel, Lawrence Jenco, freigelassen. Sofort schickte Israel im August eine weitere US-Waffenlieferung in den Iran;

• Anfang September begaben sich McFarlane, North und der CIA-Mann Cave ein zweites Mal in den Iran, um die Geschäfte weiterzuführen.

Insgesamt wurden im Zuge von "Iran-Gate" mindestens 2008 TOW-Panzer-Abwehr-Raketen sowie Ersatzteile und Luft-Abwehr-Raketen für 235 HAWK-Systeme, Artillerie-Munition, Flugzeug-Ersatzteile und anderes militärisches High-Tech an den Iran geliefert.

Obwohl die Medien "Iran-Gate" zumeist als großes Desaster darstellten, zeigen die Ergebnisse dennoch einen wichtigen Einschnitt im Sinne der US- und CIA-Strategie gegenüber dem Iran.

Es war der CIA gelungen, bis in höchste Kreise der Regierenden in Teheran vorzustoßen, und dies mit Genehmigung des iranischen Parlamentspräsidenten Rafsandjiani. Daher wird es auch verständlich, dass die US-amerikanisch/iranischen Kontakte noch fortgesetzt wurden, als der Skandal um "Iran-Gate" längst die Seiten der US-Presse füllte. Der damalige US-Außenminister Shultz bestätigte ein Treffen mit iranischen Abgesandten am 13. Dezember 1986 im "Park Hotel" in Frankfurt/Main(76).

Am 8. Juli 1985 hatten sich in Hamburg der Vertraute Rafsandjianis Mehdi Karubi, Ghorbanifar, David Kimche, Jacob Nimrodi, Adolph Schwimmer und der CIA-Agent George Cave getroffen.(77) Fortgesetzt wurden die Diskussionen im Herbst 1985 während eines Treffens zwischen Ajatollah Karubi und dem CIA-Mann und Berater des Nationalen Sicherheitsrates, Michael Ledeen.(78) Im Frühjahr und Sommer 1986 übergab Karubi - angeblich im Auftrag von Rafsandjiani - der versammelten CIA- und MOSSAD-Mannschaft ein Papier, in dem alle jene aufgeführt wurden, die im Iran zum Machtkreis Rafsandjianis gehören. Es wurde offen darüber diskutiert, dass ein Tod Ayatollah Chomeinis den Interessen Rafsandjianis entgegenkäme, im Iran die absolute Macht zu übernehmen und alle Konkurrenten auszuschalten. Dies würde dann die Basis für engere und direktere Kontakte mit den USA bilden. "Er (Karubi, d. Verf.) sagte (...), dass er zu einer politischen Fraktion im Iran gehöre, die daran glaube, dass der Iran Hilfe für seinen Krieg mit dem Irak benötige und dass die Vereinigten Staaten weniger teuflisch als die Sowjetunion seien."(79) Die Versammelten besprachen die Möglichkeit, Chomeini umzubringen. Ein mit Sprengstoff präparierter Aktenkoffer, der ihm übergeben werden sollte, war bereits vorbereitet. Karubi betonte jedoch mehrfach, dass das Attentat entweder wie ein Anschlag der oppositionellen Volksmodjiahedin oder aber wie ein Unfall aussehen müsse.(80) Die weltweiten Veröffentlichungen und Enthüllung über "Iran-Gate" und seine Hintermänner verhinderten wohl diesen Plan.

Die iranischen CIA-Einflussagenten bedankten sich bei ihren neuen Freunden in Langley für deren Engagement durch eine geheime Vereinbarung, dass die Offenlegung amerikanischer Geheimdienstarbeit im Nahen und Mittleren Osten verhindern sollte. Das betraf insbesondere jene Informationen, die der in Libanon entführte und in seiner Gefangenschaft verstorbene Stationschef der CIA-Botschaft in Beirut, Buckley, seinen Haftnehmern offenbart hatte. Das Manuskript hierüber soll über vierhundert Seiten betragen.(81)

"Nach Meinung von Rafsandjiani habe es der US-Präsident mit seinem Entschluss zur Wiederherstellung der Beziehungen mit dem Iran ernst und ehrlich gemeint. Reagan habe erkannt, dass es im Interesse der USA sei, die Beziehung mit der islamischen Republik nicht abgebrochen zu haben."(82)

"Casey war beeindruckt, dass es gelungen war, neue geheime Kontakte zum Iran herzustellen. Einer davon war der Neffe des iranischen Parlamentspräsidenten Rafsandjiani, der andere war der Geheimdienstchef der Revolutionswächter in den Amtsräumen des Ministerpräsidenten (...)."(83)

Zur Übermittlung von "Top-Secret"-Nachrichten an die CIA und den Mitarbeiter des Nationalen Sicherheitsrates, North, benutzten die genannten eine geheime Fernmeldeeinrichtung israelischer Herkunft.

In Kooperation mit der CIA wurden einst stillgelegte ehemalige Spionageeinrichtungen der USA im Iran entlang der Grenze zur Sowjetunion im Norden des Landes wieder in Betrieb genommen.


Die USA an einer Verlängerung des Golfkrieges interessiert

Wie sehr die CIA an einer Verlängerung des Golf-Krieges zwischen dem Iran und dem Irak interessiert war, belegt die Tatsache, dass sie beiden Seiten präparierte sowie manipulierte Informationen über die jeweilige Gegenseite lieferte, mit dem eindeutigen Ziel, das Kriegsgeschehen zu beeinflussen und beide Seiten von einer Beendigung abzuhalten.(84)

Aus den publizistischen Scherben von "Iran-Gate" schält sich also mit anderen Worten ein eindeutiges Fazit heraus: Trotz aller Widersprüche, trotz des Rückschlages der Veröffentlichung, trotz mancher Widerstände in den USA und vor allem auch im Iran gegen den Deal, trotz der anhaltenden anti-iranischen Rhetorik in Washington und der starken anti-amerikanischen Propaganda wie auch Stimmung in der iranischen Bevölkerung und revolutionären Kräften des politischen Islam - der CIA war es gelungen, in den Jahren nach dem Sturz des Schah im Iran wieder einen begrenzten und daher nicht widerspruchsfreien Einfluss zu gewinnen, Kontakte und Netzwerke auf- und auszubauen - bis in höchste Kreise hinein.

Diese Kontakte sollten sich nicht nur bei der Unterstützung der so genannten Mudjahedin in Afghanistan und später beim Sturz der Taliban in Kabul bewähren, sie wurden zunächst sogar hinsichtlich der Strategie Washingtons, die irakische Regierung unter Saddam Hussein zu stürzen und ein pro-amerikanisches Regime in Bagdad zu errichten, noch intensiviert. Eine Schlüsselrolle spielten dabei sowohl der irakische Exil-Politiker und CIA-Agent Ahmed Chalabi als auch der irakische Kurdenführer Talebani, der ebenfalls schon seit Jahrzehnten beste Beziehungen nach Washington pflegte.(85)

Einen neuen Boom erreichten die nordamerikanisch/iranischen Annäherungen, als Mohammad Chatami 1997 Kandidat zur Präsidentschaft und schließlich gewählter Präsident der Islamischen Republik Iran wurde. Unter ihm kamen zunächst jene politischen Kräfte in Teheran an die Öffentlichkeit, die für eine enge Kooperation mit den USA auf allen strategischen Ebenen eintraten (und auch heute noch eintreten), jedoch von den USA eine endgültige Akzeptanz der Grundlagen des politisches Systems im Iran "als Gegenzug" einforderten. Vor Chatami waren sie noch vielfach gezwungen gewesen, aus dem Hintergrund heraus verdeckt zu arbeiten.


Das Blatt wendet sich

Spätestens seit den Anschlägen vom 11. September 2001 wurden in den USA jedoch jene Kräfte in den USA dominant, die - nicht nur im Iran - auf grundlegenden Systemwechsel orientieren, jede flexiblere Form der Diversion gerade in der Region des Nahen und Mittlern Ostens vehement ablehnten. Die "Achse des Bösen" und der "internationale Kampf gegen den Terrorismus" wurden geboren. Da gab es dann keinen Raum mehr für Flexibilität und Kompromisse (erst gegen Ende der Bush-Administration wurde diese "harte Linie" durch mehr operationelle Flexibilität ergänzt, was es den neuen Präsidenten Obama ermöglicht, an diese Linie anzuknüpfen und diese sogar auszubauen, ohne die "harte Linie" aus einer Mischung von Sabotage, ökonomischem Krieg oder militärischen Aggressionsvorbereitung in Richtung prinzipiellem "regime change" zu vernachlässigen). Erste Konsequenz nach dem 11. September: "Die Regierung der Vereinigten Staaten hat ihre informellen Kontakte zur iranischen Führung abgebrochen und arbeitet nun auf den Sturz des Regimes in Teheran durch einen Aufstand im Inneren hin. Das berichtet die Tageszeitung 'Washington Post' in ihrer Sonntagsausgabe."(86)

Diesen Umschwung hat der gut informierte Hintergrundinformationsdienst "Janes Intelligence Digest" im Juli 2003 sehr anschaulich beschrieben: "Die Spannung zwischen dem Iran und den USA verschärft sich. Die Sackgasse, die seit Präsident Bush die Islamische Republik als Teil der 'Achse des Bösen' gebrandmarkt hat, existiert, verändert sich langsam zu einer großen Krise und die Falken in Washington intensivieren ihren Ruf nach einem Regimewechsel in Iran. (...) In den vergangen Wochen hat sich die US-Administration aus geheimen Gesprächen mit hohen iranischen Offiziellen zurückgezogen. Die iranische Zusammenarbeit gegen Al-Qaida wird jetzt als 'ungenügend' beschrieben und der Druck bezüglich des iranischen Atomprogramms wurde erheblich verstärkt. (...) Es besteht bereits ein breiter Konsens innerhalb der Bush-Administration, dass das derzeitige Regime in Teheran verändert werden muss, es gibt jedoch noch signifikante Differenzen darüber, wie dies geschehen soll. Neokonservative in Pentagon und im Weißen Haus drücken in Richtung konkreter Maßnahmen, einschließlich des Einsatzes von militärischen Mitteln, während Beamte im Außenministerium an dem Versuch eines diplomatischen Wegs festhalten. (...) Obwohl die Bush-Administration unmittelbare Maßnahmen gegen den Iran aufgeschoben hat, intensiviert Washington bereits den nicht-militärischen Druck. (...) Wie vorherzusehen, bleiben die Neokonservativen höchst skeptisch hinsichtlich der Effizienz von Diplomatie bei der Begegnung der Bedrohung, die ihnen zufolge von Teheran für den internationalen Frieden und die Sicherheit ausgeht. (...) Was die Neokonservativen angeht, so gibt es keine wirklich wirksame Alternative als die Anwendung von Gewalt."(87)

"Die Mullahs streben nach einer Bombe. Unsere allgemein akzeptierte Idee ist, sie daran zu hindern. (...) Auf Basis unserer derzeitigen Informationen ist es klar, dass wir nicht in der Lage sind, sie zu stoppen, indem wir ihre Atomanlagen bombardieren. (...) Wie dem auch sei, dass Problem im Iran ist wesentlich größer als das der Waffen. Das Problem ist das terroristische Regime, das nach diesen Waffen trachtet. Dieses Regime muss weg! Dies ist nicht nur die Meinung der Autoren dieses Buches. Es ist die Meinung der überwiegenden Mehrheit der iranischen Bevölkerung. Seit 1999 haben sich die Straßen im Iran mit immer größer werdenden Demonstrationen von Studenten, Arbeitern und ganz normalen Menschen gefüllt, die die Freiheit wollen, Fernsehen zu schauen, Lippenstifte zu benutzen, die Kleidung ihrer Wahl zu tragen, die Arbeit und andere Lebensmöglichkeiten, vor allem jedoch eine Regierung ihrer Wahl, wollen. (...) Sie Riefen Parolen wie: 'Tod den Taliban in Kabul und Teheran!' Und sie schwenkten amerikanische Fahnen... (...) Die iranischen Dissidenten des Jahres 2003 benötigen von uns die gleichen Dinge die die polnischen Dissidenten in den 80er Jahren brauchten. Sie benötigen Kommunikationseinrichtungen, damit die Dissidenten akkurate Informationen aus dem Land herausschicken, aber auch Informationen in das Land hineinholen können. Sie benötigen Geld, um die Familien von streikenden Arbeitern zu unterstützen. Sie brauchen Computer und Drucker, um ihre Pamphlete veröffentlichen und Mails austauschen zu können. Sie benötigen das Wissen westlicher Regierungen um ihre Namen und deren Sorge um ihr Schicksal, damit die iranische Regierung versteht, dass sie zur Verantwortung gezogen wird, falls sie sie verschwinden lassen."(88) Die von Perle eingeforderte logistische und materielle Unterstützung für oppositionelle Kräfte im Iran war bereits angelaufen, als sein Buch noch nicht gedruckt war.


Für ein pro-amerikanisches Regime in Teheran

Es gab sie bereits in diesen Tagen im Iran jene politischen Kräfte, die für ein pro-amerikanisches Regime in Teheran eintreten, sie bildeten (bilden) jedoch nicht die Mehrheit des Volkes, sondern lediglich ein, wenn auch starkes, Segment der Gesellschaft, vor allem unter den Intellektuellen sowie den oberen, ökonomisch einflussreichen Schichten des Landes.

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang ein Interview des "Spiegel" mit einem iranischen Studentenführer aus dem Jahr 2003: "'Wir überwinden unsere Angst'. Der Mitbegründer der Studentenbewegung, Heschmatollah Tabarsadi, über die Unruhen, den Einfluss der USA auf die Reformer und die Zukunft des Mullah-Staates. (...) SPIEGEL: Mit Ihrem Aufstand haben Sie sogar bei US-Präsident George W. Bush Begeisterung geweckt. Freuen Sie sich über die Solidaritätsadressen des 'Großen Satans' im Weißen Haus? Tabarsadi: Ich kann dieses Gerede vom 'Großen Satan' nicht mehr hören. Das iranische Volk verteufelt die USA nicht. Wir betrachten die Amerikaner und auch die US-Regierung als Freund. Und über Unterstützung und Anerkennung von Freunden freut man sich. SPIEGEL: Das Präsidentenlob für Ihre Aktionen ist verbunden mit scharfen Angriffen auf das Atomprogramm Teherans. Hilft dieser Druck von außen Ihrer Bewegung? Tabarsadi: Als friedliebendes Volks brauchen wir keine Nuklearwaffen. Darüber hinaus begrüßen wir jede Art von Druck auf das Regime, auch aus Europa. (...) Auch wirtschaftliche Sanktionen, selbst wenn wir jetzt darunter leiden, sind letztlich in unserem Sinne. (...) In der Außenpolitik setzen wir auf freundschaftliche Beziehungen zu allen Staaten, insbesondere zu den USA (...)."(89)

Eine weitere Schüsselfigur ist der im irakischen Exil lebende Enkel Ajatollah Chomeinis, Hossein Chomeini, über ihn und seinen immer noch im Iran zugkräftigen Namen, erhoffen sich die Strategen in Washington Schlüsselkontakte innerhalb der offiziellen Strukturen der Islamischen Republik Iran, vor allem ihrer Sicherheitsorgane, der Revolutionsmiliz ("Pasdaran") und Armee aufbauen zu können, die den angestrebten "Regimewechsel" im Iran unterstützen, absichern, zumindest jedoch tolerieren würden. Zu diesem Zweck wurde der von der CIA kontrollierte Chomeini-Enkel, der den US-Aggressionskrieg gegen den Irak offen und lauthals unterstützt, vom nordamerikanischen Geheimdienst mit Geld, modernster Kommunikationsausrüstung sowie anderer Logistik ausgestattet.(90)

Logistisch und materiell von der CIA unterstützt wurden auch die vor allem in den USA ansässigen iranischen Monarchisten und besonders die Strukturen des Schah-Sohnes. Dies gilt insbesondere für Fernsehsender, dessen technische Kapazitäten mit Hilfe modernster Satellitentechnik dermaßen "aufgeblasen" werden, dass die pro-amerikanische "Regimewechsel"-Propaganda auch im Iran zu empfangen ist.

Gleichzeitig begannen Washington und ihr CIA damit, analog ihrer Strategie vor dem Aggressionskrieg gegen den Irak, die zersplitterte iranische Exil-Opposition zusammenzubringen, um nach Möglichkeit eine gemeinsame politische Plattform zu bilden, die als politische Alternative zu den derzeit im Iran Herrschenden international angesehen und verankert werden kann als Vorstufe zum "Regimewechsel". Im Rahmen dieser Strategie baute der nordamerikanische Geheimdienst CIA, auch mit Unterstützung seines Partners in Israel, dem MOSSAD, auch auf die Rolle vorgeblich "linker" Organisationen wie der Gruppe "Rahe Kargar" ("Weg der Arbeiter"), der so genannten "Arbeiterkommunistischen Partei des Iran"(91), der Gruppe "Komeleh" oder der "Organisation der Volksfedajin (Mehrheit)".

Nicht zu vergessen sind dabei auch die 3000 bis 5000 im Irak stationierten Anhänger der Volksmodjiahedin, die mit allen Mitteln das iranische Regierungssystem stürzen wollen. Sie verfügen um eine gut ausgebildete militärische Truppe. Nach der Besetzung des Irak durch die USA wurden die Lager der Volksmodjiahedin von den Okkupanten nicht aufgelöst. Ihre militärisch erfahrensten Kader werden inzwischen von der CIA für aktive terroristische Destabilisierungsoperationen im Iran genutzt.


Terroristische Optionen offen halten

Dem nordamerikanischen Geheimdienst, aber auch dem MOSSAD, stehen für terroristische Destabilisierungsoperationen im Iran - neben lokal operierenden Banden aus Schmugglern und Drogenhändlern, die zumeist aus Pakistan, Aserbaidschan oder auch der Türkei in das Land einsickern - noch folgende Organisationen zur Verfügung:

1) "Jundallah" - eine Organisation, die unter der Maske wahabitisch-islamististischer Parolen und Sprache à la Al-Quaida auftritt und von Pakistan in der Iran einsickert. Hinter dieser Organisation steht jedoch der nordamerikanische Geheimdienst CIA, der über sein Netzwerk in Pakistan, das Elemente des pakistanischen militärischen Geheimdienstes ISI mit einschließt, "Jundallah" trainiert und ausrüstet. Diese Truppe hat seit Beginn dieses Jahres ihre Anschläge im Iran intensiviert, vor allem im Vorfeld der vor kurzem abgehaltenen Präsidentschaftswahlen. Das diese Organisation keine Fiktion ist, mussten sogar westliche Medien vermelden, die verschiedentlich über solche Anschläge berichten mussten(92);

2) "PJAK" - eine kurdische Organisation ganz offensichtlich mit engen Verbindungen zur kurdisch-türkischen Organisation PKK. "PJAK" kooperiert auf das engste mit der CIA, aber auch mit dem bundesdeutschen BND; der Vorsitzende dieser Organisation lebt in Köln, reist jedoch regelmäßig in die USA und in den kurdischen Teil des Irak. Die logistische Unterstützung für PJAK vor allem an Waffen und Kommunikationstechnik sowie Ausbildungsprogramme werden von der CIA, aber auch dem MOSSAD, vor allem über das kurdische Gebiet im Irak abgewickelt. Dies geschieht mit Duldung, Wissen und Abdeckung des irakischen Präsidenten Talebani sowie dem irakischen Kurdenführer Barzani. Beide sind seit Jahren in engster Zusammenarbeit mit den USA sowie der CIA und lassen zudem den israelischen Geheimdienst MOSSAD in dem von ihnen kontrollierte Gebiet freie Hand, vor allem auch für Aktionen gegen den Iran;

3) Kleine monarchistische Grüppchen von Schah-Anhängern, die unter wechselnden Namen aktiv wurden, vor allem kurz vor und nach den Wahlen während der Demonstrationen, die von der so genannten Opposition organisiert wurden. Sie wie auch von der CIA gesteuerte Kader der "Volksmodjahedin" heizten diese Demonstrationen gezielt an, organisierten gewaltsame Angriffe auf Polizisten, Einrichtungen der Freiwilligenmiliz Bassidj oder staatliche Institutionen. Eine perfide Methode war es, in Uniformen der Bassidj mit Waffen gegen Demonstranten vorzugehen. Es wurden mehrere dieser Provokateure (samt Waffen und Kommunikationseinrichtungen) verhaftet. In diesem Zusammenhang wird wohl auch der von den westlichen Medien hochgeputschte und der iranischen Regierung angelastete Mord an der Studentin Neda zu werten sein. Zunächst einmal wurde bei diesem Anschlag ein Waffentyp verwendet, der nicht zur Ausrüstung der iranischen Sicherheitskräfte gehört. Selbst der US-amerikanische Fernsehsender CNN berichtete - wenn auch nur kurz - am 28. Juni, dass im iranischen Fernsehen zwei Zeugen des Vorfalls ausgesagt hätten, dass zum Zeitpunkt des Anschlages keine iranischen Sicherheitskräfte auch nur in der Nähe von Neda gewesen seien. Für die Behauptung, Neda sei von einem Basidj-Freiwilligen erschossen worden, gibt es - auch in den westlichen Medien - bisher nur einen einzigen Zeugen, der allerdings inzwischen zugeben musste, dass er dies nur vom Hörensagen erfahren habe. Es ist der Arzt Arash Hejazi, der in England lebt und, wie Wunder, wie viele andere Zehntausende Exil-Iraner zum Zeitpunkt der Wahlen im Iran waren... Gerade die britische BBC, die täglich ein persisch-sprachiges Programm in den Iran sendet, machte jedoch, ohne auf diese Fakten einzugehen, aus dem Mord an Neda eine Propagandaschlacht gegen den Iran. Es ist ganz offensichtlich, nicht nur im Krieg, sondern auch bei Umsturzversuchen, ist die Wahrheit das erste Opfer...


Die Situation eskaliert kurz vor und nach den Wahlen

Die Präsidentenwahlen sollten zu einem Wendepunkt werden. Schon bereits Wochen vor dem eigentlichen Wahltag wurde deutlich, wer für die westlichen Medien sowie die führenden politischen Kreise in Europa wie auch die USA der Wunschsieger sein sollte: der so genannte Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi. Als dann eintrat, was nicht eintreten sollte und Mahmoud Ahmadinedjad die Wahlen haushoch gewann, begann die Propagandaschlacht, die Foul und Wahlfälschung rief. Wir wollen an dieser Stelle nicht auf die vielen Aspekte eingehen, die die westliche Propaganda und ihrer Freunde von der so genannten iranischen Opposition mehr als in Frage stellen. Bei kühlem, logischen Gedanken ist ein so massiver Vorsprung wie 11 Millionen Stimmen schon logistisch kaum fälschbar, ohne das eindeutige Beweise hierfür nach außen sickern würden.

Dennoch: Mussawi erklärte sich noch vor dem Ende der Auszählung zum Sieger und schon bald kursierte ein angebliches Dokument als Originalkopie im Iran, dass diese Aussage bestätigen sollte.(93) Pech nur, dass es sich bei diesem Dokument um eine ziemlich professionelle CIA-Fälschung handelt, die im Land auf unterschiedliche Art und Weise verbreitet wurde.

Und überhaupt: mit den Wahlen und den Protesten danach eskalierte eine Entwicklung, die in den letzten drei, vier Jahren ganz systematisch vorbereitet worden war. Schon unter dem ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush waren rund 400 (!) Millionen US-Dollar für die unterschiedlichsten Programme zur Destabilisierung der Islamischen Republik Iran ausgegeben worden; diese Programme wurden von seinem Nachfolger Barak Obama nicht gestoppt - im Gegenteil, dieser vorgebliche Hoffnungsträger machte noch in diesem Jahr weitere Dollars locker, no change. So erhöhte der neue US-Präsident entsprechende Budgets für die Organisationen "U.S. Agency for International Development (USAID)" und die "Rear Eastern Regional Democracy Initiative" um 20 bzw. 15 Millionen US Dollar. Beide Organisationen können als von der CIA beeinflusst und genutzt angesehen werden.

Sicherlich ging und geht (unter Bush damals wie heute unter Obama - die Kontinuität lässt grüßen...) ein großes Stück des finanziellen Kuchens an die traditionellen iranischen Exil-Organisationen, von Monarchisten bis hin zu angeblichen "Linken" und dennoch hat sich in den letzten Jahren eine Veränderung herausgeschält. Inzwischen wird ein nicht unbeträchtlicher Anteil der Unterstützung über jungen, gut ausgebildeten intellektuellen Iranern ausgeschüttet, die in zweiter oder Dritter Generation in Europa oder den USA bzw. Kanada leben und keiner der traditionellen Exilparteien angehören. Diese Kreise sind jedoch sehr gut vernetzt und verfügen über teilweise ausgezeichnete Kontakte in den Iran, halten sich auch regelmäßig dort auf. Für sie waren in den letzten Jahren eine Reihe von Unterstützungsprogramme über Organisationen wie die "National Endowment for Democracy", das "Woodrow Wilson Center", "Iran Heritage Foundation", "PARSA Community Foundation", "National Iranian Amewrican Council", "Foundation for Democracy in Iran", "Committee on Present Danger", "Freedom House" oder das "Open Society Institute (Soros)" entwickelt worden, wobei sich die Urheber auf Erfahrungen der sogenannten "orangenen (Konter)Revolutionen" in Europa stützten. Damit gelang es zudem, eine nicht geringe Zahl dieser im Ausland lebenden Iraner geheimdienstlich anzubinden, zu nutzen und/oder zu beeinflussen. Das erklärt, warum in den letzten Monaten mehrere Iraner, die in den USA leben (die nordamerikanische wie iranische Staatsbürgerschaft besitzen), sich aber zum Teil für einen längeren Zeitraum im Iran aufgehalten hatten, unter den nachgewiesenen Vorwürfen, im Auftrag dieser Institutionen oppositionelle Strukturen zur Vorbereitung einer "orangenen Revolution" aufgebaut zu haben, verhaftet und verhört wurden; viele von ihnen wurden wenig später entlassen und abgeschoben.(94) Von westlichen Medien und politischen Institutionen wird dies in der Regel "Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen" genannt. Unterstützt wird die CIA dabei von befreundeten Diensten wie den bundesdeutschen BND, den britischen MI6, den französischen, holländischen oder norwegischen Geheimdienst unterstützt. Für Sonderoperationen stellt der BND MOSSAD-Agenten bundesdeutsche Originalpässe für Tarnidentitäten aus.

Besonderer Schwerpunkt in den Monaten vor der Wahl war der Aufbau alternativer und sicherer Kommunikationsstrukturen im Iran. Hierfür wurde die entsprechende Technologie geliefert und das notwendige Personal hierfür trainiert. Als Abdeckung hierfür dient in den USA das so genannte "International Broadcasting Bureau" (in deren Führungsgremium US-Außenministerin Hillary Clinton sitzt). Im Auftrag dieser Organisation wurde ein sicheres Programm (The Onion Router/ONR) entwickelt und im Iran verbreitet, das es den Usern dort erlaubt, unter Wahrung ihrer Identität und in relativer Sicherheit von Hackern untereinander und mit dem Ausland zu kommunizieren bzw. sich mit Facebook und Twitter zu vernetzen. Wir erinnern uns: diese Quellen waren dann die Basis für die tägliche Berichterstattung über die Aktivitäten der so genannten Opposition kurz nach der Wahl. Der Kreis schließt sich, wieder einmal...


Am Gängelband westlicher Strategen und Dienste

In den westlichen Medien wird die so genannte iranische Opposition um die beiden Gegenkandidaten zu Präsident Ahmadinedjad beschrieben: Mir Hussein Mussawi, Ajatollah Karubi sowie Mohsen Rezai. Alle drei Kandidaten haben wir schon im Zusammenhang mit "Iran-Gate" als eng verbündet mit westlichen Strategen und Geheimdiensten, aber auch dem zionistischen MOSSAD kennengelernt. Schauen wir uns die miteinander verknüpften Netzwerke dieser drei Kandidaten noch genauer an, so kann man ohne Übertreibung behaupten, dass alle drei Kandidaten am Gängelband westlicher Geheimdienste und Politikstrategen hängen:

1) Mir Hussein Moussawi. Die direkten Verbindungen zu politischen, medialen und geheimdienstlichen Kreisen in die USA laufen zum Teil über seine Frau Sahra Rahnaward oder den prominenten iranischen Filmemacher Mohsen Makhmalibaf. Der ehemalige "Genscher-Vertraute" Sadegh Tabatabai hält entsprechende Kontakte in die Bundesrepublik, alte Kanäle nutzend;

2) Mohsen Rezai ist ein Mann der USA. Die direkten Drähte zur CIA laufen über seinen Sohn Ahmad Rezai, der jahrelang in den USA gelebt und sich dort als Oppositioneller geriert hatte. Er war vor etwa zwei Jahren in den Iran zurückgekehrt und dort als Einflussagent der CIA und Kontakt zu seinem Vater tätig. Zuletzt war Ahmad Rezai beim so genannten Expertenrat (Vorsitzender ist der uns schon bekannte Herr Rafsandjani!), wo er internste Dokumente und Informationen abschöpfte und an seine CIA-Führungsoffiziere ablieferte. Ihm und seinem Vater war zudem ein weiterer Coup gelungen: die Rekrutierung des Pasdaran (Revolutionsmiliz)-Generals Ali Reza Ashgari für die CIA, der schließlich Ende 2007 über Dubai in die USA ausgeschleust wurde. Dank diesem Überläufer ist es der CIA gelungen, internste Informationen aus den Pasdaran zu bekommen, deren ehemaliger Oberkommandierender Mohsen Rezai schließlich einmal war. Damit ist dieser einer der Aktivposten der CIA, um Informationen aus den Sicherheitskräften der Islamischen Republik Iran zu erhalten;

3) Ajatollah Mehdi Karubi ist ebenfalls als "Iran-Gate"-Zeiten ein alter bekannter der CIA, der inzwischen über seinen so genannten Beraterkreis auch enge Beziehungen zu politischen Strategen und Geheimdienstkreisen in Großbritannien hält.

Auch der ehemalige Botschafter des Iran und frühere Atomunterhändler des Iran Hussein Mussawian ist im Umfeld der sogenannten iranischen Opposition, auch Reformer genannt, zu finden. Er ist ein langjähriger Aktivposten des bundesdeutschen Auslandsgeheimdienstes BND, war 2007 im Iran bereits einmal unter Verdacht, inhaftiert und nach Interventionen des mächtigen Mannes im Hintergrund Rafsandjani wieder freigelassen worden.

Hinter all diesen oppositionellen Netzwerken steht der starke Mann im Hintergrund, der Vorsitzende des so genannten Expertenrates, Hashemi Rafsandjani. Dieser Mann hat seit dem Sieg der iranischen Revolution durchgängig Schlüsselpositionen inne, die er ausnutzt, um seine persönliche und ökonomische Macht auszubauen. Er gilt als reichster Mann des Iran und steht daher, ganz konsequent, für die Durchsetzung eines Turbokapitalismus und eine scheunentorartige Öffnung zum Westen. Deshalb hat er von Anfang an auf geheimen Wegen Kontakte zu westlichen Strategen und ihren Geheimdiensten aufgebaut; das konnten wir ja schon im Zusammenhang mit "Iran-Gate" belegen. Heute dienen sein Sohn Mohsen als Schlüsselperson für seine Kontakte in den USA und seine Tochter Faiseh unterhält entsprechende Netzwerke nach Großbritannien und Frankreich. Sie scheut sich auch nicht mit monarchistischen Kreisen zusammenzuarbeiten; so veröffentlichte sie in ihrer Frauenzeitung "San" sogar einen Neujahresgruß der Frau des gestürzten Schah, Farah Diba, was wohl nicht anders als eine Homage an das vom iranischen Volk in seiner Revolution auf dem Müllhaufen der Geschichte geworfene faschistische Schah-Regime gewertet werden kann. San ist eine jener pro-westlichen Sumpfblüten, die unter dem im Westen umjubelten ehemaligen Präsidenten Mohammad Chatami entstanden war.

Obwohl wir hier aus Platzgründen nur einiges anreißen und aufzeigen konnten, erscheinen die westlichen politischen, ökonomischen und geheimdienstlichen Interventionen wie eine unendliche Geschichte. Die nächsten Wochen werden zeigen, mit welchen Methoden sie weitergehen werden und ob ein israelischer Angriff mit nordamerikanischer Unterstützung auf den Iran zu Obamas großen Krieg werden wird. Wir werden weiter berichten (müssen)...

Abou Hassan, Hamid Soltanpour, Michael Opperskalski

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Anmerkungen

(33) zit. Nach "Spiegel-Online", www.spiegel.de, 5. Juli 2009

(34) "The Times", London, 13. März 2005

(35) Siehe dazu: AFP, 28. Januar 2005

(36) Siehe dazu ausführlicher entsprechenden Kasten in diesem Heft sowie u.a.: AFP, 16. Januar 2005; "The New Yorker", 16. Januar 2005; "Neue Züricher Zeitung", 18. Januar 2005; "junge welt", 18. Januar 2005; "The Australian", 18. Januar 2005; "Al Jazeera", 18. Januar 2005; "Süddeutsche Zeitung", 18. Januar 2005

(37) David Frum, Richard Perle: "An End To Evil. How to win the war on terror", Random House (New York, USA) 2003, S.110 ff.. Richard Perle (Spitzname: "Fürst der Finsternis" ist einer der wichtigsten Ideologen und Strategen der so genannten Neokonservativen in den USA. Er war und ist in verschiedenen Funktionen als Berater sowie Politik entwickelnde und/oder umsetzende Führungsfigur der Bush-Administration tätig. In diesem Zusammenhang war Perle einer der Architekten des US-Krieges gegen den Irak, einschließlich der ihm voraus gehenden massiven Desinformationen, die den Angriffskrieg international und national legitimieren sollten

(38) Vgl. dazu ausführlich: GEHEIM, Nr. 3/2004

(39) "junge Welt", 29. Januar 2005

(40) "Neue Züricher Zeitung", 23. Dezember 2004. Vgl. dazu auch: "Frankfurter Allgemeine Zeitung", 23. Dezember 2004

(41) Vgl. dazu ausführlich: "Pakistan Tribune", 24. März 2003

(42) "Frankfurter Allgemeine Zeitung", 26. Mai 2003

(43) Vgl. dazu: russische Nachrichtenagentur "Novosti" vom 10. März 2005

(44) "Herald Tribune", 18. Mai 1951

(45) Zit nach: G.Neuberger/M.Opperskalski:"CIA im Iran", Bornheim 1982, S. 24

(46) Ebenda, S. 25

(47) Ebenda, S. 26

(48) Ebenda, S. 27

(49) "Newsweek", 14. Oktober 1974

(50) Zit nach: G.Neuberger/M.Opperskalski:"CIA im Iran", Bornheim 1982, S. 30

(51) Ebenda, S. 59

(52) Ebenda, S. 60

(53) Ebenda, S. 61

(54) Ebenda, S. 67

(55) "Konkret", Juli 1980

(56) Zit nach: G.Neuberger/M.Opperskalski: "CIA im Iran", Bornheim 1982, S. 143

(57) Ebenda

(58) Ebenda, S. 45

(59) Ebenda, S. 101

(60) P.Agee/I.Wolff: "Dirty Work, CIA in Western Europe", New York 1978, S. 68

(61) Vgl dazu ausführlicher: G.Neuberger/M.Opperskalski: "CIA im Iran", Bornheim 1982, S. 101 ff.

(62) Ebenda, S. 111 ff.

(63) "International Herald Tribune", 8. März 1982

(64) Ebenda

(65) Bob Woodward: "Reagan und die geheimen kriege der CIA", München 1987, S. 620/21

(66) "Epoche", Nr. 4/1981

(67) "International Herald Tribune", 20. November 1986

(68) "International Herald Tribune", 15. Oktober 1986

(69) "Sender der israelischen Streitkräfte", 29. Oktober 1987, 6.00 Uhr (GMT)

(70) "International Herald Tribune", 5. Dezember 1986

(71) Vgl. dazu: "die tageszeitung", 4. Dezember 1987 sowie "Neue Zeit" (Moskau), Nr. 32/1987

(72) Zit. Nach: "Tower-Report" aus: Konrad Ege (Hrg.): "Iran-Gate", Köln 1987, S. 34 ff.

(73) Ebenda, S. 30

(74) "Der Spiegel", Nr. 49/1986

(75) Er gehört heute (wieder) zu den neokonservativen, pro-zionistischen Kreisen in Washington, die erneut die Situation zu Gunsten nordamerikanischer strategischer Interessen im Iran zu beeinflussen suchen, diesmal mit Krieg und offener Intervention, vgl. dazu ausführlich: GEHEIM, Nr. 3/2004

(76) "die tageszeitung", 29. Januar 1987

(77) "International Herald Tribune", 8. Oktober 1987

(78) Ebenda

(79) Ebenda

(80) Vgl. dazu: "Express" (Köln), 22. Juni 1987

(81) "Kölner Stadt-Anzeiger", 5. September 1987

(82) Zit. Nach: IRNA (Iranische Nachrichtenagentur), 29. Januar 1987

(83) Bob Woodward: "Reagan und die geheimen Kriege der CIA", München 1987, S. 621

(84) "Neue Züricher Zeitung", 15. Januar 1987; "Süddeutsche Zeitung", 17. Dezember 1986

(85) Vgl. dazu ausführlich: Robert Baer: "See No Evil", New York 2002

(86) "Frankfurter Allgemeine Zeitung", 26. Mai 2003

(87) Aus: Jane's Intelligence Digest (JID), 6.06.03. Dieser so genannte Hintergrunddienst verfügt traditionell über ausgezeichnete Kontakte zur britischen sowie nordamerikanischen Geheimdienstgemeinde

(88) Aus: David Frum, Richard Perle: "An End To Evil. How to win the war on terror", Random House (New York, USA) 2003, S. 110 ff. Richard Perle (Spitzname: "Fürst der Finsternis") ist einer der wichtigsten Ideologen und Strategen des so genannten Neokonservativen in den USA. Er war und ist in verschiedenen Funktionen als Berater sowie Politik entwickelnde und/oder umsetzende Führungsfigur der Bush-Administration tätig. Er war einer der Architekten des Aggressionskrieges gegen den Irak.

(89) "Der Spiegel", 23. Juni 2003 (Nr. 26/2003)

(90) Vgl. dazu auch: "International Herald Tribune", 6. August 2003 sowie "Süddeutsche Zeitung", 7. August 2003

(91) Die so genannte "Arbeiterkommunistische Partei des Iran" wird vor allem vom israelischen Geheimdienst MOSSAD beeinflusst und/oder gesteuert

(92) vgl. dazu u.a.: "Süddeutsche Zeitung", 2. Juni 2009

(93) Vgl. dazu: Robert Fisk in www.belfasttelegraph.co.uk, 18. Juni 2009

(94) vgl. dazu u.a.: "Neue Züricher Zeitung", 24. Juli 2007; ebenda, 30. Mai 2007; AFP, 30. Mai 2007; "Süddeutsche Zeitung", 21. September 2007. Eine entsprechende Rolle spielt in der Bundesrepublik die der Partei "Bündnis 90/Die Grünen" nahe stehende "Heinrich-Böll-Stiftung", die über beste Beziehungen zur so genannten Opposition im Iran verfügt

Raute

Irene Eckert: Die Friedensbewegung hat nicht den Mut, zur Antikriegsbewegung zu werden.

Beitrag zum Stand der "Friedensbewegung" im Sommer 2009

Am Samstag, den 11.07.09 tagte im Naturfreundehaus "Karl Renner" in Berlin Lichterfelde die "Berliner Friedenskoordination", ein Bündnis, das erstmals 1980 die Friedenskräfte der damals noch geteilten Stadt zusammenbrachte, jene die sich gegen die Stationierung neuer Atomraketen in Europa positioniert hatten und die überwiegend den Krefelder Appell unterstützten.

Die Kraft jener Bewegung war damals stark. Die Moderation des großen und sehr heterogenen Bündniskreises, der unter anderen Gewerkschaften, Parteienvertreter, Wissenschaftler, Pfarrer, Frauengruppen umfasste, wurde zunächst von der großen Persönlichkeit des Journalisten und ehemaligen Spanienkämpfers Fritz Teppich geleistet. Später traten der Studentenpfarrer Ton Veerkamp und dann der Arzt Michael Venedey die schwierige Aufgabe an, bis schließlich die Lehrerin und ehemalige Sprecherin der Wilmersdorfer Friedensinitiative, Laura von Wimmersperg, das inzwischen zur Institution gewordene "Amt" verwaltete.

Bis zum Nato-Tribunal gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Jugoslawien war die Berliner "Friko" die Adresse, wo sich einmal im Monat die Friedensbewegung traf. Die Bewegung gegen die auf den September 2001 folgenden Angriffskriege fand dann schon mindestens zweigleisig statt, neben der Friko hatte sich die "Achse des Friedens" etabliert, von der die wichtigen Initiativen ausgingen.

Auch die Attac-AG gegen "Globalisierung und Krieg" spielte vorübergehend - vor allem zur Mobilisierung gegen den Irak-Angriff - auch eine relativ bedeutende Rolle, bevor der trotzkistische "Linksruck" und natürlich die von vielen so erlebte Ohnmacht der Bewegung zum Niedergang der Gruppe beitrug. Im Osten der Stadt gewannen die Aktivitäten des "europäischen Friedensforums" eine größere Bedeutung.

Insgesamt spiegelt sich in der gesamten Friedensszene heute eine Lähmung wider, die am Samstag im Karl Renner Haus und dann auch in der Woche darauf im ND-Gebäude bei einer bundesweiten Vorbereitungsrunde zu einer "Afghanistan Aktionskonferenz" am 22. August in Berlin, ihren traurigen Höhepunkt fand. Die Veranstaltung der Friko war dem Gedenken von Michael Venedey gewidmet. Das letzte Seminar fand 2006 im DGB-Haus statt und befasste sich immerhin in einem zentralen Beitrag von Rechtsanwalt Schulz mit der Islamfeindlichkeit.

Diesmal standen die Problemkreise "Atomwaffen noch ein Schlüsselthema!" (Referent: Andreas Heneka) und "Afghanistan/Pakistan - Vietnam der Nato?" (Lühr Henken) im Mittelpunkt. Darüber hinaus wollte Uwe Hiksch für "Eine neue Streitkultur" und dem "Spagat zwischen Kompromiss und Inhalt" eine Bresche schlagen.

Der von mir schriftlich vorbereitete Beitrag war als persönliche Stellungnahme so grundsätzlich gefasst, weil die Zusammenarbeit seit langem belastet war und ich nicht darauf hoffen konnte, auf viel Verständnis mit meinem Anliegen zu stoßen. Die Heftigkeit der Abwehr, auf die mein unten stehender Beitrag gestoßen ist, war dann doch - im Interesse des Anliegens - schwer zu verkraften.

Ich bat zunächst um Aufmerksamkeit, die meinem Kollegen, der darauf bestanden hatte, dass es zwischen Krieg und Frieden keine Kompromisse geben könne, sondern wir kompromisslos im Sinne der UN-Charta dafür eintreten müssten die "Menschheit von der Geißel des Krieges zu befreien", nicht zuteil geworden war. Seine Worte gegen den Menschenrechts-Interventionismus und jene, die darauf abhoben, dass der Iran nach Meinung von Experten weder über Atomwaffen verfüge, noch solche in absehbarer Zeit bauen könne, fanden keine konzentrierten Zuhörer.

Ich bat um die notwendige Aufmerksamkeit und setzte mich gegen den Widerstand, ein vorbereitetes Statement abgeben zu dürfen, durch. Ich hatte es für alle Teilnehmer kopiert und die Rückseite mit dem Brief der deutsch-arabischen Dachverbände an die Kanzlerin versehen, in dem diese sich gegen den Mord an der ägyptischen Muslimin Marwa al-Sharabinh vor einem Dresdener Richter und gegen die Islamophobie wenden. Keiner wollte sich meines Textes vergewissern.

Mein trotz mehrfacher Unmutsbekundungen vorgetragener Redebeitrag wurde anschließend als "randständig-radikal", als "Beitrag zum Streit aber nicht zur Kultur" oder als "nicht zur Sache" abgewertet.


*


Irene Eckert: Persönliche Stellungnahme am 11.7.09

Kolleginnen und Kollegen,

1,5 Millionen Menschen sind nach dem völkerrechtswidrigen kriegerischen Angriff auf den Gazastreifen Ende Dezember/Anfang Januar nach wie vor unter Quarantäne. Notwendige Wiederaufbauhilfe, die Versorgung mit medizinischen und anderen existenziell nötigen Gütern wird ihnen weitgehend vorenthalten. Die Menschen dort leben noch oder sterben leise in einem riesigen Feiluftgefängnis. Nicht viel besser sind die Zustände im Westjordanland. Verursacht wird das Elend der Menschen von einem Staatswesen, mit dem Solidarität zu üben die "deutsche Staatsraison" seit Herbst 2008 vorschreibt. In der Regierung des besagten Staates geben inzwischen offen rechtsradikale Kräfte den Ton vor. Die große Missachtung von Menschen- und Völkerrecht gehörte aber auch schon zur Politik vorausgehender Regierungen eines Landes, indem die Diskriminierung der eigenen Staatsbürger, soweit sie nicht der verbindlichen Mehrheitsreligion oder Mehrheitsethnie angehören, ebenfalls die Staatsraison gebietet. Wenn es dessen Staatsraison für an der Zeit hält, so wird der gemeinsame Verbündete jenseits des Atlantik auch einen präventiven Angriffskrieg, der dann sicher nicht so benannt sein wird, gut heißen, auch wenn der Vizepräsident und der Präsident des großen Bruderlandes in dieser Frage noch nicht ganz einig scheinen. Eine Forderung nach "Solidarität mit dem palästinensischen Volk" sucht man daher in diesem Kreis vergeblich. Kein Wunder, wenn selbst der Deutsche Gewerkschaftsbund sich zur Solidarität mit der Schwesterorganisation Histradut herausgefordert fühlt, die ebenfalls eine staatstragende Kraft ist in ihrem Land.

Die "Friedens"kräfte dieser Stadt und republikweit trauen sich folgerichtig auch nicht zu einem klaren und kompromisslosen Statement, das da etwa lauten könnte: "Hände Weg vom Iran!", weil sie unter Verletzung der UN-Charta mit den Oppositionskräften in und außerhalb des zum Schurkenstaat erklärten Landes auf den Sturz der eben gewählten Regierung Ahmadinedjad setzen und damit auf einen, wie sie meinen, "epochalen Wandel" hoffen.

Dieselben "Friedens"kräfte gingen Anfang Januar folgerichtig nur zögerlich und in geringer Zahl auf die Straße, als es die internationale Solidarität gebot, sich hinter das von Phosphorbomben bedrohte palästinensische Volk in Gaza zu stellen - ohne Wenn und Aber. Das Feindbild von der "radikal-islamistischen Hamas", die mit ihren Raketen wahllos Zivilisten hinmorden, steckt gut vorbereitet und nachhaltig in den Köpfen fest. Die Palästinenser blieben bei den Demonstrationen dem entsprechend weitgehend unter sich. Das ermöglichte der Polizei willkürlich zuzugreifen.

Dass im Iran die "Oppositionellen" auch im islamisch-geistlichen Wächterrat sitzen und zwar an vorderster Stelle, wie etwa der neoliberale Ex-Präsident Rafsandjani, tut der Solidarität mit diesen Hoffnungsträgern allerdings keinen Abbruch. Der Konsens mit solch einer Haltung wird stillschweigend ohne Diskussion vorausgesetzt, so geschehen im Nahostkomittee der Friko am 2. Juli 2009.

Wenn, wie am 1. Juli in Dresden eine schwangere muslimische Frau im Gerichtssaal vor den Augen des Richters ermordet wird und der Bundesbandverband deutsch-arabischer Vereine in einem offenen Brief dazu aufruft, gemeinsam gegen Islamophobie Stellung zu beziehen, dann gibt es dazu keine Resonanz aus der "Friedens"bewegung.

Zu Honduras, wo ein legal amtierender Präsident von der durch die SOA geschulten Armee aus dem Schlafzimmer heraus verhaftet und entführt wird und wo seither die Massen täglich für seine Rückkehr die Straßen füllen, gibt es aus der "Friedens"szene keine Stellungnahme.

Zu den schlimmen Vorgängen in Xingjang/China, wo aufständische muslimische Uiguren vandalisierend gegen Sachen und Menschen vorgehen und dabei Menschenopfer verursachen, fühlt sich die "friedensbewegte" Öffentlichkeit auch nicht gefordert, etwas zu sagen. Wenn Partei zu ergreifen wäre, dann höchstens gegen die dort zum Schutz der Bürger eingreifende Staatsgewalt.

Wenn in der projektierten EU-Verfassung, pardon dem Lissabon-Vertrag, ganz offen die Militarisierung Europas und eine weltweite militärische Interventionspolitik verankert wird, dann wehrt sich das Häuflein "friedensbewegter" Menschen standhaft dagegen, eine eindeutige Position dagegen zu beziehen, wie etwa: "Nein zur Militarisierung Europas".

Wenn in Aufrufentwürfen entschieden Position für den "Rückzug der Truppen aus Afghanistan" plädiert wird und aufgezeigt wird, dass die Aufrüstungspolitik zu Lasten der Sozialpolitik geht, dann wird so lange daran "herumgefeilt", bis vom Kerngehalt der Argumentation nichts mehr übrig bleibt.

Wenn neue Tapferkeitsorden für Soldaten an der Front am Hindukusch erteilt werden, dann schweigt die "Friedensszene" dazu.

Wenn Krieg und Besatzung im Irak inzwischen nach unabhängigen Studien bereits über eine Million Menschenopfer gefordert haben, dann ist das trotzdem nicht ausreichend für die klare Forderung: "Schluss mit Besatzung und Krieg".

Wer mit Nachdruck und Beharrlichkeit obige Losungen immer wieder als dringlich geboten anmahnt, muss damit rechnen ausgegrenzt und hinterrücks diffamiert zu werden.

Was ist der Grund für das angedeutete Einknicken einer Bewegung, die einmal, vor langer Zeit, mutig aufgetreten ist? Welche Kompromisse mit den Mächtigen sollen noch eingegangen werden, bevor wir kollektiv aufwachen und begreifen, dass wir einer raffinierten Feindbildpropaganda auf den Leim gegangen sind, deren Opfer früher oder später wir selber sein werden? Mit wem wollen wir denn noch Kompromisse schließen, bevor wir merken, dass wir dabei zugrunde gehen, zuerst als Friedensbewegung, dann als der Aufrichtigkeit verpflichtete Menschen, dann als Menschen überhaupt?

Verweigern wir uns jetzt dem allseits angemahnten kollektiven Konsens, dann gehen wir vielleicht ein Risiko ein, aber wir bleiben Mensch und können uns selber noch ins Auge sehen. Suchen wir den Konsens mit jenen Individuen, die den Mut aufbringen im Sinne von Wolfgang Borchert NEIN zu sagen.

Irene Eckert, Berlin, Studienrätin i.R., Lebenslanges WILPF-International Mitglied

Raute

POLITISCHE ÖKONOMIE

Heerke Hummel: Ware und Geld in der heutigen Gesellschaft; oder: Der Wert in der Finanzform

Ich wurde gebeten, mich zu dem in "offen-siv" geführten Disput zwischen Wolfgang Hoss und Hermann Jacobs über Warenproduktion und Geld im Sozialismus zu äußern. Das ist insofern nicht leicht, als bei der Länge der sehr ins Detail gehenden und mit Zitaten gespickten Beiträge die Unterschiede in den Ansichten unscharf werden.

Immerhin stimmen ja beide Autoren darin überein, "dass die Theorie, die die Beibehaltung der Warenproduktion in den Ländern des ehemaligen Ostblocks forderte, nicht nur einer grundsätzlichen Revision der Sozialismustheorie von Marx und Engels gleichkam, sondern ein verhängnisvoller Irrtum war." (Zitat Hoss)

Trotz dieser Übereinstimmung, worin ich beiden folge, meint Hoss, wie er mir mitteilte, "dass das Geld in einer sozialistischen, nicht mehr auf Warenproduktion gegründeten Wirtschaftsordnung fortbestehen kann, und dass es bereits heute schon keine Ware mehr ist", während Jacobs meint: "... einen Sozialismus mit Arbeitszeitzertifikaten hat es nicht gegeben, er blieb stattdessen beim Geld", (denn) ein Arbeitszertifikat sei "ein an die Person gebundener Schein über eine Arbeitsleistung..." Wieso an die Person gebunden?

Ich halte es für notwendig, tiefgründiger von den Erscheinungen der Wirklichkeit zu abstrahieren und auf das Wesen der Sache zu schließen, sowohl was die damaligen "sozialistischen", als auch was die heutigen Verhältnisse betrifft. In UTOPIEkreativ (Heft 212, Juni 2008 - auch unter http://heerkehummel.googlepages.com/warenwert%2Cwobistdugeblieben%3F) zeigte ich

1. wie sich für Marx Entstehung und Entwicklung der Wertform darstellten,

2. wie Marx auf ihr schließliches Verschwinden schloss,

3. dass und wie sich dieser Prozess aus der Logik der kapitalistischen Reproduktion heraus, also auf Grund des Bewegungsgesetzes der bürgerlichen Gesellschaft in der Realität bereits vollzogen hat,

4. wie dieser Wandel logischerweise zu einer veränderten Betrachtungsweise des gesellschaftlichen Reproduktionsprozesses (quasi aus einem anderen Blickwinkel heraus) führt bzw. durch diese veränderte Betrachtungs- und Darstellungsweise offenbar wird.

Im Folgenden wiederhole ich, was ich dort zur Herausbildung der Finanzform als neuer Erscheinungsform des Wertes (der Wert in der Finanzform) darlegte:

Mit der Kündigung des Abkommens von Bretton Woods durch den US-amerikanischen Präsidenten Richard Nixon wurde der Zusammenhang von Währung und Geldware 1971 endgültig und vollständig beseitigt.[1] Es war ein staatsmännischer Geniestreich erster Güte, der die ökonomischen Verhältnisse revolutionierte, auch wenn er nur den krönenden Abschluss einer rund hundertjährigen Evolution des Papiergeldes darstellte und noch dazu in seiner theoretischen wie praktischen Tragweite kaum erkannt wurde. Denn mit der vollständigen Abkopplung der Währung von der "allgemeinen" Ware Gold hörte das Geld nicht nur auf, selbst eine Ware zu sein, sondern auch, eine "allgemeine" Ware zu vertreten. Es war das eigentliche Ende des Warenaustauschs und damit der Warenproduktion im Marxschen Verständnis.

Wollen wir uns dennoch weiterhin der gewohnten Terminologie bedienen, so können bzw. müssen wir für die Gegenwart von einer neu herausgebildeten Wertform sprechen, nämlich von der Finanzform, die den Waren- bzw. Produktwert nicht mehr im Gebrauchswert der allgemeinen Geldware Gold darstellt, sondern in einem Finanzzertifikat, welches geleistete gesellschaftliche Arbeit nicht verkörpert, sondern nur darstellt, repräsentiert, quittiert.[2] Denn über Nacht war 1971 durch den amerikanischen Präsidentenbeschluss aus dem vermeintlichen Geld (in Gestalt des US-Dollars und der an diesen bis dahin gekoppelten Währungen) ein reines Arbeitszertifikat geworden. Die Währungseinheit repräsentierte nun nicht mehr x Gramm Gold, sondern y Stunden gesellschaftliche Durchschnittsarbeit. Das steht zwar nirgendwo geschrieben, ist aber gleichwohl der logische und reale Hintergrund des ganzen heutigen Finanzsystems. Vertrat jeder Dollar entsprechend dem 1944 in Bretton Woods unterzeichneten internationalen Währungsabkommen bis zu jenem 15. August vor 38 Jahren eine fünfunddreißigstel Unze Feingold (und die angeschlossenen Währungen entsprechend ihrem vereinbarten Verhältnis zum Dollar), so ist hier nun die Frage zu klären, wie viel gesellschaftliche Durchschnittsarbeit er bzw. der Euro oder eine andere nicht auf Edelmetall bezogene Währungseinheit denn seitdem repräsentiert. Diese Frage muss aus den realen Verhältnissen, d.h. Austauschbedingungen heraus beantwortet werden. Denn Austausch findet nach wie vor statt. Aber es handelt sich hier nicht mehr um den Austausch von vergegenständlichter Arbeit der konkreten Art a gegen vergegenständlichte Arbeit der Art b, sondern von Arbeit a, b oder c in lebendiger oder vergegenständlichter Form gegen Arbeitsquittung q. Dieses q ist Zeichen für geleistete Arbeit, deren natürliches Maß die Zeit ihrer Verausgabung ist. Wie viel Zeit aber 1 q darstellt, kann daher nur an dem Punkt festgestellt werden, wo sich dieses q und die Arbeit in ihrer natürlichen Form, also als lebendige Arbeit gegenübertreten, ausgetauscht werden. Es ist dies die Bezahlung, Vergütung der lebendigen Arbeit, die Lohn- und Gehaltszahlung, ausgehandelt und dargestellt im Tarifsystem im weitesten Sinne.

Die von Marx ausführlich dargestellte Reduktion der konkreten Arbeit auf abstrakte, gesellschaftliche Durchschnittsarbeit findet also nun nicht mehr in ihrer vergegenständlichten Existenzweise beim Austausch von Ware gegen Ware (das heutige Geld ist ja eben keine Ware mehr, sondern Arbeitsquittung), also nicht mehr auf dem Warenmarkt statt, sondern im Prozess des Aushandelns ihrer Vergütung als lebendige Arbeit, d.h. auf dem so genannten Arbeitsmarkt - bzw. ging vor sich im Lohnsystem des gewesenen "Realsozialismus". Alles Weitere ist zu einer ganz bestimmten, historisch bedingten und entwickelten Form einer gesellschaftlichen Buchführung und Kostenrechnung geworden, die sich subjektiv noch immer als eine Buchführung über Privatvermögen versteht. Doch ihr privater Charakter ist längst mehr Einbildung als Realität, weil sowohl das Handlungs- als auch das Verantwortungsfeld nicht nur den Rahmen privater Interessen und Bedürfnisse weit überschreiten, sondern mehr und mehr die Welt als ganze berühren. Zudem ist das Geld - ökonomisch, nicht juristisch gesehen - als Bestätigung für geleistete gesellschaftliche Arbeit gleichzeitig ein Anteilschein am Produktivvermögen der Gesellschaft, während der private Eigentumstitel beispielsweise eines Unternehmers eigentlich nur noch dessen bestimmte (durch ein ungeheures Gesetzeswerk geregelte) Kompetenzen fixiert.[3]

Das Desaströse der heutigen ökonomischen Situation besteht längst nicht mehr in einer "Ungerechtheit" privater Konsumansprüche von Individuen, sondern darin, dass die Entwicklung der Weltwirtschaft (und damit der Weltgesellschaft) von Zielgrößen gesteuert wird, die infolge einer falschen Wahrnehmung der Realität ökonomischen Wahnvorstellungen entspringen und so nicht weniger gefährlich sind als deren religiöse Pendants. Die Betrachtung des ganzen heutigen Finanzsystems (quasi aus einem anderen Blickwinkel heraus) als eine historisch gewachsene, spezifische Form einer gesellschaftlichen Buchführung und Kostenrechnung ergibt sich nicht nur als logische Ableitung aus der Wertformentwicklung. Sie findet ihre Bestätigung auch in den Erscheinungen des Finanzsystems bzw. macht diese begreiflich. So erleichterte beispielsweise die Abkopplung der Währung vom Gold die gewaltige Aufblähung des ganzen internationalen Finanzsystems seit den 1970er Jahren, indem der Zwang, für das umlaufende Geld Edelmetall hergeben zu müssen, bzw. die Möglichkeit dieses Eintauschens nicht mehr als Bremse für die Finanzvermehrung wirkte. So konnte sich ein "Casino-Kapitalismus" entwickeln, der mit "überflüssigem Geld" nicht weiß wohin und durch institutionelle (also nicht nur private) Spekulation an der Börse mehr Gewinn macht als durch produktive Arbeit. Die Erscheinungen sind hundertfach beschrieben worden. Auch die ganze "soziale Marktwirtschaft" der Nachkriegszeit funktionierte dank einer mehr oder weniger kontinuierlichen gesellschaftlichen Kostenrechnung mit von Jahr zu Jahr steigenden Löhnen, Preisen und Gewinnen. Das Perpetuum mobile des Kapitalismus schien Ludwig Erhardt erfunden zu haben: Was im Vorjahr oder in der vorigen Produktionsperiode mit Gewinn produziert wurde, konnte in der folgenden mit höheren Löhnen von den Produzenten gekauft und so das Mehrprodukt - soweit nicht akkumuliert - gesellschaftlich konsumiert werden, und so von Periode zu Periode mit steigenden Löhnen und steigenden Preisen. Höhere Durchschnittslöhne schlugen sich in der gesellschaftlichen Kostenrechnung in höheren Preisen nieder - aber immer erst in der Folgezeit. Auch heute noch ist das so, und es wird wohl noch weiter so bleiben. Nach der Marxschen Werttheorie müssten bei steigenden Löhnen und sonst gleichen Bedingungen die Preise konstant bleiben (bei steigender Arbeitsproduktivität sogar sinken!), der Profitanteil am Warenwert aber sinken. Hier aber stiegen und steigen weiter Löhne, Preise und Profite - auf Kosten des Wertausdrucks der Währung. Die neue Gesellschaft, mit ihren neuen ökonomischen Verhältnissen und Erscheinungen war eben schon lange vor 1971 auch im "Westen" im Entstehen begriffen.

Eine entwickelte ökonomische Theorie dieser neuen Gesellschaft, die dem neuen Wesen der ökonomischen Verhältnisse gerecht wird, gibt es bislang nicht. Sie müsste den Reproduktionsprozess primär als gesellschaftlichen Lebens- und Aneignungsprozess der Natur betrachten und daraus das ganze Finanz- und Steuerungsinstrumentarium der heutigen Realität als spezifische Erscheinungsformen einer dem Wesen nach bereits gesellschaftlichen Kostenrechnung sowie Verteilung von Leitungs- und Entscheidungskompetenzen an Personen und Institutionen erklären. Einen ersten Schritt in diese neue Denkrichtung habe ich im zweiten Teil meines Buches "Die Finanzgesellschaft und ihre Illusion vom Reichtum" unternommen, worin ich den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess als einen stufenförmigen Aneignungs- bzw. Umwandlungsprozess der Natur darstelle und dabei die Bewegung der gesellschaftlichen Arbeit durch diesen Prozess von ihrer Verausgabung als lebendige Arbeit bis zu ihrem Ausscheiden und Verbrauch als vergegenständlichte Arbeit einschließlich der entsprechenden gesellschaftlichen Buchführung und Kostenrechnung betrachte.[4]

Eine solche Theorie kann nur die Aufgabe haben, das Wesen unserer heutigen ökonomischen Verhältnisse richtig zu erfassen, die ökonomischen Vorgänge besser zu verstehen und auf diese Weise Voraussetzungen für sachgerechte ökonomische Entscheidungen zu schaffen. Eine solche Theorie kann aber nicht noch einmal den Ausgangspunkt für ein wie auch immer geartetes, zu gestaltendes Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell sein. Gleichwohl kann sie die prinzipiellen Möglichkeiten und Anforderungen einer gesellschaftlichen Steuerung des Reproduktionsprozesses offenlegen. Nach jetzigem Erkenntnisstand gehört dazu vor allem die Beherrschung und Kontrolle des Finanzsystems im Interesse aller. Solche Kontrolle gehört heute zu den vordringlichsten Aufgaben des Staates als Hüter des Gemeinwohls. Denn das geistige Verharren dieser ganzen Gesellschaft in der Vorstellungswelt der kapitalistischen Warenproduktion bringt Verhaltens- und Handlungsweisen hervor, die geradezu Wahnvorstellungen entspringen, wie die Vorgänge an den internationalen Finanzmärkten zeigen. Sie entspringen dem unerschütterlichen Glauben an des Geldes, also des Wertes Selbstvermehrung, der die Weltwirtschaft mehr und mehr in ein Spielcasino verwandelt, dessen Akteure nur noch einem Phantom nachjagen. Denn das Geld als Wert, für den sie in ihrer Gier kein Risiko und kein Verbrechen scheuen, "selbst auf Gefahr des Galgens"[5], hat sich längst aufgelöst in ein ganz allgemeines, weder von irgendjemandem garantiertes noch quantifiziertes Versprechen auf Lieferung von Sachen und Leistungen. Alles Private hat es verloren, seine Gesellschaftlichkeit ist perfekt.

Und so scheint es, als stünde die Gesellschaft heute an einem ähnlichen Punkte ihrer Entwicklung wie beim Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus: Im Schoße der alten Gesellschaft hat sich eine neue Produktionsweise entwickelt, die nur noch der Anpassung ihres geistigen und politischen Überbaus an die materielle ökonomische Basis bedarf.

So weit meine Ausführungen im Jahre 2008. Inzwischen haben die Ereignisse im internationalen Finanzsystem und die weltweiten staatlichen Rettungsmaßnahmen sowohl für die Finanz- als auch für die Realwirtschaft mit aller Schärfe vor Augen geführt, dass alles Private der heutigen Ökonomik nur noch als frommer Wunsch und Wahn in den Köpfen der Menschen existiert. Die neue gesellschaftliche Realität zwingt Unternehmer, Manager und Politiker zu Maßnahmen, die bis vor kurzem noch für undenkbar gehalten wurden. Und die Zukunft wird ihnen noch manche Überraschung bereiten, da sie nach der Methode "Versuch und Irrtum" handeln anstatt auf Grund von Einsicht in das Wesen der neuen Ökonomik.

Heerke Hummel, Berlin


Anmerkungen

[1] Vgl. H. Hummel, Währung ohne Basis, in: "Junge Welt" v. 10. August 2006

[2] Unsere oben getroffene Feststellung, der Wert erscheine im Marxschen Verständnis des Warenaustausches nicht als das, was er ist, nämlich in einem Produkt vergegenständlichte menschliche Arbeit schlechthin, sondern er stelle sich dar im Tauschverhältnis zweier Waren als Gebrauchswerte, entspricht eben nicht mehr den heutigen Bedingungen. Spätestens seit 1971 wird der Wert nicht mehr (auch nicht indirekt) im Gebrauchswert einer Ware ausgedrückt, sondern in Währungs- bzw. Finanzeinheiten, die unmittelbar nichts anderes repräsentieren als gesellschaftliche Arbeit. Dass letztere nicht in ihrem natürlichen Maß, der Zeit ihrer Verausgabung, dargestellt wird, erklärt sich zum einen historisch und erkenntnistheoretisch, zum anderen und vor allem aber logisch daraus, dass allgemeine gesellschaftliche Durchschnittsarbeit auszudrücken ist, worauf die konkrete Arbeit in der tariflichen Auseinandersetzung reduziert wird. Es fiele nämlich offensichtlich schwer, dem einen für zwei Stunden seiner konkreten Arbeit a nur eine Stunde gesellschaftlicher Normalarbeit zu quittieren, dem anderen für dessen halbe Stunde Arbeit b aber ebenfalls eine ganze Stunde - auch wenn dies das Gleiche wäre wie zwanzig Euro pro Stunde als Durchschnittswert, für die der Wenigerqualifizierte volle zwei Stunden, der Hochqualifizierte aber nur eine halbe zu arbeiten hätte.

[3] Von diesem Standpunkt aus könnten gewiss noch interessante Untersuchungen angestellt werden, um die Kompetenz- und Verantwortungsbereiche, die Rechte und Pflichten von Betriebsleitern, Managern usw. bis hin zur Masse der unmittelbaren Produzenten in Unternehmen der DDR und der BRD zu vergleichen. Man käme gewiss zu bemerkenswerten Erkenntnissen in Bezug auf das Verhältnis und die Unterschiede, aber auch Parallelen zwischen den beiden angeblich "völlig gegensätzlichen Gesellschaftssystemen", die sich bei Abbau der gegenseitigen Feindbilder und bei beiderseitiger Reformbereitschaft auf Grund der gleichen ökonomischen Grundverhältnisse (aufgehobene Warenproduktion) sicherlich in bedeutendem Maße hätten annähern können. (Siehe auch: H. Hummel, Gesellschaft im Irrgarten, die Tragik nicht nur linker Missverständnisse, NORA-Verlag, Berlin 2009, ISBN 978-3-86557-201-1; 143 S., 14,90 €)

[4] Vgl. H. Hummel, Die Finanzgesellschaft und ihre Illusion vom Reichtum, Projekte-Verlag, Halle, 2005

[5] Vgl. Marx' Zitat aus dem "Quarterly Reviewer", in: Karl Marx, Das Kapital, Bd. I, a.a.O. S.801 (Fußnote)

Raute

RESONANZ

Edith David: Nachgetragene Gedanken zu einem Diskurs in "Offen-siv, Zeitschrift für Sozialismus und Frieden", Mai/Juni 09

"Am Vorabend des zweiten christlichen Jahrtausend haben Kreuzfahrer an die dreißigtausend Juden und Muslime in Jerusalem massakriert und die blühende islamische heilige Stadt in ein stinkendes Schlachthaus verwandelt ... über Jerusalem, wo die drei abrahamitischen Religionen fast fünfhundert Jahre lang unter islamischer Herrschaft vergleichsweise harmonisch hatten zusammenleben können, hing Verwesungsgeruch. Dies war die erste Erfahrung, die Muslime mit dem christlichen Westen machten, als sich dieser aus dem dunklen Zeitalter herausarbeitete, das nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert eingetreten war..."

So die ehemalige katholische Nonne und vergleichende Religionswissenschaftlerin Karen Armstrong in ihrer "kleinen Geschichte des Islam" vom Dezember 2001, BTV Berlin, S.224 Der Aufruf zum "Kreuzzug gegen den Terror", den der ehemalige Präsident Bush am 16.03.2003 als Augenblick der Wahrheit für den Irak charakterisierte, hatte laut Lancet-Studie bis Juni 2006 bereits 600.000 irakische Menschenopfer gefordert. Unzählige wurden - zum Teil durch Uran-verseuchte Munition - zu Krüppeln gebombt. "Eine Untersuchung des unabhängigen britischen Forschungsinstituts ORB vom Herbst 2007 kommt inzwischen auf über eine Million getötete und genauso viele verwundete Iraker. In Bagdad hat fast jeder zweite Haushalt ein Mitglied verloren." und weiter schreibt Jürgen Todenhöfer, aus dessen engagiert für den irakischen Widerstand Partei ergreifendem Buch "Warum tötest du, Zaid?" die oben genannten Informationen entnommen sind: "Angesichts der Kriegspolitik des Westens ist es nicht wirklich erstaunlich, dass muslimische Extremisten (was auch immer er darunter verstehen mag E.D.) immer mehr Zulauf bekommen. Der westliche Kolonialismus wütete in fast allen Teilen der Welt. Aber in den erdölreichen Staaten des Mittleren Ostens hat er bis heute nicht aufgehört." (Todenhöfer , München 2008, S. 169) Zur Rechtfertigung zweier Feldzüge gegen den Irak (1991 und 2003) haben die jeweiligen US-Präsidenten, wie allgemein bekannt, die Kreuzzugsmetaphorik bemüht. Die Rede des Ex-US-Präsidenten Bush vom 16. März 2003 auf den Azoren weist viele Parallelen auf zum Aufruf von Papst Urban II im Jahre 1095, mit der der oberste Hirte der Christenheit den Beginn einer fast 250 Jahre währenden Kreuzzugsära einleitet.

Eine britisch-katholische Religionswissenschaftlerin, ein als bürgerlicher Rechter verpönter Medienmacher und eine Rechensuchmaschine verhelfen dem Neugierigen, der über den Zusammenhang von Politik und Islam recherchiert, rasch zu mehr Einsicht als so mancher, der heute mit dem Etikett "Kommunist", "Marxist-Leninist" oder einfach nur als "Linker" daherkommt.

Aber sehen wir ab von solchen, meist wenig aussagekräftigen Zuschreibungen. Offen-siv, eine zwar kleine, aber profilierte Zeitschrift, die für Frieden und Sozialismus wirbt, ist zu danken, wenn sie sich mit erkennbarer Parteilichkeit über die vom Ölimperialismus bedrohten Völker und deren Widerstandsbewegungen äußert. In ihrer letzen Ausgabe wird der Leser in Rückblenden konfrontiert mit nicht jedermann bekannten Hintergrund-Informationen. Kritikern ist einzuräumen, dass die vom Kriege bedrohten mehrheitlich muslimischen Staaten nicht Kuba sind und ihre innergesellschaftliche Ordnung dem an westlicher Demokratie geschulten Leser wenig behagen will. Letztere aber geht uns völkerrechtlich gesprochen nichts an.

Wir können andererseits nicht von der großen menschenrechtlichen Ordnung, nicht vom Sozialismus träumen, ohne den Imperialismus, da wo er am aggressivsten in Erscheinung tritt, gezielt ins Visier zu nehmen. Das geht aber nicht, ohne deren Feindbilder begreif- und durchschaubar zu machen, derer er sich zur Durchsetzung seiner menschenverachtenden Ziele bedient. Diese Feindbildstrategien sind aber immer schwieriger zu orten, weil sie professionell fabriziert und von darauf spezialisierten Werbeagenturen entwickelt werden. Wir müssen daher ebenfalls Spezialisten im Durchsichtigmachen der einschlägigen Strategien werden. Solange wir nämlich die Feindbildmuster nicht erkennen, sind wir für den 'Krieg gegen den Terror' empfänglich. Man will uns mit der Parole "Menschenrecht bricht Staatsrecht" einmal wieder vergessen machen, dass der KRIEG der schlimmste Terror ist, dem man Menschen aussetzen kann.

Will man aber ganz im Sinne der UN-Charta dazu beitragen "DIE MENSCHHEIT VON DER GEIßEL DES KRIEGES ZU BEFREIEN", dann ist es im Interesse der Kriegsvermeidung dringend geboten, nach den diesen legitimierenden Feindbildmustern zu forschen. Es gilt der Muster habhaft zu werden, die da angewandt werden. Denn, machen wir uns bewusst: Nicht zuletzt, weil die Feindbildarbeit des Gegners nicht mehr durchschaut wurde, konnte der Sozialismus, konnten seine besten Helden erfolgreich in den Schmutz getreten werden. Davon erholt er sich nur mühsam. Heute gibt es die große Alternative nur mehr als Gespenst. Selbst auf Kuba, wo der Sozialismus seit 50 Jahren immer noch standhaft verteidigt wird, ist er - auf Grund der schwierigen Lebensbedingungen, zu denen das Embargo seine Bewohner verurteilt - nur noch ein Schatten dessen, was er bei freier Entfaltungsmöglichkeit für seine Bürger sein könnte. Trotz alledem verfügt er für den sich bedroht fühlenden Gegner noch über ein Zuviel an Strahlkraft.

Aber nicht nur Kuba wird boykottiert und unterminiert. Überall dort auf der Erde, wo soziale Bewegungen sich gegen die schrankenlose Ausplünderung ihrer Ressourcen, gegen die gnadenlose Sklaverei wehren, zu der man die Bewohner verurteilen möchte (etwa an so verschiedenen Winkeln der Welt wie Iran, Palästina, Sudan, Somalia) schlägt der Imperator auf mannigfache Weise zu. Da 1,4 Milliarden muslimische Menschen zufällig gerade dort siedeln, wo die wichtigsten strategischen Rohstoffe lagern, sind diese Länder besonders im Visier. Allerdings nicht nur deswegen.

Der Islam ist vielmehr die letzte durchgängige Gerechtigkeitslehre, der sich viele seiner Anhänger nach wie vor verpflichtet fühlen. Natürlich ist die im 7. Jahrhundert entstandene Lehre nicht dem Wissenschaftlichen Sozialismus gleichzusetzen, keineswegs. Schließlich ist sie ein Kind ihrer Zeit, wie das Judentum oder das Christentum es auch waren. Natürlich werden viele der hehren Grundsätze des Koran oftmals missverstanden, falsch interpretiert und schließlich für fremde Zwecke instrumentalisiert. Gegen solche Indienstnahme sind aber auch Judentum und Christentum nicht gefeit. Dennoch liefert der Islam, der ja bedeutende Bestandteile des Judentums und des Christentums in sich aufgenommen hat, als Nachkömmling unter den Religionen wichtige geistige Anregungen für eine humane, heute durchaus nach sozialistischen Gesichtspunkten zu ordnende, moderne Gesellschaft.

Da die Lehre des Propheten Muhammed aber, anders als die der beiden ihm zugrunde liegenden großen monotheistischen Religionen, das verordnete Feindbild unserer Zeit abgibt, müssten der Aufklärung verpflichtete Analytiker daran interessiert sein, tiefer in deren Gehalt einzudringen. In den 30iger Jahren des vorigen Jahrhunderts hätte es für wissensdurstige Humanisten vordringliche Aufgabe sein müssen, sich mit dem Judentum und seiner Kultur stiftenden Rolle zu befassen. Heute gilt das noch mehr für den Islam. Angesichts der gegen ihn errichteten Drohkulisse ist dringend geboten, mehr nüchternes Wissen über die ins Visier genommene Lehre verfügbar zu machen. Daran mangelt es in der westlichen Welt durchgängig, gerade auch in linken Medien. So ist etwa dem am Samstag, den 18/19. Juli in der Jungen Welt abgedruckten Interview von Thomas Wagner mit dem Autor Stefan Weidner noch anzumerken, wie wenig wirkliche Sachkunde und Sympathie letzterer seinem Spezialthema entgegenbringt, obwohl sich der Fragende durchaus um Differenzierung bemüht.

Man kann sich als engagierter Humanist heute nicht mehr zum Phänomen des "politischen Islam" zu Wort melden und dabei unerwähnt lassen, dass in Folterlagern wie Bagram und Guantanmo mehrheitlich muslimische Opfer gequält werden. Man kann das Thema heute nicht gewissenhaft abhandeln, ohne das Leid der Menschen in Gaza und im Westjordanland zu erwähnen, ja es ins Zentrum zu rücken. Obamas schöne Worte in Kairo, die mit dem Gruß 'Salem aleikum' - "Friede sei mit euch!" eingeleitet wurden, haben schließlich bis dato nicht das geringste für diese "zivilen Opfer" - Opfer des "politischen Islam" etwa? - an Linderung erbracht. Obama sprach vom Frieden und meinte Krieg. Deswegen muss man hinter das Wortgeklingel schauen.

In diesen Tagen der von außen inszenierten Massenproteste im Iran muss vor allem die Frage gestellt werden, wem die übliche Anprangerung des 'Mulllah-Regimes' etwa, einem islamischen "Regime" also, nicht einer Republik, in den bürgerlichen und linken Medien bisher zu Nutze ward. Über den Sender BBC wird ganz offen verkündet, dass man angesichts des Wahlsiegs von Ahmadinedjad eine mehr langfristig angelegte, subversive Strategie gegen das bisher ständig wie oben charakterisierte Land wird fahren müssen. Die FAZ vom 7. Juli 09 meldet auf Seite 5: "Biden: Wir könnten Israel nicht mehr an Angriff auf Iran hindern" In der gleichen Ausgabe wird auf den Seiten 1-3 der islamische Widerstand in der Provinz Xingjiang hofiert. Dass die Uiguren auf der US-Terrorliste stehen, wird von der Zeitung mit Bedauern vermerkt. Der vormalige, neoliberale Präsident Rafsandjani, im Iran bei den Massen nicht sehr beliebt, auch ein Geistlicher (Mullah), war lange Zeit der Favorit des Westens. Dass er weiterhin dem so einflussreichen Wächterrat vorsteht, findet in der Presse selten Erwähnung. Mirhossein Mussawi, sein Kompagnon und Liebling der Opposition, vor allem im Ausland populär, führte den Wahlkampf mit der Farbe "Grün", der Farbe des Propheten, die immer dann beliebt ist, wenn es gegen einen volkstümlichen Politiker im Lande geht. Die bunten "Revolutionen" sind damit um einen Farbtupfer reicher. Was bedeutet es aber für den "Kampf gegen den Terror", wenn wieder einmal ein Islamanhänger, ein Politiker, unter dessen Regentschaft Oppositionelle massiv verfolgt wurden, im Westen, vermutlich nicht nur medial, massiv unterstützt wird? Der weltliche Sieger Ahmadinedjad, dessen Erfolg auch die FAZ am Tage nach der Wahl vermeldete, ein aufgeklärter homo technicus, wird gleichermaßen massiv verteufelt.

Wie sein Amtsbruder und Verbündeter Chavez wird der iranische Präsident nicht erst seit kurzem als "Populist" attackiert, seine Reden werden von Anfang an gnadenlos verfälscht wiedergegeben. Ihm wird angelastet, dass er mit den Öleinnahmen des Landes die Kartoffelernte aufgekauft habe und das Grundnahrungsmittel den armen Leuten billig zugute kommen ließ. Das erdölreiche Land wird seit Jahren mit Kriegsdrohungen überzogen, alle Mittel sind seinen Gegnern recht, um es in die Knie zu zwingen.

In Anbetracht solch offen aggressiver Politik des Westens muss daher die Debatte um den "politischen Islam" vor allem an diesen Aktualitäten ansetzen. Es muss gefragt werden, warum und wozu über den persisch-schiitischen Iran, ja über den Politgehalt des Islam generell immer wieder negativ spekuliert wird, während die großartigen kulturellen Leistungen, die er seit Jahrhunderten hervorgebracht hat, gänzlich unerwähnt bleiben, ja im günstigsten Fall heruntergespielt werden.

In Anbetracht solcher Situationsanalyse dürfte nicht über die "Ambivalenz des Islam" philosophiert werden. Im Angesicht des von Bomben und Boykott bedrohten mehrheitlich muslimisch-arabischen Gazastreifens, im Angesicht des andauernden Krieges gegen das muslimische Afghanistan und neuerdings auch gegen dessen ebenfalls muslimisches Grenzland Pakistan, muss der Frage vertiefend nachgegangen werden, wie der geradezu monströse Missbrauch einer bedeutenden Weltreligion, die schon dem Namen nach 'Frieden' bedeutet, zu erklären ist. Es muss danach geforscht werden, wann und wo die Abirrungen ihren Ausgang nahmen. Auch der hinduistisch-fundamentalistische Bombenterror in Indien muss in diesem geopolitischen Kontext bedacht werden. Man stelle sich einen indischen Reporter vor, der nach einem Attentat auf eine Moschee (etwa 1992 in Ayodhya/Uttar Pradesh) auf die Babri-Moschee) über die Rolle des "politischen Islam" orakelt. Und natürlich muss auch die Frage aufgeworfen werden, warum sich die muslimischen Uiguren in Xingjang/China im Westen so großer Beliebtheit erfreuen, dass sie gleich zwei Exilregierungen in Deutschland und in den USA zur Auswahl haben. Die Uiguren machen schließlich nicht erst seit heute von sich reden. Ganz zu schweigen davon, warum Saudi Arabien, das reaktionärste Land des "politischen Islam", praktisch immer ausgenommen wird, wenn von Menschenrechtsverletzungen unter dem Halbmond die Rede ist. Die dort waltende wahabitische Abart des Islam, müsste ebenso wie der Talibanismus auf seine Entstehungsbedingungen hin untersucht werden. Ähnliches gilt bis zu einem gewissen Grad für die derzeit von einem Fundamentalisten regierte Türkei, die ja einmal unter Ata Türk säkularisiert worden war. Von deren Menschenrechtsbilanz wird immer nur dann gesprochen, wenn es gerade ins politische Bild passt.

Unabhängig davon ist zutreffend, dass jede Religion (einschließlich des Buddhismus) Ambivalenzen mit sich herumschleppt. Das liegt daran, dass sie im Laufe von Jahrhunderten Grünspan angesetzt hat und die Kontextbezüge ihrer Vorschriften, die ursprünglich den Menschen dienen sollten, verloren gingen. Es scheint auch angebracht, eine Expertin, wie die immerhin (1995 gerade noch) mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels dekorierte, vielleicht bedeutendste Islamwissenschaftlerin des 20. Jahrhunderts, Annemarie Schimmel, zu Wort kommen zu lassen, wenn man den Wurzeln des Islam nachgehen möchte. Natürlich wurde diese ehrwürdige, inzwischen (2003) verstorbene alte Dame, die die islamische Welt wie ihre Westentasche kannte, von der schreibenden Zunft mit Jauche übergossen. Man bezichtigte sie der Verteidigung des "Todesurteils" gegen Salman Rushdie, als sie die "Fatwa" erklären wollte. Auch der orientkundige Robbe, der mit einem Zeitschriftenartikel zitiert wird, hat sich meines Wissens nicht hinter die Kollegin gestellt, als die Solidarität dies geboten hätte. Die ausbleibende Solidarität im Kleinen wie im Großen hat aber mit mangelndem Einblick, mit mangelnder Tiefenschärfe zu tun.

Auch dieser Umstände wegen also muss, wenn das Thema "Islam", gar noch "politischer Islam", auf den Tisch kommt, erst einmal Klartext gesprochen werden. Opfer und Täter, Angeklagter und Richter sollten klar unterschieden werden.

Ein Verfechter von Menschen- und Völkerrecht etwa müsste zuerst einmal die bedrohten und gequälten Muslime und deren christliche, jüdische oder freidenkende Mitbürger in der vom kolonisierenden Westen heimgesuchten islamischen Welt im Auge haben. Die Tragödie, die derzeit in GAZA und natürlich auch im Westjordanland gegeben wird, spielt sich ja vor den Augen der Weltöffentlichkeit ab. Immer wieder lautet das an den Haaren herbeigezogene Rechtfertigungsmuster für die von der NATO oder einer Koalition der Willigen zu verantwortenden und zum Teil gar von den Vereinten Nationen tolerierten Greueltaten: "Fundamental-islamische Hamasterroristen" oder "radikal-islamische Hizbollah-Milizen" bedrohen das Leben unschuldiger Zivilisten. Oder wie gerade in Pakistan: Den Taliban (Koranschülern) muss das Handwerk gelegt werden. Sie könnten sich der Atomwaffen im Lande bemächtigen und damit uns bedrohen. Nicht aber für gefährlich hält man im Westen die ähnlich gelehrigen Schüler in Xingjang/China, die heißen ja auch Freiheitskämpfer. Der Weltkongress der muslimischen Uiguren hat, wie die FAZ vermeldet, in München seinen Sitz. Wenn es um Grundsatzfragen geht, wie ein Offen-siv-Kollege richtig hervorhebt, dann muss auch auf die die Kreuzzugsmentalität wieder belebende Regensburger Rede des deutschen Papstes vom Herbst 2006 Bezug genommen werden. Der Petrusnachfolger, der durch seinenunsauberen Umgang mit Zitaten dem Islam eine friedensbedrohende, ja vernunftfeindliche Rolle zugeschrieben hat, die sich natürlich festgehakt hat im Bewusstsein seiner nicht unbeträchtlichen weltweiten Zuhörerschar, hat ja das Thema "politischer Islam" massenwirksam, nachhaltig und von höchster Stelle aus beleuchtet. Im Jahr 2009 haben die meisten Leser aber diesen Redestreit und die vielen vergeblichen Versuche islamischer Experten die Verhältnisse ins rechte Licht zu rücken, wieder vergessen. Der "Konflikt" wirkt im Kontext der politisch hochbrisanten Materie im Unbewussten weiter.

Damit sollen nun keineswegs real im Namen des Islam verübte Untaten verharmlost werden, aber man darf Ursache und Wirkung nicht durcheinander bringen. Die Gefahr besteht aber, wenn man pauschalisierend von 'Ambivalenzen' spricht. Vielmehr gilt es da noch tiefer zu stochern, wo die Aufklärung über Terrorismus und seine Finanziers verschleiert wird. Nicht nur Guantanamo demonstriert, dass nicht jeder, der als "Taliban", "Islamist" oder als "Terrorist" angeklagt wird, auch die ihm zur Last gelegten Greueltaten begangen hat. Die in den Lagern beschäftigten "Befrager", die im Namen von Freiheitsrecht und Demokratie handeln, aber erwecken Abscheu bei jedem gesunden Menschen. Die Inquistion, die christliche, lässt grüßen.

Zu fragen wäre demnach sogar, ob nicht schon mit der Übernahme der Begriffsbildung "politischer Islam" eine bestimmte Blickrichtung übernommen wird. Gibt man nämlich den Terminus in die Google-Suchmaschine ein, so stößt man ganz schnell auf die definitorischen Betrachtungen der Bundeszentrale für politische Bildung, die das Begriffspaar in eins setzt mit dem (deutlich negativ konnotierenden) "Islamismus", im populären Sprachgebrauch "islamischer Fundamentalismus", wie es dort heißt. Von da aus ist es ein Katzensprung zum "islamischen Terrorismus", mit dessen Hilfe die Kriege, umbenannt in Feldzüge oder noch besser getauft als "humanitäre Interventionen" der Achse des Guten gegen das Böse schlechthin, seit spätestens 2001 gerechtfertigt werden. Gäbe es also den "islamischen Terror" nicht, sie müssten ihn glatt erfinden.

Orientiert man sich aber an der allgemein üblichen Begriffswahl, gelangt man rasch zu der üblichen Fragestellung, ob sich der extremistische islamische Terrorismus nicht etwa gegen die westliche Zivilisation verschworen habe. Die Frage danach, wann dieser in die Welt getragen wurde, wo also Fundamentalismus und Terrorismus seinen Ursprung haben, wird dann leicht wieder ausgeblendet. Unerwähnt bleibt auch, dass es in der Welt keine verbindliche Definition dessen gibt, was man unter Terrorismus verstanden wissen will. Offenbar waren und sind ja in den Augen des Westens etwa weder die UCK noch die Uiguren, die in China gerade den Aufstand proben, "Terorristen" oder gar islamische Terroristen. Auf sie wird das übliche Etikett in den Mehrheitsmedien nicht angewandt. Obwohl wie die FAZ klagt, letztere leider auf der US-Terrorliste stehen und einzelne von ihnen in Guantanamo, wie es ausnahmsweise heißt, zu Unrecht festgehalten wurden.

Wenn vom "politischen Islam" die Rede ist, dann fallen uns reflexartig die üblichen Strukturmuster vom 11.September, von Osama bin Laden und Al Qaida und der Offen-siv Autor erinnert zurecht an die ursprünglich von den USA angenommene Verantwortlichkeit der Palästinenser für das explosive Zusammenbrechen der Twin Towers. Deswegen müssen wir immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass nicht nur in GAZA die Menschen noch immer an den Folgen der Phosphorbomben krepieren.

Diese aber wurden nicht von "islamistischen Terroristen" zum Einsatz gebracht, sondern mit westlicher Billigung und mit Hilfe westlicher Steuergelder. Daran müssen wir uns erinnern, wenn wir noch einmal die Mär von Milzbränden und Al Qaida Revue passieren lassen. Auch in Afghanistan und im Irak wird unterdessen an den Folgen der dort verwendeten Uranmunition gestorben und am Hindukusch wird gerade eine neue Offensive durchgeführt, benannt nach der SS-Division 'Handschar'.

Die moderne "Verbrechensbekämpfung" schiebt Völker- und Menschenrecht rücksichtslos beiseite. Muss daher nicht von uns das Vordringlichste menschen- und völkerrechtlich Gebotene in den Vordergrund der Betrachtung gerückt werden?

Der Autor des oben zitierten grundlegenden Essays über den "politischen Islam" nennt allerdings ganz zu Beginn seiner Darlegungen "die UN", gegen die DKP polemisierend, "nichts anderes als ein Instrument des Imperialismus" und hält sie für einen "zahnlosen Tiger". Darin ist leider die Möglichkeit der Geringschätzung der UN-Charta, der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" oder anderer völkerrechtlicher Bestimmungen angelegt. Dem gegenüber scheint es unabdingbar, immer wieder auf das Gewaltverbot der UN-Charta hinzuweisen und darauf, dass diese sogar die Androhung von Gewalt verbietet. Obwohl die Vereinten Nationen in der Tat zu einem erheblichen Maße vom politischen Westen in der Zange gehalten werden, so sind dort eben auch noch Gegenkräfte wirksam und die moralische Bedeutung seiner völkerrechtlich verbindlichen Konventionen ist nicht zu unterschätzen.

Doch zurück zum "politischen Islam". Wer sich heute dazu äußert, muss strengste Vorsicht walten lassen, damit er nicht auf vermintem Boden ausgleitet und dem Aggressor vielleicht unwillentlich Zuarbeitet leistet. Schließlich haben "seit den Kreuzzügen (...) die Menschen des westlichen Christentums eine stereotype und verzerrte Vorstellung des Islam entwickelt, den sie als Feind der Zivilisation schlechthin betrachteten" (K. Armstrong S. 225).

Wer von "Algeriern und Ägyptern" schreibt, "die aus zwei Gründen nach Afghanistan strömten", weil ab Mitte der 90iger Jahre ihr Plan gescheitert war, "ihre Heimat zu islamischen Republiken ihrer (tatsächlich faschistischen) Vorstellungen zu bomben" und "weil das Gesellschaftsmodell der Taliban eben diesen ihren Vorstellungen entsprochen habe", der verharrt an der Oberfläche der Betrachtung und bedient an dieser Stelle die üblichen Klischees. Unter der erstaunlichen Überschrift, "Pakistan als Aufmarschgebiet" erfahren wir beim gleichen Offen-siv-Autor weiter, dass da noch "Pakistanis und Islamisten aus den ehemaligen Sowjetrepubliken im Kaukasus" mitmischen. Das aber erzählen uns die gängigen Nachrichtenagenturen auch nicht weniger eloquent, ja selbst über die jahrelangen Destabilisierungsbemühungen des CIA kann man dort etwas erfahren. Dazu bedarf es keiner Alternativmedien. Wenn dann im gleichen Atemzug noch die Rede davon ist, dass "China (...) Waffen an die CIA (verkaufte)", ja dass die CIA "vor allem von der chinesischen Regierung kaufte ... Gewehre, Raketenwerfer und leichte SA-7 Anti-Flugzeugraketen, um sie nach Palästina zu schicken", dann ist das verstörend. Wenn zur Frühgeschichte des Islam Sätze fallen, die davon ausgehen, dass "die neue Religion, der Islam", "eine Bewegung zur Erringung der Macht" gewesen sei, "auf die Bildung eines starken, zentralen islamischen Staates ausgerichtet", dann wird der kundige Leser dennoch stutzig und stolpert über den nächsten Gedanken: "Vor diesem Hintergrund ist der Islam von Anfang an ambivalent 'angelegt', zum einen in seinem Anspruch der Schaffung von sozialer und politischer Gerechtigkeit auf Erden für die Armen und Unterdrückten, zum anderen als Rechtfertigung für islamische Herrschaft." Beim schnellen Lesen bleibt haften: Islam ambivalent. So mancher assoziiert gleich Handabhacken für Diebe und Steinigen für ehebrüchige Frauen. Demgegenüber wären dann die Segnungen des Westens in der Tat ein Fortschritt. Vorsicht ist auch angesagt bei folgenden Zuschreibungen: Von Mekka ging die (auch) gewaltsame Missionierung der Welt aus. In dieser Zeit des gewaltsamen Kampfes gegen Mekka entstand der islamische Begriff des Djihad.

Wer im "heiligen Krieg" für den Islam fällt, kommt ins Paradies. Die Mauren "eroberten" Spanien (711) und 1549 "stießen" die Osmanen bis Wien "vor". Vor solchem Hintergrund liest sich dann der "Schlachtruf" der Moslems "Es gibt keinen Gott außer Gott"! als unsinnig bis bedrohlich. Der Leser "erfährt" weiter, dass der Islam besonders bestimmend in Ländern ist, die sich durch große Rückständigkeit auszeichnen und dass der Islam interpretierbar ist. Despoten wie der iranische Schah Reza Pahlevi bekannten sich zu ihm, andere islamische Despoten, etwa die in Saudi Arabien werden als bekannt vorausgesetzt. Ergänzend seien einige Dinge angeführt, die nur scheinbar Kleinigkeiten sind. Sie stammen aus dem sehr empfehlenswerten, leider nur auf Französisch vorliegenden Buch von Mohamed Talbi, einem agregierten Arabisten und Spezialisten des muslimischen 'Mittelalters' und Maurice Bucaille, einem christlich erzogenen Kenner der Bibel, des Koran und der Naturwissenschaften, ausgezeichnet von der Akademie Francaise. Der Titel des Buches lautet "Reflections sur le Coran", Paris 1989. Dort kann man lesen: Die erste Sure des Koran beginnt mit der Aufforderung "Iqra!", was soviel bedeutet wie: "Lies, Sprich! Lehre, Lerne...!" Ijtihad/Djihad bedeutet "menschliche Anstrengung zur Durchdringung des Sinns" und nicht wie fälschlich immer übersetzt Krieg oder heiliger Krieg.

Der Koran sagt, dass der Glaube auf Klarsicht und Aufnahmebereitschaft beruht und es gibt keinen Glauben ohne die Vernunft.

"Kein Zwang in Glaubensdingen", das ist eines der ersten Gebote des Koran, wodurch das ursprüngliche, tolerante Zusammenleben der Religionen in der Welt des Islam - so im Spanien der Mauren oder etwa im Nahen Osten oder in Indien - über Jahrhunderte hinweg erklärlich wird. Wahrheit und Irrtum sind klar von einander zu unterscheiden. Zum Verhältnis 'Koran-Vernunft-Wissenschaft' heißt es ganz im Gegenteil zu der päpstlichen Unterstellung: Der Mensch soll die Zeichen der Allmacht Gottes wissenschaftlich erforschen, um die Größe seines Werkes zu erfahren.

Abschließend sei den marxistisch geschulten Lesern gesagt: Zur Bedeutung von Religion in der Geschichte der Menschheit gibt es einiges mehr zu sagen, als dass sie von den Herrschenden als Opium des Volkes begriffen und in vielfältiger Hinsicht in deren Interesse wirkungsvoll eingesetzt wurde.

Nachtrag:

Wären alle Amibavalenzen bezüglich des "politischen Islam" ausgeräumt, dann könnte man, das heißt die Linke und die Friedensbewegung, mit aller entschiedenen Klarheit fordern:

- Schluss mit den Kriegseinsätzen in Afghanistan!
- Raus aus dem Irak!
- Schließung aller Militärbasen dort und anderswo!
- Hände weg vom Iran!
- Beendigung des Boykott von Gaza!
- Schluss mit der Besatzungspolitk auch im Westjordanland und in Ostjerusalem!
- Schluss mit der Diskriminierung nichtjüdischer Staatsbürger in Israel!
- Rückkehrrecht für alle palästinensischen Flüchtlinge!
- Unterstützung der BDS Kampagne zur politischen Isolierung Israels!

All dieses passiert aber nicht und die "Friedens"bewegung kann die in unser aller Interesse gebotene Präzision so lange nicht an den Tag legen, so lange am Feindbild Islam in irgendeiner Schattierung festgehalten wird.


Anmerkungen:

Außer den im Text verzeichneten Büchern wurden unter anderem verwendet:

Hitler, Mein Kampf, München 1942, S. 105 zit. Nach Wolfgang Richter "Ein neuer Faschismus?" im gleichnamigen Kongressbericht hrsg. Von der GBM, Schkeudit 2007 S. 10

Gudrun Krämer, Geschichte des Islam, München 2005

Johannes Lehmann, Die Kreuzzfahrer, Abenteurer Gottes, München 1976

Friedemann Büttner, Reform und Revolution in der islamischen Welt, München 1971

Tariq Ramadan, Muslimsein in Europa - Untersuchungen der islamischen Quellen im europäischen Kontext, Köln 2001

Jelila Behi, Sans Contrainte, L'islam au feminin, Tunis 2003

Hans Küng, Josef van Ess, Christentum und Weltreligionen - Islam, München 1984

Annemarie Schimmel, Im Namen Allahs des Allbarmherzigen, der Islam, München 2001

Maxim Rodinson, Die Faszination des Islam, Übersetzung aus dem Französischen 1991 und natürlich

Eduard Saids mannigfache Wortmeldungen, allen voran "Orientalism"


Edith David, Berlin

Raute

BUCHBESPRECHUNG

Günter Herzog: Rezension - Prof. Dr. Erich Buchholz, "Strafrecht im Osten - ein Abriss über die Geschichte des Strafrechts in der DDR"

In diesem Jahr der Jubiläen, von denen offiziell eigentlich nur ein Jubiläum begangen wird, ist es hilfreich und nützlich, auf ein Buch zu verweisen, das schon im Jahre 2008 im Kai Homilius Verlag als Band 37 der Edition Zeitgeschichte erschienen ist, das uns aber gerade jetzt hilft, die richtigen Argumente in den Auseinandersetzungen zu finden.

Es ist das Buch von Prof. Dr. Erich Buchholz, dem profundesten noch lebenden Kenner des Strafrechts der DDR, "Strafrecht im Osten - ein Abriss über die Geschichte des Strafrechts in der DDR".

Dabei ist der Titel eigentlich zu eng gefasst. Buchholz schreibt nicht nur zur Geschichte des Strafrechts der DDR, sondern spannt den Bogen von der Rechtslage auf dem Gebiet des Strafrechts am 09. Mai 1945 bis zum Umsturz 1990.

In seiner ihm eigenen Bescheidenheit schreibt er im Vorwort, dass dieses Buch der "Versuch einer historischen Abhandlung" ist. Wer das Buch durchgearbeitet hat, weiß, dass diese Aussage so nicht stimmt. Um in der strafrechtlichen Terminologie zu bleiben, muss gesagt werden, dass er mit seinem Vorhaben nicht im Versuch geblieben ist, sondern dass er dieses Vorhaben bis zur Vollendung geführt hat.

Es ist im echten Sinne eine historische Abhandlung der Entwicklung des Strafrechts in beiden deutschen Staaten und eine tiefe, präzise theoretische Auseinandersetzung mit Strafrechtstheorien, wie sie in der BRD aus der faschistischen Strafrechtsideologie fortgesetzt wurden, weil dort noch oder wieder die alten Professoren lehrten und noch nach ihrem Ausscheiden aus der Lehre mit Festschriften geehrt worden sind.

Diese Strafrechtstheorien bildeten und bilden in der BRD auch die Grundlage für viele höchstrichterliche Entscheidungen, wonach der Richter die Aufgabe und Befugnis zu "schöpferischer Rechtsfindung" hat, und mit dieser Befugnis soll der Strafrichter durch bewertende Erkenntnis, der verfassungsmäßigen Rechtsordnung immanente Wertvorstellungen ans Licht bringen, die dem Wortlaut der Strafgesetze nicht zu entnehmen sind, die der Strafrichter aus den uns verschlossenen Tiefen der verfassungsmäßigen Ordnung ans Licht holt.

Solche Theorien verstanden in der DDR die Professoren um Prof. Buchholz, und vor allem er selbst, als Theorien zur Auflösung und zur Zerstörung der Gesetzlichkeit.

Diese Theorien konnten daher keinen Platz haben in einem neu zu entwickelnden Strafrecht in der DDR, weil sie die strikte Bindung des Richters an das Gesetz beseitigen.

Es mussten also durch die neuen Theoretiker auch neue Strafrechtslehren ausgearbeitet werden und dabei stützte man sich auf eigene und mitteleuropäische Traditionen in Gestalt der strafrechtlichen Aufklärung des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Die strafrechtlichen Erkenntnisse aus dieser Zeit waren auf die Überwindung der feudal-absolutistischen Strafjustiz mit ihrer Gesinnungsjustiz gerichtet. Sie betonten die Gesetzlichkeit im Strafrecht und stellten bei der Anwendung des Strafrechts auf die strafbare Handlung, auf objektive Kriterien ab.

Darin lag auch eine klare Absage an jegliches Täterstrafrecht und damit grenzten sich diese neuen Strafrechtslehren auch ganz entschieden vom Gesinnungsstrafrecht und von normativen Deutungen der Straftat ab, wie sie von verschiedenen Repräsentanten der spät-bürgerlichen, imperialistischen Strafrechtslehren vertreten wurden.

Damit wurde in der Strafrechtstheorie und auf dieser Grundlage auch in der Strafrechtspraxis der offenen Ungesetzlichkeit des Hitlerregimes das Prinzip der Gesetzlichkeit entgegengestellt.

Aber bis zu einem neuen Strafgesetzbuch war es in der DDR noch ein weiter Weg. Zwischenzeitlich dienten neue Gesetze, wie z.B. das Strafrechtsergänzungsgesetz, die Wirtschaftsstrafverordnung u.a. dazu, die Entwicklung der neuen gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR umfassend zu schützen.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang folgender Fakt, auf den E. Buchholz in seinem Buch hinweist: Bei der Verfolgung von Staatsverbrechen und auch einiger Straftaten gegen die öffentliche Ordnung in der DDR in den 50er Jahren handelte es sich um die Verfolgung und Bestrafung bestimmter Straftaten, wie Sabotage, Diversion, Spionage, Kriegshetze, terroristische Gewaltakte, neofaschistische Tätigkeiten, die von den betreffenden Straftätern, nicht selten im Rahmen organisierter feindlicher Tätigkeit, zumindest unter Unterstützung von westlicher Seite, begangen wurden und die für die gesellschaftliche Entwicklung in der DDR, ja für ihre Existenz tatsächlich gefährlich waren.

Demgegenüber diente das politische Strafrecht in der BRD, namentlich das 1. Str.ÄG in den 50er Jahren erklärtermaßen der massenhaften Verfolgung von politischen Gegnern der auf Spaltung Deutschland und Remilitarisierung Westdeutschland gerichteten Politik Adenauers, die sich Rahmen der Grundrechte des GG bewegten. (S. 213)

Als Resultat der Zerreißung der Rechtseinheit auf dem Gebiete des Strafrecht ergibt sich: Während in der DDR als eines der ersten strafrechtlichen Gesetze ein Gesetz zum Schutz des Friedens erlassen wurde, wurde in der Bundesrepublik als erstes ein Strafgesetz gegen den politischen Gegner, vor allem gegen die Kommunisten in Kraft gesetzt. (S. 181)

Diese Richtung lässt sich auch erkennen an der unterschiedlichen Strafverfolgung der NS- und Kriegsverbrecher in West- und Ostdeutschland.

Der inkonsequenten und schließlich unterbliebenen Strafverfolgung in Westdeutschland stand die konsequente und nachhaltige Strafverfolgung in Ostdeutschland gegenüber.

Was hier mit einem Satz ausgesagt ist, beweist E. Buchholz in seinem Buch ausführlich mit der ihm eigenen Akribie an vielen Entscheidungen bis hin zu Entscheidungen des BGH, der noch im Jahre 1956 begründete, weshalb bei keinem Nazirichter Rechtsbeugung angenommen werden konnte. So wurden Nazijuristen vor ihrer gerechten Strafe gerettet. Nun konnten alle noch verwendungsfähigen Richter und Staatsanwälte aus der NS-Zeit in den Justizdienst zurückkehren.

Die zunehmend eingeschränkte, weitgehend unterbliebene Strafverfolgung von Nazi- und Kriegsverbrechern in Westdeutschland und der BRD war natürlich auch für die neuen, noch jungen Strafrechtswissenschaftler der DDR unerträglich, dazu konnten sie nicht schweigen, genauso, wie sie nicht schweigen konnten, zu der sich entwickelnde Kommunistenverfolgung in der BRD.

Ihre Hauptaufgabe bestand aber darin, eine neue Strafrechtswissenschaft zu entwickeln, in deren Mittelpunkt zunächst der materielle Verbrechensbegriff stand, später dann, in Vorbereitung des neuen StGB die neue Definition der strafrechtlichen Schuld und anderer inhaltlicher Probleme, besonders des Allgemeinen Teils des Strafrecht.

Es ist unwahrscheinlich aufregend und im hohen Maße interessant für jemand, der schon das Lehrbuch zum Allgemeinen Teil des Strafrechts der DDR von 1957 und dann das Lehrbuch von 1976 studiert hat, zu lesen, was ein exponierter Verfasser dieser Lehrbücher aus heutiger Sicht zum Inhalt dieser Bücher und damit zur Entwicklung der Strafrechtstheorie in den Jahren der DDR-Entwicklung zu sagen hat, was aus seiner Sicht in der Strafrechtstheorie und auch in der Praxis der Anwendung des Strafrechts damals gelungen war, als historisch bedeutsam festgeschrieben wurde und was aber auch aus heutiger Sicht kritisch zu vermerken ist.

Auf all diese interessanten Probleme kann in diesem Beitrag nicht eingegangen werden, das würde den Rahmen sprengen. Da muss man einfach selbst zu dem Buch greifen und man wird dabei erleben, in welches Spannungsfeld man gerät.

E. Buchholz lässt kein Problem aus, er zieht den Bogen von der Kausalität über die Schuld, die Teilnahmeformen und Entwicklungsstadien im allgemeinen Teil, behandelt alle Kapitel des besonderen Teils, befasst sich mit seinem Spezialgebiet, den Maßnahmen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit und analysiert die Ursachen für die gegensätzliche Kriminalitätsentwicklung in beiden deutschen Staaten.

Auch die weitere Entwicklung des Strafrechts nach dem Inkrafttreten des Strafgesetzbuches von 1968 wird ausführlich besprochen.

Und immer ist zu spüren, welchen persönlichen Anteil der Verfasser an der Entwicklung der Strafrechtstheorie in der DDR hatte und es ist ihm zu danken, mit welcher Energie er sich noch heute dafür einsetzt, diesen Teil der Rechtsgeschichte Deutschlands wissenschaftlich fundiert und mit hoher Sachkenntnis aufzuarbeiten.

Wenn es nicht eine zu große Ehre für Herrn Kinkel, dem ehemaligen Justizminister der BRD, wäre, könnte man in Anlehnung an F. Engels sagen, das Buch von E. Buchholz "Strafrecht im Osten" ist ein "Anti-Kinkel", ein Buch gegen die "Umwälzung der Wahrheit" durch Herrn Kinkel.

Dieser forderte bekanntlich 1991 von den Staatsanwälten und Richtern in der BRD, das, was der westdeutsche Staat mit Gesetzen nicht machen konnte und was auch das Recht dieses Staates so einfach nicht hergab, mit Gerichtsentscheidungen die DDR als Unrechtsstaat total zu delegitimieren.

E. Buchholz führt in seinem Buch den nicht zu widerlegenden Beweis, dass das Strafrecht der DDR im Gegensatz zur Wirklichkeit des Strafrechts in der BRD historisch legitimiert war, weil es sowohl in der Entwicklung der Strafrechtswissenschaft, als auch in der Gesetzgebung und der Praxis der Gerichte an progressive deutsche Traditionen anknüpfte, diese weiterentwickelte und eine eigenständige Traditionslinie aufbaute, die im Gegensatz zu den Traditionslinien der Strafrechtsentwicklung und -anwendung in der BRD und den ehemaligen nazistischen Strafrechtstheorien diametral entgegengesetzt war.

Wer nach diesem Buch von E. Buchholz noch von einem "Unrechtsstaat DDR" spricht oder schreibt, ist entweder extrem böswillig und ein unbelehrbarer Ignorant, weil er exakter wissenschaftlicher Beweisführung nicht zugänglich ist, oder er schwimmt einfach auf einer platten, vordergründigen Agitationswelle, die alles wegschwemmen soll, was es Gutes in der DDR gab, worin die DDR der BRD in einer historischen Dimension überlegen war.

Günter Herzog, Potsdam

Raute

THÄLMANN-GEDENKSTÄTTE IN AKUTER GEFAHR!

Max Renkl: Lasst uns gemeinsam kämpfen!

Dringende Bitte: Bitte leitet diese Nachricht weiter! Macht ihren Inhalt bekannt und veröffentlicht ihn!

Beteiligt Euch am Protest! Der Auftakt fand am Sonnabend, den 25. Juli 2009 in Königs Wusterhausen statt.

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen,

die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte wurde geschändet und laut den Informationen, die uns vom Vorstand des Freundeskreises vorliegen, werden in Ziegenhals konkrete Massnahmen zur Abrissvorbereitung getroffen. Es weist alles darauf hin, daß der derzeitige Eigentümer der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte, der Ministerialbeamte Gerd Gröger, Chef der Oberen Bauaufsicht in Brandenburg, die bedeutende Ernst-Thälmann-Gedenkstätte abreißen lassen will!

Folgende Fakten sind uns bekannt:

"Charlotte" entführt! Das unter Denkmalschutz stehende Boot "Charlotte" ist verschwunden! Es wurde vom Areal der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte entfernt. Am vergangenen Montag-Abend war es bereits nicht mehr unter dem überdachten Stellplatz.

Inventar verschenkt! Ohne mit dem Freundeskreis zu beraten oder ihn und die Öffentlichkeit zu konsultieren, geschweige denn umfassend zu informieren, hat die Stadt Königs Wusterhausen scheinbar mit Gerd Gröger vertraglich vereinbart, dass das denkmalgeschützte Inventar der Gedenkstätte an die Stadt KW geschenkt und von ihr eingelagert wird. Obwohl das Inventar nicht Gegenstand des Kaufvertrags zwischen Treuhand und Gerd Gröger war, er also nachweislich nicht Eigentümer des Inventars ist (vgl. auch die Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Berichtsanforderung der MdB Gesine Lötzsch (Die Linke)) und außerdem wir als Freundeskreis bekanntlich Eigentumsansprüche an das Inventar stellen, wurde dieser Akt der Abrissvorbereitung vollzogen! Wir wissen, dass der derzeitige Eigentümer legal abreißen darf, wenn (laut Auflagen des Landrats Dahme Spree) die denkmalgeschützten Teile der Gedenkstätte ausreichend dokumentiert und eingelagert werden. Es deutet darauf hin, dass ausgerechnet die Einlagerung nun von der Stadt Königs Wusterhausen übernommen wird, damit der Ministerialbeamte freie Hand für den Abriss hat. Der Heimatverein Niederlehme und seine Räumlichkeiten sollen hier für die Einlagerung herhalten.

Gedenkstätte ausgeräumt! Uns wurde mitgeteilt, dass die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte bereits ausgeräumt sei. Bis auf Stühle und Mobiliar des Freundeskreises scheinen alle Gegenstände der Ausstellung und alles, was der Freundeskreis geschenkt bekommen oder käuflich erworben hat, aus der Gedenkstätte entfernt zu sein!

Soweit die ersten Informationen, die wir hiermit an alle bekannt geben wollen. Die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte befindet sich in größter Gefahr!

Eine erste Protest-Kundgebung fand am Sonnabend, 25. Juli 2009, in Königs Wusterhausen auf der Bahnhofsstrasse vor dem Brunnen statt.

Wir werden um die Ernst-Thälmann-Gedenkstätte kämpfen!

Unser Ziel: Kein Abriss! Keine Verlagerung!

Für den Erhalt und die Wiedereröffnung der Ernst-Thälmann-Gedenkstätte am authentischen Ort!!

Lasst uns gemeinsam kämpfen!

Mit solidarischen Grüßen, Max Renkl, 21.7.2009 (Freundeskreis "Ernst-Thälmann-Gedenkstätte" e. V., Ziegenhals)


Kontakt:
Freundeskreis "Ernst-Thälmann-Gedenkstätte" e.V.,
Ziegenhals, Fürstenwalder Weg 11, 15711 Königs-Wusterhausen,
Email: vorstand@etg-ziegenhals.de,
Internet: http://www.etg-ziegenhals.de

Spendenkonto: Kto.nr.: 3302254, BLZ: 12070000, Bank: Deutsche Bank

Raute

Eine Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 20. Juli 2009 ist überschrieben mit der Zeile:

"Gysi lobt den Kapitalismus"

Im Text der Meldung geht es um Einsichten in den Kapitalismus, die Herr Gysi dem Hessischen Rundfunk anvertraut hat:

"Links-Fraktionschef Gregor Gysi sieht auch gute Seiten des Kapitalismus. Er wolle den Kapitalismus nicht abschaffen, sagte Gysi am Sonntag dem Hessischen Rundfunk. ‹Er erzeugt eine beachtliche Produktivität (wie auf der Seite 5 dieses Heftes nachzulesen ist; d. Red.) und damit auch wissenschaftliche und zum Teil auch künstlerische Hochleistungen.'"(95)

Weiter geht es mit dem typisch sozialdemokratischen "Sowohl - Als Auch", welches so tut, als seien Gesellschaften zu konstruieren wie ein Warenkorb bei Aldi: ein wenig von dem, ein bisschen von diesem, auch das Dritte könnte nicht schaden - und somit Abschied nimmt vom Begreifen des Systems und der Logik einer Gesellschaftsformation:

"Gysi betonte: ‹Ich will den Kapitalismus in seiner ganzen Ungerechtigkeit überwinden, aber das, was er kann, will ich nicht überwinden.'"

Und weiter:

"Sollte die Linkspartei bei der Bundestagswahl am 27. September weniger Stimmen bekommen als beim letzten Mal, werde Deutschland unfriedlicher und unsozialer, fügte der Linkspolitiker hinzu."

Womit er ja eindeutig sagt, dass die Funktion der "Linkspartei" darin besteht, in Deutschland für den sozialen Frieden zu sorgen...


Anmerkung

(95) Künstlerische Höchstleistungen? Da wären wir auf die Benennung einiger Beispiele wirklich gespannt. Wir kennen nämlich keine.

Raute

IMPRESSUM

offen-siv, Zeitschrift für Sozialismus und Frieden

Herausgeber: Verein zur Förderung demokratischer Publizistik e.V.

Mitglieder am Tag der Gründung: Erich Buchholz, Hans Fischer, Frank Flegel, Kurt Gossweiler, Peter Hacks (†), Dieter Hainke,
Ingo Höhmann, Anna C. Heinrich, Günther Lange, Michael Opperskalski, Andrea Schön, Hans Schröter (†).

Geschäftsführung, Redaktion, Satz, Herstellung und Schreibbüro:
Anna C. Heinrich und Frank Flegel
Druck: Lange und Haak, Orsingen-Neuzingen.
Bezugsweise: unentgeltlich, Spende ist erwünscht.

Postadresse: Redaktion Offensiv
Frank Flegel, Egerweg 8, 30559 Hannover
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Internet: www.offen-siv.com

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Quelle:
Offensiv Nr. 4/2009 - Zeitschrift für Sozialismus und Frieden
Postadresse: Redaktion Offensiv
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. August 2009